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Mit PTBS autofahren aus Sicht eines UO

bertel01

Erfahrenes Mitglied
Registriert seit
11 Feb. 2009
Beiträge
624
Ort
Vechelde
Hallo ihr Lieben,
ich habe lange überlegt ob und wenn was und wie ich Euch erzähle wie ich meinen Weg mich wieder zum Führen eines KFZ hingeatbeitet geschafft habe.
Nach meinem Unfall im Aug. 2008 habe ich erstmal überhaupt nicht daran gedacht, dass ich Probleme mit der Teilnahme als Aktiver im Straßenverkehr hätte. Meine körperlichen Beeinträchtigungen ließen dass zu dem Zeitpunkt eh nicht zu.
Ich war vorher ein m.M. nach guter Fahrer und ein sehr guter Beifahrer. Ich habe alle Führerscheine und konnte alles fahren was einen Motor hat. Und meine Ausbildung im Kfz - Bereich war auch ein solider Teil meines Fundamentes im Bereich Kraftfahrwesens.
Es war ein Teil meiner Freizeit und ich konnte mich sehr gut entspannen, wenn ich zum Beipiel mit meinem Motorrad über die Straßen fuhr.

Als meine Frau mich zur MHH fuhr, zum Vorgespräch, muß ich bzw habe ich den Griff über der Beifahrertür die gesammte Zeit über fest umklammert so das ich am Ziel angekommen schweißnass war und einen Krampf im Arm hatte.
Es hat über 1 Jahr und 2 mal 12 Wochen sat. Behandlung in der MHH gedauert , das ich wieder ein einigermaßen akzeptabler Beifahrer geworden bin. Ich kann mich heute noch bei meinen Fahren über ihre Geduld und Fürsorge bedanken.
Als Ansporn an mich selber, habe ich mir nach ca. 6 Monaten, nach meinem Unfall ein Auto gekauft und auch angemeldrt. Dieses Fz habe ich in den ersten 2 Jahren nicht einen Meter bewegt.
Aber es war da, ein Mahnmahl, eine Versuchung eben ein Hinweis auf eine Möglichkeit.
Der weg ist das Ziel.
Ich habe mich in das Auto gesetzt und mich mit den Gedanken an das Fahren beschäftigt. Ich kann gar nicht aufzählen wie oft ich geheult habe wie ein Schosshündschen wie verzweifelt ich war, mich bedauert habe eben im Selbstmitleid auf geganngen bin.
Meine Frau brachte mich dann zu einem befreundeten Fahrlehrer nach weiß ich wie vielen Versuchen, die ich mit meinen Argumennte immer wieder verschoben habe. Unter seiner Anleitung und Aufsicht habe ich mich wieder an das Autofahren herangetastet.
Heute sage ich Danke, das mein Freundes- und Bekanntenkreis, meine Frau und mein Nachbar mich so unterstützt haben.
Egal wann und wo ich den Wagen mal abgestellt habe und nicht mehr in der Lage war diesen nach Hause zu befördern, sie haben mich abgeholt, sich nicht über mich lächerlich gemacht, sonder mir immer wieder Mut zu gesprochen.
Heute fahre ich immer noch keine großen Strecken aber ich bin schon ein etwas gelasseber als Beifahrer.
Bei bestimmten Situationen, an Straßeneinmündungen, wenn jemand zu schnell angefahren kommt, oder wenn nur im Herbst ein Blatt auf die Scheibe kommt, geht mir immer noch der A... auf Grundeis und es kommt schon mal vor, das ich das Auto stehen lasse und später abhole aber ich kann das akzeptieren.
Meine PTBS ist mir immer noch treu, aber der Umgang mit ihr gelingt mir dank der Psychol/somatichen Hilfe im Großen und Ganzen ganz passabel. Die Narben, die der Unfall im Geist hinter lassen hat werden bleiben. Sie verblassen zwar aber sie können jederzeit wieder getriggert werden.
Einenen Knochenbruch sieht man auf einem Röntgenbild immer wieder.
Eine PTBS ist nicht so einfach zu sehen.
Ich habe dieses geschrieben weil ich den Einen oder Anderen ermuntern möchte nicht auf zu geben. Und es gibt noch einen Beitrag der sich mit Fahrsicherheitstraining beschäftigt.
Meines Erachtens, muß erst der Kopf willig und in der Lage sein diesen Weg zu gehen. Die Umsetzung in der Praxis sollte m. M. nur in Verbindung der Psy. Betreuung um gesetzt werden.

OH OH ist doch sehr lang geworden der Beitrag aber glaubt mir, dass ist nur eine Kurzbescheibung des Weges.
LG Wolfgang
 
Hallo Wolfgang,

ich habe deinen Artikel gelesen und muss gestehen mir laufen die Tränen.
Warum genau kann ich die nicht sagen ,aber ich denke vor Rühren und aus Glück über deine Erfolg.
Aber auch vor Traurigkeit, das ich keinen hatte vor 13 Jahre der mir half und es Verstand (und auch ich nicht verstand)
Heute habe ich meine Kinder und meinen jetzigen Mann die mich verstehen und unterstützen.

Gerade bei PTBS ist das enge Umfeld wichtig.

Ich möchte mal ein dickes Banke sagen an die Menschen die uns unterstützen und so akzeptieren so wie sind.
 
"Wollen" ist eine wesentliche Verhaltensfunktion-Software, die nur auf unbeschädigter

Hardware abgespult werden kann.:)


Hallo Bertel01,

Deine Schilderung habe ich sehr aufmerksam gelesen und kann alles nachvollziehen.
Doch auf einen Satz muss ich eingehen, weil er so zu Missverständnissen führen kann.
Meines Erachtens, muß erst der Kopf willig und in der Lage sein diesen Weg zu gehen. Die Umsetzung in der Praxis sollte m. M. nur in Verbindung der Psy. Betreuung um gesetzt werden.

Um so, wie der Satz da steht, ihn nicht miss zu verstehen, müsste man nun eine Abhandlung über die Hirnfunktion "Willen" schreiben. Das ergäbe dann den Umfang eines dickeren wissenschaftlichen Buches, wenn man alles Wesentliche mit einbeziehe.

Ein speziell geschulter Schlechtachter (und Anhänger) würde jetzt hergehen und behaupten, es liege nur einfach am Wollen, ob sich jemand in seiner PTBS verschanzt oder nicht.
Das verfälscht jedoch das Bild der Krankheit PTBS völlig.

Man muss unterscheiden zwischen Hemmung und Funktionsstörung. Wobei der Begriff "Hemmung" wiederum auch als Bezeichnung für Auswirkung bestimmter physiologischer Funktionsstörungen sind.
Allerdings muss nicht jede Hemmung eine physiologische Funktionsstörung als Ursache haben. Der spezialisierte Fachmann (nicht Pseudomediziner) ist gefordert, die Ursache festzustellen. Pseudomediziner beurteilen nur mit ihrem subjektiven Eindruck vom Verhalten des Probanden auf eine PTBS-Erkrankung. (Subjektive Beurteilungs-Eindrücke sind abhängig der Stütze der üblichen Auftraggeber und das ist durch das neue BGH-Urteil straffrei - also Gewissen bildend bezüglich Neutralität und Subjektivität.)


Mit einer Hemmung kann, je nachdem, nicht mehr natürlich, mit der Eigenbestimmung wie Wollen, bestimmte Tätigkeiten ausgeführt werden. Der Patient/Geschädigte erscheint sozusagen (mit meinen eigenen Worten) "hirnlahm". Ich verwende jetzt diesen Vergleichsbegriff aus der Neurologie "Parese" als Erklärungsmodell, weil in den Hirnleitungsfunktionen auch, wie bei den motorischen Nervenleitungen, Leitungsfunktionen gestört sein können, durch Zellschädigung, also „Lücken“ in der Informationsverarbeitung mehr oder weniger stark ausgeprägt sind.

Wichtige Unterscheidung:
Das ist jedoch nicht wie bei einem Lernvorgang, bei dem Hirnarbeit erweitert wird, um so zu einem willentlich veränderten Verhalten zu kommen.
Ein schreckliches Erlebnistrauma führt zu solch einem passivem Lernvorgang, das die Überängstlichkeit (zu früh ausgelöstes Frühwarnsystem) als gelerntes Programm festsetzt. Je länger es festsitzt, um so schwerer zu verändern.

Weitere wichtige Unterscheidung:
Es kommt dabei nun darauf an, ob der Unfallgeschädigte eine unversehrte Willensfunktion besitzt, also ob er dieses passive Lernprogramm eigenständig umprogrammieren könne. Hat er jedoch eine global diffuse Hirnschädigung erlitten, z. B. durch Sauerstoffmangel/Atmungsstörung/Blutdruckabfall -> (Kettenfunktionsstörung), …., oder Hirnblutung bzw. Ischämie, welche gewisse Hirnfunktionen beeinträchtigten, so ist eine willentliche Umprogrammierung von traumatisch passiven Lernprogrammen nicht mehr ausführbar. Dazu kommen dann auch noch die entspechend diffusen Hirnfunktionsstörungen.

Die laienhafte Verkündigung, alles wäre möglich, was man nicht für möglich halte, ist ein typischer Ausspruch von Unwissenheit. Es gibt noch keine Ersatzteile für „Hirnlücken“. Selbst wenn das Hirn noch brachliegende Ressourcen häbe, ein organischer Schaden in der Willensfunktion ist nun mal ein (wenn nicht das) wesentliches Teil im menschlichen Verhalten.

Deshalb ist die PTBS-Behinderung ernst zu nehmen und nicht lächerlich zu machen durch Verharmlosung. Deshalb sollten sich auch jene schämen, die meinen, Betroffene wegen ihrer Behinderung verspotten oder verächtlich machen zu müssen.


Ist die Störung gering, so kann man mit intensivem "Wollen" oder Alternative davon, für eine Sache diese Störung überwinden. Dann wirkt diese Störung auf dem Level einer Hemmung. Auch Hemmungen haben unterschiedliche Überwindungsgrade, vorausgesetzt, siehe Ausführung oben.

Bringt aber ein Patient das "Wollen" nicht mehr auf, dann ist seine Störung schwerer, so stark, dass er diese selbst nicht mehr überwinden kann-> also kein Stadium von Hemmung, sondern Funktions-Störung – chronische PTBS.

Frage: Wurden Deine Angehörigen in die psychologische Betreuung mit einbezogen?


Gruß Ariel
 
Hallo Ariel,
danke für deine Zeilen und den Hinweis.
Ich habe versucht ohne direckt auf meine Behandlung und Hilfe zwecks Unfallverarbeitung meinen Werdegang in Kurzform dar zu legen.
Zum Willen möchte ich sagen, dass ich mir gewünscht habe wieder mobil zu werden aber ohne die vielen Psychologischen Sitzungen und EMDR- Behandlungen hätte ich das nie geschafft.
Am Anfang hatte ich auch nicht den Wunsch oder Willen wieder ein Auto zu bewegen sondern habe mich total zurück gezogen erst nach meinem ersten 12 wöchigen Aufenthalt in der psychosomatischen Abteilung der MHH nach intensiver Behandlung kam wieder die Hoffnung auf irgendwann wieder Auto zu fahren.
Und alle, die EMDR - Sitzungen hatten können bestimmt nachempfinden wie hart das war. Teilweise war ich 3 Tage durch den Wind konnte nicht schlafen hatte Schweißausbrüche usw. also alles andere als angenehm.
Ohne diese Behandlungen würde ich heute bestimmt zurückgezogen und ohne Freude am Leben leben und bestimmt keinen Gedanken an das fahren eines Autos verschwenden.
In meiner Jugend gab es ein Sprichwort, Fahrrad fahren verlernt man nicht. Nein verlernt habe ich nichts nur die Angst und die Blokaden im Kopf haben mich bzw. meine Handlungsfähigkeit gelähmt und beeinflussen mich auch immer noch. Es gibt Tage und Momente in denen ich wieder in alte unfallbedingte Verhaltensmuster zurück falle.
Es ist also kein Lernvorgang gewesen denke ich, sondern ein Verarbeitungs- und Akzeptierungsvorgang.
Ich bin nicht geheilt was meine PTBS betrifft und ich muß immer wieder gegen bestimmte Gefühle ankämpfen aber ich weiß ich bin nicht alleine, ich habe Anlaufstellen und das Wichtigste ist, meine Frau unterstützt mich in allen Bereichen.
Ich hoffe ich habe jetzt nich noch mehr Verwirrung gemacht mit meinem Versuch darzustellen, was ich mit Willen ausdrücken wollte.
LG Wolfgang
 
@ bertel01 - moin, Wolfgang.....

....ach man.....ich leg einfach mal meinen Arm auf Deine Schulter....und spendier Dir ein "Radler"....

...ich kann es so gut nachvollziehen.....auch ich habe ja alle Führerscheine, sogar 2 x Sonder, für Drehleiter und Radlader.....und ich dachte auch (sogar schon im Krankenhaus), na, das wird schon kein Problem werden wieder mitzufahren.

Ich ahnte zu der Zeit schon, das ich hinselbst nie mehr fahren werde.....aber das mitfahren ist ja im Grunde genauso wichtig.

Es kam bei mir auch ganz anders.....ich weigerte mich sogar nach Hause gefahren zu werden, als ich entlassen wurde......es hat meine Frau und das wirklich coole Team an Doc's und Schwestern/Pfleger fast 1,5 Tage gekostet, mich da auf den Weg zu bringen......die Transportkollegen vom Rolli-Transporter waren an dem Tag echt sauer auf mich, weil der Termin ja gebucht war......schlimmer noch, man kannte mich ja.....ein Wachenleiter und dann so "Muffensausen"?.....das geht doch gar nicht.

Schließlich habe ich es ja geschafft, nach Hause zu kommen, aber im Grunde war ich fast sediert.....man hat mich für die Zeit "schlafend gemacht" und das war auch gut so.....meine Panik kann ich gar nicht beschreiben....so furchtbar war es die Stunden vorher.

Heute lächel ich natürlich etwas da drüber....aber komisch ist es bestimmt nicht - für Niemanden......

Toll, das Du es ge/beschrieben hast.......es macht absolut Sinn

Wichtig ist für uns jetzt einfach am Ball zu bleiben und zu vertrauen - Vertrauen in den Menschen geben, der einen fährt (schließlich möchte dieser Mensch ja auch leben bzw. überleben.....).

Ich für mich habe gelernt, das es wichtig ist, sich während der Fahrt zu beschäftigen.....ich höre ein Hörbuch, oder studiere die Karte auf'm Notebook (ich habe das Glück einer Halterung am Rolli, so kann es mit....).

Mir hilft das gut.....probiers mal aus!

Beste Grüße - auch an alle Anderen PTBS'ler

Brommel :)
 
Vorurteile gegenüber PTBS verringern

Gerne.
Ich hoffe ich habe jetzt nich noch mehr Verwirrung gemacht mit meinem Versuch darzustellen, was ich mit Willen ausdrücken wollte.
Nein, keine Verwirrung, mein Hinweis war nur zur Unterscheidung gedacht und soll auch zu mehr Kennenlernen der PTBS führen. Dazu trägst Du mit Deinen Ausführungen bei, also gilt der Dank Dir. Je weniger wir von Betroffenen direkt erfahren, desto mehr bleibt diese Krankheit/Behinderung ein Geheimnis. So ist jeder Beitrag von Dir und anderen Betroffenen auch ein Stück Aufklärung und unterstützt Vorurteile abzubauen.

Mir war wichtig vorzubeugen, was zu Missverständnissen (bei Unwissenden) führen könnte.

Gruß Ariel
 
Hallo Wolfgang,

danke, dass du so offen über deine Probleme geschrieben hast.

Ich habe zwar kein PTBS, aber auch mein CRPS hat mich zum Nachdenken bewegt, ob ich überhaupt noch in der Lage bin, ein Auto verantwortungsvoll zu steuern.

Mir machte jede Fahrt Angst, weil ich mir immer wieder die Frage stellte, was wäre wenn...? Schließlich ist meine rechte Hand nicht mehr fit.

Auch von mir ein herzlicher Dank an die MHH für ihre psychosomatische Therapie.

Heute fahre ich bei Wind und Wetter, aber wesentlich bewußter und vorausschauender als vor meinem Unfall, bei welchem ich zu Fuß unterwegs war.

Viele Grüße

Derosa
 
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