Hallo@all
Um einmal mit einem Mythos zum Verletztengeld aufzuräumen – und als Hinweis sämtliche hier aufgeführten Urteile sind den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern bekannt. Sie sind alle Inhalt der DGUV-Nachscglagewerke:
1. Verletztengeld endet nicht zwingend mit der 78. Woche
Oder anders formuliert, theoretisch kann das Verletztengeld unendlich lange laufen.
BSG, Urteil vom 13.09.2005 - Aktenzeichen B 2 U 4/04 R
Leitsatz 2: Liegt weder ein Ende des Verletztengeldanspruchs nach § 46 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB VII noch nach § 46 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB VII vor und sind auch die für alle drei Tatbestände gemeinsamen Voraussetzungen nach § 46 Abs. 3 S. 2 SGB VII nicht gegeben, so tritt auch nach § 46 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII allein wegen des Ablaufs der Frist von 78 Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit kein Ende des Verletztengeldanspruchs ein.
Verletztengeld ist in diesem Fall über die 78. Woche hinaus zu zahlen.
Leitsatz 3: Für die Feststellung des Endes des Verletztengeldanspruchs nach § 46 Abs. 3 S. 2 SGB VII ist ein Verwaltungsakt erforderlich, weil es eine Prüfung iS einer Prognoseentscheidung erfordert, die nicht durch die Gerichte ersetzt werden kann.
BSG vom 30.10.2007 – B 2 U 31/06 R –
Leitsatz 3: Eine Höchstgrenze von 78 Wochen für das Verletztengeld kennt das SGB nicht.
Wenn der Verletztengeldanspruch weder nach Nr 1 noch nach Nr 2 des § 46 Abs 3 S 2 SGB VII endet und auch die für alle drei Tatbestände gemeinsamen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben sind, so fällt auch nach Nr 3 allein wegen des Ablaufs der Frist von 78 Wochen seit Beginn der AU der Verletztengeldanspruch nicht weg; vielmehr ist Verletztengeld auch über die 78. Woche hinaus zu zahlen.
2. Wann das Verletztengeld endet, ist im Gesetz genau festgelegt:
§ 45 SGB VII
(3) Das Verletztengeld endet
1. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme,
2. mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht.
Zu 1. : Also mit Gesundschreibung oder wenn z.B. ein stationärer Krankenhausaufenthalt zur Therapie erfolgt. Bei Krankenhausaufenthalt gilt dann MdE 100 bzw. Krankengeld.
Zu 2.: Übergangsgeld ersetzt das Krankengeld bei REHA-Maßnahmen oder bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Weiterbildungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen) oder während der stufenweisen Wiedereingliederung und wird durch den gesetzlichen Rentenversicherer DRV gezahlt.
Dieser Teil des Gesetzes gilt also für eine Personengruppe, bei denen noch die Möglichkeit besteht, dass sie wieder arbeitsfähig wird oder bei denen noch ein Behandlungsbedarf besteht.
Aber es geht noch weiter im Text der §:
Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld
1. mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, daß die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können,
2. mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches genannten Leistungen, es sei denn, daß diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen,
3. im übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.
Zu 1. : Also mit Arbeitsfähigkeit in einer Tätigkeit, die nicht zwingend der Tätigkeit vorher entspricht aber zumutbar ist.
Zumutbar bedeutet es entspricht den Fähigkeiten und den Neigungen des Betroffenen.
Ohne jetzt die gesundheitlichen Folgen zu berücksichtigen, dies bedeutet z.B. ein Lehrer kann dann nicht auf eine Hilfstätigkeit im Sortierdienst mit deutlich weniger Gehalt verwiesen werden. Aber ein ungelernter Arbeiter kann durchaus auf eine andere ungelernte Tätigkeit verwiesen werden wobei es auch hier Grenzen gibt.
Für die Auslegung des Begriffs der zumutbaren, zur Verfügung stehenden Berufs- und Erwerbstätigkeit i.S. von § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VII kann die Rechtsprechung des BSG zur Verweisbarkeit der Versicherten im Rahmen der Berufsunfähigkeitsrente nicht herangezogen werden. Vielmehr ist hier den Versicherten - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V - ein zumutbarer Arbeitsplatz konkret und tatsächlich nachzuweisen (LSG HES – L 3 U 24/07 –).
Erhält dann ein anderer Bewerber die Stelle, steht das nicht mehr der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Zur-Verfügung-Stehens" entgegen (vgl. ausführlich Benz/Köllner, Das Ende des Verletztengeldanspruchs (§ 46 Abs. 3 SGB VII, Die BG, Januar 2000, S. 39 ff. [41, 42]).
Zu 2. : § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches betrifft Rentenleistungen. Sprich, der Betroffene ist in Rente. Aber s. Zusatz es sei denn, daß diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen. Bedeutet, wenn der Betroffene z.B. Erwerbsminderungsrente der DRV auf Grund alleinig der Folgen des Unfalls bekommt, dann endet das Verletztengeld aus diesem Grunde nicht.
Zu 3. : im Übrigen also wenn die ganzen anderen Gründe nicht eingetroffen sind.
Hier greift dann obiges BSG-Urteil. Für das Ende des Verletztengeldes ist dann ein Verwaltungsakt mit Prognoseentscheid erforderlich. Wobei dieser Prognoseentscheid mur in die Zukunft gerichtet sein kann, rückwirkende Feststellungen sind nicht möglich.
BSG - B 2 U 4/04 R -
Das Ende des Verletztengeldanspruchs nach § Abs 3 Satz 2 ist durch Verwaltungsakt 46 SGB VII festzustellen, weil es eine Prüfung iS einer Prognoseentscheidung erfordert, die nicht durch die Gerichte ersetzt werden kann (vgl Nehls in: Hauck/Noftz, , Stand 2005, § RdNr 11; aA Mehrtens in: SGB VII § 46 Bereiter-Hahn-Mehrtens, Stand 2005, § RdNr 9.3; differenzierend Ricke in: Kasseler SGB VII § 46 Kommentar, Stand 2005, § 46 SGB VII RdNr 9; Krasney in Brackmann, aaO, § 46 RdNr 19).
Die Frage, ob § 46 SGB VII berufsfördernde Leistungen zu erbringen sind, richtet sich dabei nach den Erfolgsaussichten, dem Alter des Versicherten und weiteren Umständen, die der Unfallversicherungsträger bei seiner Prüfung berücksichtigen muss (vgl Ricke, aaO, RdNr 11).
Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers an.
Eine rückwirkende Feststellung der Voraussetzungen einer Beendigung des Verletztengeldanspruchs nach § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII kommt dabei nicht in Betracht (vgl im Ergebnis 46 SGB VII BSG SozR 3-2700 § 46 Nr 1).
Insoweit ist es entgegen der Auffassung der Beklagten unbeachtlich, ob eine Gewährung von Entschädigungsleistungen erst nachträglich zuerkannt wurde.
Da die Beklagte bis zum 30.März 2003 keinen Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger über eine Beendigung des Verletztengeldanspruchs erlassen hatte, bestand der Anspruch jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt, wie das LSG im Ergebnis zutreffend festgestellt hat.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist zutreffend, soweit es den Anspruch des Klägers auf Verletztengeld für die Zeit vom 10. Dezember 1998 bis zum 30. März 2003 betrifft.
1998 – 2003 macht dann 5 Jahre Verletztengeld und damit deutlich mehr als 78 Wochen.
Gruß