Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte war nicht berechtigt wegen der fehlenden Bereitschaft der Klägerin, sich durch Priv.-Doz. Dr. Exner untersuchen zu lassen, einen Versagungsbescheid zu erlassen. Denn die Klägerin war nicht im Sinne des § 62 SGB I verpflichtet an dieser ärztlichen Untersuchungsmaßnahme teilzunehmen.
Hiergegen richtet sich die am 24. Juli 2012 erhobene Klage
Nach dieser Vorschrift soll sich derjenige der Sozialleistungen beantragt oder erhält, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind. § 62 gehört zusammen mit den §§ 60, 61 SGB I in systematischen Zusammenhang mit dem sog. Amtsermittlungsgrundsatz (Kampe, in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl, 2011, § 62 SGB I Rn. 8). Die §§ 60 ff. SGB I regeln, in welchem Umfang der Leistungsempfänger bzw. derjenige, der Leistungen nach dem SGB beantragt hat, aktiv an dem Verfahren mitzuwirken hat, das im Übrigen maßgeblich geprägt ist durch die sich aus § 20 SGB X ergebende Verpflichtung des Leistungserbringers zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (Kampe, a.a.O., § 60 Rn. 13). § 62 SGB I regelt die Obliegenheit des Antragstellers/Leistungsempfängers, sich auf Verlangen des Leistungsträgers untersuchen zu lassen (Kampe, a.a.O., § 62 Rn. 13). Bei Verletzung der Obliegenheit droht die Rechtsfolge des § 66 SGB I (Kampe, a.a.O., § 62 Rn. 13).
Die Voraussetzungen des § 62 SGB I lagen nicht vor, da die Klägerin nicht verpflichtet war, sich durch den Prlv.-Doz. Dr. Exner ärztlich untersuchen zu lassen, Denn die Ermitt-lungsbefugnisse der Beklagten und die damit korrespondierenden Mltwirkungsobliegenheiten der Klägerin im Sinne des § 62 SGB I waren durch § 200 Abs. 2 SGB X eingeschränkt (vgl hierzu: BSG, Urteil vom 17, Februar 2004 - B 1 KR 4/02 R juris Rn. 22; Kampe, in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 62 SGB I Rn. 20). Nach dieser Vorschrift musste sich die Klägerin ärztlichen Untersuchungsmaßnahmen nur dann unterziehen, wenn die Beklagte ihr mehrere Gutachter zur Auswahl benannt hat. Denn bei der seitens der Beklagten beabsichtigten medizinischen Untersuchung der Klägerin durch Priv.-Doz, Dr. Exner handelte es sich um einen ärztlichen Gutachtensauftrag im Sinne des § 200 Abs. 2 SGB VII.
Ein Gutachten liegt vor, wenn ein solches angefordert oder ausweislich seiner Selbstbezeichnung als "Gutachten" erstellt und übersandt oder abgerechnet wurde. Diese rein äußerliche Bezeichnung ist hier allerdings wenig hilfereich, da ein konkreter Auftrag an Priv.-Doz. Dr. Exner aufgrund der Weigerung der Klägerin nicht mehr gestellt worden war. Vorliegend ist daher zur Unterscheidung vom Bezugspunkt der beabsichtigten Äußerung des Sachverständigen auszugehen: Soll sie vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen enthalten, ist es ein Gutachten. Soll sich die schriftliche Äußerung des Sachverständigen im Wesentlichen mit bereits eingeholten Gutachten auseinandersetzen, insbesondere im Hinblick auf deren Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage, ist es nur eine beratende Stellungnahme (BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 - B 2 U 8/07 R — juris Rn. 26). Auch Befund- und Behandlungsberichte der behandelnden Ärzte oder Entlassungsberichte über stationäre Heilbehandlungen sind keine Gutachten im Sinne von § 200 Abs. 2 SGB VII (C. Wagner in: jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 200 SGB Vil Rn. 73 m.w.N.).
Gemessen an diesen Kriterien steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass seitens der Beklagten ein Gutachten und nicht nur eine beratende Stellungnahme oder ein Befund- oder Behandlungsbericht zur sog. Heilverfahrenskontrolle eingeholt werden sollte. Zwar hatte die Beklagte die beabsichtigte medizinische Ermittlung nicht als Gutachten, sondern als „Heilverfahrenskontrolle“ bezeichnet. Allerdings ging es ihr dabei um eine eigenständige Bewertung von verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen durch Priv.-Doz. Dr. Exner. Die maßgeblichen Fragen wurden von der Beklagten selbst bereits in dem angegriffenen Bescheid vom 27. Juni 2012 skizziert und im Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2012 ausdrücklich formuliert wurden. Dort heißt es:
„Im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle müsste vor allem geklärt werden, ob
• aufgrund der Folgen des Versicherungsfalles vom 25.11.2002 ein Korrektureingriff im Bereich ihres Gesichts erforderlich ist und ob ein solcher Eingriff Erfolg ver-sprechend wäre,
• ob ein Korrektureingriff nicht sogar kontraindiziert wäre,
• ob in ihrem Fall Alternativen zu der von Herrn Prof. Dr. von Heimburg vorgeschlagene Behandlungsmethode (Mikrolipofiliing) in Betracht kommen,
• ob ein solcher Eingriff von einem zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen Verfahren zu unseren Lasten nach BG-Sätzen durchgeführt werden kann."
Die Beantwortung dieser medizinischen Fragen setzt zwangsläufig eine eigenständige Bewertung der Tatsachen voraus. Dies wird auch dadurch untermauert, dass sich Priv.- Doz. Dr. Exner auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung ein eigenes Bild über den Gesundheitszustand der Klägerin machen sollte.
Nach alledem handelt sich um ein Gutachten auf medizinischem Fachgebiet, welches von einem externen Arzt, nämlich dem Chefarzt einer Klinik für plastische Chirurgie Priv.- Doz. Dr, Exner, erstellt werden sollte,
Die fehlende Gutachterauswahl war von der Klägerin auch rechtzeitig mit Schreiben vom 28. Juni 2012 gerügt worden. Dass die Klägerin bereits zuvor durch Schreiben vom 2. Juni 2012 den Eindruck erweckt hatte, sie lehne ärztliche Untersuchungsmaßnahmen rundheraus ab, gebietet keine andere Sicht der Dinge. Zwar wäre eine entsprechende
Haltung aus Sicht der Kammer unvereinbar mit dem grundsätzlichen Anspruch der Klägerin auf eine Gutachterauswahl. Allerdings hatte die Klägerin durch das Schreiben vom 28. Juni 2012 klargestellt, dass sie der beabsichtigten Untersuchung u.a. auch wegen der fehlenden Gutachterwahl nicht nachkommen will. An die Formulierung der diesbezüglichen Rüge dürfen nach Auffassung der Kammer keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Insofern reicht es der Kammer im vorliegenden Fall aus, dass die Klägerin recht allgemein eine „Umgehung der gesetzlichen Regelungen zur Gutachterauswahl“ formuliert hat.
Aufgrund der fehlenden Gutachterauswahl war die Klägerin nicht verpflichtet an der Untersuchung teilzunehmen. Wenn sie jedoch, keine entsprechende Obliegenheit traf, können ihr aus ihrer mangelnden Bereitschaft an einer solchen Untersuchung teilzunehmen keine Rechtsnachteile erwachsen. Der Versagungsbescheid war daher - wie geschehen - aufzuheben.
Ob für die Frage der Erstattung der Fahrt-, Park- und Beratungskosten bei Prof. Dr. von Heimburg und Dr. Berkeis eine Untersuchung der Klägerin überhaupt erforderlich ist, kann die Kammer unter diesen Umständen dahingestellt sein lassen.