Unverschuldeter Unfall nun kein Krankengeld

Grüß Euch alle hier!


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Erst schaut man nach: Ist die Kanzlei eine Sozietät (= mehrere Anwälte haben sich zusammengetan unter gemeinsamen Briefkopf) oder ist die Kanzlei eine eines Einzelanwaltes (nur 1 RA auf dem Briefkopf)?

Sozietät: Dann müssen die anderen Sozien den Ausgefallenen vertreten. Denn sie haben sich zur gemeinsamen Berufsausübrung verbunden. deshalb ist es formell so, dass alle die Anwälte, die in der Sozietät sind, verpflichtet sind, den Fall zu bearbeiten.

Einzelanwalt: ein Einzelanwalt muss einen Vertreter bestellen, wenn er länger als eine Woche ausfällt (§ 53 BRAO), das muss er selbst machen. Findet er keinen Vertreter oder kommt er nicht mehr dazu, für einen Vertreter zu sorgen (zum Beispiel, weil er einen Unfall hat oder eine völlig unvorhergesehene, plötzliche Erkrankung), so muss die Rechtsanwaltskammer einen Vertreter bestellen. Dazu hört sie vorher den Anwalt an (sofern das überhaupt möglich ist). Das ist dann ein sogenannter "RAK-bestellter Vertreter".

Soweit das formale. Es ist § 53 Bundesrechtsanwaltsordnung geregelt.

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In der Praxis ist es schwieriger. Auch Sozien, die sich häufig und gründlich austauschen, arbeiten nicht beide gemeinsam am Fall. In der Regel hat jeder Rechtsanwalt „seine“ Fälle, und der Sozius weiß bestenfalls in groben Grundzügen von dem, was in Deinem Fall vorgeht. Allerdings sollte die Akte so sein, dass er, wenn es nottut, es sich schon in dieses Thema hinein bohren kann. Dass es für den Krankheitsvertreter oft sehr schwierig, weil er ja erst einmal herausbringen muss, um was es in Deinem Fall geht. Wenn man dann erst einmal 3 cm Papierstapel durchsehen muss, dann hat er ein Problem. Man soll er (neben seinen eigenen Fällen) alle die Fälle seines Sozius bearbeiten, in Dir sich erst hinein arbeiten müsste.

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Das sind die Fälle, in denen ein Mandant meistens besser weiß, was dringend gebraucht wird und was nicht. In diesen Fällen ist es ratsam, dass der Mandant mit dem Vertreter spricht und dass diese einmal nachsehen: Kann der Vertreter tatsächlich wirksam eingreifen oder ist eine Bearbeitung nicht möglich? Wie lange wird die Durststrecke noch dauern? Denn eines ist ziemlich sicher: wenn ein Anwalt 4 Wochen lang ausfällt, und er kommt wieder zurück, dann wird er fast erschlagen von dem Berg an Arbeit, der vorliegen sich aufgetürmt hat. Er wird noch wochenlang mit dem Rückstand kämpfen.

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in dringenden Fällen sollte man sich dann unterschreiben lassen von dem Vertreter, der einfach nicht zu viel Vertretung leisten kann, wie lange es noch dauern wird, bis der Fall voraussichtlich tatsächlich bearbeitet werden kann. Wenn das zu lange dauert, sodass das Unfallopfer zum Beispiel in finanzieller Bedrängnis kommt, bleibt nur noch, zu kündigen und einen anderen Anwalt zu suchen, wenn man nicht irgendeine bessere Lösung findet.

In diesem Fall wird die Versciherung des Unfallverursachers nicht (erfolgreich) von einer Verletzung der Schadens minderungspflichtsprechen können.


ISLÄNDER
 
Hallo liebe Forummitglieder,
Hier bin ich mal wieder ( es geht noch um meinen unverschuldeten Verkehrsunfall von 06/24 mit Körperverletzung ).
Ich habe ein paar Fragen, bis heute hat die gegnerische Versicherung mir noch nicht meinen Lohnentgang gezahlt obwohl meine Anwältin der Versicherung eine Frist bis zum 08.11.24 gestellt hat und auch geschrieben hat das wir sonst eine Klage einreichen werden !
Aber bis heute nichts gehört, auch kein Zahlungseingang. Es war mir auch so ( gehört zuhaben ) das die Versicherung 1/4 jährlich im Voraus zahlen muss, es ist denen bekannt ( Attest vom Hausarzt ) das ich mindestens noch bis zum 31.12.24 krankgeschrieben bin, es wird auch noch länger dauern da ich noch eine Schulter OP vor mir habe !
Meine Anwältin ist der Meinung das ich meinen Lohn auch nicht im Voraus bekommen würde.
Es geht auch um Fahrtkosten und Zeiten die meine Frau in den letzten Monaten mit mir unterwegs war ( Ärzte/ MRTs, KG, etc. )
Auch dazu wurde mir gesagt das wenn nur die Kilometer bezahlt werden? Hat jemand ähnliches erlebt? Ich freue mich über jede Antwort.
Die Versicherung hat auch bis heute noch nicht die Schuld zugegeben obwohl es laut Polizeibericht eindeutig ist.
Leider habe ich keine Rechtsschutzversicherung :-(
Wie mache ich das mir der Klage, wieviel muss ich selber zahlen ?

Terenceab
 
Hallo Terenceab,

wichtig ist alles zu notieren:
Es geht auch um Fahrtkosten und Zeiten die meine Frau in den letzten Monaten mit mir unterwegs war ( Ärzte/ MRTs, KG, etc. )

Auch der Verdienstausfall und die ggf. eingesetzten Überstunden Deiner Frau sind zu belegen!

ch habe ein paar Fragen, bis heute hat die gegnerische Versicherung mir noch nicht meinen Lohnentgang gezahlt obwohl meine Anwältin der Versicherung eine Frist bis zum 08.11.24 gestellt hat und auch geschrieben hat das wir sonst eine Klage einreichen werden !

Bitte nicht naiv sein, die HPV lässt sich nicht beeindrucken von Deiner Anwältin und reagiert nicht. Dies ist ganz normal!

Erstmal ist es sehr wichtig für Dich, Du wurdest verletzt durch den Unfall durch einen Dritten. Somit fällt alles an die Staatsanwaltschaft, denn die erhebt Klage gegen den Unfallgegener.
Somit ist es auch erstmal wichtig, wie die Unfallaufnahme ist, wie der Staatsanwalt vorbereitet ist und wann der Gerichtstermin anberaumt ist?!?!
Du bist dann der Nebenkläger! Dich vertritt Deine Rechtsanwältin.
Wenn dann das Urteil gesprochen ist, hast Du es einfacher die Kosten einzuklagen. ABER dies wird dann die nächste Numer für Euch.

Gibt es bereits einen Verhandlungstermin?

Viele Grüße,

Kasandra
 
Grüß Dich, Terenceab:

01
Wann muss ausgefallener Lohn bezahlt werden?

Verdienstentgang ist ein regelmäßig wiederkehrende Posten. Monatlich fällt etwas aus. Das entscheidet:

(a) § 843 BGB besagt (in Auszügen - Fettdruck von mir):

"(1) Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.

(2) Auf die Rente findet die Vorschrift des § 760 Anwendung."




(b)
Und was steht in diesem § 760 BGB-? Da steht in Absatz 2:

"Eine Geldrente ist für drei Monate vorauszuzahlen....".

(c)
Es gibt jede Menge Urteile, die das umsetzen. z.B. eines vom Landgericht Augsburg 23 O 4375/13 vom 26.01.2015. Da wurde ein Verdienstentgang ausgeurteilt. Unter "1...." des Urteilsspruches steht sogar wörtlich, dass der dort genannte Verdeinstentgang "....quartalsweise vorschüssig...." bezahlt werden muss.


02
Fahrt zum Arzt:

(a)
Dass die km-Kosten des Autos gezahlt werden müssen, ist klar. Wieso soll diese unfallbedingten Kosten nicht der Versicherer tragen? Die Fahrt zum Arzt ist eine Unfallfolge, also fallen die Kosten unter den Begriff "vermehrte Bedürfnisse", und diese Kosten: Siehe oben, § 843 BGB. Das wird wohl kaum ein Versicherer im Ernst bestreiten, wenn doch: Sofort klagen.

(b)
Auch für die Zeit, die Deine Frau in die Fahrdienste steckt, ist etwas geschuldet. Einen Ansatz von 15,00 Euro halte ich für realistisch.

Zur Frage, ob für den Zeitaufwand entschädigt werden muss:

(ba)
Das steht sogar in dem besonders versicherungsfreundlichem "Küppersbusch/Höher" ("Ersatzansprüche bei Personenschäden", 14. Auflage 2024), Rnr. 239 dort. Küppersbusch war Prokurist einer Versicherung, Höher ist ein Partner der Kanzlei BLD, die meines Wissens nur Versicherer vertritt. Also: Das sind Leute, die der Versicherungswirtschaft sehr gewwogen sind. Aber sogar die sagen es so!

(bb)
Oder, wie Himmelreich, Handbuch Verkehrsrecht, schreibt (Rnr. 38 bei den Heilbehandlungskosten):

"Werden Fahrten von Angehörigen durchgeführt, weil der Verletzte nicht selbst fahren kann, so kann er neben den Fahrtkosten den Nettolohn eines fiktiven Fahrers ansetzen."

(bc)
Himmelreich beruft sich auf das Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 13.12.00, 4 U 4590/99 = VersR 02/245.

(bd)
...auf das sich auch unübertreffliche Luckey ("Der Personenschaden"), Kapitel Heilbehandlungskosten, Rnr. 929 stützt, Luckey, ein Richter am OLG Köln, schreibt:

„Muss der Geschädigte aber – wie häufig – Hilfe in Anspruch nehmen, weil er selbst unfallbedingt nicht fahren darf oder sonst eine Begleitperson benötigt..., sind auch deren Kosten erstattungsfähig.... Werden (unentgeltliche) Dienste von Angehörigen, Nachbarn oder Freunden hierfür in Anspruch genommen, besteht ein fiktiver und zu schätzen der Ersatzanspruch, der sich an deren Zeitaufwand orientiert."

(be)
Luckey beruft sich dabei zusätzlich auf das Urteil des BGH VersR 20/856 ( Aktenzeichen: VI ZR 316/19).

(bf)
Bei Pardey, Die Berechnung des Personenschadens, 4. Auflage, RNr. 1941 steht es sinngemäß genauso, Pardey beruft sich auf das Landgericht Detmold NZV 04/198.


03
Manchmal entgegnen Versicherer:

Verlust von Freizeit ist nicht schadensersatzpflichtig.

Das stimmt zwar. Aber es bezieht sich auf die Freizeit DES UNFALLOPFERS SELBST, und eben nicht auf die Freizeit der Helfer, die Deine Helfer nutzen, um Dir zu helfen! Für die gilt, was die einhellige juristische Ansicht ist, die ich oben skizziert und belegt habe.

04
Bitte informiere Deinen Anwalt, indem Du ihm diesen Artikel zeigst. Wenn er ihn prüft, dann wird ihm bestimmt ein "Aha-Effekt" beschwert werden.


ISLÄNDER
 
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