Hallo urmeli,
ich hatte vor einiger Zeit mal zusammengestellt, auf welche Probleme du mit einem Schleudertrauma stoßen kannst:
Schleudertrauma -Erklärung
Hierbei handelt es sich um den Versuch, die Folgen eines Schleudertraumas für den Laien allgemein verständlich zu erklären. Wer wissenschaftliche Erklärungen zu diesem Thema möchte, dem empfehle ich das Buch: Beschleunigungsverletzung der Wirbelsäule von M. Graf, C. Grill, H.-D. Wedig (Hrsg.) aus dem Thieme-Verl., 2009.
Durch die Wucht des Schleudertraumas können im HWS-Bereich Bänder überdehnt werden (überdehnte Bänder ziehen sich nicht mehr zusammen!), Muskeln gezerrt (Muskelzerrungen heilen nach ein paar Wochen i.d.R. aus) und Nerven geschädigt. Auch die Bandscheiben können geschädigt werden (Bandscheibenvorfälle!) sowie der Hirnstamm (Bereich des Gehirns, das ins Rückenmark übergeht). Dadurch entstehen auf der einen Seite neurologische Symptome wie Sehstörungen, Hörstörungen, Tinnitus, Schluckbeschwerden, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen u.a., sowie auch Schäden an den Muskeln, Bändern, Sehnen, Nerven, Lymphbahnen usw. Wird hier nicht gleich interveniert, kann ein chronisches Schmerzsyndrom entstehen. Durch die extreme Überdrehung der HWS kann auch die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen werden (Vertebralinsuffizienz), was zu dauerhaften Schäden führen kann.
Bänderschäden kann man durch spezielle MRT- und CT-Aufnahmen sichtbar machen (und zwar muss der Kopf dabei in Seitneigung rechts / links und in Vorbeugung und Rückbeugung aufgenommen werden), auch gehaltene Röntgenbilder in Seitneigung können Bänderschäden durch unterschiedlichen Abstand der Wirbel rechts/links sichtbar machen (= Radiologe).
Wenn Bänderdehnungen geschehen sind, verkrampfen die Muskeln, um die Wirbelsäule wieder zu stabilisieren. Das kann zu einem chronischen Schmerzsyndrom und zu Spannungskopfschmerzen führen. Hier ist eine – möglichst frühe - konsequente Schmerztherapie nötig (= Orthopäde, Schmerztherapeut). Auch eine Physiotherapie ist hier – oft auf Jahre angelegt – nötig (Physiotherapeut mit bes. Kenntnissen im HWS-Bereich, am besten Osteopath oder Craniosacraltherapeut).
Nervenschädigungen kann man durch die Aufnahmen nicht sichtbar machen, aber durch Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen (= Neurologe), neurologische Untersuchungen und auch durch best. neuropsychologische Tests (= Neurologe, Psychologe oder Neuropsychologe) lassen sich Schäden am Nervensystem/Gehirn feststellen.
Oft wird der Unterkiefer durch die Schleuderbewegung aufgrund des Unfalls oder auch durch den Anprall des Kopfes an das Autofenster o. ä. verschoben. Kiefergelenk und Innenohr liegen räumlich sehr eng nebeneinander. So kann das Verschieben des Kiefergelenks das Innenohr schädigen, was zu Hörstörungen, Tinnitus und Schwindel führen kann (= Ohrenarzt oder Neurootologe). Eine Verschiebung des Kiefergelenks kann evtl. ein guter Zahnarzt (CMD-Zahnarzt) feststellen oder auch ein guter Physiotherapeut.
Im Nacken ist auch die Augensteuerung mit angelegt (das wissen die wenigsten). Durch das Schleudertrauma kann auch diese gestört sein, was dann Sehstörungen hervorrufen kann. Das kann aber auch andere Ursachen haben (z. B. Schädel-Hirn-Trauma durch ein Anschlagen des Kopfes): Hier müsste das Auge und der Sehnerv durchgecheckt worden (= Augenarzt, Neuroopthalmologe). Oder es sollte ein VEP = Visuell evoziertes Potential
(= Neurologe) gemacht werden.
Im Nacken und überhaupt die ganze Wirbelsäule entlang und in den Fußsohlen gibt es sog. Propriorezeptoren, die dem Körper melden, wo im Raum er sich befindet. Werden diese im Nackenbereich gestört, kann es zu Schwindel und Gangunsicherheiten kommen. Hier kann evtl. ein guter Physiotherapeut oder auch ein Ergotherapeut helfen.
Falls der Kopf während des Unfalls irgendwo angeschlagen ist, d.h. eine Gehirnerschütterung vorliegt oder auch ein Schädel-Hirn-Trauma, kann die Hypophyse (kleine Drüse im Kopf, die den Hormonhaushalt steuert) gestört sein, sodass es zu Unregelmäßigkeiten im Stoffwechsel kommt, oft erst Wochen oder sogar Monate nach dem Unfall. Ob dem so ist, kann ein Endokrinologe klären (=bes. Form vom Internist).
Wenn die Wirbel der HWS durch den Unfall wegen Bänderdehnungen dauerhaft verschoben werden, kann es Schwierigkeiten mit der Durchblutung des Gehirns geben, da die Hirnarterien durch kleine Löcher in den Wirbeln führen. Durch diese Verschiebungen kann es zu vermindertem Blutdurchfluss kommen, sodass dem Gehirn Nährstoffe u. Sauerstoff fehlen. Ob es so ist, kann man durch eine Ultraschall-Untersuchung/Neurosonografie feststellen oder durch ein Angio-CT. Wichtig ist, dass diese Untersuchung nicht nur mit geradem Kopf, sondern ebenfalls in Seitneigung rechts/links und in Vor- und Rückbeugung geschieht. Diese Untersuchung machen Neurologen und Angiologen/Internisten. Falls eine Durchblutungsstörung gegeben ist, benötigt man evtl. best. Vitamine und Mineralstoffe, um den Mangel im Körper auszugleichen, durchblutungsfördernde Medikamente oder evtl. sogar eine OP. Hier ist der Radiologe, der Angiologe, der Neurologe oder auch ein Gefäßchirurg zuständig.
Außerdem kann es sein, dass durch das Schleudertrauma das vegetative Nervensystem / der Sympathikus-Nerv gereizt/geschädigt wird. Dieser Nerv tritt am 2. Halswirbel aus. Der Sympathikus ist mit allen Organen im Körper verbunden, sodass es zu ganz vielen Beschwerden kommen kann (Atemnot, Zittern, Herzrasen, Herzstolpern, Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Unruhe, Verdauungsbeschwerden, Stoffwechselstörungen usw.).Da kann der ganze Körper durcheinander geraten und man ist nicht mehr belastbar. Das kann zu einem CFS-Syndrom führen. Oft werden diese Symptome von Ärzten als psychische Probleme eingestuft, ohne abzuklären, ob vegetative Schädigungen bzw. Sympathikusstress vorliegt. Hier ist eigentlich wieder der Neurologe zuständig bzw. ein Orthopäde mit zusätzlicher Ausbildung (z. B. Osteopathie, Akupunktur usw.)
Falls die Beschwerden sehr stark sind und sich auch durch intensive Physiotherapie nicht bessern, muss evtl. eine Versteifungsoperation der Halswirbelsäule in Betracht gezogen werden (= Neurochirurg).
Da die Symptome so vielfältig sind und die meisten Ärzte nicht miteinander kommunizieren bzw. sich mit der Komplexität der Verletzungen nicht auskennen, ist eine sorgfältige Diagnose in der Regel nicht gegeben. Die Patienten werden eher als Simulanten bzw. als psychisch krank eingestuft.
Durch das Trauma des Unfalls kann sich auch eine Posttraumatische Belastungsstörung einstellen, die psychologisch betreut werden sollte. Ebenfalls gibt es bei vielen Unfallopfern auch psychische Schäden, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen durch eine falsche/ungenügende Diagnostik und fehlende Therapie, die auch wieder bleibende Schädigungen nach sich ziehen kann.
Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr verwirrt oder geängstigt, aber vielleicht hilft dir diese Beschreibung, ganz zielgerichtet die richtigen Ärzte zu finden. Am besten bist du vielleicht in einem Wirbelsäulenzentrum in deiner Nähe aufgehoben. Google mal danach.
WEnn du durch die Physiotherapie Schwierigkeiten bekommst, solltest du diese Übungung unbedingt meiden! Helfen kann dir da evtl. ein Osteopath, ein guter Maitland-Therapeut - suche dir auf jeden Fall einen Therapeuten, der NACHWEISLICH Erfahrungen mit Verletzungen im cranio-cervikalen Übergangn hat! Und lass niemanden deine HWS einrenken!
Ich denke, wenn du die Suchfunktion im Forum nach dem Schlagwort HWS-Distorsion oder Schleudertrauma bemühst, wirst du noch viele Anregungen finden!
Viele Grüße und gute Besserung,
Rudinchen