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Wertigkeit eines unfallanalytischen Gutachtens der Gegenseite

Sulu

Neues Mitglied
Registriert seit
3 März 2015
Beiträge
6
Liebes Forum,

ich bin neu hier.
Kurz zu meiner Vorgeschichte: Im Frühjahr letzten Jahres war ich als Fahrradfahrer in eine Kollision mit einem Motorroller verwickelt, zog mir dabei mehrere Gesichtschädelfrakturen zu – mein Gegner blieb unverletzt. Ende des Jahres habe ich auf zivilrechtlichem Wege Klage gegen meinen Unfallgegner und dessen Versicherung erhoben.

Die mir bekannten Details: ich befand mich in Geradeausfahrt, sah meinen Gegner mir noch auf meiner Spur frontal entgegenkommen. Allerdings erlitt ich aufgrund des Zusammenstoßes und meines Sturzes auf den Hinterkopf ein Schädelhirntrauma, war also zunächst bewußtlos und kann mich an den Zusammenstoß nicht mehr erinnern. Die Kollisionsstelle wurde durch die Polizei auf meiner Fahrbahnseite lokalisiert. Es gibt eine unmittelbare Unfallzeugin, die bestätigen kann, dass mein Unfallgegner die Kurve geschnitten und auf meiner Seite mit mir kollidiert ist.

Die Argumente der Gegenseite: mein Unfallgegner leugnet das Geschehen. Seiner Aussage nach habe ich die Straße gequert, und er war zu einem Ausweichmanöver auf meine Fahrbahnseite gezwungen. Ich hätte ihn dann von ihm aus rechts kommend angefahren. Als Argument führt er eine Schadensstelle auf der rechten Frontseite seines Fahrzeuges an, die wohl der Anschlagstelle entspricht. Außer den Kollisionsschäden war allerdings nicht mehr viel Material zu verwerten, da er selbst sein Fahrzeug vor Eintreffen der Spurensicherung vom Unfallort schob. Mein Fahrrad wurde durch Passanten beseitegeschoben.

Die Gegenseite will nun ein Gutachten in Auftrag geben, welches ihre Version der Geschichte bestätigen soll. Meine Frage: muss ich mir darüber Sorgen machen? Und welche Wertigkeit nimmt ein solches Parteigutachten innerhalb der zivilrechtlichen Bewertung der Angelegenheit ein?

Vielen Dank im Voraus für alle Antworten.
 
Qualifizierter Parteienvortrag

Hallo Sulu,

obgleich das Gutachten der gegnerischen Versicherung letztendlich im Zivilprozess ein Parteigutachten darstellt, ist dies ein sogenannter Qualifizierter Parteienvortrag, mit dem der gegnerische Anwalt erst einmal Tatsachen schafft.

Diese Möglichkeit hast Du aber auch.

Herzliche Grüße vom RekoBär:)

www.unfallreko.de
 
Deine Antwort kam ja erstaunlich schnell - vielen Dank. Ich werde das mit dem Anwalt besprechen.
 
Hallo Rekobär,

bedeutet das, daß das Gericht das Gutachten berücksichtigen muß? Oder kann es das einfach ignorieren oder dem Vortrag der Gegenseite folgen, dass dies keine neuen Tatsachen schafft?

Gibt es eine Rechtsgrundlage oder Urteile?

Was passiert mit med. Gutachten, die eine unfallanalyt. GA nicht berücksichtigen oder ignorieren?

Mir will keiner mein unfallanalytisches GA berücksichtigen geschweige denn anerkennen....

Gruß

Shammy
 
Moin moin!

Shammy, dazu gilt vereinfacht Folgendes:

Egel welche Seite Gutachten beibringt, also du oder die Versicherung, beides sind grundsätzlich Parteigutachten, wie Rekobär schon schrieb.

Damit gilt grundsätzlich und theoretisch, sie sollten die gleiche Wertigkeit für den Richter haben.
Sprich, es sollte dem Richter erst einmal egal sein, von welcher Seite das Gutachten kommt.

Für den Richter sollte wichtig sein, wie schlüssig ist das Gutachten.
Wie genau hat der Gutachter wesentliche Tatsachen herausgearbeitet und sich an Beweise und Tatsachen auch gehalten.
Wie gut begründet, sowohl inhaltlich an sich als auch durch beweisende Literatur sind die Schlußfolgerungen des Gutachters.
Wie gut begründet der Gutachter, warum Schlußfolgerungen der Gegeseite, sei es die Versicherung selber oder deren Gutachter, inhaltich falsch sind.
Wie gut kennt sich der Gutachter mit den Rechtbegriffen wie Kausalitätskette, wesentliche Bedingung etc aus und ordnet dementsprechend korrekt seine Argumente und Schlußfolgerungen ein.

Wie du aber liest, ich habe bei dieser Schilderung den Konjunktiv genutzt.
Denn das eigentliche Problem ist dabei die Meinung/das Verhalten des Richters.
Der Rechtsbegriff dazu heißt "freie richterliche Beweiswürdigung".
Das heißt, dem Richter steht es grundsätzlich erst einmal frei, welchem Gutachten er folgt. Welche Argumemte und Schlußfolgerungen er für besser begründet hält. Welches Gutachten mehr begründete Zweifel an den Schlußfolgerungen des anderen Gutachtens aufweist.

Sprich, welchem der beiden Gutachter er mehr glaubt.

Es gibt eine einzige "Einschränkung" für diese richterliche Beweiswürdigung. Der Richter muß begründen, warum er welchem Gutachten folgt.

Vorallem, wenn seitens der Gegenseite (gut) begründete und nachweisbare Zweifel an der Korrektheit von Schlußfolgerungen, auf die der Richter sich bezieht, vorliegen.
Deswegen ist auch so wichtig, daß Gutachten der Gegenseite auseinandergenommen und auf ihre Fehler, sowohl inhaltlich als auch fachlich als auch hinsichtlich der Anwendung juristischer Begriffe, untersucht und diese im Rahmen der Stellungnahme formuliert werden.

Das Problem dabei ist der Fakt, daß jede Seite selber dafür zuständig ist, Beweise für ihre Behauptungen oder aber berechtigte Zweifel an der Dartsellung der Gegenseite zu liefern. Bzw. Gründe, warum der Richter das gegnerische Gutachten/die Argumentation nicht so einfach aktzeptieren kann und darf.
Dieses ist nicht die Aufgabe des Richters! Sondern in diesem Fall dann deine bzw. die deines Anwaltes.

Tust du dies nicht, man unter uns Klosterkindern und ohne dem Richter etwas anzukreiden...
wo keine begründeten und nachweisbaren Zweifel an der Argumentation der Gegenseite sind, weil du keine beigebracht hast, dann wird er für die Gegenseite entscheiden.

Ist wie zuhause, wenn die Mutter mit dem Sohn schimpft, weil er den Fußball in das Fenster des Nachbarn geschossen hat. Weil es ja sein Fußball ist, weil der Nachbar sagt, daß er eben noch damit gespielt hat. Solange Sohnemann nicht sagt:"Du, Mama ich war auf Klo. Das muß meine Schwester gewesen sein.", als Zweifel an der Darstellung des Nachbars und der seiner Schwester liefert, wem soll die Mutter sonst glauben?


Weiterhin reichen dann dazu Formulierungen der Richters, wie sie im Urteil dann gerne stehen mit "nachvollziehbare Argumentation", "schlüssige Argumentation", gut begründet" oder auch gerne, daß Zitieren von Texten aus dem Gutachten nicht aus.

Der Richter muß zwar nicht extrem detailliert, aber doch begründend erklären, warum er einem zweifelhaften Gutachten folgt.
Tut er dies nicht, ist dies ein Berufsgrund bis hoch zum BSG im Sinne Verletzung des rechtlichen Gehörs, Verletzung der Amtsermittlungspflicht.
Aber das geht eben nur, wenn die Gegenseite Beweise für eine anzweifelbare Darstellung liefert!


So, zu deinem Satz "Mir will keiner mein unfallanalytisches GA berücksichtigen geschweige denn anerkennen."
Wer ist da mit "keiner" genau gemeint? Und ist dieses Gutachten Teil der Gerichtsakte oder wedelst du immer nur beim neuen Gutachten damit herum und bietest es an wie saures Bier?

Denn auch da gibt es Unterschiede, ob es zumindest diskutiert werden muß oder nicht.

gruß
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo buchfreundin,
Wieder einmal ein sehr interessanter und informativer Beitrag! Herzlichen Dank.

LG
Lindgren
 
Parteiengutachten

Hallo Shammy,

wir müssen hier unterscheiden zwischen Zivil- und Sozialprozess.

Im Zivilprozess muss Dein Anwalt das Unfallanalytische Gutachten innerhalb seines Schriftsatzes zitieren und als Anlage beilegen. Wichtig ist, dass er tatsächlich nicht nur erwähnt, dass es eines gibt, sondern er muss aus dem Gutachten Zitate in seinen Schriftsatz einfügen. Damit wird es automatisch Bestandteil des Parteienvortrages und muss vom Richter berücksichtigt werden.

Im Sozialprozess muss es lediglich Bestandteil der Akte werden.

Wir wissen natürlich aus eigener Erfahrung, dass Richter sehr unterschiedlich damit umgehen. Aber, wie Buchfreundin so treffend erklärt hat, bedeutet eine Nichtbefassung mit bzw. das Ignorieren von dem Unfallanalytischen Gutachten, wenn es Bestandteil entweder des Parteienvortrages oder Bestandteil der Akte ist, dass der Richter damit einen Verfahrensfehler begeht, der letztendlich die Berufung begründet.

Insofern ist es wichtig, dass Dein Rechtsanwalt entsprechende Anträge bei Gericht stellt.

Hallo Buchfreundin,

seh gute Ausführungen, wollte ich nur mal erwähnen.

Herzliche Grüße vom RekoBär:)

http://www.unfallreko.de/seite/105202/gerichtsbegleitung.html
 
Moin moin!

Artig Knicks und Danke an Lindgren und Rekobär.

Ich kann aber dazu nur ergänzend Sagen, daß ich überhaupt etwas ausführen kann, was verständliche Information vermittelt, liegt am Forum respektive an den Mitgliedern, die mir die Grundlage dazu und die Grundlage für eine "Weiterbildung" im Internet überhaupt erst vermittelt haben.
Denn wie ich immer schreibe, ich nix Jurist auch nicht einmal im Ansatz. Vor vielen Jahren kannte ich gerade mal die Begriffe Richter, Gericht und Verfahren.

Insofern reiche ich den Dank mal weiter.

Und ich hoffe, es regt andere Mitglieder dazu an, zu begreifen, wie wichtig es ist, sich selber gründlich zu informieren. Und zwar nicht nur, indem man zu einem aktuellen Problem mal eben seine Frage stellt und hofft, irgendwer wird schon antworten.
Sondern eben selbstständig und eigenverantwortlich darüberhinaus. Und auch zu Themen, die einen ggf. nicht betreffen. Sozusagen ein Fernkurs in Bereich Jura mit gezielten Seminarthemen.

Auch wenn der eigene Gesundheitszustand dies nicht mehr so zuläßt wie vorher. Dann geht es eben langsamer. Und es ist eben mühsamer.

Denn im Prinzip hat jedes Verfahren das gleiche Prinzip. Und damit wird etwas, was einen Anderen im Moment betrifft mich aber nicht doch irgendwann auf mich zukommen.
Mit dem wesentlichen Unterschied, daß ich nicht wie der Ochs vorm Berg dastehe und wie ein hilfloses Hühnchen durch die Gegend flattere sondern schon gezielte Maßnahmen einleiten kann.

Und das, was ich durch meine Krankheit vllt. langsamer bin habe ich damit ausgeglichen.

Und nein, ich glaube immer noch nicht an den Weihnachtsmann.
Und mein Eidotter in der Kristallkugel schimmt immer noch herum. Die letzte Reparatur hat irgendwie nicht funktioniert ;).

Gruß
 
Hallo Buchfreundin,

die Kritik ist angekommen, nur befinde ich mich noch in den Anfängen.
Und verfolge die Diskussion fleißig.

Vielen Dank Dir und Rekobär für Eure Beiträge
 
Hallo buchfreundin,

Moin moin!
Auch wenn der eigene Gesundheitszustand dies nicht mehr so zuläßt wie vorher. Dann geht es eben langsamer. Und es ist eben mühsamer.

Denn im Prinzip hat jedes Verfahren das gleiche Prinzip. Und damit wird etwas, was einen Anderen im Moment betrifft mich aber nicht doch irgendwann auf mich zukommen.
Mit dem wesentlichen Unterschied, daß ich nicht wie der Ochs vorm Berg dastehe und wie ein hilfloses Hühnchen durch die Gegend flattere sondern schon gezielte Maßnahmen einleiten kann.

Und das, was ich durch meine Krankheit vllt. langsamer bin habe ich damit ausgeglichen.
Gruß
Das kann ich zu 100% unterschreiben!
Nur es liegt in den Dingen der Natur, dass die Menschen nun mal viel lieber den bequemeren Weg gehen und sich dann wundern, dass es nicht so läuft wie man sich das doch vorgestellt hat! Das musste ich auch erst erkennen!
 
Moin moin!

Schmunzel, Sulu falls da etwas als Kritik an dir rübergekommen ist, dann bitte ich das Missverständnis zu entschuldigen.
Es sollte vielmehr erklären - und dies gerade dir als Anfänger - wie wichtig deine Eigeninitiative und dein Willen sich über den Tellerrand blickend umzuschauen und so gut wie möglich auch selbstständig zu informieren werden kann.

Wenn ich kritisiere, glaub mir, dann sieht der Text deutlich anders an. Ich neige im Guten wie im Schlechten zu deutlichen Worten ;).

@ptpspmb:

Auch ich habe den bequemen Weg in der 1. Instanz genommen.
Aus vielen Gründen, die zu diesem Zeitpunkt alle richtig waren. Zu krank, zu sehr mit mir und der Krankheit und den Schmerzen und und und beschäftigt. Zu sehr damit beschäftigt, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.
Und damit letztendlich mitgeholfen, die 1. Instanz zu vergeigen.

Wenn ich mir heute ansehe, was ich damals alles nicht gemacht habe dann weiß ich, daß zwar eigentlich es die Sache meines alten Anwaltes gewesen wäre sich darum zu kümmern. Vorallem weil ich am neuen Anwalt sehe, daß er sich selbstständig darum kümmert.

Aber ... hätte ich damals die Dinge gewußt, die ich heute weiß ... wäre ich meinem alten Anwalt schon wesentlich früher auf den Füßen gestanden. Hätte wesentlich früher den Anwalt gewechselt...

Hätte hätte Fahrradkette ...

Wenn das Eingeständnis meines Fehlers mit Versäumnis und Faulheit und auch einem gewissen Maß "Vogel Strauß Denken" einem Anderen den Prozeß rettet, dann hatte der Fehler wenigstens etwas Gutes :).

Gruß
 
Hallo buchfreundin,

habe viel lernen müssen, bis ich so weit war um zu kapieren was heute unter meinem freundlichem Gruß steht!
Du sprichst mir immer wieder mit deinen Beiträgen aus der Seele! :) Wünsche dir noch einen schmerzfreien Tag.
 
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