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Pflegefall nach unverschuldetem Autounfall

Moenle

Neues Mitglied
Registriert seit
1 Okt. 2007
Beiträge
3
Hallo,
hatte vor 23 Jahren mit meiner 6 Tage alten Tochter einen Verkehrsunfall, bei dem ein LKW über eine rote Ampel in mein Auto fuhr. Dadurch wurde meine Tochter schwer verletzt, ist heute stark pflegebedürftig, sitzt im E-Rollstuhl. Die Schuldfrage ist eindeutig, beim Schmerzensgeld wurden nur Abschlagszahlungen gemacht und der komplette Zukunftsschaden ist offen.
Bisher wurden durch eine Beraterin, welche von der gegnerischen Versicherung (HDI) bezahlt wird, verschiedene Ausgaben und Hilfsmittel erstattet. Bei benötigten Hilfsmitteln wurde immer die Notwendigkeit geprüft und nach evtl. monatelangen Verhandlungen dann vielleicht bezahlt oder auch abgelehnt. Größere Hilfsmittel musste ich immer erst bei der Krankenkasse beantragen, danach wurde evtl. übernommen. (Z.B. hat sie nun einen E- Rolli von der Kasse bekommen, welcher aber andauernd kaputt ist, da es ein biliges Modell ist)
Da wir damals keine Rechtsschutzversicherung hatten, haben uns die Anwälte immer von einer Klage abgeraten. Auch bekomme ich nicht wirklich Tips von meinem Anwalt (bereits der 4.Anwalt), was mir zusteht und möglich ist.
Ich suche Gleichgesinnte, die bereits Erfahrungen in einem ähnlichen Fall gemacht haben, da ich in diesem Jahr klagen möchte.
Wer hat etwas Ähnliches schon erlebt oder gehört und kann mir weiterhelfen?
Ich bin über jede Information dankbar.
Liebe Grüsse, Moenle
 
Hallo Moenle,

vier Anwälte als Pfeifen ist schon heftig.

Auch wenn ich lese, dass ihr von der Rehaberaterin der HPV begleitet werdet - da schrillen doch alle Alarmglocken. Die ist nur dazu da, Kosten zu sparen und nicht "Eure Freundin".

Billig E-Rolli von der Krankenkasse, das geht mal gar nicht!

Deiner Tochter stehen alle Hilfs- u. Heilmittel zu welche sie braucht und nicht nur Billigzeugs von der KK aus deren Hilfsmittelpool.

Wer pflegt / assistiert Deiner Tochter? Bekommst Du hier zumindest ein entsprechendes Entgelt für Deine Leistungen?

Deine Tochter bekommt eine Pflegestufe? Holt sich die Pflegekasse diese Kosten bei der HPV zurück? Ist das geregelt?

Auch, wie sieht es mit Euren Ärzten aus? Die sollten Euch auch unterstützen, nicht nur medizinisch sondern auf zu Euren Gunsten für die HPV.

Unbedingt müsst ihr Klagen und regelmäßig Kosten der HPV in Rechnung stellen wegen der Verjährung (3 Jahre).

Eure Tochter muss auch unbedingt für die Zukunft abgesichert sein / werden.

Eine Klage dauert Jahre - also fangt schon mal an zu klagen und ein Tipp von mir, setzt ganz klar durch: KEINE Abschlagszahlungen mehr! Kosten sind 1:1 nachvollziehbar zu ersetzen.
Denn zum Schluss blickst Du nicht mehr durch.

Viele Grüße

Kasandra
 
Grüß Dich, Moenle!


Herrje, da fehlts aber weit. Da könnte ich jetzt ein kleines Buch schreiben. Fangen wir mal mit zwei Punkten an:

- Bekommt Deine Tochter wirklich nur das, was notwendig ist?
- Was hast Du für die Hilfe zu bekommen, die Du Deiner Tochter dafür gibst, dass sie überhaupt leben kann? Und was hat das mit der Pflegeversicherung zu tun?


(I) "Notwendige" Aufwendungen:

01 Grundsatz:

Deine Tochter bekommt alle (!) Mehraufwendungen ersetzt, die ein vernünftiger Mensch haben will, um möglichst den Stand zu erzielen, der wäre, wenn der Unfall weggedacht würde.

02 "Nicht notwendig"

Nun kommt oft als Gegenargument, das sei nicht notwendig. Nun, das mag schon stimmen, dass Vieles nicht notwendig ist. Notwendig ist nicht viel. Jeder Zisterziensermönch kommt z.B. ohne Urlaub aus. Mehrkosten für Urlaub der behinderten Tochter etwa wollen Versicherer ungern bezahlen: Da nicht notwendig.

03 Na und?

Darauf kommt es nicht an. Im Gesetz steht nämlich nicht, dass der Schaden nur soweit zu ersetzen ist, dass es zum Überleben langt. Im Gsetz steht, dass der entstandene Schaden ersetzt wird, § 249 BGB.
Wenn der E-Rollstuhl der Kasse zu schrottig ist, dann wird man auf Kosten der Versicherung den Mehraufwand für ein vernünftiges Modell erstattet verlangen.

Ich mach mal ein Beispiel aus dem Bereich, den wir alle kennen, da wird's dann deutlich:

Wir nehmen einen etwas heftigen Auffahrunfall vor der roten Ampel an. Schuld ist der, der aufgefahren ist. Getroffen hat es Deinen Mercedes 600 SEL, 1 Jahr alt, 40.000 km auf dem Tacho. Sagen wir mal, der war vorher noch 100.000,00 Euro wert, jetzt ist er Schrott(Wert: sagen wir: 10.000,00 Euro).

KEIN MENSCH käme auf die Idee, zu sagen: "Du kriegst 12.000 Euro, das langt für'n Fiat Panda, sogar einen neuen."

Natürlich bekommt der Geschädigte 90.000,00 Euro, (Zeitwert abzüglich Restwert)! Der hatte vorher Mercedes 600 SEL, dann hat er hinterher auch Mercedes 600 SEL.
Wem das nicht passt ("Ausgerechnet so ein teueres Auto!"): Der soll sich vorher überlegen, wem man getrost reinfahren kann und beim wem man's besser bleiben lässt.



04 Hat das gar keine Grenze?

Hat es. Das ist die Schadensminderungspflicht. Es ist der Ausdruck von Vernunft und Fairness, schlichter Hausverstand. Man soll den vollen Schaden ersetzt bekommen, aber nicht zur Unvernunft und Schadenstreiberei übergehen.

Und was heißt das?

(a)
Unfall weggedacht, wäre Deine Tochter z.B. wahrscheinlich in Urlaub gefahren, das ist normal so (worauf es ankommt, § 287 ZPO). Das wollen wir jetzt auch.

Es gilt in Deutschland allgemein nicht als unvernünftig, in Urlaub zu fahren. Dieser Wunsch ist normal. Wenn die Behinderung für ein paar Hunderter Mehrkosten sorgt, dann ist es eben genau so.

Und wer zahlt die bei Deiner Tochter notwendige Begleitperson?
Die Versicherung. Da gibt's ein nettes Urteil, das das bestätigt: Amtsgericht Cottbus, 43 C 214/11 vom 04.04.2013.



(b)
"Kann die Grenze noch ein wenig klarer gezogen werden?"

Aber ja!

(ba)
Wo nur Sachwerte zu entschädigen sind, ist schnell Schluss. Nimm an, Dein über alles geliebte Auto wird zu Schrott gefahren. Aber nur knapp. Du verstößt nicht gegen die Schadensminderungspflicht, wenn Du ihn trotzdem reparieren lässt, obwohl sich das nicht lohnt. Aber: Das darf maximal 130 % dessen Kosten, was das Auto vor dem Unfall wert war. Da ist die Grenze der Schadensminderungspflicht. Das heißt: Wenn die o.a. Reparatur des Mercedes durchgeführt würde für, sagen wir mal, 124.000,00 Euro: Das müsste der Versicherer zahlen, und zwar in voller Höhe. Weil das nicht mehr kostet als 130 % dessen, was das Auto vor dem Unfall wert war.


(bb)
Wo aber nicht nur das gottverdammte heilige Blechla getroffen ist, sondern Deine Person, da greift die Schadensminderungspflicht so schnell nicht.

Beispiel:
Ein Schwerstverletzter sagte: "Ich will nicht ins Heim, ich hab vorher zu Hause gewohnt, da will ich es jetzt auch noch. Ich will meinen Ausblick über das Donautal genießen".

Das ging. Nur stellte sich heraus: Das war zweieinhalbmal (!) so teuer wie das teuerste () Pflegeheim in der ganzen Gegend. Prompt ging ein machtvoller Rechtsstreit los. Der Versicherer meinte, das übersteige die Grenze der Schadensminderungspflicht. Eine derartige Belastung sei der Versichertengemeinschaft nicht zuzumuten. Solche Extrawürste seien mit dem Schmerzensgeld abgegolten.

Das ging bis vors Oberlandesgericht Koblenz (VersR 02/244). Der Geschädigte bekam ohne Abstriche den Schadensersatz zuerkannt. Bei so tiefen Eingriffen in das Leben ist die Schadensminderungspflicht noch nicht verletzt.

(bc)
"Ist das ein Ausreisser oder sagen das die anderen Gerichte auch?"

Das sagen die anderen auch.

Das OLG Bremen hat (VersR 99/1030 ff.) entschieden für Schadensausgleichsmaßnahmen in diesem Bereich entschieden:


"Über den zu ersetzenden Aufwand darf auf die Wahl der Lebensgestaltung nur eingeschränkt Einfluss genommen werden, wenn nämlich die Kosten in keinem vertretbaren Verhältnis zur Qualität der gewählten Versorgung stehen….zu ersetzen ist der Mehrbedarf, der tatsächlich bei sinnvoller Disposition anfällt"

DIESEN SATZ BITTE AUSWENDIG LERNEN. Den trägt in jeder Verhandlung mit der Versicherung vor sich her wie der Priester die Monstranz an Fronleichnam.

(bd)
"Hast Du nicht auch ein Urteil vom Bundesgerichtshof, so von ganz oben?"

Was-? Nur eines willst Du?

Da gibt’s mehrere, die sagen das auch so:

BGH VersR 98/366 und BGH VersR 78/149.


Ergebnis:
Seit Jahren wirst Du an der Nase herumgeführt.



(II) Was hast Du für die Hilfe zu bekommen, die Du Deiner Tochter dafür gibst, dass sie überhaupt leben kann? Und was hat das mit der Pflegeversicherung zu tun?

Das geht so:

01
Ich unterstelle mal, Deine Tochter hat eine Pflegestufe zuerkannt bekommen. Und da gibt's Pflegegeld. Das muss man sich natürlich anrechnen lassen.

02
Die Pflegeversicherung zahlt nur eine Pauschale ohne jede Rücksicht darauf, ob das reicht oder nicht. Daher kann auch niemand sagen: "Was die Pflegeversicherung zahlt, das reicht".

03
Eigentlich müsste eine Assistenz her, ein Mensch, der Deiner Tochter beim Leben hilft. So etwas ist nicht billig: Bei Leuten, die Pflege rund um die Uhr brauchen, sind das üblicherweise 9.000,00 bis 12.000,00 Euro im Monat.

04
Aber was ist, wenn keine solche Kraft angestellt wurde? Weil Du das alles selbst machst? Gibt’s dann nichts?

Nein, sagt der Bundesgerichtshof (NJW-RR 90/34), da gibts was:

Der Schädiger muss bezahlen, was die Hilfskraft (netto) bekommen hätte für die Arbeit, die die Verletzte nicht mehr tun kann.

Das nennt man "fiktive Abrechnung". Das hat die Tendenz zu 6-stelligen Beträgen.

Als: Der gesamte Arbeitsaufwand für Deine Tochter, der sich durch den Unfall einstellte, muss bezahlt werden. ACHTUNG: Es kommt NICHT darauf an, dass Du das bisher kostenlos gemacht hast. Das entlastet die Versicherung nach einhelliger Rechtsprechung nicht. Du bist nicht der kostenlose Pfleger für die Versicherung.

(05) Ein harmloses Beispiel (die Versicherung hat es bezahlt):

Eine Hausfrau hatte Mann, 2 Kleinkinder und einen Hund zu versorgen: Die Haushaltsarbeit machte sie zu ¾ und ihr Mann zu ¼. Durch den Unfall erlitt sie Verletzungen, die sie eine Weile behinderten:

- 21 Tage komplett arbeitsunfähig (100 % MdE)
- 11 weitere Tage fiel sie im Haushalt zu 70 % aus, dann
- 17 Tage war sie zu 30 %. Dann – nach 7 Wochen- war sie wieder gesund.

Sie erhielt für Ihren Ausfall im Haushalt rd. 2.500 €: Da verschätzen sich die Leute total! Das Schmerzengeld war halb so viel. Bei einem Dauerschaden kommt es nicht selten zu 6-stelligen Beträgen.

(06) Vorsicht: In diesem Bereich gibt es oft Abfindungsangebote, die viel zu niedrig liegen, eben weil sich die Leute so verschätzen.



Wahrscheinlich sitzt Du jetzt da, wie vom Donner gerührt. Das gibt's doch gar nicht! Und wie soll das alles durchgesetzt werden?

Nun, das geht. Die erste Voraussetzung ist, dass Du jetzt eisern immer im Forum bleibst, immer nachfragst, denn: Was Du da gelesen hast, das ist nur die Spitze des Eisberges, seit 23 Jahren wirst Du jetzt an der Nase rumgeführt, das werden wir beenden.
Hier muss ein munterer Dialog in Gang kommen. Wenn Du das nicht tust, dann muss ich Dir sagen: Dann verplemperst Du auf Kosten Deiner Tochter Hunderttausende.

Das wirst Du nicht wollen.


ISLÄNDER
 
Grüß Dich, Moenle!

Wie ich meinen letzten Beitrag geschrieben habe, da habe ich gedacht: "Moenle wird vermutlich mit einer Menge Fragen auftauchen."

Das war nicht so. Ich vermute jetzt, dass Dir das alles zu viel geworden ist, und wie so man da jemals wieder rauskommen? das Gefühl - "ich kann nicht mehr" macht sich breit.


01
Jetzt bitte ich Dich, mir einfach zu glauben. Seit etwa 1978 arbeite ich an Unfallsachen. Seit etwa 23 Jahren wurden Folgen schwerer Verletzungen eine Spezialität. Das heißt: Ich kenne (a) viele, die in Deiner Lage sind und (b) ist es schon oft gelungen, da zu helfen. Ich kenne viele, denen aus der Sozialhilfe in ein Leben geholfen werden konnte, das auf einer stabilen Basis steht. Das geht auch im Fall Deiner Tochter.

02
Ich sehe Dich direkt vor mir. Deine Lage ist vermutlich:

Tausend Probleme. Alle wollen etwas von Dir. "Bringen Sie dieses bei, legen Sie jenes vor, stellen Sie Ihre Tochter diesem Gutachter vor", aber Geld kommt nur wenig. Und Du hängst im Geschirr, pflegst Deine Tochter, aber dass Du langsam vor die Hunde gehst, darum kümmert sich keiner. Hamster im Laufrad. Verbissen versuchst Du, weiter zu kommen, aber....es ist, als müsse man marschieren mit Schuhen, die haben Sohlen aus Blei.

Ist doch so - oder?


03
Jetzt zeige ich Dir, wie das aus meinem Blickwinkel ausschaut. DAs ist ganz nützlich: Ein Vergleich zeigt, wo das Problem eigentlich steckt:

(a)
Du bist mit einem großen LKW von der Straße abgekommen und im Moor daneben gelandet. Dumm gelaufen. Du versuchst, mit einem Klappspaten den 40-Tonner freizuschaufeln. Der versinkt inzwischen in dem Moor, pro Tag ein Zentimeter. Plan, wie man vorgeht? Roter Faden? Hast Du nicht mehr. Du schaufelst weiter, weil Dir bessere Mittel nicht zur Verfügung stehen.

(b)
Hör auf damit. So bekommst Du den LKW nicht frei. Das kann nicht gehen. Da müssen wir ganz anders ran, und damit geht das auch. Mit einem normalen ADAC-Straßendienst-Abschleppauto geht das auch nicht. Das geht mit Bergekran! Schwerlastwinden! Mobilen Rampen und ähnlich ernstzunehmendem Gerät. Und dann braucht man jemanden, der das auch bedienen kann. Dann bekommen wir den Lastwagen schon wieder auf die Straße. Nicht in einer viertel Stunde, aber im Ganzen. Und: Der Einsatz dieser Bergewerkzeuge rentiert sich.


(c)
Aber Du musst Hilfe annehmen können. Ich kann niemanden rausziehen, der im Moor versinkt, wenn er nicht mal die Hand rausstreckt. Wenn Du das nicht machen willst: Schraub die Nummernschilder vom LKW ab und melde ihn bei der Zulassungsstelle ab! Geschichtsforscher und Ausgräber werden sich in paar hundert Jahren freuen, wenn sie im Moor einen fast unbeschädigten LKW aus dem 21. Jahrhundert zu finden!

So! Ich hoffe, ich habe mich klar und deutlich ausgedrückt!

04
Bist Du bereit, Hilfe anzunehmen? Dann antworte kurz. Und bitte teile mit, wie -von Deinem Wohnsitz aus gesehen- die nächste größere Stadt heißt. Danach richtet sich, wie man Kontakt bekommt. Nenne aber nicht Deine Anschrift oder eine Telefonnummer im Netz! Denn wir wollen im Netz ja diskret bleiben. Bleibe im Netz und schaue regelmäßig hier nach, was es Neues gibt.



ISLÄNDER
 
Hallo Isländer,

Moenle ist seit 1.10.2007 ! hier im Forum angemeldet und kommt erst 8 Jahre später mit Fragen?

Nichts für ungut, aber das ist vergebene Liebesmüh.

VG
Gitti
 
@ Ironman,

da wäre ich mir nicht sicher, ob es Hoffnungslos ist.

Da die Versicherung bisher immer gezahlt hat (Teilweise die Kosten übernommen hat (eigene Vermutung), ist die Sache noch nicht Verjährt.

Aber wie schon Kasandra richtig gesagt hat, musst du Klagen, weil eine Versicherung, nie freiwillig etwas Zahlt und ohne Klage du nie zu deinem Recht kommst, zwar kann das Verfahren lang dauern, aber was du momentan durchmachst, ist doch bestimmt auch keine Lösung für immer.

Und ich kann genau mit dir fühlen, da auch ich als 6 jähriger vom Auto überfahren wurde, zwar ist meine Situation nicht so schlimm, wie bei deiner Tochter, aber auch ich muss immer noch Klagen, damit die Versicherung mir etwas Bezahlt.

Deswegen such dir einen Guten Anwalt und Klage und befolge die Ratschläge von Isländer, der Kennt sich damit aus.

Hab nur noch eine Frage: Du sagtest, dass die Krankenkasse die Kosten Rollstuhl usw. übernommen hat, nimmt die Krankenkasse die Haftpflichtversicherung nicht in Regress? Bei mir holt die Krankenkasse, die Behandlungskosten von der Versicherung zurück.


LG

ES
 
DANKE, DANKE, DANKE Isländer für Deine Hilfestellung.
Es ist sehr schade, dass Du bisher keine Rückmeldung bekamst.

Moenle ist "Aktiver Sponsor" und kann private Nachrichten empfangen (und schreiben).
 
Hallo zusammen,
erst mal vielen Dank für Eure schnellen Antworten.
Ich hatte dummerweise nicht im Forum geantwortet, da ich mich hier noch nicht so gut auskenne. Außerdem habe ich nicht immer soviel Zeit, da ich noch 2 gesunde Kinder habe und jetzt alleinerziehend bin. Im Jahr 2007 habe ich mich angemeldet, da ich nur Infos gesucht habe, ohne aktiv teilzunehmen. Meine Tochter lebt seit 2008 in einem Pflegeheim, da ich aus gesundheitlichen Gründen die Pflege nicht mehr übernehmen konnte (Pflg.st. 3).
Die Versicherung bezahlt das Wohnheim und die Förderstätte komplett, nur bei dem heutigen Pflegenotstand reicht dies nicht aus. Sie kann z.B. nicht alleine das Haus verlassen und ist immer auf Hilfe angewiesen. Die Versicherung bezahlt am Wochenende stundenweise (4 Stunden pro Tag) junge Betreuungspersonen, die dann mal mit ihr ins Cafe gehen oder Spiele machen. Wenn meine Tochter am Wochenende mal nach Hause kommt, bekommen wir 4mal am Tag den Pflegedienst bezahlt.
Ich möchte schon noch im Frühjahr eine Klage anstreben und werde mich nächste Woche mit dem Anwalt in Verbindung setzen.
Die Kosten der Krankenkasse werden nur teilweise von der Versicherung erstattet (warum auch immer?)
Meine Tochter bekam vor kurzem eine Teilzahlung für die letzten Jahre des Verdienstausfalles, wobei keine Einigung über ihren eventuellen Beruf erzielt wurde.
Letztes Jahr habe ich wieder ein Auto gekauft für 22.000.-, welches neu umgebaut wurde für den Rollstuhl. Hier sagt der Anwalt z. B., ich muss bei meinem Verdienst nur 4000.- Euro bezahlen (ohne Unfall hätte ich nicht mehr ausgegeben), die Versicherung sagt aber, ich müsste 10.000.- Euro bezahlen. Der Anwalt sagte, diesen Punkt kann man einklagen. Auch sind wir seit letztem Jahr dran, eine Möglichkeit zu schaffen, damit meine Tochter uns hier zuhause mal besuchen kann (Aufzug oder Lift).
Wenn sie im Moment zu Besuch kommt, kann sie nur bei den Großeltern wohnen, dort ist es teilweise rollstuhlgerecht.
Ähnliche Probleme gibt es auch bei der Urlaubsplanung,...
Weiß jemand, ob ich jeden Punkt einzeln einklagen muß? Ich hatte den Anwalt so verstanden.
Isländer, die nächste Stadt ist Freiburg i. Breisgau
Viele Grüße, Moenle
 
Grüß Dich, Moenle!

Schön, dass Du wieder aufgetaucht bist!

In diesem Beitrag geht es um das Thema "Verdienstentgang":


01
Wir wissen alle nicht, was aus Deiner Tochter geworden wäre ohne den Unfall.
Das aber führt nicht dazu, dass der Versicherer sich zurücklehnen kann und sagen kann:
"Sie sagen, Ihre Tochter hätte etwas gelernt? Na ja, dann beweisen Sie es mal."

Das musst Du nämlich nicht. Das geht einfacher.

02
Ursache ist § 252 BGB. Diese Bestimmung steht an völlig falscher Stelle im Gesetz. Deswegen wird sie leicht übersehen.

Da steht also nun:

"Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte."


03
Zuallererst: Entgangener Verdienst gehört dazu "entgangenem Gewinn". Das ist unter den Juristen völlig eindeutig (BGH NJW 00/2670).

03
Du brauchst gar nicht zu belegen, was aus Deiner Tochter geworden wäre. Es reicht, dass Du mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 Zivilprozessordnung liefert diesen Maßstab) belegst, was aus Leuten so üblicherweise zu werden pflegt, die in solchen Verhältnissen aufwachsen, wie das bei der Tochter so war.

04
Nun hast Du noch zwei Kinder. Wo haben die ihre Begabungen und ihre Fähigkeiten?
Da sollten her: Bescheinigungen von Kindergärtnern, Lehrern, Lehrherren, Gruppen, in denen die Kinder mitmachen - "alles, was Haar' und Federn hat".

05
Ebenso belegst Du: Wie ist Dein Werdegang, wie ist der Werdegang des Vaters?

06
Gerichte sind gerne bereit, anzunehmen, dass dann aus Deiner Tochter auch so etwas in der vergleichbarer Art geworden wäre wie das, was in der Familie so rundum wurde oder sich abzeichnet.

07
Wenn sich z.B. abzeichnet, dass Deine Tochter einen Lehrberuf ergriffen hätte: Wie wird dann der Lohn bestimmt?

(a)
Der Versicherer wird gleich zu den Lehrberufen schielen, in denen man leider schlecht verdient. Friseuse oder Bäckereifachverkäuferin.

(b)
Damit der Versicherer keine Stilaugen bekommt: Da braucht er nicht schielen. Da kommt es auf den Mittelwert an, nicht auf den Mindestschaden, so BGH Z 62/103.

(c)
Zur Schätzung des Üblichen dürfen Durchschnittswerte aus dem Statistischen Bundesamt herangezogen werden, BGH VersR 72/834.

08
ISLÄNDERS WARNBLINKLAMPE:

(a)
Vorsicht! Es gibt im Internet seltsame Auftritte, in denen man angeblich ermitteln kann, was der übliche Lohn -meinetwegen- von Bürokaufleuten in Freiburg ist. Diese Angaben sind seltsam niedrig. Ich bin einem solchen Auftritt einmal nachgegangen. Er stammte von einer "Ein-Mann-Mini-GmbH", der eine Gesellschafter war noch Geschäftsführer 6 anderen Firmen! Der hatte gar nicht die Möglichkeit, statistische Erhebungen zu liefern. Ich kann mir nur denken, diese Seite dient dazu, bei Forderungen nach Lohnerhöhungen ein Gegenargument zu erzeugen. Wissen kann ich es nicht.

(b)
Man findet Hilfe bei DESTATIS, das ist das Internetportal des Statistischen Bundesamtes.
Und wo dort? DESTATIS, das ist ein riesiges Feld, da kann man sich tagelang verirren.

Die "Verdienststrukturerhebung" in der Suchmaske führt zum Erfolg.

09
Nebenbei: Wenn die Versicherung recht arg auf Berufen herumreitet, die besonders schlecht bezahlt sind, so kann man auch mal so zurückschießen:

"Woraus entnehmen Sie eigentlich, dass gerade die Regaleinräumer und Schuhverkäufer 10.000,00-Euro-Autos kaufen? Die müssen doch von ihrem Mindestlohn (8,50 Euro pro Stunde) erst mal das bezahlen, was sie für Wohnen, Miete und Kleidung brauchen. Dafür setzen wir mal das an, was man auch bei Lohnpfändung einem Menschen nicht wegnehmen kann, den Selbstbehalt also. Und da ist der Mindestsatz Euro 1.050,00 netto.

Da bleibt ja überhaupt nichts übrig, solche Leute können sich kein Auto leisten! Von was denn? Ein Glück für Sie, dass Ihr Ansatz völlig falsch ist, meine Tochter hätte so kärglich verdient"

10
Nun gibt's ja die dollsten Behauptungen, was ein Gelernter verdienet. Ich habe einmal eine unrealistisch niedrige Zahl aus einer Versicherung damit bekämpft, dass ich eine Auskunft hatte, was man genau in dieser Versicherung verdient. Ein verständnisinniger Betriebsrat hatte mir geholfen. Die Bescheinigung habe ich vorgelegt. Boshaft habe ich gefragt, ob in der Pfefferminzia völlig überzogene Löhne und Gehälter bezahlt werden. "Was verdienen eigentlich Sie, Herr Regulierer?.

Die Burgmauer bekam Risse....

11
Tipp: Tipp ausdrucken und dem Anwalt geben. Es ist ein hochprozentiges Destillat aus Jahrzehnten beruflicher Arbeit mit Personenschäden.

12
Was hast Du noch für Sorgen?

ISLÄNDER
 
Hallo Isländer,

habe jetzt endlich mal alles von Dir ausgedruckt...hört sich schon gut an.
Jetzt hab ich ein paar Fragen.
Schmerzensgeld wurde für meine Tochter vor 23 Jahren bezahlt, es liegt aber keine Abfindungserklärung vor, da die weitere Entwicklung der Schadensfolge noch nicht absehbar war. Seit mehr als zwei Jahren fordert der Anwalt mehr, er verweist auf die Entscheidung vom Lg Würzburg 03.12.01(Hacks Tabelle 28.3037), OLG Hamm 11.09.02(Hacks Tabelle28.3039)und OLG Düsseldorf 26.04.07(Hacks Tabelle 28.30439).
Es interessiert aber die HDI überhaupt nicht, sie meinten es sei abgegolten.
Würden wir noch €75.000,00 fordern wären die Prozesskosten 1.Instanz ca.10000€, 2. Instanz 12.000€, meinte der Anwalt.
Da wir keine Rechtsschutzversicherung bei dem Unfall hatten, ist das natürlich nicht so gut. Aber ich kann ja Prozesskostenhilfe beantragen, oder?
Ich hatte mit dem Anwalt im Januar telefoniert, dass wir Klage einreichen möchten, in den Punkten in denen es keine Einigung gibt. Der Anwalt fand es gut, da dieses Briefe hin und herschreiben, keinen Sinn mehr hat. Jetzt letzte Woche bekomme ich ein Brief vom Anwlalt , in dem er nichts von einer Klage erwähnt, er fordert nochmals auf die strittigen Punkte zu bezahlen....
Seit einem Jahr warte ich auf die Zusage, dass ein Aufzug zu meiner Wohnung gebaut wird, sie kann im Moment nur zu Grosseltern ins EG, wo auch das Pflegebett steht.
Keine Antwort, und der Anwalt tut nichts...ist das normal?
Wenn meine Tochter nach Hause kommt, oder ich gehe zum Arzt mit ihr...bekomme ich €10 /Std. auch für nachts. Wenn ich die Pflege mache und nicht der Pflegedienst, bekomme ich auch etwas, das muss ich aber jetzt erst einreichen. Die Wochenendhilfen, die stundenweise kommen, muss ich auch immer vorschiessen, und dann einreichen.
Ok, das wars erst mal,
Viele Grüße,
Moenle
 
Grüß Dich, Moenle!

Der schönen Reihe nach:

01
Wenn Dein Versicherer meint, das Thema "Schmerzensgeld" sei abgefunden worden, dann soll er das mal herzeigen, wo das steht. Das wäre nämlich eine sogenannte "rechtsvernichtende Tatsacheneinwendung", und die muss der Versicherer beweisen, nicht Deine Tochter muss das Gegenteil beweisen.

02
Schmerzensgeld und Prozesstaktik:

(a)
Wenn Du "noch" 75.000,00 Euro forderst: Wieviel ist denn bis jetzt überhaupt auf das Schmerzensgeld bezahlt worden?

(b)
Bittere Pille: Maßgeblich dafür, was "angemessen" ist, ist das, was an Schmerzensgeld zur Zeit des Unfalles für angemessen angesehen wurde. Das wird oft übersehen.

(c)
PKH:
Maßgeblich für die Bedürftigkeit ist nicht Deine Bedürftigkeit, sondern die Deiner Tochter.


03
Wieso tut der RA nichts? Schwer zu sagen.


(a)
Der am ehesten als "wahrscheinlich" anzusehende Punkt:

Ich nehme an, es geht in der Lage um sehr viele Einzelforderungen. Wenn die Klage sauber gemacht werden soll, dann dürfte das ein dickes Ei werden. Unter 10 Seiten sicher nicht, je nach "Freude am Detail" können das mal 40 Seiten sein. Bis man das alles zusammen hat, arbeitet man unter Umständen eine ganze Woche hin und macht nichts anderes. Schiebt man das vor sich her, bekommt man davor Angst, schiebt deshalb weiter, kriegt deshalb noch mehr Angst davor.....und diese Angst zu überwinden, das ist das große Problem. Ruf einmal die Woche an und frag, wie der neueste Sachstand ist, frag ab, was bis Ende nächste Woche fertig sein wird, lass Dir den "Textbaustein" zumailen, das wirkt am ehesten. Und sein freundlich, damit die Angst nicht größer wird.


(b)
Auch möglich als Ursache:

Will ein Anwalt das verdienen, was auch seine Sekretärin verdient (!), müssen im Monat 10.000,00 Euro + MWSt. reinkommen, pro Arbeitstag (220 pro Jahr: Er muss ja auch mal Urlaub haben!) sind das rd. 550,00 Euro pro Arbeitstag. Dieser Anwalt gehört zu den aufopferungsvollen Verrückten, die allen helfen wollen.

Klagt der Mann 100.000 Euro ein, so bekommt er für den ganzen Prozess (ohne Fahrtkosten, 1. Instanz, ohne Vergleich),

egal, wie dick die Klage ist,

egal, wieviel Arbeit das ist,

egal, oft er in's Gericht gehen muss

netto rd. 3.800,00 Euro, es sei, er hat mit seinem Mandanten eine Honorarvereinbarung. 3.800 Euro langen für 7 Arbeitstage. Ab da hat er das Einkommen, das seine Sekretärin auch hat. Na gut.

Diese 3.800 Euro bekommt er aber nur dann für den Prozess, wenn er nicht auf PKH klagt. Klagt er auf PKH, zahlt die Staatskasse. Aber die Staatskasse zahlt weniger, § 49 RVG. Nur, wenn er gewinnt, kann er bei der Gegenseite den Rest holen. Und sonst? Da bekommt er für den gleichen Prozess nicht 3.800,00, sondern 1137,50 Euro (70 % Zwangsrabatt!). Dieses Loch darf er NICHT mit Honorarabrede schließen. Er muss damit auskommen, Schluss.

Das langt für 2 Tage Arbeit, wenn der arme Hund tatsächlich so gierig ist und am Monatsende für sich so viel haben will wie eine Bürokraft mit 3 Jahren Lehre.

Braucht er aber auch nur 4 Tage für den ganzen Prozess, so arbeitet er: Und bezahlt dafür auch noch, denn seine Sekretärin, die Miete, die Altersvorsorge, tja: Da bleibt für ihn selbst nichts mehr. Die Kanzlei, die den riesigen Prozess in den 80-er Jahren gegen die dritte Startbahn am Flughafen München gewonnen hat, ist über dem Prozess Pleite gegangen, obwohl sie erinnerlich fast 100.000 Euro dafür bekam. Ist so!

Das ist nicht immer motivierend.

Das ist der Blick hinter die Kulisse. Verblüffend, nicht wahr? Aber es ist echt so.


ISLÄNDER
 
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