Sozialgericht …
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Krankengeld von der … (Krankenkasse, Anschrift, Aktenzeichen) …. ;
Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, hilfsweise auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Mit Bescheid vom … – Kopie Anlage 1 – teilte die Krankenkasse mit, dass meine Arbeitsunfähigkeit und der Anspruch auf Krankengeld mit Zugang des Schreibens (also am …) ende.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom … förmlich Widerspruch erhoben – Kopie Anlage 2 –. Die Krankenkasse ist jedoch nicht bereit, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zu berücksichtigen. Mit der Begründung, bei der Bewilligung von Krankengeld handele es sich um keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hält sie an der unmittelbaren Rechtswirkung des angefochtenen Bescheides fest und bewirkt damit dessen Vollzug, Mitteilung vom … – Kopie Anlage 3 –.
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Deswegen beantrage ich
1. festzustellen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat,
2. hilfsweise die Krankenkasse durch einstweilige Anordnung zur nahtlosen Weitergewährung des Krankengeldes zu verpflichten.
Begründung:
An der Feststellung der aufschiebenden Wirkung besteht ein rechtliches Interesse, denn der angefochtene Bescheid greift in die vorherige Rechtsposition ein, wie sie durch den früheren Bewilligungsbescheid vom …– Kopie Anlage 4 – vorgegeben war.
Mit der darin enthaltenen Formulierung „Sie erhalten anlässlich Ihrer Arbeitsunfähigkeit ab … ein kalendertägliches Krankengeld in folgender Höhe … “ ist die Leistung unbefristet auf Dauer bewilligt worden. Das ist durch den weiteren Satz bekräftigt: „Der letztgenannte Betrag wird Ihnen so lange gewährt, wie Sie Anspruch auf Krankengeld haben.“ Auch mit dem angefochtenen Bescheid – Kopie Anlage 1 – ist nochmals bestätigt worden: „Wir zahlen Ihnen seit dem … Krankengeld für die Dauer Ihrer Arbeitsunfähigkeit.“
Aus diesem eindeutig bestimmten Inhalt des Bescheides ergibt sich seine Qualität als unbefristeter Verwaltungsakt mit Dauerwirkung; nach den Bestimmungen des SGB X und der Auslegungsregel des § 133 BGB ist völlig unerheblich, dass es sich um die Leistungsart „Krankengeld“ handelt.
Dazu ist auf das Urteil des BSG vom 16.09.1986, 3 RK 37/85, zu verweisen, worin es bei eindeutig nicht mehr erfüllten Krankengeld-Anspruchsvoraussetzungen um die Beendigung der Krankengeldzahlung, konkret um die Aufhebung der Bewilligung und die Anwendung des § 48 SGB X, ging. Die Streitsache wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen da der Inhalt des die Leistung gewährenden Verwaltungsaktes - damals eine bescheidlose Überweisung - nicht festgestellt war und noch geklärt werden musste.
Diese Rechtsprechung hat das BSG konsequent fortgesetzt und im Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, die Selbstverständlichkeit ausdrücklich bestätigt, dass die Bewilligung von Krankengeld auch durch einen Verwaltungsakt auf Dauer (unbestimmte Zeit) denkbar ist; ob eine solche unbefristete Krankengeld-Bewilligung vorliege, sei im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln.
Diese Auslegung ergibt hier, dass der Bewilligungsbescheid einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt. Nach der Auslegungsregel des § 133 BGB ist der objektive Erklärungswert entscheidend, also maßgebend, wie die Bewilligung aus der Sicht des Adressaten bei objektiver Würdigung zu verstehen ist. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheides an (Bekanntgabe, Zugang). Zeitlich später liegende Umstände haben keinen Einfluss auf den ursprünglichen Erklärungswert; sie können nur für die Ermittlung des Auslegungsergebnisses von Bedeutung sein.
Jedenfalls kommt den Mitteilungen über die „Zahlung von Geldleistungen“ – Beispiel Kopie Anlage 5 – keine einschränkende Qualität zu. Sie haben lediglich Informationswert bezüglich der Zahlung / Überweisung, ähnlich wie Buchungstexte bei Überweisungen. Ein Verwaltungsakt-Charakter ergibt sich daraus nicht; es ist nicht ersichtlich, dass es sich um "Bewilligungen" jeweils nur für die Dauer eines bescheinigten Arbeitsunfähigkeits-Abschnittes handeln soll.
Selbst das beigefügte Exemplar enthält keinen Verfügungssatz, obwohl die Zahlung trotz nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit bis … nur bis … erfolgte. Offenbar sieht das auch die Krankenkasse nicht anders, denn sonst wäre sie ja verpflichtet gewesen, eine Rechtsbehelfsbelehrung anzubringen, vgl. Tätigkeitsbericht des Bundesversicherungsamtes für das Jahr 2011, Seite 18 „Fehler bei der Bescheiderstellung – Rechtsbehelfsbelehrung“, wonach die Verwendung einer Rechtsbehelfsbelehrung für Krankenkassen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts an die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gebunden sind, nicht zur Disposition steht.
Also gilt der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom … ohne jegliche Einschränkung, zumal er auch nicht auf später weiter ergehende Bescheide verweist.
Die Bewilligung des Krankengeldes ab … für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bzw. des Anspruchs war vollkommen unabhängig von einem konkreten Leistungszeitraum; sie war weder auf einen Bewilligungsabschnitt entsprechend einem für die Vergangenheit vorliegenden Auszahlschein noch auf eine befristete künftige Arbeitsunfähigkeitsdauer begrenzt.
Nach dem sich daraus ergebenden materiellen Gehalt der Erklärung erweckte der Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben objektiv den äußeren Eindruck eines ab … geltenden unbefristeten Dauerverwaltungsaktes. Neben dem Leistungsbeginn wurde die Leistungshöhe zukunftsbezogen zeitlich unbegrenzt festgelegt; dies ergibt sich auch aus der Tatsache, dass weitere Bewilligungsbescheide nicht ergangen sind. Dem Verwaltungsakt ist Dauerwirkung beizumessen, weil er in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus Wirkungen entfaltete.
Dafür ist nicht erforderlich, dass Krankengeld ausdrücklich auf Dauer bewilligt wird, denn eine Bewilligung „ab … “ spricht nach Auffassung des Bundessozialgerichtes klar für einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, zumal jede Nebenbestimmung inhaltlich bestimmt, klar, verständlich und widerspruchsfrei sein muss, wenn die Verwaltung die Wirkung des Verwaltungsaktes einschränken will.
Eine solche Einschränkung wäre ausschließlich als Nebenbestimmung i. S. des § 32 SGB X möglich, wobei zwischen Befristung, Bedingung und Auflage zu unterscheiden ist. Soll ein Verwaltungsakt nur einstweilig wirken (Befristung), muss der Adressat Inhalt und Umfang der Einschränkung hinreichend erkennen können. Auflagen und Bedingungen sind wegen ihres Bezugs zu einem erforderlichen Tun, Dulden oder Unterlassen bzw. zum ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses schon an sich eindeutige Hinweise auf einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.
Nach allem war der Bewilligungsbescheid nur so verstehen, wie er nach den Grundsätzen des SGB X richtigerweise gemeint sein konnte, weswegen inhaltlich von einem Dauerverwaltungsakt auszugehen ist. Sein Wortlaut gibt keine Veranlassung, eine nur momentane Wirkung anzunehmen, denn eine zeitliche Einschränkung ist nicht erkennbar. Er erstreckt sich über eine einmalige Gestaltung der Rechtslage hinaus, wirkt für eine unbestimmte zeitliche Dauer in die Zukunft, solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen und durch Auszahlschein nachgewiesen werden, wird immer wieder aktualisiert und vollzugsfähig.
An dieser Erkenntnis konnte sich später nichts mehr ändern. Sie ist jedoch bestätigt, weil die Krankenkasse nach Zuleitung der Auszahlscheine (mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) Krankengeld jeweils überwies und die Zahlungsmitteilung keinen Verwaltungsakt darstellte, auch keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. Wenn ich mit der Höhe des Krankengeldes nicht einverstanden gewesen wäre, hätte ich Widerspruch auch nur gegen den Bewilligungsbescheid eingelegt und wäre niemals auf die Idee gekommen, jede einzelne Überweisung gesondert anzufechten. Zudem hat die Krankenkasse mit dem angefochtenen Bescheid – Kopie Anlage 1 – wiederholt: „Wir zahlen Ihnen seit dem … Krankengeld für die Dauer Ihrer Arbeitsunfähigkeit“, was die dargestellte Auffassung bestätigt.
Im Übrigen geht jegliche Unklarheit zu Lasten der Verwaltung, denn der Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung darf durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden. Wenn Zusätze mehrere Auslegungen zulassen, muss sich die Verwaltung diejenige entgegenhalten lassen, die der Bescheidempfänger vernünftigerweise zugrunde legen darf, ohne die Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit des Bescheides willkürlich zu seinen Gunsten auszunutzen. Über überweisungs- / zahlungstechnische Informationen hinaus habe ich jedenfalls keine Hinweise mit einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden materiell-rechtlichen Bedeutung erhalten.
Außerdem hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R den Rechtsgrundsatz formuliert, dass die Einstellung der Krankengeld-Zahlung vor Ablauf des vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X voraussetzt.
Auch daran hat sich die Antragsgegnerin nicht gehalten. Obwohl meine Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung bis einschließlich … festgestellt war – Kopie Anlage 6 – stellte die Krankenkasse mit dem per Widerspruch angefochtenen Bescheid fest: „Ihre Arbeitsunfähigkeit und der Anspruch auf Krankengeld enden somit mit Zugang des Schreibens“. Der Bescheid ist mir am … , also vor Ablauf des damals bestätigten „Endzeitpunktes“ der Arbeitsunfähigkeit, zugegangen und enthält keine Aufhebungsentscheidung. Die Antragsgegnerin hat die Rechtslage offenbar verkannt und ausdrücklich keine Aufhebungsentscheidung treffen wollen.
Wegen der aus all dem folgenden unbefristeten Dauerwirkung des begünstigenden Bewilligungsbescheides hat der Widerspruch gegen die Krankengeldeinstellung nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nicht nach § 86a Abs. 2 SGG, insbesondere nicht nach dessen Nr. 3, die in ihrer Anwendung auf Anfechtungsklagen beschränkt ist und daher im Widerspruchsverfahren nicht gilt.
Dieses Ergebnis entspricht auch den Vorgaben des Bundesversicherungsamtes an die seiner Rechtsaufsicht unterstellten Krankenkassen mit Rundschreiben vom 12.11.2010, II2 – 5123.5 – 823/2008 sowie mit Rundschreiben vom 16. März 2012, II 2 – 5123.5 – 823/2008.
Das Gericht kann daher – auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage, auf der Basis sinngemäßer Anwendung der Vorschriften zum einstweiligen Rechtsschutz – auf Antrag durch Beschluss feststellen, dass der Widerspruch gegen den Krankengeld-Beendigungs-Bescheid aufschiebende Wirkung hat (Keller, Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, aaO, § 86 b RdNr 15 mwN). Diese Entscheidung wird beantragt. Aus den dargelegten Gründen ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für das Erfordernis, die Rechtsprechung aus der Zeit vor über 25 Jahren zum Schalterakt und zur bescheidlosen Überweisung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen technischen Entwicklung durch die EDV mit individuellen Bewilligungsbescheiden im Krankengeldbereich den Grundsätzen des vor über 30 Jahren in Kraft getretenen SGB X mit konkreten Vorgaben zum Verwaltungsverfahren und Verwaltungsakt anzupassen.
Arbeitsunfähigkeit ist weiterhin – derzeit bis … – festgestellt – Kopie Anlage 7 – und keine Änderung in den maßgeblichen Verhältnissen mit Auswirkungen nach § 48 SGB X eingetreten.
Unter diesen Umständen wird wegen des damit verbundenen Aufwandes zunächst davon abgesehen, den Hilfsantrag sowohl zum Anordnungsgrund wie auch zum Anordnungsanspruch zu begründen und die Angaben einzeln zu belegen. Falls es darauf aber ankommen sollte, bitte ich um einen kurzen Hinweis.
Bereits jetzt sei aber wegen grober Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin die vorgeschriebene vorherige Anhörung unterlassen hat und nun versucht mit dem Schreiben vom 24.08.2012 und der darin enthaltenen Formulierung „Dieses Schreiben gilt als Anhörung gemäß § 24 SGB X (Sozialgesetzbuch X)“, diesen Verfahrensfehler zu heilen – Kopie Anlage 8 – . Zwar wurde offenbar auch für diesen Zweck eine Kopie der Verwaltungsakte beigefügt; die für eine angemessene ausreichende Anhörung erforderlichen Haupttatsachen sind aber nach wie vor nicht benannt; insbesondere wird nicht auf den (un-) zutreffenden Bewertungsmaßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit – ich war zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht arbeitslos – und ebenso wenig auf die Voraussetzungen nach der Vorschrift des § 48 SGB X eingegangen.
Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die mit der Anhörung verfolgten Zwecke „verspielt“, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung zu stärken und diesen vor Überraschungsentscheidungen zu schützen. In solchen Fällen wird die vorherige Anhörung nämlich allgemein umgangen; das Bundesversicherungsamt hat mit Rundschreiben vom 12.11.2010, II2 – 5123.5 – 823/2008, dafür sogar einen illegalen Weg aufgezeigt.
Somit ist die Nachholung der Mitwirkung ausgeschlossen und unwirksam, weil der Verfahrensfehler der unterbliebenen Anhörung vorsätzlich oder rechtsmissbräuchlich oder durch ein Organisationsverschulden (gewollter Rechtsbruch) begangen und das Anhörungsrecht damit verwirkt wurde. Die Möglichkeit der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bedeutet nämlich nicht, dass es zulässig ist, den Krankengeldeinstellungsbescheid - im Hinblick auf eine spätere Heilung - unter Außerachtlassung der Formvorschriften (§§ 24, 33, 35, 45, 48 SGB X) zu erteilen. Dazu wird auch auf die drei Urteile des Bundessozialgerichtes in Fällen des Bundesversicherungsamtes vom 31.10.2002, B 4 RA 15, 16, 43/01 R verwiesen. Nur ergänzend sei erwähnt, dass auch die erforderliche Fristsetzung nach wie vor nicht erfolgte.
Nach all dem ergeben sich auf Antrag Auswirkungen nach § 42 SGB X. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes zwar allgemein nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist. Dies gilt jedoch ausdrücklich nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist. Deswegen beanspruche ich auch über diese Bestimmung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Im Übrigen verweise ich auf die §§ 86 und 96 SGB X und die Tatsache, dass die Krankenkasse die Krankengeldzahlung einstellte, ohne mit der Arbeitsagentur vorher zu klären, ob diese – trotz des unzutreffenden Bewertungsmaßstabes für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit – bereit ist, anstelle des vorrangig zustehenden Krankengeldes Arbeitslosengeld zu gewähren.
Falls erforderlich werde ich den Anordnungsgrund wie auch den Anordnungsanspruch bei Bedarf nach kurzem richterlichem Hinweis umgehend erschöpfend begründen und die Angaben einzeln belegen.
Anlagen:
8 Anlagen
1 Mehrfertigung
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift