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Urteil ohne Entscheidungsgründe

Hallo Koratcat,
jetzt erst mal Antworten auf Deine Fragen:
1. Die Unfallkasse hat mir gegenüber nie den Wegeunfall in Form eines Bescheides anerkannt.
Dass sie ihn nicht anerkannt haben, ist nicht der Punkt. Punkt ist ein Bescheid, mit dem das offensichtlich eingeleitete Verwaltungsverfahren abgeschlossen wurde. Etwa ein Bescheid, mit dem sie ihre Eintrittspflicht verneint haben, der rechtskräftig geworden ist. Den müsste man dann unter die Lupe der $$ 35 bis 44 SGB X nehmen, ob vielleicht gar nichtig oder zumindest rechtswidrig, was mir in Anbetracht der jüngeren Rechtsprechung des BSG nicht so unwahrscheinlich erscheint, dann jeweils handeln.
 
Hallo Ihr Alle,
vielen Dank an Kasandra, Beutlers und KoratCat. Ich werde dazu noch etwas schreiben. Aber heute möchte ich noch die Frage Nr. 6 von KoratCat beantworten.

Frage Nr. 6
Habe ich Mitschuld?

a. Ich beantworte diese Frage mit einem Zitat aus dem Urteil des OLG Schleswig vom 15.01.2009 - 7 U 76/07 :

"es ist gerade eine typische Folge der unfallbedingten psychischen Erkrankung, dass Therapiemöglichkeiten nicht oder nur in unzureichendem Maße ergriffen werden. Dies kann dem Geschädigten gerade nicht im Sinne von § 254 BGB zum Vorwurf gemacht werden".

Bis zum Oberlandesgericht in Schleswig- Holstein scheint das typische Krankheitsbild einer PTBS vorgedrungen zu sein. Aber die Zivilgerichte, so habe ich es mal in einem Kommentar gelesen, sind ja auch die ordentlichen Gerichte, weil sie unabhängig sind. Da muste ich doch schmunzeln.


b. Ich zitiere weiter Prof. Dr. med Harald Dreßing, Zentralinstitut für seelische Gesundheit Medizinische Fakultät Mannheim aus seinem Beitrag im Hessischen Ärzteblatt 5/ 2016/271, Fortbildung "Kriterien bei der Begutachtung der Postraumatischen Belastungsstörung (PTBS)". Unter dem Punkt Verdeutlichung, Aggravation und Simulation handelt er die Frage ab, wie man den Simulanten erkennen kann.

"Die Beschwerden einer PTBS werden spontan und früh vom Probanden selbst thematisiert. Dies ist für eine PTBS ein untypisches Verhalten, da das Vermeiden von Erinnerungen und die Auseinandersetzung mit dem Trauma ja ein typisches Symtom ist".


c. und noch ein Argument für die fehlende Mitschuld. Es kommt direkt aus der psychopathologischen Befunderhebung "Praxisbuch AMDP, Rolf-Dieter Stieglitz". Dort wird der Satz von Goethe zitiert, den er in einem Brief von 1819 formulierte:

"Man sieht nur, was man weiß".

Der Autor erklärt die Worte von Goethe mit seinen Worten: "Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht".
Diese weisen Worte erklären auch warum ein PTBS Erkrankter seine Krankheit allein, ohne therapeutische Hilfe, nicht erkennen kann.

d. Und jetzt zur Verantwortung des gesetzlichen Unfallversicherungsträger

Es ist für den Unfallversicherungsträger nichts Neues, dass bei Unfällen psychische Beschwerden auftreten. Ich möchte mal sagen, dass sind für ihn "olle Kamellen". Das kann man nachlesen in "100 Jahre gesetzliche Unfallversicherung, heraugegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft, Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und des Bundesverbandder Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (BAGUV), 1985. Den alten Schinken gab es bis vor kurzen noch in großer Zahl für kleines Geld im zentralen Verzeichniss antiquarischer Bücher (ZVAB), war wohl kein Verkaufsschlager. Ich zitiere, S. 249 :

"Unfallkunde; besondere Bedeutung des psychischen Behandlung Unfallverletzter"
"Bezüglich der Behandlung der Unfallreconvaleszenz sind wir mehr und mehr zu der Ueberzeugung geführt worden, daß die psychische Beeinfussung die wichtigste Rolle spielt".

Was glaubt Ihr, liebe Unfallopfer von wann das ist? Es ist aus dem Festvortrag von Prof. Dr. Ledderhose vom 27.11.1901 zur Einweihung des Straßburger Unfallkrankenhauses. Der Unfallversicherungsträger hatte auch ab Ende der 80er Jahre die sog. Weller-Tabellen zur Verfügung. Im Internet unter Lohmeier und Wellertabelle nachschauen. Was war nun die Wellertabelle. Dort waren erstmals Krankheitsverläufe mit der typischen Krankheitsdauer erfasst worden. Beispiel: Dort stand zB. wie lange ein leichtes Schädel-Hirntrauma dauert, wann der Verletzte also wieder gesund hätte sein müssen. Wird die Zeit überschritten, war was nicht in Ordnung. Es war also dem Unfallversicherungsträger erstmals eine Kontrollmöglichkeit in die Hand gegeben worden, um erkennen zu können, ob der Heilverlauf des Verletzten normal ist. Bei meinem Unfall 1993/1994 hätte die Unfallkasse anhand der Weller-Tabelle erkennen können, das der Krankheistverlauf nicht normal ist. Und als Herrin des Verfahrens hat sie die Pflicht, ich zitiere aus dem Abkommen Ärzte/Unfallversicherungsträger von 1984 Ltnr 1:

" Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach den gesetzlichen Vorschriften verpflichtet alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst bald nach dem Arbeitsunfall einsetzende schnelle und sachgemäße Heilbehandlung , insbesondere auch soweit nötig, eine fachärztliche oder besondere unfallmedizinische Versorgung gewährleistet wird".

Ich wollte auch noch kurz sagen, wo man das AbkommenÄrzte/Unfallversicherungsträger im Internet findet. Gefunden habe ich es im Deutsches Ärzteblatt Bekanntmachungen Ausgabe A 81, Jahrbagang Heft 27 vom 4. Juli 1984 (71)Änderungen gab es dann fortlaufend bis das SGB VII 1996 in Kraft trat. Vielleicht gibt es ja außer mir noch weitere Altfälle. Gesundheitsschäden verjähren erst nach 30 Jahren.

Eins hätte ich fast vergessen: Im ZVAB habe ich eine Zeitschrift gefunden "Sicherheit im öffentlichen Dienst" "25 Jahre Schüler-Unfallversicherung", Mai Juni 1996. Auf S. 10 steht ein Artikel mit der Überschrift:

"Studenten im "toten Winkel" der Unfallversicherung?, ein ganz subjektiver Erfahrungsbericht aus einer Universität."
Hier beschreibt ein ehemaliger Student, dass er nie mitbekommen hat, dass bei Unfällen im Labor ein Unfallversicherungsträger agiert hat. und er fragt sich, warum er es nicht gemerkt hat. Als Gründe unter dem Titel "Unbekannte Versicherung?" führt er auf, dass die Studenten keine Beiträge bezahlen und "die Kostenabwicklung eines Versicherungsfalls sich für die Versicherten meistens hinter den Kulissen abspielt".
Geschrieben hat den Artikel Dipl.-Chem. Max Seitz, Mitglied im technischen Aufsichtsrat des Bayrischen GUVV.

Viele Grüße
Aroma
 
Guten Morgen Koratcat,
was ist die Eintrittspflicht, wie macht man das mit dem zitieren, um zu wissen worauf sich die Antwort bezieht?
In der Verwaltungsakte gab es keinen Bescheid. Deshalb habe ich mich auch gefragt ob das Verwaltungsverfahren überhaupt abgeschlossen wurde. Ein Ablehnungsbescheid (ich sei gar nicht versichert) kam erst nachdem ich 2019 Klage eingereicht hatte.

Aber in der Verwaltungsakte war eine Kostenaufstellung für das Finanzministerium. Es waren darin die Kosten für den Hausarzt (Erstversorgung) und den H-Arzt drin enthalten. Auch gab es zwei Rechnungen der LVA Klinik wegen der 24 Stunden Ergotherapie. Sie wurden mit dem Schriftverkehr zwischen Ausführungsbehörde (Unfallkasse) und der Klinik bzw. dem Klinikleiter vor der Mikroverfilmung aus der Akte entfernt. Das es die Rechnungen und den Schriftverkehr aber gegeben hat ergibt sich aus anderen noch vorhandenen Seiten. Die Kosten sind bei der Krankenkasse nicht eingefordert worden, ich hatte ja schon geschrieben, dass sie von dem Arbeitsunfall nichts zu wissen bekommen hat.

Aber ich habe noch etwas Interessantes gefunden. Es gibt im Sozialrecht den VA als konkludente Handlung (durch Kostenübernahme). Suche ich raus und melde mich wieder.

Grüße Aroma
 
Hi Aroma,

Eintrittspflicht und Leistungspflicht sind im Sozialversicherungsrecht synonym. Eine Kostenübernahme als konkludentes Anerkenntnis einer Eintrittspflicht zu interpretieren, bringt m. E. wenig. Dass die "erstmal" die Kosten übernommen haben, während sie ihre Eintrittspflicht prüften, aber hernach zu ihrem Ergebnis kamen, dass sie nicht eintrittspflichtig seien, löst noch keinen Anspruch deinerseits aus.

Statt weiter im Dunkeln zu stochern brauchst Du die Urteilsbegründung. Hast Du dich noch nicht an die Geschäftsstelle des Gerichts gewandt und nach dem Verbleib geforscht?

Grüße

KoratCat
 
Hallo Beutlers, hallo Sekundant,

ich habe ein "Protokoll über die öffentliche Sitzung der 3. Kammer mündliche Verhandlung " bekommen. In dem Protokoll steht noch die "Urteilsformel: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten".

Das Protokoll trägt keine Unterschrift weder von der Richterin noch von der Justizangestellten.

Das Schriftstück heißt zwar Protokoll, ich glaube aber dass es ein Urteil ist, denn nach § 136 SGG (Inhalt des Urteils) werden 7 Punkte aufgezählt.
. Punkte 1 bis 3 sind drin
. Punkt 4. ist die Urteilsformel.
. Punkt 5 Tatbestand fehlt
. Punkt 6 Entscheidungsgründe fehlt
. Punkt 7 Rechtsmittelbelehrung fehlt.

Nach der ZVO gibt es ein sog. Protokollurteil i.S.d § 540. Kennt sich da einer aus? Es ist also ein Protokoll mit einem Urteil. Das glaube habe ich bekommen. Es ist von seiner Anwendung her mit dem Gerichtsbescheid nach dem SGG vergleichbar. Die Sache ist klar, eindeutig. Es ist aber kein Gerichtsbescheid darauf hatte ja schon sekundant aufmerksam gemacht, denn es hat vorher eine mündliche Verhandlung gegeben und wenn das Gericht hierüber eine Entscheidung treffen will, muss man gehört werden. Und dieses Protokollurteil soll ein Prozeßurteil sein, also kein Sachurteil.

Wenn das so wäre, dann könnte ich auf das vollständig abgefasste Urteil warten bis ich schwarz werde (und die 5 Monatsfrist versäumen?)

Wenn im Urteil die Berufung nicht erwähnt wird, dann gilt sie als nicht zugelassen. Dann müsste ich Nichtzulassungsbeschwerde beim LSG eingereichen, fehlen die Entscheidungsgründe dann beträgt die Frist dafür 5 Monate, auch für die Nachholung der Unterschrift.

Ich freue mich auf Antworten und werde beim SG ein unterschriebenes Protokoll nachfordern.
Aroma
 
Ich freue mich auf Antworten und werde beim SG ein unterschriebenes Protokoll nachfordern.
Aroma
Das kannst Du dir sparen. Das Original-Protokoll in der Gerichtsakte ist sicher unterschrieben. Auch wenn Du dir die dir übersandte Ausfertigung als mit dem Original in der Gerichtsakte übereinstimmend beglaubigen lässt, bringt dir das überhaupt nichts.

Wichtig ist, dass Du nachfragst, wo ein schriftliches Urteil mit den Entscheidungsgründen bleibt. Hast Du daran kein Interesse (mehr)? ;)
 
Hallo @Aroma,

ich bin kein Jurist - kann es sein, das Deine Klage gar nicht zugelassen wurde? und dies in einer ersten mündlichen Verhandlung festgestellt wurde. da waren keine ehrenamtlichen Richter dabei? Vielleicht hat Dir damit der Richter die Möglichkeit geben wollen eine neue Begründete Klage einzureichen? Ich würde bei Gericht anrufen und mich aufklären lassen.

Vg beutlers
 
Hallo Koratcat,

das Urteil ohne Entscheidungsgründe wirkt sich auf ein zweites, anhängiges Verfahren beim SG noch aus. Aus den Entscheidungsgründen kann ich entnehmen über welchen Streitgegenstand das Gericht entschieden hat und meine Klage abgewiesen hat. Das zweite Verfahren will das SG jetzt durch Gerichtsbescheid wegen doppelter Rechtshängigkeit, vermeindlich gleicher Streitgegenstand, zurückweisen. Wenn ich die Entscheidungsgründe aber vorher!!! nicht kenne, kann ich überhaupt nicht prüfen, ob tatsächlich doppelte Rechtshängigkeit vorliegt, wovon ich auch nicht ausgehe.
Das heißt: es weist eine Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit ab und später, wenn die Entscheidungsgründe nachgeliefert werden könnte sich herausstellen, dass es unterschiedliche Streitgegenstände sind. Diese Vorgehensweise ist doch absurd.
 
Guten Morgen Koratcat, Beutlers, HWS-Schaden, Kasandra,
es ist so wie ich es erwartet habe:

1. Ein vollständig abgefasstes Urteil wurde nicht der Geschäftststelle übergeben.
2. Im Protokoll wurde ein Urteil gesprochen- die Klage wird abgewiesen.
3. Damit wird das Urteil wirksam
4. Jetzt läuft die 5 Monatsfrist für die Berufung oder Nichtzulassungsbeschwerde, wenn noch kein vollständig abgefastes Urteil vorliegt. Hättest Du ein vollständig abgefastes Urteil bekommen, dann gilt die 1 Monatsfrist für die Berufung oder Nichtzulassungsbeschwerde.
Wenn im Protokoll das Urteil verkündet ist ( die Klage wird abgewiesen= Urteilsformel) und es fehlt eine Aussage über die Berufung, dann ist die Berufung nicht!!!! zugelassen. Du musst also Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Bei einem Urteil ohne Entscheidungsgründe läuft die 5 Monatsfrist ab dem Tag der Verkündung des Urteils.
5. Wenn Du diese Frist versäumst, weil Du gutgläubig und ahnungslos auf Dein vollständiges Urteil wartest, dann hast Du verloren, denn das Urteil ist nach den 5 Monaten bestandskräftig geworden.
6. Das scheint der neuste Trick zu sein, um Unfallopfer um ihre Ansprüche zu bringen. Ihr solltet die anderen im Unfallforum darauf aufmerksam machen.
7. Ich habe beim Landessozialgericht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Grüße, Aroma
 
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