Hallo Kasandra,
das was Dir und mir 1993 mit der BG und der Unfallkasse passiert ist, war damals üblich, die Verletzten nicht aufzuklären und sie um ihre Ansprüche zu prellen, bei mir haben sie sogar nicht einmal vor einer Falschberatung zurückgeschreckt. Es war damals das ganz normale Vorgehen der Unfallversicherungsträger, irreführend, oder unvollständig oder gar nicht zu beraten. Lies es selber, wie heftig der Bundesdatenschutzbeauftragte im Deutschen Bundestag die Unfallversicherungen kritisiert hat.
Ich zitiere aus dem "Tätigeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz" (nachzulesen im Internet unter "Deutscher Bundestag 13 Wahlperiode Drucksache 13/1150 18.04.95 Sachgebiet 204")
" Unfallversicherung"
S. 94 u. 95 " Entgegen den ausdrücklichen umfassenden gesetzlichen Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflichten nach §§ 67 a Abs. 3, Abs. 4, 67 b und c Abs. 2, 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB X und §§ 14, 66 Abs. 3 SGB I geben die Unfallversicherungsträger diese Hinweise und Erläuterungen zumeist unvollständig, häufig irreführend, jedenfalls aber in einer Weise, die es dem Versicherten nicht ermöglicht, die tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhänge so konkret wie möglich zu erfassen, um seine schutzwürdigen Interessen durch bewußte und gezielete Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte gegenüber dem Unfallversicherungsträger wirksam verfolgen zu können".
Den Verletzten aus dieser Zeit Mitschuld geben zu wollen ist damit wohl vom Tisch. Ist ja auch immer ganz wichtig als Argument, dass für einen spricht.
Für mich war es ein langer Weg, die ganzen Gesetzesgrundlagen zu finden, und dann zu besorgen. Ich gebe sie gerne weiter. Die Berufsgenossenschaften BG gab es schon zur Zeit der Reichsversicherungsordnung. Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind es heute die Unfallkassen, die entstanden aber erst mit Einführung des SGB VII 1996. Davor haben die sog Ausführungsbehörden der gesetzlichen Unfallversicherungen der Länder die Abwicklung von Arbeitsunfällen übernommen. Die waren aber nur der verlängerte Arm der Finanzministerien, die haben bestimmt was die Ausführungsbehörden zu tun hatten. Sie haben entschieden ob Verletztenrente gezahlt wird. In meiner Akte wurde der Schriftverkehr zwischen beiden fast vollständig entfernt.
Auch die Kinder, Schüler und Studenten wurden ab 1971 unfallversichert( Gestz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten). Das war eine sehr unfallträchtige Personengruppe (Kinder!) die ein hafen Geld den Löndern gekostet hat. Denn die Kosten, z.B. die Verletztenrente ging zu Lasten der Länderhausehalte.
Ich gehörte damals zu dieser Personengruppe. Ich hatte zwar schon mein Studium beendet, war aber noch an der Universität tätig. Man hatte mich nach meiner Diplomarbeit gefragt, ob ich mir vorstellen könnte an einer Forschungsarbeit zu arbeiten. Das hätte mindestens 3 Jahre gedauert, und es wäre auch meine Doktorarbeit geworden. Man wollte für mich Fotschungsgelder beantragen, aber zuvor muss man mit der Arbeit beginnen und erste Ergebisse für den Antrag vorweisen. Also fing ich an und arbeitet schon fast ein Jahr im Labor. Ich fuhr täglich mit dem Zug nach Kiel und dann passierte es am 22. Dezember 1993 um 7 Uhr 45 . Die beiden Züge stießen bei voller Fahrt mitten im Wald bei Dunkelheit frontal zusammen.
Rettungswagen kamen nicht an den Unfallort, die Verletzten irrten alle durch den Wald. Ich fand in einem Haus Einlass und von dort rief jemand meinen Mann auf seiner Arbeitstelle an. Er holte mich stunden später mit dem Auto ab, wir sammelten auf der Fahrt noch zwei verletzte Frauen ein, die dann wenig später in einen anderen Wagen umstiegen, weil auch ihre Männer an die Unfallstelle geeilt waren. Ich war durch den Zug geschleudert worden und auf dem Kopf gelandet als der Zug entgleiste und die Böschung runterstürzte. Niemand durfte meinen Kopf anfassen, solche Schmerzen hatte ich. Bis heute habe ich auf dem Schädeldach immer noch dien eingedrückte Stelle.
Der Hausarzt hat die Schnitt und Platzwunden am Kopf versorgt und mich zum Röntgen geschickt. Dieser Arzt hatte an seiner Tür das Schild "Unfallarzt" hängen. Heute weiß ich aus meiner Akte, dass er kein D-Arzt war, sondern ein Arzt für Allgemeinmedizun und ein sog H-Arzt.
H- Ärzte gibt es heute nicht mehr, sie waren so ließt man es immer "abgespeckte" D- Ärzte. Sie sollten, weil zuwenige da waren diese entlasten.
In der Kleinstadt wo ich wohnte gab es nur diesen H-Arzt und jeder kam dort hin. Für den gab es im Abkommen Ärzte/Unfallversicherungsträger aber nur eingeschränkte Befugnisse. Er durfte nur behandeln, wennn der Verletzte ihn selbst aufsuchte, bei einer Überweisung (und ich wurde überwiesen) durfte er nicht tätig werden. Bei Arbeitsunfähigkeit (und das lag bei mir vor) durfte nur der D-Arzt tätig werden. Nach dem Abkommen musste auch der D- Arzt bei einer Behandlungsbedürftigkeit von mehr als einer Woche zwindeng eingeschaltet werden. Durch diese zusätzliche Vorschrift deckte man auch die sog. Schulunfälle ab, denn Kinder Schüler und Stundenten sind ja nicht "arbeitsunfähig", wohl aber "behandlungsbedürftig".
Wie ging es weiter? Nach einer Woche traten bei mir Lähmungserscheinungen in beiden Beine auf. Ich konnte nicht mehr laufen. Der Hausarzt machte einen Hausbesuch und sagte mir wenn ich wieder laufen können soll ich noch mal die Wirbelsäule röntgen lassen, natürlich wieder bei diesem H-Arzt. Wochen später hatte ich wieder Lähmungserscheinungen. Mein Erinnerungsvermögen war geschädigt, ich konnte mich nicht konzentrieren, keine zwei Sachen gleichzeitig machen und hatte Gleichgewichtsstörungen. Mein Hausarzt empfahl mir 12 Stunden Ergotherapie in dieser Rehaklinik. Das war Ballhüpfen und Bildermalen. Danach bekam ich noch 12 Stunden, dann, das waren seine Worte, kann ich nichts mehr für sie tun. Und wie gesagt, die Klinik gehörte zum Rentenversicherungsträger, der LVA, Landesversicherungsanstalt. Der Leiter dieser Klinik, der Orthopäde war, musste sich, weil für die Rentenversicherung tätig, in Sachen Unfall, Erwerbsminderung etc. also auskennen. Als ich nach einem Jahr immer noch krank war hat er hinter meinem Rücken für die Unfallkasse (Ausführungsbehörde) eine Stellungnahme geschrieben, dass es keine primären Unfallfolgen sind. Von alle dem habe ich nichts erfahren. Die Unfallkasse hat die Akte zugemacht und in den Keller gepackt. Jetzt hätte sie mich an die Krankenkasse weiterleiten müssen. Denn wenn sie sich für nicht zuständig hält (keine Unallfolgen) muss sie den zuständigen Leistungsträger einschalten. Was glaubt ihr, wenn die Krankenkasse in die Akte der Unfallkasse reingeschaut hätte wohl gesagt hätte? Ein Jahr lang war ich nicht vom D- Arzt behandelt worden, die Lähmungserscheinungen und die Blutergüsse an der ganzen Wirbelsäule hätten die Unfallkasse veranlassen müssen mich sofort in eine Spezialklinik einweisen zu müssen (Verdacht auf Verletzung nach dem Verletzungsartenverfahren. Die Unfallkasse hat den H-Arzt zum D-Arzt gemacht, er wurde aufgefordert eine Nachschau bei mir zu machen, was nur ein D-Arzt durfte. Die haben ihn zum Rechtsverstoß aufgefordeert und der mitgemacht. Eins sollte auf keinen Fall passieren: ich sollte auf keinen Fall zum D-Arzt, denn der musste aufklären, die MdE festlegen etc. Bei mir, so krann sich das anhört, hatten die Bürosachbearbeiter der Ausführungsbehörde die Behandlung übernommen. Das war den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern durch das Abkommen Ärzte/Unfallversicherungsträger ab 1991 verboten worden. Die Leitnummer Ltnr 7 (1) die das möglicherweise bei Interpretation zugelassen hätte, wurde ersatzlos gestrichen. Das wäre auch die verbotene Handlung von der CoraCat gesprochen hat. Morgen will ich auch Ihr und den anderen antworten.
Nur noch kurz etwas für Kasandra, wegen der RVO: Nach der dreizehnten Woche mussten von Amtswegen die Ansprüche (z.B. Verletztenrente) festgestellt werden, und zwar förmlich § 1583 RVO und darüber ein Bescheid erlassen werden § 1586 RVO. In der Vorschrift heißt es weiter, wenn noch kein Bescheid erlassen werden kann, dann ist dem durch ein einfaches Schreiben mitzuteilen, warum das noch nicht geht.
Ich habe weder einenen Bescheid noch ein einfaches Schreiben bekommen.
Nach Ablauf der 26ten Woche musste wieder ein Bescheid ergehen § 1587 und die Entschädigung festgestellt werden. Haben sie das bei Dir gemacht? Ich habe wieder nichts erfahren oder ein Schreiben bekommen. Und nun zu Deinem Gutachten. Nach der Reichsversicherungsordnung waren die Unfallversicherungsträger (BG, Unfallkasse) verpflichtet bei einem Gutachten, wenn Du das willst Deinen Hausarzt zu hören. Immer dann, wenn es um die Frage geht sind das Unfallfolgen, weiß der hasuarzt am besten, wie es Dir vorher ging. Dasd war schön gut durchdacht und im Sinne des Versicherten, das sich die Unfallkasse bei mir einen Treufel um die Vorschrift geschert hat ist doch klar: ich war in meinem Leben vorher nie krank. Hier der § 1582 (1) RVO.
Über die Leistungen zur Reha und zur Berufshilfe, die Du und ich auch nicht bekommen haben, schreibe ich in den nächsten Tage. Wo es steht und was sie hätten machen müssen. Ich hoffe ich habe Euch nicht zu sehr geschafft und um Absätze habe ich mich auch bemüht.
Viele Grüße und auf die anderen Antworten werde ich auch noch zurückkommen.
Aroma