Röntgenaufnahmen gehören dem Urheber
Die Antwort ist klar und eindeutig: "Jein!" Gerichte haben entschieden, dass die von einer Person angefertigten Röntgenaufnahmen nicht dieser Person (dem Patienten) gehören (obgleich seine Krankenkasse sie quasi bezahlt hat). Sie gehören dem Urheber - also dem Arzt oder Krankenhaus, wo sie gemacht wurden. Der Patient hat also keinen rechtlichen Anspruch, die Herausgabe der Bilder zu fordern.
Dennoch hat jeder Patient einen Anspruch auf "seine Bilder". Die Paragrafen 809 bis 811 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) billigen ihm das Recht zu, jederzeit Einsicht in seine Krankenakte zu nehmen, sich diese erläutern zu lassen und eine Kopie objektiver Befunde - auf eigene Kosten - anfertigen zu lassen. Im Wortlaut:
§ 809 BGB
Wer gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, kann, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist, verlangen, dass der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet.
§ 810 BGB
Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremden Besitze befindliche Urkunde einzusehen, kann vom Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem (des Patienten, Anm. d. Verf.) Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen (des Arztes, Anm. d. Verf.) bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist...
§ 811 BGB
(1) Die Vorlegung hat ... an dem Orte zu erfolgen, an welchem sich die vorzulegende Sache befindet. Jeder Teil kann die Vorlegung an einem anderen Orte verlangen, wen ein wichtiger Grund vorliegt.
(2) Die Gefahr und die Kosten hat derjenige zu tragen, welcher die Vorlegung verlangt. Der Besitzer kann die Vorlegung verweigern, bis ihm der andere Teil die Kosten vorschießt und wegen der Gefahr Sicherheit leistet.
Vor Gericht hat der Patient gute Chancen
Dazu gibt es eine Vielzahl von Urteilen, die sich auf konkrete Fälle beziehen. So hat bereits 1984 das Oberlandesgericht in Hamburg entschieden:
"Der Patient hat ein Recht, von dem Arzt zu verlangen, ihm Kopien der über ihn angelegten Krankenunterlagen gegen Kostenerstattung herauszugeben, so weit sie Aufzeichnungen über objektive physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen betreffen."(OLG Hamburg, Beschluss vom 20.11.1984 - 1 W 39/84)
Auch § 60 des Arztrechtes gestattet dem Patienten dieses Recht auf Einsicht und Anfertigung einer Kopie. Er unterscheidet zusätzlich zwischen dem "außerprozessualen Einsichtsrecht des Patienten" (auf dieses stützt sich fast immer die Bitte eines Patienten, seine Bilder mit nach Hause nehmen zu wollen) so wie dem "vorprozessualen Einsichtrecht" (zur Klärung etwaiger Rechtsansprüche) und dem "prozessualen Einsichtsrecht" (zur Durchsetzung dieser Ansprüche vor Gericht).
Unterschieden wird in allen Fällen zwischen dem Einsichtsrecht in "objektive Befunde" (dazu gehören Röntgenbilder) und "subjektive Bewertungen" (zum Beispiel die kritische Erörterung, etwa eines schlechten Behandlungserfolges durch mutmaßlich unkooperatives Verhalten des Patienten). Subjektive Bewertungen müssen dem Patienten nicht vorgelegt werden (Für das Bild Ihres gebrochenen Unterschenkels kommen die Paragrafen 809 bis 811 BGB deshalb zur Anwendung, für die schriftlich fixierte Vermutung ihres Arztes, Sie würden den Bruch nur simulieren, gelten sie nicht).
Zwischen Recht und Praxis
Die Rechtslage ist eindeutig - doch normalerweise keine gute Grundlage für Verhandlungen zwischen Arzt und Patient. Diskussionen um Paragrafen zerstören mit Sicherheit das nötige Vertrauensverhältnis.
Meistens führt der partnerschaftliche Dialog mit Ihrem Arzt sicher am weitesten. Wenn Sie Kopien oder Ausdrucke ihrer Bilder oder Befunde wünschen, begründen Sie Ihr Interesse. Entscheiden Sie gemeinsam, welche Bilder Sie wirklich benötigen. Auch heute kommt man fast überall einer freundlichen Bitte kulant entgegen.
Bedenken Sie, dass die Anfertigung von Kopien Geld kostet und Personal bindet - auch wenn viele Krankenhäuser davon absehen, die Kopierkosten vom Patienten zurück zu fordern (häufig, weil der Verwaltungsaufwand zum "Eintreiben" dieser Gelder teurer wäre als die Kopierkosten selbst). Lassen Sie deshalb Kopien nur von wirklich aussagekräftigen Bildern anfertigen. Welche Bilder das sind, sollten Sie zusammen mit Ihrem Arzt entscheiden.
Keine Bilder zum Anfassen
Das alles ist heute bereits häufig "Schnee von gestern". "Röntgenbilder zum Anfassen" gibt es in den meisten radiologischen Zentren gar nicht mehr. Die Aufnahmen werden elektronisch im Computer erstellt und auf großen Rechnern sicher archiviert. Die Befundung erfolgt am Bildschirm. Der Nachteil: Im Normalfall existiert gar kein Bild, um dessen Herausgabe Sie bitten können. Der Vorteil: Die Bilddateien sind billig und ohne Qualitätsverluste zu kopieren oder auszudrucken.
Das gilt natürlich nicht nur für Röntgenbilder, sondern auch für andere Befunde. Die Medizin in Deutschland ist auf dem Weg zur "digitalen Patientenakte". Das Hantieren mit keimbeladenen Krankenunterlagen oder Röntgenbildern im Operationssaal wird ein Ende haben. Alle wichtigen Befunde können - sauber und sinnvoll geordnet - am Computerbildschirm eingesehen werden. Verlorene Befunde durch "Unordnung im Archiv" werden der Vergangenheit angehören. Stattdessen werden neue Probleme wie "Serverabsturz" oder "Datensicherheit" an Relevanz gewinnen.
Für den Patienten bringt die digitale Krankenakte zumindest einen gewaltigen Vorteil: Es gibt nicht mehr nur "ein Original", das irgendwo archiviert wird. Alle Befunde lassen sich in Originalqualität und relativ schnell und billig auf einen Datenträger - etwa eine CD-ROM - kopieren. Möglicherweise wird die Zukunft so aussehen, dass ein Patient das Krankenhaus mit einer CD verlässt, auf der alle wichtigen Informationen (beispielsweise für die Weiterbehandlung) gespeichert sind.
Technisch ist das alles seit Jahren machbar. Kompressionsverfahren reduzieren die Datenmengen, die Speicherkapazität der Aufzeichnungsmedien wächst von Monat zu Monat. Problematisch ist heute noch die Einigung auf einen bestimmten Standard: ein Programm, das von der Uni-Klinik bis zum Hausarzt verfügbar ist und genutzt wird. Denn was nützt die beste CD, wenn derjenige, der Sie weiter behandeln soll, diese nicht lesen kann?
Bis es so weit ist, wird es nicht mehr lange dauern. Und bis dahin sollten Sie auf eines setzen, wenn Sie Kopien von Befunden oder Bildern wünschen: auf das vertrauensvolle Gespräch mit Ihrem Arzt. In den allermeisten Fällen führt der partnerschaftliche Dialog sicher weiter als das "Drohen mit Paragrafen". Auch Ihr Arzt kennt die Rechtslage!
Quelle: ARD Ratgeber Gesundheit, 15.9.2001
oder auch
Anspruch auf Herausgabe von Originalröntgenaufnahmen
Einem Patienten steht ein Einsichtsrecht hinsichtlich seiner Krankenunterlagen zu. Dazu gehören auch die vom Arzt gefertigten Röntgenaufnahmen. Hat ein gesundheitlich schwer geschädigter Patient ein berechtigtes Interesse seinen Röntgenbildern, so steht ihm über das Einsichtsrecht hinaus ein Herausgabeanspruch hinsichtlich der Originalröntgenaufnahmen auch dann zu, wenn es sich um eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Aufnahmen (hier 82 Stück) handelt und deren Beurteilung besondere Fachkenntnis erfordert.
Die Klinik bzw. der behandelnde Arzt kann sich in einem derartigen Fall nicht darauf berufen, bei einer Herausgabe bestünde die Gefahr der Beschädigung oder des Verlustes der Aufnahmen, die weiterhin zu wissenschaftlichen Zwecken benötigt würden, wenn die Übergabe der Bilden an einen Rechtsanwalt des Patienten erfolgt, der die Gewähr und die Haftung dafür trägt, dass die Originale weder verloren gehen noch verändert oder beschädigt und nach Begutachtung durch einen Fachmann wieder an die Klinik zurückgereicht werden.
Urteil des OLG München vom 19.04.2001
3 U 6107/00
NJW 2001, 2806