Betreff: GKV-VSG: Krankengeld – Soziales von Gabriel und Nahles ?
Datum: Thu, 04 Jun 2015 18:05:35 +0200
Von: ...
An:
sigmar.gabriel@spd.de
Sehr geehrter Herr Gabriel,
die „ungewollten Härten“ der umstrittenen BSG-Krankengeld-Rechtsprechung sind
längst erkannt. Zunehmend deutlich werden aber auch die Hilflosigkeit der SPD und die
Gefahr eines für den sozialen Rechtsstaat und die Partei folgenschweren Fehlers.
Der aktuelle Zickzack-Kurs zu § 46 SGB V führt unmittelbar ins sozialpolitische Abseits.
Mit dem nun vorgesehenen Änderungsantrag Nr. 12 baut die Koalition auf Irrwegen einer
über Jahre gescheiterten BSG-Rechtsprechung auf (frühere Urteile der Sozialgerichte Trier,
Mainz und Speyer sowie des LSG Essen vom 17.07.2014, Beschluss des SG Speyer vom
03.03.2015, S 19 KR 10/15 ER – „unlauter“, „contra legem“ ... ).
Stattdessen muss die anstehende Rechtsänderung endlich für Klarheit sorgen. Es ist
an der Zeit, das Krankengeld nun wieder in das Sozialrecht zu integrieren und mit übrigen
Sozialleistungen zum Lebensunterhalt (beispw. Arbeitslosengeld) zu harmonisieren. Immer-
hin ist das Sozialgesetzbuch die größte sozialpolitische Errungenschaft der Nachkriegszeit
und wäre mit Füßen getreten, wenn die derzeitige illegale Praxis beliebiger meist rückwir-
kender Krankengeld-Einstellungen entgegen den Errungenschaften zu „Augenhöhe und
Vertrauensschutz“ nicht beendet, sondern ausdrücklich gesetzlich legalisiert würde.
Darüber hinaus ist es ist unverhältnismäßig und verfassungswidrig, speziell die Personen-
gruppe der Arbeitsunfähigen ohne Beschäftigungsverhältnis wegen banaler Formalitäten beim
Anspruch auf Krankengeld und damit in ihrer Existenz vernichtend zu sanktionieren. Stattdes-
sen muss der Staat die per Zwangsversicherung mit Zwangsbeiträgen erworbenen Ansprüche
seiner Staatsbürger einlösen.
Immerhin haben die SPD-Abgeordneten im Gesundheitsausschuss des Bundestages vor zwei
Jahren einem sozialrechtlich lobenswerten Antrag der GRÜNEN zugestimmt. Dieser Linie sollten
Sie auch in der GroKo treu bleiben, zumal die angebliche Problematik – ähnlich wie im Falle zu
später Abgabe der Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung – auf dem angemessenen rechtlichen
Weg des tageweisen Ruhens zu lösen ist und keiner Anspruch-Vernichtung bedarf.
Es ist schon bedauerlich genug, dass die SPD einige Jahre lang nicht bemerkte oder sogar
billigend in Kauf nahm, wie mit der Überzeugung ihrer Vorfahren anlässlich engagierter Diskus-
sion in den Jahren 1960 / 1961 und 1988 zum Krankengeld umgegangen wurde. Die Rede ist vom
Karenztag. Der - eine - Karenztag für die gesamte Dauer der Arbeitsunfähigkeit wurde entgegen
eindeutiger gesetzlicher Regelung vom BSG im Jahr 2007 stillschweigend auch für auf jede
Folge-Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung ausgedehnt, illegal vervielfacht.
Im Interesse des sozialen Rechtsstaates und der dafür einstehenden SPD hoffe ich auf eine
Korrektur zur vorgesehenen Krankengeld-Neuregelung. Und sicher stehe ich damit nicht
allein.
Mit freundlichen Grüßen