Weil hier in der letzten Zeit immer mal wieder Parkplatzunfälle angesprochen werden, möchte ich mal ein paar grundsätzliche Zeilen zur StVO auf Parkplätzen loswerden, wobei ich vroausschicken möchte, dass das die einhellige Rechtsprechung darstellt und nichts ist, was ich mir ausgedacht habe:
Die Anwendung der Vorfahrtregeln der StVO auf Parkplätzen erfolgt nach der Rechtsprechung nicht uneingeschränkt. Während der Straßenverkehr die möglichst zügige Ortsveränderung zum Ziel hat, dient der Verkehrs auf Parkplätzen dem Aufsuchen und vorübergehenden Abstellen von Kraftfahrzeugen. Insofern ist die Aufmerksamkeit des Besuchers in erster Linie auf die Parkplatzsuche und vorsichtiges Rangieren beim Ein- und Ausparken gerichtet. Mit Vorfahrtsverletzungen dadurch abgelenktet Verkehrsteilnehmer muss ein Parkplatzbenutzer in besonderem Maße rechnen. Aus diesem Grund darf er nicht auf die Beachtigun des Vorfahrtrechts vertrauen, sondern ist gemäß § 1 Abs 2 StvO verpflichtet, den wartepflichtigen Verkehr aufmerksam zu beobachten, um erforderlichenfalls auf sein Vorfahrtsrecht zu verzichten und sofort unfallvermeidend anhalten zu können.
Während also bei einem Vorfahrtverstoss im fliessenden Verkehr eine Mithaftung aufgrund der von dem Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr gegenüber dem die Vorfahrt Missachtenden zurücktritt, kann diese Rechtsprechung nich auf Unfälle auf Parkplätzen übertragen werden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Verkehrssituation handelt, in welcher mit geringen Geschwindigkeiten und generell mit erhöhter Aufmerksamkeit gefahren werden muss, so dass ein Zurücktreten der Betriebsgefahr aufgrund der besonderen Verkehrsverhältnisse (Parkplatz) nicht in Betracht kommt, sondern in der Regel zu berücksichtigen ist.
Beispielsurteile zur Haftung Parkplatz / Rückwärts ausparken:
OLG Oldenburg v 12.12.1991, 14 U 57/91:
Kollision auf einem Parkplatz zwischen einem Pkw (50%), der aus einer Parkbucht zurücksetzt, und einem auf dem Fahrstreifen vorbeifahrenden Kfz (50%).
OLG Stuttgart v. 19.01.1990, 2 U 23/89:
Kollision auf einem öffentlichen Parkplatz mit markeirten Fahrspuren zwischen einem Kfz (67%), das rückwärts aus einer Parkbucht herausfährt, und einem von rechts auf der Fahrspur mit 15-20 km/h sich nähernden Pkw (33%).
LG Nürnberg-Fürth v. 28.03.1990 - 2S 10597/89:
Kollision auf einem Firmenparkplatz zwischen einem Kfz (60%) , das rückwärts aus einer Parkbox herausfährt, und einem mit mehr als 5 km/h vorbeifahrenden Pkw (40%).
LG saarbrücken vom 22.03.1984 - 2 S 518/82:
Kollision auf einem Parkplatz zw Kfz (75%), das aus einer Parkfläche rückwärts herausfährt, und einem auf der Hauptstrasse des Parkplatzes sich nähernden Pkw (25%).
usw....
Die Entscheidungen sind zwar alle schon älter, aber nur deshalb, weil sich an der grundsätzlichen rechtlichen Einordnung seitdem nichts geändert hat....
@ balou1: Du kannst hier nur dann zu einer Quote von 100 % kommen, wenn Du durch ein unfallanalytisches Gutachten beweisen kannst, dass der Unfall für Dich unvermeidbar gewesen ist, also wenn auch der Idealfahrer im Sinne des BGH - den es nicht gibt - den Unfall nicht hätte vermeiden können. Das hängt massgeblich von den Unfallörtlichkeiten, den gefahrenen Geschwindigkeiten beider Verkehrsteilnehmer, insbesondere aber der Erkennbarkeit des Zurücksetzens unter Beachtung oben dargestellter Grundsätze (besondere Aufmerksamkeit) ab.
Wenn ein Gutachter nachweisen kann, dass auch ein Idealfahrer das Zurücksetzen weder erahnen noch erkennen (Rückfahrleuchten, Anfahren) konnte, und der Unfall auch ansonsten für Dich unvermeidbar war, dann - aber auch nur dann - bekommst Du Deinen Schaden vollständig ersetzt.
Viel Glück!
Gruß,
Double999