[...]Aber eigentlich erstaunlich, dass sich ein Anwalt das Geld einer Klage durch die Lappen gehen lassen will, meines Wissens nach bemisst sich doch auch sein Honorar nach dem Streitwert?
Ich glaube es ist mal wieder an der Zeit, ein paar Ausführungen dazu zu machen, wie sich eigentlich die anwaltlichen Gebühren berechnen und ob es wirklich – wirtschaftlich – für den Anwalt besser ist, zu klagen.
Streitwert = Gegenstandswert
Der Streitwert ist aussergerichtlich wie gerichtlich (in der Regel) gleich und richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Auftraggebers. Beauftragt der Mandant den Anwalt mit der Geltendmachung eines Fahrzeugschadens von 5.000 Euro, 500 Euro Gutachterkosten, 500 Euro Mietwagenkosten und 2.000 Euro Schmerzensgeld dann beträgt der Gegenstandswert 8.000 Euro.
Ohne gesonderte Vereinbarung verdient der Anwalt Gebühren, die das Gesetz vorschreibt. Die Gebühren richten sich nach dem Umfang der Tätigkeit und der Höhe des Gegenstandswertes. Die aktuelle Gebührentabelle findet ihr zB hier
http://www.rettet-das-internet.de/gebuehrentabelle.htm
[Anmerkung: Die Gegenstandswerte in der Tabelle sind immer „bis zu“ zu lesen und die Gebühren beziehen sich auf eine Gebührenhöhe von 1,0.]
Die einzelnen Gebührentatbestände, die der Anwalt verdienen kann - sind recht übersichtlich und werden hinterher – mit Einschränkungen – addiert. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um
- Geschäftsgebühr (für die aussergerichtliche Tätigkeit)
- Terminsgebühr (für die Wahrnehmung eines Termins oder eine Besprechung, auch ohne Gericht)
- Verfahrensgebühr (für die gerichtliche Tätigkeit)
- Einigungs-/Vergleichsgebühr (kann aussergerichtlich oder gerichtliche anfallen).
Wichtig dabei ist, dass jede dieser Gebühren jeweils nur einmal anfallen kann.
Wie sich das alles im Einzelnen zusammensetzt erkläre ich jetzt.
Beratung / aussergerichtliche Vertretung
Die Beratungsgebühr ist aus dem Gesetz weggefallen, sie muss jetzt zwischen Anwalt und Mandant frei verhandelt werden. Die Beratung ist eine ausschliesslich nach innen gerichtete Tätigkeit und endet in der Sekunde, in der der Anwalt nach aussen hin in Erscheinung tritt, also zB einen Brief an die Gegenseite schreibt. Ab diesem Augenblick sprechen wir nicht mehr von einer Beratung, sondern einer aussergerichtlichen Tätigkeit.
Geschäftsgebühr
Für die aussergerichtliche Tätigkeit erhält der Anwalt eine sogenannte Geschäftsgebühr. Dabei handelt es sich um eine Rahmengebühr, die von 0,5 bis 2,5 reicht. Die Höhe der Geschäftsgebühr ist also flexibel und dem Anwalt steht bei der Bemessung der Gebühr ein nur eingeschränkt überprüfbares Ermessen zu. Die aussergerichtliche Gebühr fällt nicht mit jedem Anruf oder jedem Schreiben neu an - was für den Anwalt natürlich klasse wäre - sondern hat allenfalls Einfluss auf die Höhe der Gebühr innerhalb des Rahmens von 0,5 bis 2,5, denn die Höhe wird unter anderem beeinflusst von Umfang und Schwierigkeit des Falls. Je umfangreicher und schwieriger die Sache ist, je höher die wirtschaftliche Bedeutung für den Mandanten ist, aber auch je höher das Haftungsrisiko für den Anwalt ist, desto höher ist auch die Geschäftsgebühr.
Bei 08/15-Fällen wird er also zB einen Steigerungsfaktor von 1,3 bis 1,5 ansetzen, bei schwierigen Unfallakten kommt man aber auch leicht zu einer Gebühr in Höhe von 2,5. In ganz seltenen Fällen kommt man auch mal zu einer Geschäftsgebühr von nur 0,8 oder 1,0.
Beispiel: Der Mandant kommt mit einem einfachen Unfallschaden, nur Blech, Haftung ist geklärt. Der Anwalt kommuniziert mit einem Gutachter, welcher den Schaden auf 2.800 Euro schätzt. Hinzu kommen Kosten des Gutachters von 400 Euro. Diesen Betrag macht der Anwalt beim gegnerischen Versicherer geltend, der Versicherer zahlt, Fall erledigt. Relativ einfach gelagert, rechnet der Anwalt jetzt eine 1,3 Geschäftsgebühr ab. Schaut man in die Tabelle, die ich oben verlinkt habe, verdient der Anwalt an so einem Fall 282,10 Euro plus Auslagen plus Umsatzsteuer. [In diesem Fall liegt eine 1,0 Gebühr bei einem Gegenstandswert von 3.200 Euro in der Tabelle bei bis zu 3.500 Euro und beträgt 217,00 Euro. Der Anwalt liquidiert aber 1,3, so dass 217 Euro x 1,3 = 282,10 Euro ergibt.]
Aussergerichtliche Einigung
Schafft es der Anwalt, sich mit der Gegenseite zu einigen, erhält er eine Einigungsgebühr. Da der Gesetzgeber ein hohes Interesse daran hat, die Gerichte zu entlasten, wird die Tätigkeit des Anwalts, die zu einer aussergerichtlichen Einigung führt, mit einer Festgebühr von 1,5 entlohnt.
Terminsgebühr aussergerichtlich
Auch bei der Terminsgebühr handelt es sich um eine Festgebühr, sie beträgt 1,2. Sie kann auch aussergerichtlich verdient werden, und zwar dann, wenn bei schon unbedingt erteiltem Klageauftrag doch noch einmal der Versuch unternommen wird, die Klage zu vermeiden, in dem man mit der Gegenseite spricht – entweder sich trifft oder telefoniert. Wenn also zB nach erteiltem Klageauftrag der Anwalt dem Versicherer schreibt, dass ein solcher Klageauftrag vorliegt, und daraufhin der Versicherer anruft und es in dem Gespräch gelingt, die Sache zu erledigen, dann verdient der Anwalt neben der Geschäftsgebühr auch noch die Terminsgebühr und die Einigungsgebühr. (Falls hier Anwälte mitlesen: Ja, in dem Fall muss man eigentlich noch die 3101 abrechnen, aber das ist für hier jetzt zu komplex).
Gerichtliches Verfahren – Verfahrensgebühr
Hilft sämtliches Schreiben und auch Sprechen nicht, muss also tatsächlich geklagt werden, verdient der Anwalt für das gerichtliche Verfahren eine Verfahrensgebühr. Auch das ist eine Festgebühr und beträgt – erstinstanzlich – 1,3. Es ist also egal, ob der Anwalt eine Klageschrift über eine Seite, oder 100 Seiten schreibt, ob er über das Gericht zweimal oder zehnmal ergänzend Stellung nehmen muss, die Verfahrensgebühr bleibt immer bei 1,3 (In der Berufungsinstanz dann 1,6) und erhöht sich um 0,3, wenn der Anwalt gleichzeitig mehrere Auftraggeber in der Klage vertritt (Was oft auf Seiten der Beklagten vorkommt, wenn man gleichzeitig den Versicherer, den Fahrer und den Halter verklagt).
Auf diese Verfahrensgebühr muss der Anwalt sich einen Teil der bereits verdienten aussergerichtlichen Geschäftsgebühr anrechnen lassen, und zwar die Hälfte, niemals aber mehr als 0,75. Hat er also die Geschäftsgebühr zB mit 1,3 bemessen, dann werden ihm von der Verfahrensgebühr 0,65 abgezogen, er erhält bis dahin also in Summe 1,95 Gebühren. Hat er die Geschäftsgebühr mit 2,0 bemessen, dann wird ihm 0,75 abgezogen, ihm bleiben von der Geschäftsgebühr also 1,25 übrig, zusammen mit der Verfahrensgebühr hat er dann bis dahin 2,55 Gebühren verdient.
Gerichtliches Verfahren – Terminsgebühr
Für die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins bekommt der Anwalt die Terminsgebühr in Höhe von 1,2. Diese Gebühr erhält er jedoch nur einmal. Wenn es in einer Sache also zehn Verhandlungstermine gibt bekommt der Anwalt trotzdem nur die eine Terminsgebühr über 1,2 Gebühren. [Früher gab es noch eine Beweisgebühr für die Teilnahme an Beweisaufnahmen, wurde aber gestrichen].
Gerichtliches Verfahren - Einigungsgebühr
Kann man sich innerhalb des gerichtlichen Verfahrens dann warum auch immer doch noch einigen verdient der Anwalt noch die Einigungsgebühr, die – anders als die aussergerichtliche Gebühr – aber nur noch 1,0 Festgebühr beträgt.
Das vorweg geschickt mal ein konkretes Beispiel:
Bei komplexen Sachverhalten wie dem von Quack erhält der Anwalt - zurückhaltend - eine Geschäftsgebühr von, sagen wir mal, 2,0 (Bei Rahmengebühren kann man sich über die konkrete Höhe natürlich immer streiten). Mal angenommen Du hast dem Anwalt jetzt den Auftrag zu Erhebung der Klage erteilt, dieser schafft es durch die Besprechung mit der Gegenseite aber doch noch, sich zu einigen, dann verdient der Anwalt zusätzlich die Terminsgebühr von 1,2 und zudem eine Einigungsgebühr von 1,5 - insgesamt erhält der Anwalt also - wenn wir von den gesetzlich geschuldeten Gebühren ausgehen - 4,7 Gebühren aus dem Erledigungswert.
Kann der Anwalt sich dagegen nicht einigen, sondern muss klagen, erhält der Anwalt - siehe oben - auch die Geschäftsgebühr von 2,0, muss sich davon aber die Hälfte, höchstens jedoch 0,75 Gebühren auf die Verfahrensgebühr anrechnen lassen. Es bleibt in meinem Beispiel also anrechnungsfrei die Geschäftsgebühr in Höhe von 1,25.
Hinzu kommt eine Verfahrensgebühr von 1,3 und eine Terminsgebühr von 1,2 - insgesamt dann also 3,75 Gebühren - das ist schonmal weniger als bei einer aussgerichtlichen Einigung. Unterstellen wir mal, dass man sich im Laufe des Gerichsverfahrens dann vielleicht aus welchen Gründen auch immer doch noch vergleicht, kommt eine Einigungsgebühr in Höhe von 1,0 hinzu.
Das wären dann in Summe 4,75 Gebühren, mithin 0,05 Gebühre mehr als bei einer aussergerichtlichen Einigung - allerdins mit einem um ein Vielfaches höheren Arbeitsaufwand!
Bis aus den Fall, indem der Anwalt mit dem Mandanten ein Stundenhonorar vereinbart hat, ist der Abfindungsvergleich - ausschliesslich aus einer monetären Betrachtung des Anwalts - das Beste, was diesem (also dem Anwalt) passieren kann….
Ich hoffe, ich hab Euch damit nicht zu sehr verwirrt – es sollte jedenfalls mit dem Märchen aufräumen, dass der Anwalt mit einer Klage mehr verdient, als ohne….
Gruß,
Double999