Hallo Ihr Alle,
vielen Dank an Kasandra, Beutlers und KoratCat. Ich werde dazu noch etwas schreiben. Aber heute möchte ich noch die Frage Nr. 6 von KoratCat beantworten.
Frage Nr. 6
Habe ich Mitschuld?
a. Ich beantworte diese Frage mit einem Zitat aus dem Urteil des OLG Schleswig vom 15.01.2009 - 7 U 76/07 :
"es ist gerade eine typische Folge der unfallbedingten psychischen Erkrankung, dass Therapiemöglichkeiten nicht oder nur in unzureichendem Maße ergriffen werden. Dies kann dem Geschädigten gerade nicht im Sinne von § 254 BGB zum Vorwurf gemacht werden".
Bis zum Oberlandesgericht in Schleswig- Holstein scheint das typische Krankheitsbild einer PTBS vorgedrungen zu sein. Aber die Zivilgerichte, so habe ich es mal in einem Kommentar gelesen, sind ja auch die ordentlichen Gerichte, weil sie unabhängig sind. Da muste ich doch schmunzeln.
b. Ich zitiere weiter Prof. Dr. med Harald Dreßing, Zentralinstitut für seelische Gesundheit Medizinische Fakultät Mannheim aus seinem Beitrag im Hessischen Ärzteblatt 5/ 2016/271, Fortbildung "Kriterien bei der Begutachtung der Postraumatischen Belastungsstörung (PTBS)". Unter dem Punkt Verdeutlichung, Aggravation und Simulation handelt er die Frage ab, wie man den Simulanten erkennen kann.
"Die Beschwerden einer PTBS werden spontan und früh vom Probanden selbst thematisiert. Dies ist für eine PTBS ein untypisches Verhalten, da das Vermeiden von Erinnerungen und die Auseinandersetzung mit dem Trauma ja ein typisches Symtom ist".
c. und noch ein Argument für die fehlende Mitschuld. Es kommt direkt aus der psychopathologischen Befunderhebung "Praxisbuch AMDP, Rolf-Dieter Stieglitz". Dort wird der Satz von Goethe zitiert, den er in einem Brief von 1819 formulierte:
"Man sieht nur, was man weiß".
Der Autor erklärt die Worte von Goethe mit seinen Worten: "Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht".
Diese weisen Worte erklären auch warum ein PTBS Erkrankter seine Krankheit allein, ohne therapeutische Hilfe, nicht erkennen kann.
d. Und jetzt zur Verantwortung des gesetzlichen Unfallversicherungsträger
Es ist für den Unfallversicherungsträger nichts Neues, dass bei Unfällen psychische Beschwerden auftreten. Ich möchte mal sagen, dass sind für ihn "olle Kamellen". Das kann man nachlesen in "100 Jahre gesetzliche Unfallversicherung, heraugegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft, Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und des Bundesverbandder Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (BAGUV), 1985. Den alten Schinken gab es bis vor kurzen noch in großer Zahl für kleines Geld im zentralen Verzeichniss antiquarischer Bücher (ZVAB), war wohl kein Verkaufsschlager. Ich zitiere, S. 249 :
"Unfallkunde; besondere Bedeutung des psychischen Behandlung Unfallverletzter"
"Bezüglich der Behandlung der Unfallreconvaleszenz sind wir mehr und mehr zu der Ueberzeugung geführt worden, daß die psychische Beeinfussung die wichtigste Rolle spielt".
Was glaubt Ihr, liebe Unfallopfer von wann das ist? Es ist aus dem Festvortrag von Prof. Dr. Ledderhose vom 27.11.1901 zur Einweihung des Straßburger Unfallkrankenhauses. Der Unfallversicherungsträger hatte auch ab Ende der 80er Jahre die sog. Weller-Tabellen zur Verfügung. Im Internet unter Lohmeier und Wellertabelle nachschauen. Was war nun die Wellertabelle. Dort waren erstmals Krankheitsverläufe mit der typischen Krankheitsdauer erfasst worden. Beispiel: Dort stand zB. wie lange ein leichtes Schädel-Hirntrauma dauert, wann der Verletzte also wieder gesund hätte sein müssen. Wird die Zeit überschritten, war was nicht in Ordnung. Es war also dem Unfallversicherungsträger erstmals eine Kontrollmöglichkeit in die Hand gegeben worden, um erkennen zu können, ob der Heilverlauf des Verletzten normal ist. Bei meinem Unfall 1993/1994 hätte die Unfallkasse anhand der Weller-Tabelle erkennen können, das der Krankheistverlauf nicht normal ist. Und als Herrin des Verfahrens hat sie die Pflicht, ich zitiere aus dem Abkommen Ärzte/Unfallversicherungsträger von 1984 Ltnr 1:
" Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach den gesetzlichen Vorschriften verpflichtet alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst bald nach dem Arbeitsunfall einsetzende schnelle und sachgemäße Heilbehandlung , insbesondere auch soweit nötig, eine fachärztliche oder besondere unfallmedizinische Versorgung gewährleistet wird".
Ich wollte auch noch kurz sagen, wo man das AbkommenÄrzte/Unfallversicherungsträger im Internet findet. Gefunden habe ich es im Deutsches Ärzteblatt Bekanntmachungen Ausgabe A 81, Jahrbagang Heft 27 vom 4. Juli 1984 (71)Änderungen gab es dann fortlaufend bis das SGB VII 1996 in Kraft trat. Vielleicht gibt es ja außer mir noch weitere Altfälle. Gesundheitsschäden verjähren erst nach 30 Jahren.
Eins hätte ich fast vergessen: Im ZVAB habe ich eine Zeitschrift gefunden "Sicherheit im öffentlichen Dienst" "25 Jahre Schüler-Unfallversicherung", Mai Juni 1996. Auf S. 10 steht ein Artikel mit der Überschrift:
"Studenten im "toten Winkel" der Unfallversicherung?, ein ganz subjektiver Erfahrungsbericht aus einer Universität."
Hier beschreibt ein ehemaliger Student, dass er nie mitbekommen hat, dass bei Unfällen im Labor ein Unfallversicherungsträger agiert hat. und er fragt sich, warum er es nicht gemerkt hat. Als Gründe unter dem Titel "Unbekannte Versicherung?" führt er auf, dass die Studenten keine Beiträge bezahlen und "die Kostenabwicklung eines Versicherungsfalls sich für die Versicherten meistens hinter den Kulissen abspielt".
Geschrieben hat den Artikel Dipl.-Chem. Max Seitz, Mitglied im technischen Aufsichtsrat des Bayrischen GUVV.
Viele Grüße
Aroma