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Richter und informelles Selbstbestimmungsrecht

  • Ersteller des Themas Ersteller des Themas Max 66
  • Erstellungsdatum Erstellungsdatum

Max 66

Mitglied
hallo an alle und an alle, die mehr wissen als ich,

ist es allgemein üblich, dass ein Sozialgericht dem von ihm bestimmten Gutachter zugleich mit dem Beweisbeschluss und Gutachtensauftrag die Verwaltungs- und Gerichtsakten übersendet, der Betroffene parallel dazu ebenfalls eine Abschrift erhält und so noch gar keine Möglichkeit hatte, innerhalb der 2 Wochen Ablehnungsgründe oder sonstige Bedenken gegen diesen Gutachter vorzubringen. Wo bleibt da der Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten? Müßten nicht zuerst vom Gericht die 2 Wochen Rückäußerungsfrist abgewartet werden, ehe die Gerichts- und Verwaltungsakten an irgendeiner Gutachter übersandt werden?
Gerichtsverfahren finden doch nicht im grundrechtsfreien Raum statt?

Würde mich interessieren, ob sowas gängige Praxis der Gerichte ist und wie sich dass mit dem informellen Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen vereinbaren "soll"?
M. E. ist eine solche Vorgehensweise auch nicht durch die allgemein wohl üblichen Schweigepflichtentbindungserklärungen, die von Sozialgerichten zur Unterzeichnung übersandt werden abgedeckt.
Hier sträubt sich mein Rechtsempfinden gewaltig. Hilfe?

gruß Max 66
 
Hallo Max66,

du hast des Pudels Kern getroffen: genauso ist es!

Sozialgerichte haben sich, wie jede andere Institution auch, sich an Recht und Gesetz zu halten. Und müssten die vierzehn tägige Frist einhalten. Aber sie tun es nicht. Sobald Dir der Beweisanordnungsbeschluss mitgeteilt wurde, hat der Gutachter auch schon den Auftrag, mit all den Unterlagen wie Gutachten- und beigezogene Verwaltungsakten. Nicht nur das, geh bitte davon aus, dass vorher auch schon telefonischer Kontakt mit dem Gutachter aufgenommen worden ist.

Es ist ein Irrsinn zu glauben, das Gericht würde ein faires Verfahren einhalten. Da laufen Dinge im Hintergrund, da verschlägt es Dir die Sprache. Du hast Recht, das Gericht müsste die nach § 406 ZPO vorgesehene Frist abwarten, inder Du den med. SV mit einem Antrag auf Besorgnis der Befangenheit ablehnen kannst, ohne dass dieser deine Akte schon kennt. Aber glaub mir, der kennt die schon in- und auswendig, weil er nicht umsonst als med. SV i.d.R als Stammgutachter ernannt wurde.

Selbst wenn Du einen solchen Antrag auf Besorgnis der Befangenheit stellen solltest - über den das Gericht per Beschluss entscheiden oder aber in der Urteilsbegründung sich erst damit auseinandersetzt - werden die Akten durch das erkennende Gericht nicht zurückgezogen. Erst wenn es Dir gelingt, dass der med. SV begründet als befangen erklärt wird, dann erst, muss er die Akte insgesamt an das Gericht zurück senden.

Gruss
kbi1989
 
Moin,

Hallo Max66,
.....................
Es ist ein Irrsinn zu glauben, das Gericht würde ein faires Verfahren einhalten. Da laufen Dinge im Hintergrund, da verschlägt es Dir die Sprache. ...............

@kbi1989 - das ist ja nicht nur rechtlicher Sprengstoff den du hier (be)schreibst (fett), sondern auch sozialer Unfrieden wird damit geschürt. Denn auf was oder wen sollen sich Betroffene doch, bitteschön, noch verlassen können, wenn nicht auf Gesetz und Recht?

Ist das von dir hier beschriebene nun subjektive Erfahrung in deiner Sache, ist das eine repräsentative allgemein gültige Erkenntnis aus der Übersicht eines Richters eines Anwaltes oder einer anderen Institution welche sich gut Übersicht verschaffen kann, oder ist das eine Vermutung von dir?

Oder meintest du hier mit dem Satz: "Es ist ein Irrsinn zu glauben, das Gericht ...............", lediglich das von @Max 66 beschriebene Verhalten dieses einen Gerichtes?

Woher nimmst du die Chuzpe das oben Zitierte so zu äußern?

Nicht, das ich dich schelten will oder ankreiden oder in Bedrängnis bringen - aber das sind keine leichtgewichtigen Aussagen, die du hier gemacht hast - deshalb würden mich die Grundlagen oder Erkenntnisse, aus denen heraus du solche Aussagen machst, schon sehr interessieren.

Danke schon mal :)
 
Hallo frank,

zu deinem Beitrag:

in einem anstehenden SG-Prozess geht es um die Erlangung einer erwerbsgeminderten Rente. Kläger ist ein 20 riger der an einer akuten lymphoblastischen Leukämie erkrankt ist. Das Gericht hat im Rahmen der Beweisführung zwei sozialmed. Gutachten eingeholt, ein internistisches und ein orthopädisches. Beide Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass ein Restleistungsvermögen von noch über 6 Std. für leichte Tätigkeiten gegeben ist. Der Hauptgutachter der Internist regt zusätzlich noch ein nervenfachärztliches Gutachen an. Das Gericht nimmt den Vorschlag an, und beauftragt ein nervenfachärztliches Gutachten. Dieser Gutachter ist ebenso wie der Orthopäde ein Berufskollege (alle 3 sind angestellte Ärzte eines Rentenversicherers) des Hauptgutachters des Internisten.

Und jetzt wird es kritisch. Das erkennende Gericht will hier keine enge Beziehung sehen, wenn 3 Gutachter aus dem gleichen Begutachtungsinstitut kommen. Die Sache geht noch weiter. Der nervenfachärztliche Gutachter ein gerichtsbekannter Stammgutachter hat in einem vorherigen Verfahren - nicht im jetzt anstehenden Verfahren - einem Richter des gleichen Sozialgerichtes die Möglichkeit eingeräumt, die von ihm durchgeführte Exploration im Auftrag des Gerichtes zu belauschen.

Zitat eines LSG-Beschlusses wegen Besorgnis der Befangenheit:

Gründe, die das verweigernde Verhalten des Klägers als berechtigt erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Das wäre etwa dann der Fall, wenn das Gericht einen Sachverständigen ausgewählt hätte, von dem es Umstände kennt, die selbst bei objektiver Betrachtung schwerwiegende Zweifel an seiner Unbefangenheit wecken (Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 26. Auflage, § 404 ZPO, Rdnr.1)

Inwieweit Zweifel an der Ernennung des nervenfachärztlichen Zusatzgutachters gegeben sind, überlass ich jedem seiner eigenen Überzeugung. Für mich jedenfalls ist es ein Irrsinn, dass ein SG einen solchen med. SV nochmals ernennt, obwohl es von seiner Unparteilichkeit selber nicht überzeugt sein kann, denn der damalige SG-Richter wurde begründet wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Ob mein vorheriger Beitrag sozialer Unfrieden herstellen kann bezweifel ich, ob der jetzt geschilderten Tatsachen. Jedenfalls für mich ist klar, auch Gerichte halten nicht immer ein faires Verfahren ein, nicht weil es meine subjektive Meinung darstellen würde - nein - weil die Gerichtserfahrung die ich erleben durfte, dies mir bestätigt hat.

Gruss
kbi1989
 
Ausgehend von den Antworten:

Nur einmal angenommen der reale Hintergrund meiner Ausgangsfrage wäre kein "wie heißt das so schön "bedauerlicher Einzelfall", sondern möglicherweise so etwas durchaus gängiges oder übliche Praxis, etwa so im Sinne von: "Das haben wir schon immer so gemacht".

Zusätzlich nur einmal angenommen, über diese gängige Praxis würde allseits geflissentlich hinweggesehen.
Was ändert sich denn dann jemals daran?
Wegsehen, Hinnehmen?
Auch sollten hier Ursache und Wirkung nicht verdreht werden. Wer macht hier was und zu wessen Lasten geht dies?

Datenschutz, Sozialgeheimnis - Art 1. und 2. GG - beim zappen durchs Forum findet sich viiel hilfreiches dazu. Das zeigt zugleich aber auch und zeugt auch von einer großen Mühsal, wie hier Betroffene ihre Rechte zu schützen und zu wahren versuchen - insbesondere gegenüber den Verwaltungsbehörden. bzw. Leistungsträgern.

Zurück zu meiner Frage, die einen realen Hintergrund hat, der mich dazu veranlasste, hierzu Meinungen oder Erkenntnisse und Erfahrungen Anderer einzuholen:
Es geht hier m. E. vorrangig zunächst einmal um die Frage eines möglichen Verstosses gegen das informelle Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Menschen (sofortige Übermittlung und Bekanntgabe dessen sensibler Gesundheitsdaten) und erst in 2. Linie darum, ob ggf auch noch Befangen-heitsgründe gegen den vom Richter kraft seines Amtes frei bestimmten Sachverständigen oder andere gewichtige Gründe geltend gemacht werden können o. werden.
So stellt sich denn die Kernfrage, welche rechtliche Grundlage oder welchen Rechtfertigungsgrund könnte es denn geben oder gibt es , dass ein Richter so verfahren kann, ohne dass darin ein Verstoß gegen das informelle Selbstbestimmungsrecht gesehen werden muss?
Diese Kernfrage stellt mir mein - gesundes - Rechtsempfinden, doch noch fehlt mir die Antwort?
Und nur wer fragt, kann eine Antwort kriegen.
Also, nochmal Hilfe?

Gruß Max 66
 
Hallo Frank,

hab deinen Beitrag nicht auf meinen ersten bezogen, Verallgemeinerungen bringen ohnehin nicht weiter. Wenn allerdings viele Betroffene tatsächlich die gleiche Erfahrung machen, läßt dies zumindest auf eine gängige Praxis schließen und dies hätte dann durchaus eine gewisse Aussagekraft.
Und dann würde sich mein Rechtsempfinden noch mehr sträuben, als es es ohnehin schon tut.
Ich suche zu den Fragen nach Antworten und Lösungen und kann hier nur meine Meinung zu meinem Rechtsempfinden und zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt kundtun.

Gruß Max 66 und immer noch : Hilfe?
 
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