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Rechtswidrige Einstellung von Krankengeldzahlungen !

Machts Sinn

Erfahrenes Mitglied
Registriert seit
13 Okt. 2010
Beiträge
1,114
Hallo an alle,

das Bundesversicherungsamt hat festgestellt, dass bei der Einstellung von Krankengeld rechtliche Unsicherheiten bestehen und dies zum Anlass genommen, anhand von Beispielen der Praxis auf die Rechtslage hinzuweisen.

Wenn der Versicherte seine Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachweist, die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit auf der Grundlage eines MDK-Gutachtens aber in Frage stellt, ist die Einstellung der Krankengeldzahlung lediglich unter Aufhebung der Bewilligungs-Grundentscheidung durch Verwaltungsakt gemäß § 48 SGB X möglich.

Dabei sind die Form- und Verfahrensvorschriften des SGB X zu beachten; so bedarf es insbesondere der Anhörung mit einer angemessenen Fristsetzung zur Stellungnahme des Versicherten sowie einer Rechtsbehelfsbelehrung nach § 36 SGB X.

Gegen den Aufhebungsbescheid ist der Widerspruch zulässig. Gemäß § 86a Abs. 1 SGG hat ein solcher Widerspruch aufschiebende Wirkung. Die Krankenkasse ist in diesem Fall verpflichtet, dem Versicherten das Krankengeld bis zum bestandskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens fortzuzahlen.

http://www.bundesversicherungsamt.de/nn_1047218/DE/Krankenversicherung/Rundschreiben/Rundschreiben49,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Rundschreiben49.pdf

Somit dürften viele Entscheidungen über die Einstellung des Krankengeldes aus den letzten zwölf Monaten unmittelbar durch Widerspruch angefochten werden können. Bei älteren Entscheidungen kann sich wegen neuen rechtlichen Gesichtspunkten ein Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X empfehlen und ggf. bis zurück ab Anfang 2006 auswirken.

Das Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes geht auch auf die Krankengeldeinstellung gemäß § 51 SGB V nach Aufforderung zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe oder auf Altersrente ein.

Gruß!
Machts Sinn
 
Entwicklung und neuer Stand:

Das oben verlinkte Rundschreiben vom 12.11.2010 gilt bereits seit 1 Jahr und 4 Monaten. In dieser Zeit gab das Bundesversicherungsamt als Rechtsaufsichtsbehörde von etwa 90 der insgesamt ca. 150 Krankenkassen (zusammen mit den Länderaufsichtsbehörden als Rechtsaufsicht für die übrigen 60 Krankenkassen) – jedenfalls nach außen – ein äußerst jämmerliches Bild ab. Aber nicht weil seine Rechtsauffassung unzutreffend wäre – im Gegenteil ! – sondern weil es sich mit seiner Rechtsauffassung gegenüber 90 bundesunmittelbaren Krankenkassen und nachrichtlich gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit, den Aufsichtsbehörden der Länder und dem GKV–Spitzenverband festlegte, aber bisher offenbar nichts unternahm, wenn die unterstellten Kassen die rechtlichen Vorgaben schlicht ignorierten und nach eigenem Gutdünken gegenteilig verfuhren. Das liegt nicht nur an der wachsweichen Formulierung des Ergebnisses der Aufsichtsbehördentagung vom 11. bis 12. Mai 2011, sondern auch an der Rückendeckung der Krankenkassen-Interessenvertretung durch den GKV-Spitzenverband und dessen Niederschrift über die Fachkonferenz Leistungs- und Beziehungsrecht am 27./28. Juni 2011 in Berlin zu TOP 3, § 44 SGB V – Krankengeld, die auf den Seiten 19 (unten) und 20 (oben) statt von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung ungeprüft von der abschnittsweisen Gewährung von Krankengeld ausgeht.

Gegen soviel Gleichgültigkeit sind die Selbstlobdarstellungen des Bundesversicherungsamtes hier

http://www.bundesversicherungsamt.de/cln_115/nn_1046106/DE/Publikationen/publikationen__node.html?__nnn=true

reine Heuchelei!

Aber: seit heute haben die genannten Empfänger des Rundschreibens vom 12.11.2010 ergänzende Nachricht, eine Klarstellung durch das Rundschreiben des Bundesversicherungsamts vom 16. März 2012, II 2 – 5123.5 – 823/2008,

http://www.bundesversicherungsamt.de/cln_115/nn_1047218/DE/Krankenversicherung/Rundschreiben/Rundschreiben61,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Rundschreiben61.pdf

und das bedeutet: entweder stellen die Krankenkassen ihre Verwaltungspraxis um oder es „rappelt im Karton“.

Für Fälle mit einem unbefristeten Bewilligungsbescheid (Krankengeld ab … ) ändert sich nichts.

Da muss eben nur die Rechtslage beim Gericht schlüssig geltend gemacht werden – was so manche Rechtsvertretung trotz der ganzen Vorarbeit hier

http://www.krankenkassenforum.de/krankengeld-aufschiebende-wirkung-einstweilige-anordnung-vt5784.html

bisher aber nicht geschafft hat …

Rechtswidrigkeit tolerieren ist fast gleichermaßen verwerflich wie sie selbst begehen, insbesondere für Rechtsaufsichtsbehörden! Für Rechtsvertretungen wäre es zusätzlich beschämend.

Gruß!
Machts Sinn
 
orientierende Zusammenfassung:

Die Krankenkassen sind zur Beachtung von Gesetz und Recht verpflichtet und unterliegen insoweit der staatlichen Aufsicht des Bundesversicherungsamtes.

Da diese Aufsichtsbehörde Rechtsverletzungen feststellte und mit Rundschreiben vom 12.11.2010 ein Jahr und vier Monate viel zu maßvoll und zu lange aber gleichzeitig äußerst vergeblich – die Krankenkassen haben sich durch ihre Interessenvertretung, den GKV-Spitzenverband, schon vor einem Jahr gegen die Rechtsaufsicht formiert – „beratend“ auf die Behebung der Rechtsverletzungen hinwirkte, ist mit der Ergänzung / Klarstellung durch Rundschreiben vom 16.03.2012 Eskalationsstufe zwei angesagt, auf der dem Recht endlich zum Durchbruch verholfen werden soll.

Wenn die Krankenkassen ihre Rechtsverweigerung nun nicht beenden, können sie von der Rechtsaufsicht dazu verpflichtet werden. Und da der Schutzauftrag der Aufsicht auch auf die eigentumsähnlichen Positionen der Pflicht-Versicherten bezogen ist, steht dem Bundesversicherungsamt das Tätigwerden längst nicht mehr frei. Die Verpflichtung der Krankenkassen ist mit Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchsetzbar; Zwangsmittel können für jeden Fall der Nichtbefolgung angedroht werden.

Damit sollten die Chancen der Rechtsverwirklichung im Wege der Beschwerde beim Bundesversicherungsamt momentan besser sein als je zuvor.

Und wer weiß, vielleicht will auch keine Krankenkasse die erste sein, die vom Bundesversicherungsamt abgewatscht wird und danach dem Fingerzeig aller anderen Kassen ausgesetzt ist.

Jedenfalls wird es jetzt langsam spannend ...

Gruß!
Machts Sinn
 
Hallo
Habe dazu mal ne dumme Frage da ich das nicht richtig verstehe.
Ich habe bis zum 2.3. Verletztengeld über die Krankenkasse erhalten.Das VG bekam ich wegen meiner PTBS .
Zwischendurch habe ich ne Knieprothese bekommen auf Rechnug der KK und die AHB auf die Rentenversicherung.In den einanhalb Jahren hatte ich zu der PTBS das Problem mit den Knie und der BSV .
Könnte es sein wenn mich ein Arzt weiterhin AU schreibt das ich doch noch Krankengeld erhalten könnte ich habe lediglich nur 3 Monate Krankengeld in den letzten 3 Jahren erhalten und mir wurde gesagt das alle Krankheiten zusammen gezählt werde aber das meiste hat die BG bezahlt die KK hatte Glück da ich auch krank geschrieben WAr.


LG SONJA
 
Seit dem klarstellenden Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes vom 16.03.2012 ist wieder ein Monat vergangen.

Deswegen stellt sich mir die Frage: kommt es inzwischen bei den Versicherten an, dass die Krankenkassen unbefristete Krankengeld-Bewilligungen nur mit Aufhebungsbescheiden beenden können und Widersprüche dagegen aufschiebende Wirkung haben?

Gruß!
Machts Sinn
 
Hallo,


Ursache der hier genannten Probleme sind offenbar die verschiedenen Organe der Rechtspflege. Mit anderen Worten: wo die Rechtsmittel-Begründung nicht fordert wird, wird auch die Qualität der Rechtsprechung nicht gefördert.

Diese banale Verkürzung scheint sich durch die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit zur Anwendung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Rechtsstreitigkeiten um Krankengeld und damit auch in den Verwaltungsverfahren der Krankenkassen der letzten fast drei Jahrzehnte eindrucksvoll zu bestätigen.

Anstelle des SGB X mit seinen Vorschriften zum Verwaltungsverfahren, insbesondere im Zusammenhang mit dem Verwaltungsakt, hat der 1. Senat des Bundessozialgerichtes in dieser Zeit mit folgender Formulierung seinen Zuständigkeitsbereich der rechtsprechenden Staatsgewalt verlassen und sich zum übergeordneten „Konkurrenz-Gesetzgeber“ erhoben, dem auch die Exekutive folgt:

Demgemäß wird das Krg in der Praxis jeweils auf Grund der vom Vertragsarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechend der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit abschnittsweise gezahlt. Nach der Rechtsprechung des BSG ist hierin regelmäßig die Entscheidung der Krankenkasse zu sehen, dass dem Versicherten ein Krg-Anspruch für die laufende Zeit der vom Vertragsarzt bestätigten Arbeitsunfähigkeit zusteht, dh ein entsprechender Verwaltungsakt über die zeitlich befristete Bewilligung von Krg vorliegt. Hat der Arzt dem Versicherten für eine bestimmte Zeit Arbeitsunfähigkeit attestiert und gewährt die Krankenkasse auf Grund einer solchen Bescheinigung Krg, kann der Versicherte davon ausgehen, dass er für diese Zeit Anspruch auf Krg hat, soweit die Kasse ihm gegenüber nichts anderes zum Ausdruck bringt (vgl ua BSGE 70, 31, 32 = SozR 3-2500 § 48 Nr 1 S 2; Urteil des erkennenden Senats vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 39/02 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 2).

Zwar wäre eine Bewilligung von Krg durch einen Verwaltungsakt nicht nur abschnittsweise, sondern auch auf Dauer (auf unbestimmte Zeit bzw bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer) ebenfalls denkbar; in der Praxis kommen derartige Fälle indessen nur ausnahmsweise und nur in atypischen Konstellationen vor; ob eine solche atypische Krg-Bewilligung vorliegt, ist im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Jedenfalls wird mit der Krg-Bewilligung auch über das - vorläufige - Ende der Krg-Bezugszeit entschieden. Wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringt, endet der Anspruch auf Krg mit Ablauf des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraums; eines Entziehungsbescheides nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedarf es nicht (vgl BSG, Urteil vom 16. September 1986 - 3 RK 37/85, SozR 2200 § 182 Nr 103). Hieran hat das BSG auch unter Geltung des SGB V festgehalten und ua entschieden, dass nur eine Einstellung der Krg-Zahlung vor Ablauf des vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X voraussetzt (vgl Urteil des Senats vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 39/02 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 2). Demgemäß endete die Krg-Bewilligung nach Maßgabe des Abhilfebescheides der Beklagten im Falle des Klägers mit Ablauf des 27. November 2000.

Quelle: Auszug aus dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 22.03.2005,B 1 KR 22/04 R
Der „grundsätzliche Konstruktionsfehler“ liegt in der Unterstellung, „dass in der Praxis derartige Fälle (Anmerkung: unbefristete Dauerverwaltungsakte) nur ausnahmsweise und nur in atypischen Konstellationen vorkommen“, bisher aber entgegen der Vorgabe im selben Satz nie durch Auslegung im Einzelfall ermittelt wurde, „ob eine solche atypische Krg-Bewilligung vorliegt“.

Auch unter Berücksichtigung der detaillierten Vorschriften des SGB X gibt es keinen zutreffenden Rechtsgrundsatz, dass sich eine Krankengeldbewilligung von vornherein jeweils nur auf die Dauer der vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erstreckt und es wegen fehlender Bindungswirkung auf das Vorliegen der in den §§ 45, 48 SGB X festgelegten Voraussetzungen für die Rücknahme / Aufhebung verbindlicher Leistungsbewilligungen nicht ankommt.

Deswegen soll das folgende Text-Beispiel Anlass für eine konstruktiv-kritsche Auseinandersetzung über die Anwendbarkeit des SGB X und die Wege der Bewilligung, aber noch mehr der Beendigung von Krankengeld-Zahlungen geben. Die als Antrag an das Sozialgericht formulierten Überlegungen dürften ebenso in Widerspruchs- und Hauptsacheverfahren relevant sein - und können enorme finanzielle Auswirkungen haben.

Aber Achtung: Diese Ausführungen stellen keine haftungsrechtlich relevante Rechtsberatung dar, sondern sind lediglich detaillierte System-Kritik, weil nicht hinzunehmen ist, wie sich auch im Recht – wohl insbesondere durch gedankenlose Juris-Abschreiberei "Betriebsblindheit" allgemein breit macht und sich die Organe der Rechtspflege gegenseitig damit arrangieren.

Gruß!
Machts Sinn


Sozialgericht …





Krankengeld von der … (Krankenkasse, Anschrift, Aktenzeichen) …. ;
Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, hilfsweise auf Erlass einer einstweiligen Anordnung



Mit Bescheid vom … – Kopie Anlage 1 – teilte die Krankenkasse mit, dass meine Arbeitsunfähigkeit und der Anspruch auf Krankengeld mit Zugang des Schreibens (also am …) ende.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom … förmlich Widerspruch erhoben – Kopie Anlage 2 –. Die Krankenkasse ist jedoch nicht bereit, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs zu berücksichtigen. Mit der Begründung, bei der Bewilligung von Krankengeld handele es sich um keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hält sie an der unmittelbaren Rechtswirkung des angefochtenen Bescheides fest und bewirkt damit dessen Vollzug, Mitteilung vom … – Kopie Anlage 3 –.
.

Deswegen beantrage ich


1. festzustellen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat,

2. hilfsweise die Krankenkasse durch einstweilige Anordnung zur nahtlosen Weitergewährung des Krankengeldes zu verpflichten.


Begründung:


An der Feststellung der aufschiebenden Wirkung besteht ein rechtliches Interesse, denn der angefochtene Bescheid greift in die vorherige Rechtsposition ein, wie sie durch den früheren Bewilligungsbescheid vom …– Kopie Anlage 4 – vorgegeben war.

Mit der darin enthaltenen Formulierung „Sie erhalten anlässlich Ihrer Arbeitsunfähigkeit ab … ein kalendertägliches Krankengeld in folgender Höhe … “ ist die Leistung unbefristet auf Dauer bewilligt worden. Das ist durch den weiteren Satz bekräftigt: „Der letztgenannte Betrag wird Ihnen so lange gewährt, wie Sie Anspruch auf Krankengeld haben.“ Auch mit dem angefochtenen Bescheid – Kopie Anlage 1 – ist nochmals bestätigt worden: „Wir zahlen Ihnen seit dem … Krankengeld für die Dauer Ihrer Arbeitsunfähigkeit.“

Aus diesem eindeutig bestimmten Inhalt des Bescheides ergibt sich seine Qualität als unbefristeter Verwaltungsakt mit Dauerwirkung; nach den Bestimmungen des SGB X und der Auslegungsregel des § 133 BGB ist völlig unerheblich, dass es sich um die Leistungsart „Krankengeld“ handelt.

Dazu ist auf das Urteil des BSG vom 16.09.1986, 3 RK 37/85, zu verweisen, worin es bei eindeutig nicht mehr erfüllten Krankengeld-Anspruchsvoraussetzungen um die Beendigung der Krankengeldzahlung, konkret um die Aufhebung der Bewilligung und die Anwendung des § 48 SGB X, ging. Die Streitsache wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen da der Inhalt des die Leistung gewährenden Verwaltungsaktes - damals eine bescheidlose Überweisung - nicht festgestellt war und noch geklärt werden musste.

Diese Rechtsprechung hat das BSG konsequent fortgesetzt und im Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, die Selbstverständlichkeit ausdrücklich bestätigt, dass die Bewilligung von Krankengeld auch durch einen Verwaltungsakt auf Dauer (unbestimmte Zeit) denkbar ist; ob eine solche unbefristete Krankengeld-Bewilligung vorliege, sei im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln.

Diese Auslegung ergibt hier, dass der Bewilligungsbescheid einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt. Nach der Auslegungsregel des § 133 BGB ist der objektive Erklärungswert entscheidend, also maßgebend, wie die Bewilligung aus der Sicht des Adressaten bei objektiver Würdigung zu verstehen ist. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheides an (Bekanntgabe, Zugang). Zeitlich später liegende Umstände haben keinen Einfluss auf den ursprünglichen Erklärungswert; sie können nur für die Ermittlung des Auslegungsergebnisses von Bedeutung sein.

Jedenfalls kommt den Mitteilungen über die „Zahlung von Geldleistungen“ – Beispiel Kopie Anlage 5 – keine einschränkende Qualität zu. Sie haben lediglich Informationswert bezüglich der Zahlung / Überweisung, ähnlich wie Buchungstexte bei Überweisungen. Ein Verwaltungsakt-Charakter ergibt sich daraus nicht; es ist nicht ersichtlich, dass es sich um "Bewilligungen" jeweils nur für die Dauer eines bescheinigten Arbeitsunfähigkeits-Abschnittes handeln soll.

Selbst das beigefügte Exemplar enthält keinen Verfügungssatz, obwohl die Zahlung trotz nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit bis … nur bis … erfolgte. Offenbar sieht das auch die Krankenkasse nicht anders, denn sonst wäre sie ja verpflichtet gewesen, eine Rechtsbehelfsbelehrung anzubringen, vgl. Tätigkeitsbericht des Bundesversicherungsamtes für das Jahr 2011, Seite 18 „Fehler bei der Bescheiderstellung – Rechtsbehelfsbelehrung“, wonach die Verwendung einer Rechtsbehelfsbelehrung für Krankenkassen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts an die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gebunden sind, nicht zur Disposition steht.

Also gilt der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom … ohne jegliche Einschränkung, zumal er auch nicht auf später weiter ergehende Bescheide verweist.

Die Bewilligung des Krankengeldes ab … für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bzw. des Anspruchs war vollkommen unabhängig von einem konkreten Leistungszeitraum; sie war weder auf einen Bewilligungsabschnitt entsprechend einem für die Vergangenheit vorliegenden Auszahlschein noch auf eine befristete künftige Arbeitsunfähigkeitsdauer begrenzt.

Nach dem sich daraus ergebenden materiellen Gehalt der Erklärung erweckte der Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben objektiv den äußeren Eindruck eines ab … geltenden unbefristeten Dauerverwaltungsaktes. Neben dem Leistungsbeginn wurde die Leistungshöhe zukunftsbezogen zeitlich unbegrenzt festgelegt; dies ergibt sich auch aus der Tatsache, dass weitere Bewilligungsbescheide nicht ergangen sind. Dem Verwaltungsakt ist Dauerwirkung beizumessen, weil er in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus Wirkungen entfaltete.

Dafür ist nicht erforderlich, dass Krankengeld ausdrücklich auf Dauer bewilligt wird, denn eine Bewilligung „ab … “ spricht nach Auffassung des Bundessozialgerichtes klar für einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, zumal jede Nebenbestimmung inhaltlich bestimmt, klar, verständlich und widerspruchsfrei sein muss, wenn die Verwaltung die Wirkung des Verwaltungsaktes einschränken will.

Eine solche Einschränkung wäre ausschließlich als Nebenbestimmung i. S. des § 32 SGB X möglich, wobei zwischen Befristung, Bedingung und Auflage zu unterscheiden ist. Soll ein Verwaltungsakt nur einstweilig wirken (Befristung), muss der Adressat Inhalt und Umfang der Einschränkung hinreichend erkennen können. Auflagen und Bedingungen sind wegen ihres Bezugs zu einem erforderlichen Tun, Dulden oder Unterlassen bzw. zum ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses schon an sich eindeutige Hinweise auf einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

Nach allem war der Bewilligungsbescheid nur so verstehen, wie er nach den Grundsätzen des SGB X richtigerweise gemeint sein konnte, weswegen inhaltlich von einem Dauerverwaltungsakt auszugehen ist. Sein Wortlaut gibt keine Veranlassung, eine nur momentane Wirkung anzunehmen, denn eine zeitliche Einschränkung ist nicht erkennbar. Er erstreckt sich über eine einmalige Gestaltung der Rechtslage hinaus, wirkt für eine unbestimmte zeitliche Dauer in die Zukunft, solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen und durch Auszahlschein nachgewiesen werden, wird immer wieder aktualisiert und vollzugsfähig.

An dieser Erkenntnis konnte sich später nichts mehr ändern. Sie ist jedoch bestätigt, weil die Krankenkasse nach Zuleitung der Auszahlscheine (mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) Krankengeld jeweils überwies und die Zahlungsmitteilung keinen Verwaltungsakt darstellte, auch keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. Wenn ich mit der Höhe des Krankengeldes nicht einverstanden gewesen wäre, hätte ich Widerspruch auch nur gegen den Bewilligungsbescheid eingelegt und wäre niemals auf die Idee gekommen, jede einzelne Überweisung gesondert anzufechten. Zudem hat die Krankenkasse mit dem angefochtenen Bescheid – Kopie Anlage 1 – wiederholt: „Wir zahlen Ihnen seit dem … Krankengeld für die Dauer Ihrer Arbeitsunfähigkeit“, was die dargestellte Auffassung bestätigt.

Im Übrigen geht jegliche Unklarheit zu Lasten der Verwaltung, denn der Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung darf durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden. Wenn Zusätze mehrere Auslegungen zulassen, muss sich die Verwaltung diejenige entgegenhalten lassen, die der Bescheidempfänger vernünftigerweise zugrunde legen darf, ohne die Unbestimmtheit oder Unvollständigkeit des Bescheides willkürlich zu seinen Gunsten auszunutzen. Über überweisungs- / zahlungstechnische Informationen hinaus habe ich jedenfalls keine Hinweise mit einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden materiell-rechtlichen Bedeutung erhalten.

Außerdem hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R den Rechtsgrundsatz formuliert, dass die Einstellung der Krankengeld-Zahlung vor Ablauf des vom Arzt festgestellten "Endzeitpunktes" der Arbeitsunfähigkeit die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Maßgabe des § 48 SGB X voraussetzt.

Auch daran hat sich die Antragsgegnerin nicht gehalten. Obwohl meine Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung bis einschließlich … festgestellt war – Kopie Anlage 6 – stellte die Krankenkasse mit dem per Widerspruch angefochtenen Bescheid fest: „Ihre Arbeitsunfähigkeit und der Anspruch auf Krankengeld enden somit mit Zugang des Schreibens“. Der Bescheid ist mir am … , also vor Ablauf des damals bestätigten „Endzeitpunktes“ der Arbeitsunfähigkeit, zugegangen und enthält keine Aufhebungsentscheidung. Die Antragsgegnerin hat die Rechtslage offenbar verkannt und ausdrücklich keine Aufhebungsentscheidung treffen wollen.

Wegen der aus all dem folgenden unbefristeten Dauerwirkung des begünstigenden Bewilligungsbescheides hat der Widerspruch gegen die Krankengeldeinstellung nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nicht nach § 86a Abs. 2 SGG, insbesondere nicht nach dessen Nr. 3, die in ihrer Anwendung auf Anfechtungsklagen beschränkt ist und daher im Widerspruchsverfahren nicht gilt.

Dieses Ergebnis entspricht auch den Vorgaben des Bundesversicherungsamtes an die seiner Rechtsaufsicht unterstellten Krankenkassen mit Rundschreiben vom 12.11.2010, II2 – 5123.5 – 823/2008 sowie mit Rundschreiben vom 16. März 2012, II 2 – 5123.5 – 823/2008.

Das Gericht kann daher – auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage, auf der Basis sinngemäßer Anwendung der Vorschriften zum einstweiligen Rechtsschutz – auf Antrag durch Beschluss feststellen, dass der Widerspruch gegen den Krankengeld-Beendigungs-Bescheid aufschiebende Wirkung hat (Keller, Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, aaO, § 86 b RdNr 15 mwN). Diese Entscheidung wird beantragt. Aus den dargelegten Gründen ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für das Erfordernis, die Rechtsprechung aus der Zeit vor über 25 Jahren zum Schalterakt und zur bescheidlosen Überweisung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen technischen Entwicklung durch die EDV mit individuellen Bewilligungsbescheiden im Krankengeldbereich den Grundsätzen des vor über 30 Jahren in Kraft getretenen SGB X mit konkreten Vorgaben zum Verwaltungsverfahren und Verwaltungsakt anzupassen.

Arbeitsunfähigkeit ist weiterhin – derzeit bis … – festgestellt – Kopie Anlage 7 – und keine Änderung in den maßgeblichen Verhältnissen mit Auswirkungen nach § 48 SGB X eingetreten.

Unter diesen Umständen wird wegen des damit verbundenen Aufwandes zunächst davon abgesehen, den Hilfsantrag sowohl zum Anordnungsgrund wie auch zum Anordnungsanspruch zu begründen und die Angaben einzeln zu belegen. Falls es darauf aber ankommen sollte, bitte ich um einen kurzen Hinweis.

Bereits jetzt sei aber wegen grober Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin die vorgeschriebene vorherige Anhörung unterlassen hat und nun versucht mit dem Schreiben vom 24.08.2012 und der darin enthaltenen Formulierung „Dieses Schreiben gilt als Anhörung gemäß § 24 SGB X (Sozialgesetzbuch X)“, diesen Verfahrensfehler zu heilen – Kopie Anlage 8 – . Zwar wurde offenbar auch für diesen Zweck eine Kopie der Verwaltungsakte beigefügt; die für eine angemessene ausreichende Anhörung erforderlichen Haupttatsachen sind aber nach wie vor nicht benannt; insbesondere wird nicht auf den (un-) zutreffenden Bewertungsmaßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit – ich war zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht arbeitslos – und ebenso wenig auf die Voraussetzungen nach der Vorschrift des § 48 SGB X eingegangen.

Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die mit der Anhörung verfolgten Zwecke „verspielt“, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung zu stärken und diesen vor Überraschungsentscheidungen zu schützen. In solchen Fällen wird die vorherige Anhörung nämlich allgemein umgangen; das Bundesversicherungsamt hat mit Rundschreiben vom 12.11.2010, II2 – 5123.5 – 823/2008, dafür sogar einen illegalen Weg aufgezeigt.

Somit ist die Nachholung der Mitwirkung ausgeschlossen und unwirksam, weil der Verfahrensfehler der unterbliebenen Anhörung vorsätzlich oder rechtsmissbräuchlich oder durch ein Organisationsverschulden (gewollter Rechtsbruch) begangen und das Anhörungsrecht damit verwirkt wurde. Die Möglichkeit der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bedeutet nämlich nicht, dass es zulässig ist, den Krankengeldeinstellungsbescheid - im Hinblick auf eine spätere Heilung - unter Außerachtlassung der Formvorschriften (§§ 24, 33, 35, 45, 48 SGB X) zu erteilen. Dazu wird auch auf die drei Urteile des Bundessozialgerichtes in Fällen des Bundesversicherungsamtes vom 31.10.2002, B 4 RA 15, 16, 43/01 R verwiesen. Nur ergänzend sei erwähnt, dass auch die erforderliche Fristsetzung nach wie vor nicht erfolgte.

Nach all dem ergeben sich auf Antrag Auswirkungen nach § 42 SGB X. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes zwar allgemein nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist. Dies gilt jedoch ausdrücklich nicht, wenn die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist. Deswegen beanspruche ich auch über diese Bestimmung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Im Übrigen verweise ich auf die §§ 86 und 96 SGB X und die Tatsache, dass die Krankenkasse die Krankengeldzahlung einstellte, ohne mit der Arbeitsagentur vorher zu klären, ob diese – trotz des unzutreffenden Bewertungsmaßstabes für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit – bereit ist, anstelle des vorrangig zustehenden Krankengeldes Arbeitslosengeld zu gewähren.

Falls erforderlich werde ich den Anordnungsgrund wie auch den Anordnungsanspruch bei Bedarf nach kurzem richterlichem Hinweis umgehend erschöpfend begründen und die Angaben einzeln belegen.


Anlagen:
8 Anlagen
1 Mehrfertigung


Mit freundlichen Grüßen


Unterschrift
 
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