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Beweisfragen im sozialgerichtlichen Verfahren

Joker

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Registriert seit
2 Sep. 2006
Beiträge
1,302
Ort
am Rhein
Hallo,

in einem anderen Thread hatte 12jannis05 ausgeführt, dass auch die "richtigen" Beweisfragen zu stellen sind. Um den alten Thread nicht vom Thema abdriften zu lassen, möchte ich das Thema der Beweisfragen an dieser Stelle ganz gerne aufgreifen.

Für mich stellt sich momentan die Frage: Wie werden Beweisfragen "richtig" formuliert?
Und wenn sie "falsch" formuliert sind: welche Einflussmöglichkeiten hat der Kläger bzw. dessen Rechtsvertreter auf Präzisierung oder ggf. Verallgemeinerung der Fragestellung?
Sind eher zu allgemeine oder zu stark eingegrenzte Fragestellungen euch eher zum Nachteil geraten?

Als Beispiel stelle ich hier mal die Beweisfragen aus einem BG-Unfallverfahren ein, und zwar von zwei verschiedenen Instanzen:

A) Sozialgericht
1. Welche Gesundheitsstörungen der Klägerin beruhen wahrscheinlich (im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung) allein oder zumindest annähernd gleichgewichtig neben anderen Ursachen auf dem Unfall vom TT.MM.JJJJ?

2. Bestanden zur Zeit des Unfalls bereits Vorschäden oder anlagebedingte Veränderungen?

3. Wie hoch wird die unfallbedingte MdE seit dem TT.MM.JJJJ eingeschätzt? Die Schätzung ist unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten unfallmedizinischen Bewertungsgrundsätze (z.B. Günther/Hymnen/Izbicki - Unfallbegutachtung; Schönberger/Mertens/Valentin - Arbeitsunfall und Berufskrankheit) zu begründen.

4. In welchem prozentualen Maße wird die Klägerin aus fachärztlicher Sicht seit wann und für welche Zeiträume durch die Unfallfolgen in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert? Um kurze Erläuterung der MdE-Schätzung, ggf. zeitlich gestaffelt, wird gebeten.

5. Inwieweit ergeben sich Abweichungen in der Beurteilung gegenüber den Vorgutachten und wie werden diese begründet?

B) Landessozialgericht
1. Welche Körper(-erst)schäden hat das Ereignis vom TT.MM.JJJJ nachweislich, d.h. ohne vernünftige Zweifel auf [Fachrichtung] Gebiet
hervorgerufen?
a) Wodurch sind diese Primärschäden (ggf. aktenkundig) nachgewiesen?
b) Wann entfiel ggf. welcher Primärschaden, ohne Funktionsstörungen zu hinterlassen?

2. Seit wann lassen sich welche Gesundheitsstörungen nachweisen und wie haben sie sich im Laufe der Zeit entwickelt?

3. Welche Gesundheitsstörungen (Ziff. 2) sind durch welche Primärschäden (Ziff.1 )
a) wahrscheinlich
b) möglicherweise
entstanden oder richtunggebend verschlimmert worden?
(Wahrscheinlich ist ein ursächlicher Zusammenhang, wenn diesem unter Würdigung aller Umstände gegenüber anderen Möglichkeiten der Verursachung ein deutliches Übergewicht zukommt; für ihn muss - mit anderen Worten - so viel sprechen, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden)

4. Falls Sie einen Ursachenzusammenhang für wahrscheinlich (Ziff. 3a)) halten: Welche Gründe sprechen dafür bzw. dagegen, dass die Gesundheitsstörungen (Ziff. 2) wahrscheinlich durch den Primärschaden (Ziff. 1) entstanden bzw. richtunggebend verschlimmert worden ist?
(Stellen Sie "Pro" und "Contra" gegenüber, was überwiegt?)

5. Wie hoch ist die durch die Unfallfolgen (Ziff. 3a)) bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - im allgemeinen Erwerbsleben nach Maßgabe der Erfahrungswerte zur Unfallbegutachtung für die Zeit ab TT.MM.JJJJ - ggf. zeitlich und höhenmäßig gestaffelt - einzuschätzen und welche Gründe sind dafür maßgebend?

6. Nehmen Sie kritisch Stellung zu den Gutachten und Stellungnahmen von Dr. [Namen der Gutachter aus dem erstinstanzlichen Verfahren und dem Verwaltungsverfahren]

7. Hinsichtlich der Zusammenhangsbeurteilung bei Halswirbelsäulen-(HWS-)Distorsionen und deren MdE-Bewertung wird auf die zu berücksichtigenden Darlegungen bei Schönberger/Mehrtens/Valentin - Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Seite 550 ff. hingewiesen.

Übrigens, durch Frage 7 des LSG hatte ich persönlich den Eindruck, dass die MdE ganz schön von vorneherein gedrückt werden sollte :(

Insgesamt habe ich persönlich den Eindruck, dass es dem Gericht vornehmlich um den Komplex Körperschaden - Kausalität nach der Theorie der wesentlichen Bedingung - ggf. Höhe der MdE geht, wenngleich auch leicht unterschiedlich formuliert.
Was habt ihr bislang für Erfahrungen mit solchen oder ähnlich formulierten Beweisfragen gemacht? Oder habt ihr komplett andere Formulierungen in den Beweisfragen gehabt?


Gruß
Joker
 
Hallo Joker,

beim Sozialgericht hatte ich selber das Gefühl, dass ich eine Kaffeepause zwischen dem Richter und dem Geschäftsführer der VBG gestört hatte. Nachdem meine frühere Anwältin den Karren im wahrsten Sinne des Wortes in den Mist gefahren hatte, konnten beide Herren kaum damit rechnen, dass nun ich persönlich auftauchte.

Dementsprechend war die Reaktion dann, als ich meinen eigenen Gerichtstermin "störte".

Der Richter warf mir sogar vor, dass er es in Erwägung gezogen habe, mir Gebühren aufzuerlegen, weil ich die Frechheit hatte, seinen Zeit zu stehlen.

Interessant war die Reaktion jedoch, als ich zum Schluss der Meinung war, meine ganzen Urteile runter zu beten. Die Aktenzeichen wollte sowohl der Richter, als natürlich auch der BG-Mensch von mir haben.

Ich habe sie auf meinen Termin beim Landesozialgericht vertröstet. Dank Seenixe sind es jetzt noch mehr Aktenzeichen geworden;)

Mittlerweile ist mir klar geworden, dass die Verhandlung beim SG die Spreu vom Weizen trennen soll. Also rate ich nur jedem, sich nicht einschüchtern zu lassen.

Und wie der Zufall es wollte, war ein Anwalt während der Ver-/Misshandlung anwesend, um sich auf den nächsten Termin vorzubereiten, der mir beim LSG als Zeuge zur Verfügung steht.

Fürs LSG habe ich mir schon mal einen Akten-Trolly zugelegt, damit ich meine gesammelten Werke auch einhändig transportieren kann.

Alles Gute

Derosa
 
Hallo derosa,

danke für deine Rückmeldung. Leider kann ich deine Erfahrung nur bestätigen, dass das SG lediglich nur für eine gewisse "Vorselektion" zuständig ist, wer weiß wie viele nach einem negativem Urteil gar nicht in Berufung gehen?:eek:

Dennoch geht es mir in erster Linie um die Beweisfragen, mein Verfahren ist (vorerst) abgeschlossen. Nach meinem persönlichen Eindruck war es eher so, dass die Gutachterauswahl das Klageergebnis beeinflusst hat und nicht die Art der Fragestellung, deshalb dieser neue Fokus und die Fragestellungen.
Ich meine mich zu entsinnen hier im Forum im Kern schon ähnlich formulierte Fragestellungen gelesen zu haben, so dass ich vermute diese oder ähnlich formulierte Fragestellungen sind Standard und habe deshalb eine Variante solcher Fragen eingestellt.

In einem Beitrag hieß es aber
[...] mein persönlicher Eindruck: Als ich mir nach einiger Zeit am SG die "richtigen" Beweisfragen und die "richtigen" Gutachter zusammengesucht hatte, stieg die Zahl der erfolgreichen Klagen und bei den anderen hatte ich ein gutes Gefühl, dass die Klageabweisung richtig war.

Insofern die Fragen:
- was sind die "richtigen" Fragen, was ist (z.B.) an obigem Beispiel richtig, was "falsch"
- wodurch kann man die "richtigen" bzw. "falschen" Fragen
a) identifizieren
b) bzw. bei "falsch" gestellten Fragen eine Korrektur erwirken?

Sollten z.B. in obigem Beispiel "falsch" gestellte Fragen enthalten sein, soll dieser Thread dazu dienen alle User dieses Forums für die Beweisfragestellungen zu sensibilisieren und ggf. Maßnahmen kennen, um Idealfall Änderungen der Fragestellungen zu erzielen.

Wer weiß, wie viele Kinder während meines Verfahrens in den Brunnen gefallen sind, ohne dass ich oder mein Anwalt es überhaupt gemerkt haben....

Gruß
Joker
 
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