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Tod auf Rezept
Erstausstrahlung
Antidepressiva und Beruhigungsmittel werden oft verordnet, obwohl sie fatale Nebenwirkungen haben können: Sie stehen im Verdacht, in manchen Fällen Suizidgedanken und Aggressionen auszulösen.
Täglich begehen im Schnitt 22 US-Soldaten Selbstmord – mehr als in Kampfeinsätzen sterben. Die erlebten Extremsituationen führen oft zu Angstzuständen und Depressionen. Psychopharmaka sollen helfen, doch einige Experten führen die hohe Suizid-Rate auf sie zurück.
Psychische Erkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern – rund fünf Millionen Menschen leiden derzeit in Deutschland an einer Depression. Die Stoffgruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und deren Verwandte gehören zu den am häufigsten eingesetzten Antidepressiva. Sie helfen vielen Patienten, ihre Angstzustände und Depressionen zu überwinden. Doch Kritiker warnen davor, dass insbesondere in den ersten Wochen der Einnahme von SSRI eine erhöhte Gefahr für Suizidgedanken oder Aggressionen bestehe.
Am Max-Planck-Institut in München geht Professor Elisabeth Binder der Frage nach, welche Patienten bei Einnahme von SSRI-Antidepressiva diese Verhaltensmuster aufzeigen. Liegt die Erklärung dafür in ihren Genen? Durch die Entschlüsselung der genetischen Ausstattung der Patienten hofft man, die Gefahr einer Medikation mit Antidepressiva bereits im Vorfeld abschätzen und risikoärmere Alternativen suchen zu können.
Psychopharmaka gehören zu den am meisten verordneten Medikamenten – über eine Milliarde Tagesdosen Antidepressiva nehmen die Deutschen pro Jahr ein. Patienten mit psychischen Problemen suchen häufig Rat bei ihrem Hausarzt und bekommen dort zum ersten Mal Antidepressiva verschrieben. Im Falle einer leichten depressiven Verstimmung kann ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Hausarzt durchaus helfen. Eine medikamentöse Behandlung sollte allerdings immer von einer Psychotherapie begleitet werden - raten Psychologen und Psychiater.
Immer häufiger wird heute der Besuch beim Facharzt oder Therapeuten durch das Internet ersetzt. Unseriöse Online-Apotheken verkaufen Antidepressiva mit zweifelhafter Herkunft und Wirkung rezeptfrei, obwohl sich mittlerweile auf vielen Beipackzetteln ein Hinweis auf die unter Umständen erhöhte Suizidgefahr findet.
Die Dokumentation "Tod auf Rezept" fragt nach gefährlichen Nebenwirkungen und der Verantwortung der Pharmaindustrie. Unter anderem äußert sich der ehemalige Manager eines Pharmakonzerns dazu, wie Medikamentenhersteller versuchen, die Warnhinweise auf den Beipackzetteln ihrer Produkte zu unterdrücken.
Redaktionshinweis: In 3sat steht der Donnerstagabend im Zeichen der Wissenschaft: Um jeweils 20.15 Uhr beleuchtet eine Dokumentation relevante Fragen aus Natur- und Geisteswissenschaften, Kultur und Technik. Im Anschluss, um 21.00 Uhr, diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen unter anderem über gesellschaftliche und ethisch-moralische Aspekte des Themas.
ab 21.oo Uhr Scobel - Therapienotstand - Was hilft der kranken Seele?
Der Psychiater Manfred Lütz schrieb am 20. März 2014 in der Zeit (13/2014): "Es gibt einen Skandal in Deutschland, und niemand schaut hin. Der Zusammenbruch der ambulanten Versorgung schwer psychisch kranker Menschen ist eine tägliche Katastrophe. Vor 30 Jahren bekam ein schwer depressiver Patient in drei Tagen einen ambulanten Termin. Heute dauert das drei Monate. Hinter diesen nüchternen Zahlen verbergen sich menschliche Tragödien. Denn wer wirklich problemlos drei Monate auf eine Behandlung warten könnte, wäre nicht wirklich krank."
Das Problem ist nicht nur, dass Lütz Statement nach wie vor Gültigkeit hat: Das Problem ist vor allem, dass sich trotz vorliegender Studien und Fakten kaum etwas geändert hat. Zwar gab und gibt es neue Gesetzesinitiativen – aber die haben bislang wenig bewegt. Denn wer etwas bewegen will, der muß heute bereits damit beginnen, Therapien gründlich und objektiv zu vergleichen (etwa: Therapie gegen das reine Verschreiben von Pillen) und die entsprechenden Ärzte und Fachleute auszubilden. Beides geschieht nur unzureichend – nicht zuletzt aus Gründen, die mehr mit Lobbyismus als mit der Sache selbst zu tun haben.
Wenn ich mir den Vergleich, der hinkt, trotzdem erlauben darf: Seit Jahren wusste man, wie kontraproduktiv es ist, dass Entscheidungen über einen Asylantrag im Schnitt mehr als zwei Jahre dauern. Das war nicht nur eine Missachtung von Lebenszeit der (aus welchen Gründen auch immer) Hilfesuchenden – es war vor allem ein ökonomischer Verlust: und zwar sowohl auf der Seite der Bürokratie wie auf der Seite derjenigen, denen Asyl gewährt wurde. Sie hätten längst sich ausbilden oder arbeiten können während sich die Beamten anderen Aktivitäten hätten widmen können. Ähnlich ist es mit psychisch Kranken.
Um Leid zu lindern, muss man es berechnen
Zwar werden psychische Erkrankungen immer noch weitgehend tabuisiert: sie tragen faktisch aber zu etwa 40 % der Todes- und Arbeitsausfällen bei. Während man ein gebrochenes Bein sofort ambulant behandeln lassen kann, ist dies mit einer akuten Depression, die vielleicht tödlich endet, nicht der Fall. Man wartet, wartet weiter, wartet noch länger – und gleitet derweil in einen leidvollen Zustand ab, der auf eine Weise chronisch wird, dass Hilfe am Ende zu spät kommt. Es mag makaber klingen, solches Leiden zu berechnen: Aber ohne eine derartige Berechnung wird sich politisch nichts bewegen, weil das Argument "Und jetzt auch noch Therapie für die Bekloppten: Die kosten uns zu viel – wie sollen wir das bezahlen?"ein Todschlagargument ist.
Die Rechnung ist einfach – und wird in vorbildlicher Weise u.a. in dem Buch "Thrive" des britischen Ökonomen Richard Layard und des britischen Psychologen David Clark aufgemacht. Das Buch, für dessen Übersetzung sich bislang kein deutscher Verlag gefunden hat, habe ich auf unserer Internetseite besprochen. Beide Autoren sind für eine maßgebliche Veränderung im britischen Gesundheitswesen verantwortlich. Wenn man bedenkt, dass es der Bertelsmann Studie vom vergangenen Jahr zufolge rund 9 Millionen an Depression erkrankte Menschen in Deutschland gibt (und damit sind 1/3 leichte, 1/3 mittelschwere und 1/3 schwere Fälle im Sinne einer klinischen Definition gemeint) ahnt man, welche Dimensionen das Problem hat. Auch hier drängt sich die Ähnlichkeit mit dem Flüchtlingsproblem auf, das man über Jahre hat kommen sehen ohne viel dagegen zu unternehmen. Obwohl die Zahlen über psychische Erkrankungen auf dem Tisch liegen geschieht faktisch kaum etwas – außer, dass zugesehen und abgewartet wird. Die beiden Probleme kommen an einem empfindlichen Punkt zusammen: Denn tatsächlich wird durch die steigende Zahl traumatisierter Flüchtlinge, insbesondere durch die Kinder und Jugendlichen, die mitten in der Gewalt eines Krieges herangewachsen sind, der Bedarf an Therapien steigen. Sind wir darauf vorbereitet?
Geld muss in die richtigen Therapiformen fließen
Die erschreckende Antwort lautet, dass wir nicht einmal für die eigenen Bürger genug Therapiemöglichkeiten haben – geschweige für die, die erst noch Bürger dieses Landes werden. Es ist höchste Zeit, den Therapienotstand zu beenden. Und damit Sie es nicht falsch verstehen: In dem Maße, in dem der Therapienotstand – und zwar evidenzbasiert – beendet wird, sollte auch der Psychomarkt mit seinem unseriösen, zweifelhaft- esoterischen Überangebot ausgetrocknet werden. Das Geld kann besser investiert werden. Der Markt bringt Psychounternehmern und Coaches zwar eine Menge Geld – verändert aber - bis auf Ausnahmen - nicht das Leid der Betroffenen, die an zum Teil schweren psychischen Störungen und Erkrankungen leiden. Und um die Linderung und Beseitigung dieses Leidens muss es am Ende gehen.
Grüße
Marcela
läuft gerade,...
Tod auf Rezept
Erstausstrahlung
Antidepressiva und Beruhigungsmittel werden oft verordnet, obwohl sie fatale Nebenwirkungen haben können: Sie stehen im Verdacht, in manchen Fällen Suizidgedanken und Aggressionen auszulösen.
Täglich begehen im Schnitt 22 US-Soldaten Selbstmord – mehr als in Kampfeinsätzen sterben. Die erlebten Extremsituationen führen oft zu Angstzuständen und Depressionen. Psychopharmaka sollen helfen, doch einige Experten führen die hohe Suizid-Rate auf sie zurück.
Psychische Erkrankungen gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern – rund fünf Millionen Menschen leiden derzeit in Deutschland an einer Depression. Die Stoffgruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und deren Verwandte gehören zu den am häufigsten eingesetzten Antidepressiva. Sie helfen vielen Patienten, ihre Angstzustände und Depressionen zu überwinden. Doch Kritiker warnen davor, dass insbesondere in den ersten Wochen der Einnahme von SSRI eine erhöhte Gefahr für Suizidgedanken oder Aggressionen bestehe.
Am Max-Planck-Institut in München geht Professor Elisabeth Binder der Frage nach, welche Patienten bei Einnahme von SSRI-Antidepressiva diese Verhaltensmuster aufzeigen. Liegt die Erklärung dafür in ihren Genen? Durch die Entschlüsselung der genetischen Ausstattung der Patienten hofft man, die Gefahr einer Medikation mit Antidepressiva bereits im Vorfeld abschätzen und risikoärmere Alternativen suchen zu können.
Psychopharmaka gehören zu den am meisten verordneten Medikamenten – über eine Milliarde Tagesdosen Antidepressiva nehmen die Deutschen pro Jahr ein. Patienten mit psychischen Problemen suchen häufig Rat bei ihrem Hausarzt und bekommen dort zum ersten Mal Antidepressiva verschrieben. Im Falle einer leichten depressiven Verstimmung kann ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Hausarzt durchaus helfen. Eine medikamentöse Behandlung sollte allerdings immer von einer Psychotherapie begleitet werden - raten Psychologen und Psychiater.
Immer häufiger wird heute der Besuch beim Facharzt oder Therapeuten durch das Internet ersetzt. Unseriöse Online-Apotheken verkaufen Antidepressiva mit zweifelhafter Herkunft und Wirkung rezeptfrei, obwohl sich mittlerweile auf vielen Beipackzetteln ein Hinweis auf die unter Umständen erhöhte Suizidgefahr findet.
Die Dokumentation "Tod auf Rezept" fragt nach gefährlichen Nebenwirkungen und der Verantwortung der Pharmaindustrie. Unter anderem äußert sich der ehemalige Manager eines Pharmakonzerns dazu, wie Medikamentenhersteller versuchen, die Warnhinweise auf den Beipackzetteln ihrer Produkte zu unterdrücken.
Redaktionshinweis: In 3sat steht der Donnerstagabend im Zeichen der Wissenschaft: Um jeweils 20.15 Uhr beleuchtet eine Dokumentation relevante Fragen aus Natur- und Geisteswissenschaften, Kultur und Technik. Im Anschluss, um 21.00 Uhr, diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen unter anderem über gesellschaftliche und ethisch-moralische Aspekte des Themas.
ab 21.oo Uhr Scobel - Therapienotstand - Was hilft der kranken Seele?
Der Psychiater Manfred Lütz schrieb am 20. März 2014 in der Zeit (13/2014): "Es gibt einen Skandal in Deutschland, und niemand schaut hin. Der Zusammenbruch der ambulanten Versorgung schwer psychisch kranker Menschen ist eine tägliche Katastrophe. Vor 30 Jahren bekam ein schwer depressiver Patient in drei Tagen einen ambulanten Termin. Heute dauert das drei Monate. Hinter diesen nüchternen Zahlen verbergen sich menschliche Tragödien. Denn wer wirklich problemlos drei Monate auf eine Behandlung warten könnte, wäre nicht wirklich krank."
Das Problem ist nicht nur, dass Lütz Statement nach wie vor Gültigkeit hat: Das Problem ist vor allem, dass sich trotz vorliegender Studien und Fakten kaum etwas geändert hat. Zwar gab und gibt es neue Gesetzesinitiativen – aber die haben bislang wenig bewegt. Denn wer etwas bewegen will, der muß heute bereits damit beginnen, Therapien gründlich und objektiv zu vergleichen (etwa: Therapie gegen das reine Verschreiben von Pillen) und die entsprechenden Ärzte und Fachleute auszubilden. Beides geschieht nur unzureichend – nicht zuletzt aus Gründen, die mehr mit Lobbyismus als mit der Sache selbst zu tun haben.
Wenn ich mir den Vergleich, der hinkt, trotzdem erlauben darf: Seit Jahren wusste man, wie kontraproduktiv es ist, dass Entscheidungen über einen Asylantrag im Schnitt mehr als zwei Jahre dauern. Das war nicht nur eine Missachtung von Lebenszeit der (aus welchen Gründen auch immer) Hilfesuchenden – es war vor allem ein ökonomischer Verlust: und zwar sowohl auf der Seite der Bürokratie wie auf der Seite derjenigen, denen Asyl gewährt wurde. Sie hätten längst sich ausbilden oder arbeiten können während sich die Beamten anderen Aktivitäten hätten widmen können. Ähnlich ist es mit psychisch Kranken.
Um Leid zu lindern, muss man es berechnen
Zwar werden psychische Erkrankungen immer noch weitgehend tabuisiert: sie tragen faktisch aber zu etwa 40 % der Todes- und Arbeitsausfällen bei. Während man ein gebrochenes Bein sofort ambulant behandeln lassen kann, ist dies mit einer akuten Depression, die vielleicht tödlich endet, nicht der Fall. Man wartet, wartet weiter, wartet noch länger – und gleitet derweil in einen leidvollen Zustand ab, der auf eine Weise chronisch wird, dass Hilfe am Ende zu spät kommt. Es mag makaber klingen, solches Leiden zu berechnen: Aber ohne eine derartige Berechnung wird sich politisch nichts bewegen, weil das Argument "Und jetzt auch noch Therapie für die Bekloppten: Die kosten uns zu viel – wie sollen wir das bezahlen?"ein Todschlagargument ist.
Die Rechnung ist einfach – und wird in vorbildlicher Weise u.a. in dem Buch "Thrive" des britischen Ökonomen Richard Layard und des britischen Psychologen David Clark aufgemacht. Das Buch, für dessen Übersetzung sich bislang kein deutscher Verlag gefunden hat, habe ich auf unserer Internetseite besprochen. Beide Autoren sind für eine maßgebliche Veränderung im britischen Gesundheitswesen verantwortlich. Wenn man bedenkt, dass es der Bertelsmann Studie vom vergangenen Jahr zufolge rund 9 Millionen an Depression erkrankte Menschen in Deutschland gibt (und damit sind 1/3 leichte, 1/3 mittelschwere und 1/3 schwere Fälle im Sinne einer klinischen Definition gemeint) ahnt man, welche Dimensionen das Problem hat. Auch hier drängt sich die Ähnlichkeit mit dem Flüchtlingsproblem auf, das man über Jahre hat kommen sehen ohne viel dagegen zu unternehmen. Obwohl die Zahlen über psychische Erkrankungen auf dem Tisch liegen geschieht faktisch kaum etwas – außer, dass zugesehen und abgewartet wird. Die beiden Probleme kommen an einem empfindlichen Punkt zusammen: Denn tatsächlich wird durch die steigende Zahl traumatisierter Flüchtlinge, insbesondere durch die Kinder und Jugendlichen, die mitten in der Gewalt eines Krieges herangewachsen sind, der Bedarf an Therapien steigen. Sind wir darauf vorbereitet?
Geld muss in die richtigen Therapiformen fließen
Die erschreckende Antwort lautet, dass wir nicht einmal für die eigenen Bürger genug Therapiemöglichkeiten haben – geschweige für die, die erst noch Bürger dieses Landes werden. Es ist höchste Zeit, den Therapienotstand zu beenden. Und damit Sie es nicht falsch verstehen: In dem Maße, in dem der Therapienotstand – und zwar evidenzbasiert – beendet wird, sollte auch der Psychomarkt mit seinem unseriösen, zweifelhaft- esoterischen Überangebot ausgetrocknet werden. Das Geld kann besser investiert werden. Der Markt bringt Psychounternehmern und Coaches zwar eine Menge Geld – verändert aber - bis auf Ausnahmen - nicht das Leid der Betroffenen, die an zum Teil schweren psychischen Störungen und Erkrankungen leiden. Und um die Linderung und Beseitigung dieses Leidens muss es am Ende gehen.
Grüße
Marcela