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"BSG-Krankengeld-Falle" - endlich die Sensation !

Wann war es denn, dass deine "AU bis Freitags lief und erst Montags verlängert wurde"?

Wenn dies noch während des Arbeitsverhältnisses (bis 17.05.2011) war, wäre es so oder
so unschädlich; wenn es später war, müsstest du ab 18.05.2011 bis zur "Lücke" längst
Krankengeld erhalten haben - oder was gibt es da für Besonderheiten?

Ja, "die KK selbst hatte damit überhaupt kein Problem" - jedenfalls damals! Die Probleme
haben ursprünglich nur die sog. "Sozial"gerichte gemacht, insbesondere das Bundes"sozial"-
gericht mit dem 1. Präsidenten-Senat und seiner Fiktions-"Recht"sprechung, erst später - seit
einigen Jahren - auch die "Abschreiberlinge". Dabei ist regelmäßig nicht berücksichtigt worden,
dass die Praxis viele Jahre ganz anders war und weder Ärzte noch Patienten über Änderungen
informiert wurden. Die Position des 1. BSG-Senates dazu ist unerträglich, halt ebenfalls Fiktion,
weil sonst die anderen Fiktionen in sich zusammengebrochen wären.

Warst du zwischen der Aussteuerung Ende 2009 und der anderen Erkrankung ab Mai 2010 im
Alg-Bezug? Und was war zwischen Mai 2010 und Februar 2011 vor der Arbeit?

Wenn du das SG-Urteil anonymisiert hier einstellen könntest, wäre dies sehr hilfreich.

Ich arbeite inzwischen mal am einem Text-Teil als Entwurf für deinen RA.
 
Hier schon mal etwas Text zur unzulässigen Rückwirkung:

Die Gerichte haben bisher nicht berücksichtigt, dass ihre Einschätzung von einer unzulässigen Rückwirkung ausgeht. Während der hier maßgeblichen Zeit ab Mai 2011 gehörte die BSG-Krankengeld-Falle mit ihren existenzvernichtenden Auswirkungen nicht zum Instrumentarium der dem Bundesversicherungsamt und dessen Rechtsaufsicht unterstellten Krankenkassen. Dies gilt insbesondere für die Ersatzkassen und damit auch für die DAK. Deren Versicherte wussten – ebenso wie die meisten Ärzte – damals noch nichts von der schleichenden Einführung, hauptsächlich durch die den Länderministerien unterstellten Allgemeinen Ortskrankenkassen.

Die damals uneinheitlichen Praktiken der Krankenkassen sind durch das Urteil des LSG NRW vom 14.07.2011, L 16 KR 73/10, ausdrücklich bestätigt:

„Schließlich entspricht es nach den Erfahrungen des Senats aus anderen Verfahren der Praxis vieler Krankenkassen bei durchgehend festgestellter Arbeitsunfähigkeit einen durchgehenden Versicherungsschutz anzunehmen und das Krankengeld zu gewähren, auch wenn die weitere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht am letzten Tag der zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit, sondern am Folgetag erfolgt und der Versicherungsschutz unter Berücksichtigung des Karenztages eigentlich erloschen wäre.“

Auch Herr Keller, SGG-Kommentator und Richter am Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, schreibt in seinem Fachaufsatz „Die rechtzeitige ärztliche Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für weiteres Krankengeld“ (KrV 04/13 S. 141 – 144) lange nach dem angeblichen Erlöschen meines Krankengeldanspruchs noch 2013, „dass manche Krankenkassen häufig trotz unterbliebener rechtzeitiger ärztlicher Feststellung von Arbeitsunfähigkeit Krankengeld an Versicherte weiterzahlen.“

Die DAK hatte im Jahr 2011 noch eine Versicherten-freundlichere sozial-rechtliche Entscheidungspraxis. Dagegen hatte damals auch das Bundesversicherungsamt keine Einwände. Die Rechtsaufsichtsbehörde hat vor kurzem bestätigt, dass es „kein Rundschreiben von uns an unsere Kassen zur Handhabung des § 46 Satz 1 Nr.2 SGB V“ gibt und „zur Handhabung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V haben wir keine allgemeinen Hinweise oder Vorgaben an die bundesunmittelbaren Krankenkassen veranlasst“. „Wir haben uns mit der Problematik aber in unserem Tätigkeitsbericht 2013 (Seite 22ff) ausführlich befasst.“

Aus dem Tätigkeitsbericht 2013 ergibt sich, dass ein dauerhafter thematischer Schwerpunkt der an das Bundesversicherungsamt gerichteten Eingaben Probleme im Zusammenhang mit der Gewährung von Krankengeld betrifft und sich dabei im Berichtszeitraum die Notwendigkeit des lückenlosen Nachweises der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für die Gewährung von Krankengeld als Kristallisationspunkt vieler Eingabeverfahren erwiesen hat.

Die Häufung im Jahr 2013 ist darauf zurückzuführen, dass die Rechtsprechung infolge der Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14.07.2011, L 16 KR 73/10, und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23.11.2011, L 9 KR 563/07, uneinheitlich war und frühestens nach Auswertung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R, als hinreichend eindeutig und verbindlich angesehen werden konnte.

Zurecht weist das Bundesversicherungsamt im Tätigkeitsbericht 2013 aber darauf hin, dass die Rechtsprechung besonders folgenreich ist, weil der Krankengeldanspruch nicht nur für einen oder einige Tage ruht, sondern gänzlich entfällt und die – auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – konsequente Handhabung der gesetzlichen Regelung aus § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V durch die gesetzlichen Krankenkassen häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt und Gegenstand zahlreicher Eingaben beim Bundesversicherungsamt ist. Im Vordergrund stehe dabei die Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht doch einen lückenlosen Krankengeldanspruch herbeizuführen vermögen.

Das Bundesversicherungsamt hat es zu späterer Zeit für erforderlich gehalten, die Krankenkassen in zahlreichen Eingabeverfahren dazu aufzurufen, die Versicherten rechtzeitig zu Beginn der Krankengeldzahlung und in ausreichender Deutlichkeit auf die Folgen von Unterbrechungen des Nachweises der Arbeitsunfähigkeit hinzuweisen und sich auch gegenüber dem GKV-Spitzenverband für eine verbesserte Information sowohl der Versicherten als auch der Ärzte durch die Gemeinsame Selbstverwaltung (etwa durch die Verwendung veränderter, informativerer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen) einzusetzen. Wie der GKV-Spitzenverband dem Bundesversicherungsamt daraufhin mitteilte, fanden bereits Verhandlungen über Präzisierungen der zur Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit verwendeten Vordrucke und Vordruckerläuterungen statt.

Von all dem war zur hier strittigen Zeit bei der Beklagten noch nicht die Rede. Von den damit verbundenen Nachteilen bin ich lediglich betroffen, weil mir das Krankengeld zunächst rechtswidrig vorenthalten wurde und erst nach Klärung dazu das Gericht die „Lücken-Problematik“ von AU-Bescheinigungen thematisierte.

Eine Legitimation für diese nachträgliche Leistungsbegrenzung ist nicht erkennbar. Die nun mit der BSG-Krankengeld-Falle begründete Ablehnung des Krankengeldes entspricht nicht der Verwaltungs- / Entscheidungspraxis der Beklagten zur damaligen Zeit und ist daher als unzulässige Rückwirkung in den Vertrauensschutz damaliger Verfahrensabläufe und auf der Basis der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien allgemein geübter Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungs-Praktiken rechtswidrig. Hätte die Beklage nicht zunächst einen unhaltbaren Ablehnungsgrund gewählt, wäre das Krankengeld anstandslos gewährt worden. Insoweit ist neben dem Grundsatz der Gleichbehandlung im Recht auch der Grundsatz der Verwirkung betroffen.

Die Folgen eines offenbaren Systemfehlers dürfen nicht nachträglich den Versicherten angelastet werden.
 
Wann war es denn, dass deine "AU bis Freitags lief und erst Montags verlängert wurde"?

Meine AU ging bis Freitag, 20.05.11 und die Folgebescheinigung wurde ausgestellt am Montag, 23.05.11.
Allerdings hatte ich am 20.5. um 9.00 Uhr einen Termin beim Orthopäden und kam dort erst um ca. 11.15 Uhr raus. Bis ich vom Orthopäden beim Hausarzt war war es bereits nach 12.00 Uhr (Entfernungsbedingt). Ich habe noch geklingelt, leider ohne Erfolg.
Auch dieser Umstand wurde bereits vom Gericht breit und lang ausgeschlachtet.

Wenn dies noch während des Arbeitsverhältnisses (bis 17.05.2011) war, wäre es so oder
so unschädlich; wenn es später war, müsstest du ab 18.05.2011 bis zur "Lücke" längst
Krankengeld erhalten haben - oder was gibt es da für Besonderheiten?

Es gibt die Besonderheit, dass die KK bereits mit Datum vom 17.05.11 einen Krankengeld-Anspruch abgelehnt hat (also noch bevor der eigentliche Anspruch begonnen hatte) mit der Begründung, dass es sich um die gleiche Krankheit handeln würde.

Ja, "die KK selbst hatte damit überhaupt kein Problem" - jedenfalls damals! Die Probleme
haben ursprünglich nur die sog. "Sozial"gerichte gemacht, insbesondere das Bundes"sozial"-
gericht mit dem 1. Präsidenten-Senat und seiner Fiktions-"Recht"sprechung, erst später - seit
einigen Jahren - auch die "Abschreiberlinge". Dabei ist regelmäßig nicht berücksichtigt worden,
dass die Praxis viele Jahre ganz anders war und weder Ärzte noch Patienten über Änderungen
informiert wurden. Die Position des 1. BSG-Senates dazu ist unerträglich, halt ebenfalls Fiktion,
weil sonst die anderen Fiktionen in sich zusammengebrochen wären.

Es kann doch aber nicht wirklich angehen, dass man so lange nach einem Grund sucht bis man einen findet
Zuerst hieß es, es wäre die gleiche Krankheit (innerhalb der 3-Jahres-Frist). Dann war es eine hinzugetretene Krankheit; danach ein innerer bzw. äußerer Zusammenhang.
Nachdem all dies durch fachärztliche Gutachten widerlegt werden konnte kam am Schluß der Richter damit an, dass sowieso kein Anspruch bestünde, da ja die AU unterbrochen sei.

Warst du zwischen der Aussteuerung Ende 2009 und der anderen Erkrankung ab Mai 2010 im
Alg-Bezug? Und was war zwischen Mai 2010 und Februar 2011 vor der Arbeit?

Ich war vom 1.12.09 bis 12.01.10 in Reha und wurde dort mit einem Restleistungsvermögen unter 3 Stunden AU entlassen. Am 13.1.10 meldete ich mich arbeitslos und habe daraufhin Alg I bis 12.01.11 nach dieser Nahtlosigkeitsregelung. Ab 23. Februar 11 habe ich dann wieder begonnen zu arbeiten. (Kündigung während der Probezeit zum 17.05.11).

Wenn du das SG-Urteil anonymisiert hier einstellen könntest, wäre dies sehr hilfreich.

Das muss ich erst nochmal bei RA anfragen da auf Grund des RA-Wechsel im Januar 2014 ich ihm (blöderweise) alle Unterlagen überlassen habe. Er soll es mir per Fax schicken und dann scanne ich es ein.

Ich arbeite inzwischen mal am einem Text-Teil als Entwurf für deinen RA.

Vielen Dank im voraus.

LG
Tina
 
weiterer Text-Teil zur Aufklärungs- / Beratungspflicht:


Die rückwirkende Anwendung der BSG-Krankengeld-Falle würde auch die Obliegenheiten der Versicherten überfordern, zumal sie über die Änderungen der Rechtsanwendung nicht informiert wurden.

Die gegenteiligen Ausführungen des BSG zur Aufklärungs- und Beratungspflicht sind offenbar vor dem Hintergrund zu sehen, dass sonst die gesamte Krankengeld-Rechtsprechungs-Konstruktion längst in sich zusammengebrochen wäre. Nach Grundsätzen des Sozialrechts und des SGB I sind sie nicht nachvollziehbar.

Unbestritten ist jedenfalls, dass die aktuelle BSG-Rechtsauslegung gemessen an der seit 1961, damals durch die RVO und seit 1981 durch § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V, nun ca. 55 Jahre unveränderten Rechtslage noch relativ neu ist. Die schleichende Umsetzung in die Praxis der Krankenkassen etwa ab 2008 zunächst hauptsächlich durch die AOKen war gegenüber den Partnern im Versicherungsverhältnis nicht nur unverantwortlich, sondern nach Maßstäben der §§ 13 bis 15 SGB I rechtswidrig.

Der Pflicht der Leistungsträger, die Bevölkerung im Rahmen ihrer Zuständigkeit über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären (§ 13 SGB I), stehen entsprechende Rechte der Versicherten gegenüber. Nachdem diese Aufklärung unterblieben ist, hatten Versicherte bei Eintritt bzw. spätestens bei Feststellung der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf (Spontan- / Initiativ-) Beratung über die von ihnen zur Realisierung ihrer Rechte zu erfüllenden Pflichten. Davon geht auch das Bundesversicherungsamt im Tätigkeitsbericht 2013 aus. Zuständig sind die Leistungsträger bzw. die für sie handelnden Stellen / Personen (§ 14 SGB I). Bei Verletzung des Beratungsanspruchs muss der Leistungsträger für den dadurch entstandenen Schaden einstehen (Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, Schadenersatzanspruch).

Über diese Rechtslage täuscht die Krankengeld-Rechtsprechung des 1. BSG-Senates hinweg. Auch die Beklagte wäre zur vorherigen Aufklärung und Beratung ihrer Versicherten sowie zu rechtzeitigen Hinweisen an die Vertrags-Ärzte und Sicherstellung entsprechender Verfahrensweisen verpflichtet gewesen, bevor sie ihre früher problemlose allgemein bekannte und anerkannte Entscheidungspraxis aufgrund der BSG-Urteile aus 2007 und 2012 umstellte. Wie – wenn nicht über die Krankenkassen bzw. Ärzte – sollten die Versicherten nach der im Gesundheitswesen durch die jahrzehntelange von den Krankenkassen akzeptierte tief verankerte Praxis auf die Idee kommen, dass sie zur Aufrechterhaltung von Krankengeldanspruch und Versicherungsschutz nun plötzlich mehr tun müssen als sich den Instruktionen der Ärzte zu fügen, z. B. diese darauf hinweisen, dass die Arbeitsunfähigkeit überschneidend statt nahtlos bzw. durch Wochenenden unterbrochen attestiert werden muss. Den Beteiligten dies nach dem Prinzip von „Versuch und Irrtum, erneuter Versuch …“ im Laufe mehrerer Jahre beiläufig beizubringen, erscheint angesichts der damit verbundenen Schicksale verwerflich.

Die Irritationen sind auch nach wie vor nicht ausgeräumt. Dies wird aus bisherigen Veröffentlichungen deutlich, in denen verantwortliche Stellen beispielsweise unzutreffend auf das Erfordernis lückenloser – statt überschneidender – Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hinweisen und damit einen Beitrag zur BSG-Krankengeld-Fallen-Schubserei leisten. Dies gilt auch für die Ausführungen des Bundesversicherungsamtes im Tätigkeitsbericht 2013 – für eine Rechtsaufsichtsbehörde unentschuldbar. Im hier streitigen Zeitraum ab Mai 2011 war die Situation noch wesentlich schlimmer, hatte selbst die Rechtsprechung noch keine hinreichende Orientierung.
PS: habe deinen Beitrag erst nachträglich gesehen - danach müsste der Krankengeld-Anspruch bis 20.05. längst klar sein. Zu allem anderen später.
 
weiter Text-Teil: Gesetzeswortlaut des § 46 SGB V a. F. vs. BSG-Rechtsprechung

- wie bereits angekündigt: das Wichtigste! Da es in der Vergangenheit nur einen gesetzlichen
Karenztag gab, geht die Rechtsauslegung des BSG zu § 46 SGB V mit jeweils einem Karenztag
zu jeder Folge-AUB – also X-Karenztagen! – sehr weit am Recht vorbei.


Die anstelle des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V regelmäßig angewandte BSG-Rechtsprechung entbehrt der erforderlichen rechtlichen Basis. Sie beruht auf dem unzutreffend unterstellten Erfordernis jeweils erneuter Anspruchsentstehung nach AU-Folgebescheinigungen und wiederholten Karenztagen. Stattdessen ging der Gesetzgeber bisher nachweislich seit 55 Jahren von nur – einem – Karenztag und folglich von nur – einem – Anspruch auf Krankengeld für die gesamte Dauer der Arbeitsunfähigkeit aus. Dies ergibt sich aus den Karenztag-Diskussionen der Jahre 1960 / 1961 und 1988. Auf die maßgeblichen Gesetzesmaterialien (Bundestags-Drucksachen) wird Bezug genommen.

Der auf dieser Systematik beruhende § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V fixiert den untrennbaren Zusam-menhang – eines – Krankengeld-Anspruchs mit – einem – Karenztag. Für nur abschnittsweise Krankengeld-Ansprüche begrenzt auf die Dauer der jeweiligen AU-Bescheinigung sowie für einen dementsprechenden Selbstvollzug des Krankengeld-Rechts mit daraus folgender Notwendigkeit jeweils weiterer Anspruchsentstehung (nach erneuten Karenztagen) gibt es somit keinen Anhaltspunkt. Damit verbietet sich die seit dem Urteil vom 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, gegenteilige Rechtsauslegung des BSG, § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V finde „auch uneingeschränkt Anwendung, wenn es um eine Folge-AU aufgrund derselben Krankheit geht“.

Auch der Singular-Wortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V macht dies präzise und zwingend deutlich. Zur abweichenden Plural-Auslegung dieser Vorschrift ist das Bundessozialgericht nicht legitimiert. Diese Rechtsprechung widerspricht zentralen Sozialrechts-Grundsätzen (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2, 4, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I), insbesondere auch dem Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I. Mit seiner Auslegung und den Vorgaben zur „strikten Anwendung“ der Krankengeld-Falle bei „restriktiven Ausnahmen“ hat das BSG die Anspruchs-Hürden der Versicherten unzulässig erhöht und die den Krankengeld-Beziehern vielfach unbekannten Pflichten (Obliegenheiten) unzumutbar ausgedehnt. Im Ergebnis führt die BSG-Auslegung nicht nur zu zusätzlichen Karenztagen, sondern darüber hinaus zum oft realisierten Risiko, dass der Krankengeld-Anspruch ganz erlischt. Mit Blick auf das gesamte Regelungssystem ist festzustellen, dass der Gesetzgeber § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V – anders als vom BSG verstanden / formuliert – nicht als „Ausschlussregelung“ konzipiert hat.

Da eine Arbeitsunfähigkeit nicht aus mehreren Teil-Arbeitsunfähigkeiten besteht, kann sie – sprachlogisch – auch nicht mehrfach festgestellt werden. Nach der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kommen allenfalls Bestätigungen über deren Fortdauer in Betracht.

Die systemwidrige, Sinn und Zweck sowie dem Wortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V und den Regelungen des SGB I widersprechende Krankengeld-Rechtsprechung des BSG greift nachhaltig in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers über und verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG, Art. 2 Abs. 1 GG). Solche Rechtsprechung erzeugt keine dem Gesetzesrecht vergleichbare Rechtsbindung und darf mangels Überzeugungskraft ihrer Gründe von unabhängigen Richtern (Art. 97 GG) nicht unkritisch übernommen werden. Stattdessen sind der Parteivortrag und die wesentliche Argumentation der Sozialgerichte Trier, Mainz und Speyer sowie des 16. Senates des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen in die den Instanzgerichten eigene Rechtsfindung einzubeziehen:

‚Für die Entstehung des Krankengeldanspruchs bedurfte es bisher nur der ersten ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, danach besteht der Anspruch so lange fort, wie objektiv AU wegen derselben Krankheit vorliegt. Der Anspruch wird weder durch ein in der Bescheinigung angegebenes voraussichtliches Ende der AU noch durch das Datum des geplanten nächsten Arztbesuches begrenzt, sondern endet erst, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen, wobei Krankheit den Versicherten nahtlos arbeitsunfähig macht und mit ununterbrochener Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht jeweils ein neuer Versicherungsfall eintritt. Mit Folge-AU-Bescheinigungen wird die ursprünglich abgegebene Prognose ("voraussichtlich bis …") lediglich konkretisiert und verlängert. Die „Bewilligungsabschnitt-Rechtsprechung des BSG“ ist – insbesondere im Hinblick auf die jeweils nachträgliche Krankengeld-Gewährung – nicht schlüssig.

Zweckmäßigkeitserwägungen lassen keine andere Beurteilung zu. Das Gericht ist an gesetzli-che Regelungen gebunden. Einschränkende Erfordernisse für die Entstehung oder den Fortbestand des einmal entstandenen Anspruch aufzustellen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt, verstößt nicht nur gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes).‘

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 46 SGB V ausdrücklich gegen die Vervielfachung der Karenztage durch das Bundessozialgericht ausgesprochen hat, indem der 1961 eingeführte – eine – Karenztag künftig beseitigt wird. Aus der künftigen gesetzlichen Konstruktion kann nicht auf die Rechtmäßigkeit der bisherigen Rechtsprechung geschlossen werden.
 

Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht und
„Die Bewilligung von Krankengeld als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung“


Was auch in diesem Forum seit Jahren geltend gemacht wird und in Teil II. (ab Seite 18, achtzehn) der Festschrift /
Strafanzeige umfassend dargestellt ist



scheint nun langsam auch bei der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein und damit bei den
Fachanwälten für Sozialrecht anzukommen.

Darauf deutet jedenfalls das Inhaltsverzeichnis von Heft 4 der 6 x jährlich erscheinenden Fachzeitschrift ASR- Anwalt /
Anwältin im Sozialrecht
hin:

image-358497-456bdc46.png


http://dav-sozialrecht.de/files/downloads/ASR/ASR_0415_IHV.pdf

Allerdings erscheint fraglich, ob eine „Anmerkung“ zu dieser speziellen Thematik den Erwartungen der in der
Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht vereinten ca. 1.160 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten „gerecht“ wird

http://dav-sozialrecht.de/de/was-wir-machen

und dem Anspruch der Fachzeitschrift genügt

http://www.fachzeitungen.de/zeitschrift-magazin-asr-anwaltanwaeltin-im-sozialrecht

Vielleicht können Kommunikation und Austausch der Mitglieder untereinander bereits bei der Herbsttagung 2015
und Mitgliederversammlung
der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein vom 29. bis 31.10.2015
in Istanbul auch dazu gefördert werden.

http://dav-sozialrecht.de/files/downloads/Stage/151007 DAV Programm ARGE Sozialrecht 4C.pdf

Damit wäre das Profil der im Sozialrecht tätigen Anwälte und Anwältinnen zu einem zentralen Punkt des deutschen
Sozialrechts zu schärfen.

„Vertrauen ist gut, Anwalt sollte besser sein!“

Gruß!
Machts Sinn
 
SG Speyer überzeugender als BSG Kassel!

Nach meiner Selektion ist für den Deutschen Anwaltverein, Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht,
– jedenfalls für die Autorin und für die Redaktion – das Ergebnis des Sozialgerichtes Speyer
nach den gesetzlichen Regelungen, insbesondere nach dem Wortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2
SGB V, überzeugender als die „Recht“sprechung des BSG, mit ihren gravierenden Folgen und
sozialen Verwerfungen. Dass der Befristung der Attestierung der AU regelmäßig eine nur ab-
schnittsweise Krankengeldbewilligung folge, sei dem SGB V nicht zu entnehmen, weshalb
das SG Speyer richtigerweise den Verstoß des BSG gegen § 31 SGB I rüge und die weitere
Entwicklung im Hinblick auf den Zuständigkeitswechsel beim BSG spannend bleibe.

Gruß!
Machts Sinn
 
BSG-Krankengeld-Falle ...

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... immer noch oder wieder: „alles beim Alten“

Heute hat die „Sozialgerichtsbarkeit Bundesrepublik Deutschland“ wieder ein
aktuelles Beispiel für „Papageien-Rechtsprechung“ jenseits des Rechts veröffent-
licht:

Was der BSG-Präsidenten-Senat zuletzt am 16./17.12.2014 allein auf Autorität statt
auf überzeugende rechtliche Argumente gestützt mit 6 Entscheidungen apodiktisch
bekräftigte, zieht weiterhin Kreise.

So lässt sich der 5. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg mit Urteil
vom 21.10.2015, L 5 KR 5084/14, immer noch allein von BSG-"Vorgaben" leiten –
ohne den Gesetzeswortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V inhaltlich zu hinterfragen
und auch nur ansatzweise auszulegen:

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sg...s2=nicht%20ver%F6ffentlicht&words=&sensitive=

Das Besondere daran: zum Zeitpunkt der Entscheidung lagen dem erkennenden Senat
(zwar nicht im konkreten Einzelfall aber zu einem am selben Tag entschiedenen
Fall) diese Argumente vor:

http://up.picr.de/23419037ri.pdf

.
 
Krankengeld-Sondergutachten

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Am Montag, 07.12.2015, 10:30 Uhr, befasst sich die Bundespressekonferenz mit
Mitgliedern des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund-
heitswesen (SVR) mit dem Thema:

Krankengeld – Entwicklung, Ursachen und Steuerungsmöglichkeiten“
Sondergutachten 2015 des Sachverständigenrats Gesundheit


Das Sondergutachten Krankengeld ist außerdem Themenblock II des Symposiums des SVR
zusammen mit dem Bundesministerium für Gesundheit am Donnerstag, 17. 12.2015.


Das Sondergutachten soll angesichts der seit Jahren stark steigenden Ausgabenentwicklung neben
den demographischen, morbiditätsbedingten und ökonomischen Ursachen von lang andauernder
Arbeitsunfähigkeit und Krankengeldausgaben auch die Steuerungsmöglichkeiten der gesetzlichen
Krankenkassen und des Gesetzgebers mit Blick auf das Ausgabengeschehen a-nalysieren und
geeignete Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.

Spannend ist auch die Frage, ob das Sondergutachten auf die Krankengeld-„Recht“sprechung
("BSG-Steuerung bzw. -Fallmanagement") oder / und auf die Gesetzesänderung zum
23.07.2015
eingehen wird.

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Bundespressekonferenz und Symposium zum Krankengeld

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Krankengeld – Sondergutachten 2015 des Sachverständigenrats
zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR)

Bundespressekonferenz am 07.12.2015

Symposium des Sachverständigenrats mit dem Bundesgesund-
heitsministerium am 17.12.2015






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Sondergutachten TEIL-Krankengeld

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Noch lenkt die spontan-emotionale Reaktion zum Aufmacher „Einführung einer TEIL-
Arbeitsunfähigkeit und eines TEIL-Krankengelds“ von der wirklichen Problematik ab.

Im Laufe der politischen Diskussion wird aber noch deutlich werden, dass die Abgren-
zung von Arbeitsun- zu Arbeits-fähig-keit bereits bisher ganze Heerscharen von behan-
delnden Ärzten, Krankenkassen-Mitarbeitern, MDK-Ärzten und Richtern beschäftigt,
auch überfordert.

Noch schlimmer sind die versicherten Kranken betroffen, auf deren Rücken dieses un-
würdige Spiel während ihrer Arbeitsunfähigkeit und oft noch jahrelang danach ausge-
tragen wird.

Wenn künftig statt einer Arbeitsunfähigkeit vier Stufen von Arbeitsunfähigkeit zu beur-
teilen sind, vervielfacht sich die Abgrenzungsproblematik.

Dies sichert hauptsächlich - auch neue - Arbeitsplätze der genannten Berufsgruppen,
während arbeitsunfähige Menschen dem „orientalischen Krankengeld-Bazar“ - dann
noch mehr - hilflos ausgesetzt sind.

Mit diesem Ergebnis ist niemandem gedient – gerade dann nicht, wenn die Arbeitsun-
fähigkeit noch häufiger letztlich von JURISTEN statt von ÄRZTEN abschließend beur-
teilt wird!

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Lippenbekenntnisse des Sachverständigenrates!

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Wo ist denn das Problem, – jetzt – nachdem 1995 9,4 Milliarden Euro für Krankengeld ausgegeben
wurden und die Ausgaben dafür 2014 – nach fast 20 Jahren – 10,6 Milliarden Euro erreichten?

Was soll das Ganze, wenn sogar der Sachverständigenrat bestätigt: „Dieser Anstieg der Ausgaben
für Krankengeld stellt keine dramatische budgetäre Entwicklung dar.“


Damit ist doch alles Im Lot, zumal ein erheblicher Teil der Ausgabensteigerungen auf politisch er-
wünschte Entwicklungen zurückzuführen ist (höheres Erwerbseinkommen, mehr sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigte, mehr älteren Krankengeldberechtigte) und sich der Anstieg seit drei Quartalen
abflacht.

Alles nur Aktionismus! Als dementsprechend „kleiner Wurf“ erscheinen die Vorschläge des Sachver-
ständigenrates – ebenso „schlecht gezielt“.

Jedenfalls leidet die Glaubwürdigkeit des Sondergutachtens erheblich, wenn der Rat einerseits als
wichtig ansieht, die Koordination und Kooperation zwischen Sozialversicherungsträgern zu verbessern,
andererseits mit den Abstufungen der Arbeitsunfähigkeit von 100, 75, 50, 25 % aber zusätzliche Hürden
an der Schnittstelle zur Erwerbsminderungsrente (auch bei Berufsunfähigkeit der bis 1.1.1961 Geborenen)
aufbaut, wo die Grenzen seit 15 Jahren bei 6 bzw. 3 Stunden täglich liegen.

Und die Empfehlung eines „runden Tisches“ zwischen Renten- und Krankenversicherung zur Klärung
strittiger und komplexer Fälle sowie zur Beschleunigung der Verfahren, z. B. beim Übergang zum Arbeits-
losengeld I oder in die Erwerbsminderungsrente, ist jahrzehnte-alter, kalter Kaffee. Einfach mal schauen,
wie Sozialleistungen auszuführen sind und was der Gesetzgeber zur Zusammenarbeit der Leistungs-
träger und zur gegenseitigen Verwertbarkeit von ärztlichen Gutachten längst geregelt hat
(§ 17 SGB I, §§ 86 und 96 SGB X).

Auch die Idee vom gemeinsamen medizinischen Dienst der Renten- und Krankenversicherung ist schon
einige Jährchen alt, allerdings damals vom Petitionsausschuss wie auch vom Deutschen Bundestag „ab-
geschmettert“ worden:
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2010/_08/_30/Petition_13785.abschlussbegruendungpdf.pdf

Offenbar sind Fehlanreize für Leistungsbezieher das kleinere Übel – zumindest im Vergleich mit den Un-
zulänglichkeiten des Krankenversicherungssystems und dessen Akteuren in den Glaspalästen. In diese
Richtung müssen längst fällige Korrekturen geprüft und ggf. umgesetzt werden.

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