Moin Impf,
vielen Dank für das Urteil. Ich habe es gelesen und es könnte sein, dass das LSG meine Klage auch an das SG zurückverweist. Ich hoffe nur genauso schnell wie in diesem Fall.
Guten Morgen Meanmaschine,
ich habe die Rechtsprechung zur mittelbaren Unfallfolge, die ich habe, noch einmal rausgesucht:
1. BSG 5. Juli 2011 , B 2 U 17/10 R
2. BSG 15.05.2012 , B 2 U 31/11 R
3. LSG 21.06.2016 , L 3 U 149/12 ZVW
4. BSG 26.10.2017 , B 2 U 6/16 R
So wie Du gesagt hast, ging es um einen Fall, wo ein Durchgangsarzt einen Gesundheistschaden verursacht hat. Ich hatte einige Mühe zu begreifen, was eigentlich eine mittelbare Unfallfolge ist. Denn die Rechtsprechung des BSG ist schwer zu lesen.
Vereinfacht gesagt ist der Gesundheistschaden, den ich durch den Unfall erfahren habe ( gebrochener Arm) die unmittelbare Unfallfolge. Ein Gesundheistschaden, der nach dem Unfall eintritt, die mittelbare Unfallfolge. So eine mittelbare Unfallfolge kann bei der Durchführung der Heilbehandlung entstehen. Z.B. wie Du geschrieben hast, durch den Durchgangsarzt, der einen Behandlungsfehler begeht.
Mit dieser Thematik und Problemstellung mussten sich auch die Zivilgerichte immer wieder beschäftigen. Denn es ging natürlich um Schadenersatzansprüche. Wer zahlt? der Durchgangsarzt? der gesetzliche UV-Träger (BG, Unfallkasse). Wenn der D-Arzt schadenersatzpflichtig ist, muss vor den Zivilgerichten geklagt werden, wenn es der UV-Träger ist vor dem Sozialgericht.
Sehr lange hatte der Bundesgerichtshof zu der Haftungsfrage die Auffassung vertreten, dass der D-Arzt bei einem Behandlungsfehler zahlt, wenn der Schaden in Ausübung seiner hoheitlichen Aufgabe passiert, dann zahlt der UV-Träger.
Das hat häufig dazu geführt, dass jahrelange Prozeße geführt wurden, um zunächst festzustellen, wer der richig Verklagte ist. Deshalb hat der BGH diese Rechtsprechung aufgegeben und entschieden es zahlt immer der UV-Träger. In einem Rundschreiben der UV-Träger hat das Urteil für Aufregung gesorgt, denn es würden weitere Kosten auf sie zukommen.
In der Rechtssprechung des Bundessozialgericht von 2011 zur mittelbaren Unfallfolge sehe ich eine Analogie zur Rechtsprechung des BGH. Liest man sich die Urteile, die zum Teil sehr lang sind genau durch, dann hat das BSG unabhängig vom Einzelfall etwas Grundsätzliches zum Begriff der mittelbaren Unfallfolge gesagt. Es hat diesen Begriff des "Zurechnungstatbestands" allgemeingültig bestimmen wollen.
In dem Urteil vom 05.07.2011 heißt es unter der Randnummer 44 und 46cc:
"Auch hier beruht die gesetzliche Zurechnung auf der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger ( oder diesem zurechenbar) bewilligten oder angesetzten Maßnahme".
"Bei den besonderen Zurechnungstatbeständen kommte es also, entgegen dem LSG, nicht notwendig darauf an, dass objektiv, dh aus der nachträglichen Sicht eines obtimalen Beobachters, die Voraussetzungen eines Vericherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne wirklich vorlagen. Erforderlich ist nur, dass der Träger die Maßnahme gegenüber dem Versicherten in der Annahme des Vorliegens oder der Aufklärungsbedürftigkeit des Sachverhalts eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne veranlasst hat".
Darin sehe ich die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsprechung des BSG, auf die in nachfolgenden Urteilen immer wieder Bezug genommen wird . Das Gericht sagt im Klartext, wenn der UV-Träger tätig wird und Du verpflichtest bist an seinen Maßnahmen (Untersuchung, Behandlung) teilzunehmen, dann trägt er auch für Schäden, die dabei auftreten, die Verantwortung.
Das ist auch nachvollziehbar. Denn der UV-Träger muss unverzüglich Maßnahme zu Deiner gesundheitlichen Wiederherstellung ergreifen. Stellt sich dann später heraus, dass kein Arbeistunfall vorliegt, der UV-Träger bzw. seine Ärzte aber zwischenzeitlich einen Gesundheistschaden angerichtet haben, dann sollen sie nicht sagen können, wir zahlen nicht, sie waren ja gar nicht versichert.
Und in meinem Fall galt noch die Reichsversicherungsordnung RVO. Dort wurde die mittelbare Unfallfolge durch einen zweiten Unfall, der Unfall nach dem Unfall definiert. Auch über einen solchen Fall hat das BSG Recht gesprochen und gesagt, dass es allein um den kausalen Zusammenhang ginge und die Rechtsprechung auch für RVO Fälle gilt.
In meiner Unfallakte von 1993/95 beschreiben zwei Ärzte die Symptome einer sich entwickelnden und dann manifestierten PTBS in ihrer festgelegten Diagnostik nach ICD 10. Als ich 2020 diese Arztberichte das erste Mal gelesen habe und im Internet recherchiert habe, habe ich geahnt, dass ich an einer PTBS litt. Ich habe mich dann sofort in die Behandlung einer Psychotherapeutin begeben. Ihre Diagnose (schriftlich) war PTBS unbehandlet, mittelschwere Depression. Heute gehe ich davon aus, wäre ich behandelt worden, dann wäre ich wieder arbeitsfähig geworden. Davon geht auch meine Psychotherapeutin aus, denn es gab gar keine Vorerkrankungen.
Diesen Gesundheitsschaden hat m.E. die Unfallkasse, damals die Ausführungsbehörde der gesetzlichen Unfallversicherung, verursacht.
Sie hat über ein Jahr lang trotz Arbeitsunfähigkeit keinen Durchgangsarzt beteiligt. Sie hat den vorgeschreibenen D- Arzt durch einen H-Arzt, (der war billiger als ein D-Arzt), einen Hausarzt und zu allerletzt durch einen Orthopäden! ersetzt. Die UK hat mich arbeitsunfähig und traumatisiert in die Behandlung eines Orthopäden gegeben, obwohl sie aus den Arztberichten von meinen psychischen Beschwerden wusste.
Meine PTBS hat sich also nach dem Unfall entwickelt. Meine körperlichen Schäden durch den Unfall wären die unmittebare Unfallfolge, die PTBS, die sich nach dem Unfall entwickelt hat, also bei der (nicht vorschriftsmäßigen) Durchführung der Heilbehandlung,wäre dann die mittelbare Unfallfolge, für die allein die Unfallkasse die Verantwortung trägt.
Das SG musste also gar nicht klären, ob ich versichert war. Nur bei der unmittelbaren Unfallfolge muss der Versicherungsfall vorliegen. Das SG hat sich aber allein auf die Frage beschränkt, ob ich versichert gewesen. Es hat darüber die Klage abgewiesen und hierüber gerechtfertigt, dass es nicht notwendig gewesen sei ein medizinisches Gutachten in Auftrag zu geben. Diese Begründung trifft auf die unmittelbare Unfallfolge zu, nicht aber auf die mittelbare Unfallfolge, wo kein Versicherungsfall vorliegen muss.
Das SG wusste aber aus der Verwaltungsakte, dass die Nachforschungen der Unfallkasse ergeben hatten, dass es nie Vorerkrankungen gegeben hat. Das hätte in einem Gutachten für den kausalen Zusammenhang gesprochen. Zwei Jahrelang hat das SG meinen Antrag auf eine Begutachtung übergangen und dann die Klage über den Versicherungsstatus abgewiesen. Das war dann auch sehr simpel und lag argumentativ allein in den Händen des Gerichts. An das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens hätte sich das Gericht zumindest, so glaube ich, orientieren müssen.
Die Unfallkasse hat mich über den Streitgegenstand in ihrem Bescheid von Anfang ausgetrickst und amit auch die falschen Weichen für das gerichtliche Verfahren gestellt. Das habe ich schon kurz angesprochen, aber nicht ausreichend erläutert. Corakat würde wieder "zu sprunghaft" sagen, deshalb ganz langsam und von Anfang an:
Als ich 2020 meine Unfallakte das erste Mal gesehen habe, hatte die Unfallkasse laut Aktenvorblatt den Arbeits-Wegeunfall laut Aktenvermerk von 2.3.1994 intern anerkannt. Bei der UK habe ich dann einen Antrag auf Erstellung eines Zusammenhanggutachten gestellt. Die befragten Krankenkassen und Ärzte haben der UK mitgeteilt, dass es keine Vorerkrankungen gegeben hat. Das spricht natürlich für Unfallfolgen.
Ein Zusammenhangsgutachten hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit bestätigt, dass es Unfallfolgen sind. Das wäre nicht im Sinne der UK gewesen.
Deshalb wendet sie jetzt einen Trick an. Sie erlässt ohne vorherige Anhörung einen Bescheid und schreibt ich sei gar nicht versichert gewesen.
Das wäre auch eine zutreffende Begründung gewesen meinen Antrag auf ein Zusammenhangsgutachten abzulehnen, wenn es eine unmittelbare Unfallfolge gewesen wäre. Die Begründung, ich sei nicht versichert, ist aber nicht geeignet meinen Antrag auf ein Zusammenhanggutachten abzulehnen, wenn es eine mittelbare Unfallfolge ist. Denn da muss ja kein Versicherungsfall vorliegen.
Mit diesem Bescheid legt die Unfallkasse aber auch den Streitgegenstand für das SG fest. Das Bundesozialgericht hat zwar entschieden, dass allein der Kläger den Streitgegenstand bestimmt, sich aber i.R der Streitgegenstand aus dem Bescheid ergibt. Es hat aber auch gesagt, dass das Gericht zu ermitteln welches Ziel der Kläger verfolgt, was will er geklärt haben.
Beim SG habe ich den Sachverhalt vorgetragen. Ich habe erklärt, dass es nicht mehr erforderlich sei, den Versicherungsfall zu klären, dass es m.E. eine mittelbare Unfallfolge sei und dass die Begründung der UK in ihrem Bescheid deshalb nicht geeinet ist, meinen Antrag auf ein Zusammenhangsgutachten abzulehnen. Ich habe deshalb den Antrag auf Neubescheidung umgestellt. Dem ist das SG nicht gefolgt und hat die Klage allein über den Streitgegenstand des Bescheides abgewiesen.
Ich freue mich auf Antworten und Meinungen. Vielleicht sehe ich ja auch etwas nicht richtig.
Grüße
Aroma