Du fragtest, wie du es wieder los wirst ...
aus eigener Erfahrung und nur aus dieser, indem du deine Erkrankung und ihre Konsequenzen als ein Teil deiner selbst annimmst und nicht zwanghaft dagegen ankämpfst. Und dann versucht Lösungen im Bereich deiner Möglichkeiten zu finden.
Damit du verstehst, was ich meine, plauder ich mal aus meinem Nähkästchen. Und das bitte nicht als "Anderen geht es schlecher" oder "Stell dich nciht so an" verstehen, sondern als naja Beispiel-Fabel zur Erklärung was ich meine.
Ich habe CRPS an meiner Haupthand. Inzwischen ausgebreitet auf den Oberarm und Gehirnmanifestation von Schmerzzentren. Alle 3 Nerven des Armes sind betroffen. Also letztendlich in deutlich fortgeschrittenerem Zustand als noch vor 8 Jahren, als es anfing. Und seit mehr als 7 Jahren im Kampf mit der BG zur Annerkennung. Seit 5 Jahren mangels Arbeitsfähig Berufsunfähig und vom Einkommen meines Mannes abhängig. Und trotzdem geht es mir heute besser, als damals mit noch Rest-Arbeitsfähig und weniger "Ausbreitung".
Warum? Ich bin weder ein Held noch besonders noch besteht Hoffnung, daß ein medizinisches Wunder geschehen wird und ich morgen aufwache und alles wird gut. Ich habe irgendwann begriffen, daß ich auf dem Weg war ein klassischer Schmerzpatient zu werden. Und damit hätte die Krankheit endgültig gewonnen und hätte mich übernommen. Von mir wäre nichts mehr übergeblieben.
Anfangs habe ich gegen die Krankheit, ihr Folgen und mich gekämpft. Wollte mir mit Gewalt beweisen, ich bin kein Weichei, ich stelle mich nur an. Ich habe die Pflicht zu funktionieren, zu Hause und arbeitsmäßig. Und habe mich damit immer weiter in die CRPS reingetrieben. Statt mich mit dem auseinanderzusetzten was ich noch kann und habe, nur immer gesehen was nicht geht und wie ich das irgendwie hinbekomme. Bis ich zusammengebrochen bin. Und vor der Wahl stand, irgendwann bringe ich mich mit diesem Ehrgeiz um oder ich ändere etwas. Nämlich meine Einstellung.
Gegen die soziale Vereinsamung über Tag (Freunde, Nachbarn, Familie alles ist ja über Tag arbeitend oder sonst etwas) haben wir nach Rücksprache mit Therapeut und Psychiater 2 Katzen angeschafft. Die Biester zwingen mich, Dinge zu tun auch wenn ich mal wieder moralisch im Keller bin, aufzubleiben auch wenn die Nacht beschissen war und ich mich lieber leidend ins Bett verkriechen will. Und sie lenken mich ab wenn die Schmerzen mal wieder alles andere unwichtig machen wollen. Sie zu versorgen, zu dressieren auf Kommandos und Verhaltensweisen (z. B. mit Frauchen nur auf der li Seite spielen und die Krallen nur an den Beinen oder am Bauch wenn überhaupt beim Treteln nutzen) um mir das Handling mit ihnen zu erleichtern hat mir eine erste Aufgabe und einen ersten Sinn gegeben.
(Ok, Herr Rütter ist mit seinen Hunden immer noch meilenweit besser als ich, aber wer kann von sich behaupten, seine Katzen machen auf Kommando "Sitz", "Platz" gehen bei Fuß oder anderes.)
Dazu harte Arbeit an meinem Selbstbild (ja ich habe eine Behinderung) und an meiner Einstellung (ja ich brauche Hilfe ggf. auch von Fremden). Heute frage ich Fremde, ob sie mir den Reißverschluß an der Jacke schließen könnten. Früher hätte ich ohne Rücksicht auf Verluste zwanghaft versucht, es selber zu machen.
Das wichtigste, was ich für mich gelernt habe sind folgende Dinge:
- Medikamente sind eine Krücke, die mir helfen können. Aber wenn ich nicht selber lerne zu gehen, nützt die beste Krücke nichts.
- Mein altes Leben gibt es nicht mehr. Wie mein neues Leben aussieht, das hängt auch von mir ab.
- Es gibt Tage, da vergesse ich das alles und will, daß es wieder wird wie es mal war. Entweder ich sitze das aus und lasse mir dann helfen oder ich krepiere daran.
Das du dich mit deiner Erkrankung arangieren kannst, hast du doch schon bewiesen. Schmeiß das nicht weg. Erinnere dich an die Wut, die Energie, das Zähne-zusammenbeißen bei deinem Rechtsstreit. Und such dir etwas, in das du das jetzt investierst. Es müssen ja keine Katzen sein.
Gruß