Hallo,
evtl. kannst du damit was anfangen,...?
Die
posttraumatische Belastungsstörung ist nach der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in ihrer aktuellen und international gültigen Ausgabe ICD-10, Version 2017
(ICD-10-GM-2017) als "
F43.1" kodiert und bezeichnet eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.
Typische
Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von betäubt sein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (ICD-10-GM-2017 F62.0) über.
Kriterien für die
Diagnosestellung sind (vgl. Schnyder, MedSach 2003, S. 142 (143 f.)) ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde (A-Kriterium), Wiedererleben: Erinnerungen tagsüber, Träume, Flashbacks, Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen (B-Kriterium), Vermeidung von Umständen, welche der Belastung ähneln (C-Kriterium), Amnesie oder erhöhte Sensitivität und Erregung: mindestens zwei der folgenden Merkmale: Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz, erhöhte Schreckhaftigkeit (D-Kriterium) sowie das Auftreten in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis (E-Kriterium). Nach diesem Diagnosesystem orientiert sich die vertragsärztliche Behandlung (Urteil Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 36).
Es ist daher in erster Linie auch von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie den Sachverständigen anzuwenden, da es die nachvollziehbare Feststellung einer konkreten psychischen Gesundheitsstörung unter Verwendung eines üblichen Diagnosesystems sowie des dortigen Schlüssels und der Bezeichnungen ermöglicht. Zur Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung herangezogen wird auch das von der American Psychiatric Association in den Vereinigten Staaten von Amerika herausgegebene Diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen, seit 1996 auch auf Deutsch; die Textrevision der vierten Auflage wurde 2000 veröffentlicht
(DSM-IV-TR). Nach DSM-IV-TR 309.81 ist das so genannte "
Trauma-Kriterium", das A-Kriterium, eingängiger gefasst.
Danach ist Hauptmerkmal der posttraumatischen Belastungsstörung die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (A1-Kriterium). Es muss ein extremes, lebensbedrohliches Ereignis tatsächlich stattgefunden haben (Foerster/Leonhardt, MedSach 2003, S. 146 (147)). Bezüglich des Erlebnisses ist eine Reaktion von Angst, Hilflosigkeit oder Grauen zu verlangen (A2-Kriterium).
Weitere Kriterien sind (vgl. Schnyder, a. a. O.) ständiges Wiedererleben des traumatischen Ereignisses (B-Kriterium), anhaltendes Vermeiden spezifischer Stimuli, welche an das Trauma erinnern (C-Kriterium), Angst oder erhöhtes Erregungsniveau (D-Kriterium), Dauer mindestens ein Monat (E-Kriterium) sowie erhebliches Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Bereichen (F-Kriterium).
Die seit Mai 2013 dem DSM-IV-TR folgende, nunmehr in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage des Diagnostischen und statistischen Manuals (DSM-5) steht dem an sich nicht entgegen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, a. a. O., Rz. 40; Widder/Dreßing/Gonschorek/Tegenthoff/Drechsel-Schlund, MedSach 2016, S. 156 ff.).
Unter das A-Kriterium wird nunmehr allerdings auch die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Ereignissen (z. B. Ersthelfer, die menschliche Leichenteile aufsammeln, oder Polizisten, die wiederholt mit schockierenden Details von Kindesmissbrauch konfrontiert werden) gefasst.
Damit löst sich, ohne dies deutlich zu machen, die DSM-5 deutlich von der historischen Entwicklung der Erfassung seelischer Folgen schwerer Traumatisierung in den psychiatrischen Klassifikationsschemata, welche nicht zuletzt unter dem Druck der Veteranen des 1955 begonnenen Vietnamkrieges erfolgte, denen ganz unzweifelhaft permanente lebensbedrohliche Ereignisse widerfuhren und die Gräueltaten mit anblicken mussten (vgl. Hirschmüller, MedSach 2003, S. 137 (140)).
An dem Diagnosesystem DSM-5 wird im fachmedizinischen Schrifttum zudem die fehlende Validität bemängelt (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, a. a. O., Rz. 41). Da die exakte psychische Diagnose es nachvollziehbar machen muss, warum und in welchem Ausmaß eine Person psychisch krank ist, ist das DSM-5 besonders bei der posttraumatischen Belastungsstörung nicht geeignet, diese Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, a. a. O., Rz. 42).
Grüße
Marcela
http://www.jura.uni-frankfurt.de/44294983/PTBS_in_der_GUV___dw_deppermann_wöbbeking.pdf
PTBS in der GUV, PTBS in der sozialrechtlichen Rechtsprechung zur gesetzlichen Unfallversicherung
https://www.dguv.de/medien/landesverbaende/de/medien/infomat/lv8_suedwest/documents/lv8_heft28.pdf
Begutachtungs-Spezialseminar für Psychiater/innen