"BSG-Krankegeld-Falle" - zum Rechtsprechungswechsel
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Der 3. BSG-Senat hat – nach 2 ½-jähriger Zuständigkeit – gleich bei erster Gelegenheit bewiesen,
dass er eine eigene, andere Meinung hat, indem er die restriktiven Ausnahmefälle erweiterte und die
sog. „Recht“sprechung des 1. BSG-Senats „aufgab“ (bzw. als Unsinn verwarf). Das
Ergebnis stimmt!
Die
Begründung kennen wir noch nicht genau. Spannend wird, ob die Aufhebung des LSG-Urteils
aus Rheinland-Pfalz mit Argumenten aus Rheinland-Pfalz, z. B. der dort (im Gegensatz zu Koblenz)
standhaften Sozialgerichte Speyer und Mainz begründet wird – oder ob diese weiterhin ignoriert
werden.
Nach dem
Rechtsprechungs-Wechsel bräuchten die nachgeordneten Gerichte jedenfalls schnell
klare Ansagen, denn das nun vorgelegte Schema ist ebenso ausbaufähig wie das frühere:
Dabei ist es der gesamten Sozialgerichtsbarkeit bereits in den letzten 12 Jahren nicht gelungen, die
Formulierung
„durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert
(zB durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und
des MDK)“
auf
Fehlentscheidungen im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu
übertragen. Der Alt-Fall, in dem der Arzt Arbeitsunfähigkeit nur bis Freitag bescheinigte, obwohl ihm
klar war, dass diese weiterhin besteht und er meinte, es reiche, wenn er die Folgebescheinigung
beim Termin am Montag ausstelle, hätte sich ohne weiteres und zwangläufig eingepasst. Doch
offenbar fehlte das „grüne Licht“ bzw. der „Papageien-Vorsprecher“.
Ähnlich ignorant und „BSG-gläubig“ waren die Gerichte auch gegenüber Irritationen aus § 6 Abs. 2
AU-RL a.F., obwohl sie von Wolfgang Keller, Krankengeld-Richter im LSG RP, und von Ulrich Knispel,
damals Vorsitzender Krankengeld-Richter im LSG NRW, ausreichend Denkanstöße hatten.
Also wird es mit Blick auf das vom BSG genannte Ziel, dem „
Schutz des Versicherten in der
sozialen Krankenversicherung gerecht zu werden (vgl § 2 Abs 2 SGB I: möglichst weitgehende Verwirk-
lichung der sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften des SGB)“ sehr auf die Urteilsbegründung
ankommen – auf jedes einzelne Wort! Auch darauf, dass es
unverhältnismäßig wäre, einem Pflicht-
versicherten, der alle sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, den ggf bis zu 78 Kalen-
derwochen währenden Krg-Anspruch zu versagen, nur weil er die Folge-AUB bei eindeutig
fortbestehender AU nicht rechtzeitig geholt („verbummelt“) hat, obwohl in solchen Fällen
nur das
Ruhen des Anspruchs angemessen wäre.
Eine Rechtsauslegung mit dem gegenteiligen Ergebnis wäre jedenfalls erklärungsbedürftig.