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Gutachten selbst beauftragen?

Polopirko

Mitglied
Hallo Allerseits,

kurz zur Grundlage meiner Frage: Habe vor kurzem vor Sozialgericht meine Anerkennung von Unfallfolgen (neurologisch, urologisch, schmerzmedizinisch) verloren.

Nun geht es vor das LSG und dazu möchte ich wissen: soll / kann ich ein privates Gutachten in Auftrag geben ? Würden die Kosten im Erfolgsfall später wieder erstattet werden ?

Oder alternativ: kann ich bei der Begründung für die Berufung die fehlenden Befundungen auf oben genannten Gebieten angeben ? Und ebenfalls einen fachlich versierten Gutachter als Vorschlag mitgeben ?

Gruß & Danke für die Infos,

Polopirko
 
Hallo polopirko,
das LSG ist ein "Tatsachen"-Gericht und genauso zur Amtsermittlung verpflichtet, wie die Vorinstanz.
Sollten also Zweifel an den Ermittlungen der Vorinstanz bestehen, wird das LSG ein neues Gutachten in Auftrag geben.
Ich weis nicht, wie oder wer Deinen Berufungsantrag begründet hat, bei einer ausführlichen Begründung wird auch das LSG eigene Ermittlungen aufnehmen.
Viel Erfolg
Paro
 
§109 Gutachter

Hallo Allerseits,

noch eine Frage zu einem §109 Gutachter:

1. Kann ich den §109 Gutachter auch im Vorfeld kontaktieren um ihn als medizinischen Sachverständigen für einen Befundbericht zu nutzen ?

oder muß ein §109 Gutachter "unabhängig" sein (d.h. er darf kein Arzt-Patient Verhältnis haben - da er damit "befangen" ist).

In meinem Fall würde ich gerne den Arzt erstmal als Begründung mit seinen Befunden für den Einspruch gegen das Sozialgerichts-Urteil nutzen. Aber weiterführend möchte ich seine Expertise als Gutachterlich tätiger Arzt nutzen (eben als §109 Gutachter).

Was meint Ihr ?

Danke ! Gruß, Polopirko
 
Hallo Polopirko,

das SG darf einen Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG erst dann stattgeben, wenn das Gericht keinen Ermittlungsbedarf mehr hat, d.h., für das Gericht ist der Sachverhalt klar und das Gericht hat gewissermaßen sein Urteil bereits gefällt.

Jetzt erst darf das Gericht einem Antrag stattgeben und der Antragstreller benennt dann den Arzt seiner Wahl. Wichtig allein ist, dass der Arzt fachkompetent ist.

Ein 109er Gutachten zahlt der Antragsteller. Selbst für den Fall des Obsiegens, werden ihm in der Regel (zu 99%) die Kosten nicht erstattet.

Grundsätzlich sollte man einen Antrag auf ein 109er Gutachten immer stellen. Zurücknehmen kann man diesen immer.

Wichtig!

Das Gutachten nach § 109 SGG sollte man erst, aus taktischen Gründen, in der Berufinstanz einholen lassen, weil man im gesamten Verfahren nur einmal diese Möglichkeit hat.

Sollte das SG in der 2. Instanz eine weiteres Gutachten nach § 103 SGG einhoien. hat man dann keine Möglichkeit mehr dagegen zu halten, weil man sein Recht bereits verbraucht hat.

Gruß
ht5028
 
Hallo Polopirko,

dito.... ht5028.


Zitat Polopirko:

In meinem Fall würde ich gerne den Arzt erstmal als Begründung:o mit
seinen Befunden
für den Einspruch gegen das Sozialgerichts-Urteil
nutzen. Aber weiterführend:o möchte ich seine Expertise als
Gutachterlich
tätiger Arzt nutzen (eben als §109 Gutachter).


http://www.anhaltspunkte.de/zeitung/urteile/L_10_SB_97.02.htm

Zwar mag die Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte im
Einzelfall zu zutreffenden Ergebnissen führen; Befundberichte können auch Grundlage von Vergleichsvorschlägen sein,
sie rechtfertigen es aber grundsätzlich nicht, von einer weiteren Sachaufklärung durch Sachverständigengutachten nach §
106 SGG abzusehen. Denn Befundberichte haben als Mitteilung des behandelnden Arztes im Vergleich zu einem
Sachverständigengutachten (§§ 402 ff Zivilprozessordnung - ZPO -) grundsätzlich nur einen minderen Beweiswert. Es
besteht ein grundlegender Unterschied in der prozessualen Stellung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und
eines zu Auskunftszwecken heran gezogenen behandelnden Arztes. Dieser steht zu seinem Patienten in einer durch ein
besonderes Vertrauensverhältnis, aber auch in einer gleichermaßen durch pekuniäre Interessen geprägten Beziehung.
Demgegenüber ist der gerichtliche Sachverständige kraft Gesetzes verpflichtet, sein Gutachten unparteiisch und nach
bestem Wissen und Gewissen zu erstatten (§§ 410 ZPO). Eine Verletzung dieser Pflichten kann erhebliche strafrechtliche
Folgen nach sich ziehen (§§ 153, 154, 163 Abs. 1 Strafgesetzbuch - StGB -).


Für ein § 109 SGG Gutachten keine behandelten Ärzte benennen.
Polopirko es ist Quatsch:confused: was du vor hast.


Der zu § 109 bennante Gutachter sollte zumindest die gleiche Qualifikantion
haben wie der Vorgutachter, oder sogar ein Spezialist in diesem Fachbebiet sein. Also keine gutschreibende-gefällige Nusche.

Wichtig ist natürlich neben der fachlichen Qualifikation des Gutachters auch,
dass er sozialmedizinische Beurteilungen unparteiisch, nachvollziehbar, sprich
überzeugend aufs Papier bringen kann.

Als erstes sollte abgeklärt werden, ob der für das § 109 ins Auge gefaste
Gutachter, überhaupt den Auftrag annehmen kann/möchte und zeitnah auch ausführen kann.

Als zweites muss der Antrag nach § 109 dem Gericht begründet werden,
sprich eine Aufzählung der strittigen Punkte vom Vorgutachter, so dass
dann der § 109 Gutacher genau weiß, womit er sich überwiegend zu beschäftigen hat.

Als drittes folgt der Kostenvorschuss, denn das Gericht macht
die Beauftragung des § 109 Gutachters, von einer erstmaligen
Einzahlung eines Kostenvorschusses (> 1.500 €) in etwaiger
Höhe der Kosten abhängig. Die Rechtschutzversicherungen
sind auch für die Kosten des § 109 Gutachtes eintrittspflichtig.

Grundzüge des sozialgerichtlichen Verfahrens

http://www.landessozialgericht.nied...igation_id=16887&article_id=65195&_psmand=100

Gerichtskosten

werden in allen drei Instanzen von den Versicherten, Leistungsempfängern und behinderten Menschen grundsätzlich nicht erhoben (§ 183 Sozialgerichtsgesetz). Allerdings können einem Beteiligten Gerichtskosten auferlegt werden, wenn er einen Rechtsstreit trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts missbräuchlich fortführt (§ 192 Sozialgerichtsgesetz). Die Verhängung solcher Missbrauchskosten kommt auch dann in Betracht, wenn die Fortführung eines Rechtsstreits offensichtlich aussichtslos ist.

Gerichtskosten fallen dagegen an, wenn in einem Rechtsstreit weder der Kläger noch der Beklagte Versicherter, Leistungsempfänger oder behinderter Mensch ist (vgl. zu den Einzelheiten: § 197a Sozialgerichtsgesetz).

Außergerichtliche Kosten, vor allem die Gebühren eines Prozessbevollmächtigten, muss jeder Verfahrensbeteiligte grundsätzlich erst einmal selbst aufbringen. Das Gericht entscheidet dann bei Beendigung des Verfahrens, ob und in welchem Umfang der Gegner diese Kosten zu erstatten hat (§ 193 Sozialgerichtsgesetz). Ist einem Beteiligten die Aufbringung der außergerichtlichen Kosten nach seinen finanziellen Verhältnissen nicht zumutbar, kann er auf Antrag Prozesskostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73 a Sozialgerichtsgesetz in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung).

Soweit medizinische Ermittlungen erfolgen, hat aber auch der Sozialversicherte, Versorgungsberechtigte oder behinderte Mensch das Recht, einen bestimmten Arzt seines Vertrauens zu benennen, der dann gutachtlich gehört werden muss. Die Durchführung einer solchen Begutachtung kann das Gericht allerdings von der vorherigen Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig machen. Wird er festgesetzt, entscheidet das Gericht nach Abschluss des Verfahrens, ob die Kosten der Begutachtung nachträglich auf die Staatskasse übernommen werden (§ 109 Sozialgerichtsgesetz).

Bei einem Vergleichsvorschlag ist es oft so, dass die geg. Seite anbietet z. B. 1/3 - 50% -2/3 der außergerichtlichen Kosten:rolleyes: zu übernehmen.

Grüße

Siegfried21
 
Danke !

Hi Allerseits,

erstmal Danke für die umfangreichen Informationen !

Zu den Fakten: Gerade weil der in Frage kommende Arzt eine sehr hohe Fachkompetenz hat, möchte ich ihn nicht als Gutachter verlieren (wenn ich ihn im Vorfeld als befundenden Arzt in Anspruch genommen habe).

Daher folgende Informationen:

1. Der in Frage kommende Arzt (Neurologe, Schmerzmediziner und Psychotherapeut) würde als Gutachter nach §109 in Frage kommen. Momentan ist er mir nur namentlich bekannt.

Neben der Möglichkeite ihn als Gutachter nach §109 in Anspruch zu nehmen, gäbe es ja die Möglichkeit ihn dem Gericht als "normalen" Gutachter vorzuschlagen (immerhin gab es noch kein Schmerz-Gutachten oder psychologisches Gutachten). Allerdings: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß das LSG einen von mir vorgeschlagenen Gutachter beauftragt ?

Ich stelle mir ja nur die Frage wie man diesen Arzt mit seiner Fachmeinung in die Berufung am LSG einbindet - für Vorschläge bin ich gerne offen !

Gruß, Polopirko
 
Hallo Polopirko,

dein Zitat:

Neben der Möglichkeite ihn als Gutachter nach §109 in Anspruch zu nehmen, gäbe es ja die Möglichkeit:confused: ihn dem Gericht als "normalen":p Gutachter vorzuschlagen.

Wer hat dir denn die Fantasie ins Hirn geworfen?
Natürlich geht es vor Gericht öfters zu wie im Türkischen- Basar, aber
dennoch wir sich das Gericht in seiner Vorgehensweise, wohl an das Sozialgerichtsgesetz halten.

Dein Zitat:
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß das LSG einen von mir vorgeschlagenen Gutachter beauftragt?

Der Richter wird zu 99% sagen, dann beantragen sie ihn doch nach §109 SGG.
Aber Wunder gibts immer wieder z. B. der Richter ist Vater geworden,
auf Wolke 7 und die Gegenseite stimmt deinem Vorschlag zu.

Gerichtsgutachten nach § 106 SGG:

http://norm.bverwg.de/jur.php?sgg,106


Weitere Info;
Zur Übernahme von Gutachterkosten nach § 109 SGG auf die Landeskasse.


http://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/LSG%20NRW%20%A7%20109%2015.08.00%208.00.htm

Soweit ein nach § 109 SGG gehörter Sachverständiger lediglich in seiner Einschätzung des GdB vom nach § 106 SGG
beauftragten Sachverständigen abweicht, kommt eine Kostenübernahme grundsätzlich nicht in Betracht. Etwas anderes gilt
nur dann, wenn der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige neue - rechtlich erhebliche - Tatsachen feststellt und deswegen
einen höheren GdB vorschlägt.

Grüße

Siegfried21
 
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