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Verkehrsunfall mit fahrlässiger Tötung

palme41

Neues Mitglied
Registriert seit
17 Aug. 2020
Beiträge
1
Hallo,
da ich neu in diesem Forum bin (ich habe mich zwar schon etwas durchgelesen) bin ich mir nicht ganz sicher ob mein Thema so gut hier rein passt aber ich werde es einfach mal versuchen, vielleicht kann mir jemand ja ein paar hilfreiche Antworten geben.
Zu meiner Geschichte..ich bin 19 Jahre alt und hatte vor etwa gut 2 Monaten einen Verkehrsunfall verursacht:
Ich war an einer Kreuzung und wollte nach links abbiegen, von der linken Seite war eine Gruppe Motorradfahrer untwerwegs. Da die Geschwindigkeit an dieser Kreuzung reduziert ist und ich den Abstand zu den Krafträdern auch für passend hielt bin ich abgebogen. Ich war schon so gut wie in meiner Spur, hatte aber einen frontalen Zusammenstoß mit einem Biker der anschließend auch im Krankenhaus verstarb. Ich möchte hier nichts schön reden ich weiß, dass ich einen Fehler begangen habe und daran Schuld bin. Das ganze kam noch nicht vor Gericht -also gibt es noch kein Urteil darüber. Ich habe mir auch Psychologische Hilfe gesucht, jedoch habe ich sehr schnell festgestellt das ich mich dort überhaupt nicht wohl fühle, deshalb wollte ich es über diesen Weg versuchen. Ich fühle mich sehr schuldig (ich habe auch einige Artikel über den Unfall gelesen und bin extrem schokiert darüber was fremde Menschen, die keinerlei Ahnung über den Unfallhergang haben, mir für Vorwürfe machen...natürlich ist mir bewusst das ich einen Fehler gemacht habe...aber das mir andere unterstellen, dass ich wahrscheinlich nur am Handy war und ich mich am besten nie wieder hinters steuer setzen soll und all diese ding...das macht mich ziemlich fertig so etwas unter zeitungsartikeln im netz zu lesen..)und denke auch oft darüber nach "was wäre wenn", oder warum hat es mich nicht erwischt. Ich fühle mich mit der Situation überfordert und weis nicht so recht wie ich damit umgehen soll. Vielleicht gibt es ja hier jemanden der damit (leider) auch schon eine Erfahrung gemacht hat, mir tipps oder sich mit mir austauschen möchte.

Ich danke euch schonmal vorab für eure Antworten.

Liebe Grüße
 
hallo,

du wartest sicher auf antworten. es ist aber leider nun mal so, dass andere mitglieder/betroffene nicht ständig im forum präsent sind. und dieses etwas spezielle thema, das ist dir offenbar bewusst, wird auch nicht zu einer spontanreaktion verleiten, und das ist sicher auch gut so.
ich kann dir leider keine vernünftige antwort geben, auch wenn ich solche einschneidenden ereignisse kenne. es soll dir aber gesagt sein, dass du auf deinen beitrag sicher die eine oder andere antwort bekommst und nicht gleich resignieren sollst, wenn es dazu etwas zeit braucht.

von aussen betrachtet ist dein aktives aufarbeiten - ob psychologisch (wenn auch - noch - nicht passend) oder auch hier - der mutigste und gleichzeitig nötige schritt. für weitere mögliche eigeninitiativen wird es auch darauf ankommen, in welchem umfeld sich der unfall ereignet hat und welche anderen möglichkeiten dir offenstehen. hast du das bedürfnis und dann auch die möglichkeit mit angehörigen des unfallbeteiligten in kontakt zu treten? würde dir das helfen? es gibt hier auch möglicherweise entsprechende beratung und unterstützung.

du siehst, es ist nicht unproblematisch für nicht betroffene, aber es wird sicher andere rückmeldungen geben.


gruss

Sekundant
 
Hallo,

als Außenstehender ist die Sache nicht so eindeutig
beurteilbar.
Aber wie Du schreibst, das Du von links einige Motorradfahrer ankommen sahst, aber aufgrund der
Entfernung entschieden hast, das sich das links abbiegen noch ausgeht, könnten doch weitere Faktoren in Betracht zu ziehen sein.

Meiner Meinung nach wäre ein Faktor die Geschwindigkeit der Motorradfahrer, denn wenn diese bedeutend zu hoch war, müsste man in der Rekonstruktion feststellen können, wie weit entfernt
Diese waren als Du den Linksabbiegevorgang begonnen hast und es demnach vertretbar war noch vor den Motorradfahrern in die Kreuzung
einzufahren.

Weiters wäre auch interessant wie zügig Du diesen Vorgang des Linksabbiegens angegangen bist.
Kann hier durchaus sein, das dieser Abbiegevorgang langsamer als ein durchschnittlicher Abbiegevorgang stattgefunden hat?
Und was natürlich auch noch eine Rolle spielen könnte ist, das der Motorradfahrer eben durch deutlich überhöhte Geschwindigkeit die Situation
falsch eingeschätzt hatte und dazu noch einen Fehler begangen hat, das es zu dieser Kollision mit dem bedauerlichen Ausgang kam.

Eine Unfallrekonstruktion sollte eigentlich den
Unfallhergang widerlegen können.

Es ist trotzdem schwer mit dieser Schuld umzugehen, doch können hierbei mehrere unglückliche Umstände zu diesem Unfall geführt haben.

Wünsche auf jeden Fall alles Gute!

Grüße

Hrc4Life
 
Hallo palme41,

@Sekundant und @Hrc4Life haben Dir ja schon einige Tipps gegeben. Ich habe desöfteren mit Menschen zu tun, die diese Schuld auf sich geladen haben und nun damit fertig werden müssen. Dabei stelle ich recht unterschiedliche Reaktionen fest. Das Schlimmste an der Sache ist sicher die Frage nach der Vermeidbarkeit. Denn rückgängig lässt sich das nicht mehr machen.

Von Seiten der Staatsanwaltschaft wird geprüft, ob Dein Fahrverhalten tatsächlich Unfallursächlich war und damit eine Straftat nach StGB darstellt. Sollte die Staatsanwaltschaft hier der Meinung dass das so wäre, wird sie Anklage erheben.

Es kann aber auch sein, dass das Verfahren eingestellt wird, wenn die Staatsanwaltschaft selbst zu dem Ergebnis kommt, dass der Unfall für Dich nicht vermeidbar war.

Ansonsten sollte der Unfall tatsächlich aufgearbeitet werden, um auch Gewissheit zu schaffen.

Herzliche Grüße vom RekoBär :)
 
Hallo Palme,

meine Vorschreiber und geschätzte Wegbegleiter haben die wichtigsten Probleme schon geschrieben.

Willst Du mit den Hinterbliebenen Kontakt aufnehmen? Bitte nur , wenn Du es auch ernst meinst !

Dir geht es schlecht, den Hinterbliebenen auch! Denen steht ein jahrelangen Kampf bevor -sollten sie sich nicht auf eine billige Abfindung deiner Haftpflicht einlassen- sie werden es dann in einigen Jahren- zu spät merken-

LG
Aramis
 
Hallo palme41!

Gleich mal vorweg: jeder Unfallverursacher ist anders, jeder Angehöriger ist anders. Ich kann dir nur meine Erfahrungen schreiben und hoffen dass du für dich etwas mitnehmen kannst. Ich schreibe quasi von der "anderen Seite"... Weder möchte ich dir Tipps noch Ratschläge noch richtige Vorgehensweisen geben. Entscheiden musst du wie du handelst.

Mein Papa ist am 25.05.2019 bei einem Motorradunfall verstorben. Meine 12jährige Stiefschwester wurde schwer verletzt. Bleibt auf einem Ohr taub.
Eine 25jährige Autofahrerin aus Belgien die mit ihrer Mutter und Zwillingsschwester unterwegs war wollte links abbiegen und hat meinen Papa übersehen.
Es war eine gerade Bundesstraße und mein Papa ist lt. Gutachten ca. 85 kmh gefahren (bei erlaubten 100). Die Autofahrerin hatte ihn für ca. 7 Sekunden im Blickfeld. Sie hat ihn aber komplett übersehen und ist vor seiner Nase (Papa hatte 1 Sekunde Reaktionszeit - also keine Chance) abgebogen.
Auch ich musste diverse, sehr schmerzende Kommentare unter den Zeitungsberichten lesen. z.B. Motorradfahrer = selber Schuld, rasen ja alle wie die Irren; wie kann man eine 12jährige mitnehmen; sicher war der Motorradfahrer viel zu schnell unterwegs, usw.
Am Anfang tat uns die Verursacherin sehr leid. Man weiß ja dass jedem im Straßenverkehr jederzeit eine Unaufmerksamkeit passieren kann. Man schießt ja nicht mit Absicht einen Motorradfahrer ab. Das hatten wir schon begriffen.
Aber nachdem die Wochen und Monate vergingen und wir nichts von ihr hörten bekam ich eine immer negativere Meinung über sie. Was ich absolut nicht verstehen kann: sie haben nicht einmal - weder bei der Polizei, beim Anwalt oder bei uns - nachgefragt wie es meiner Stiefschwester geht. Mein Papa ist noch an der Unfallstelle verstorben, meine Stiefschwester wurde unter Lebensgefahr ins Krankenhaus geflogen. Und hier ist der Punkt wo mein Verständnis und mein "sie tut mir leid" aufhört. Das hinterlässt einfach den Eindruck von "ist passiert, was soll´s". Ich hätte von Anfang an gerne gewusst wie es ihr/ihnen geht, welche Menschen das sind (also ihre Lebensumstände und so). Hat sie professionelle Hilfe benötigt? Verdrängt sie es? Verfolgen sie die Bilder?... In Zeiten vom Internet haben wir natürlich versucht Informationen über sie zu bekommen. Ihre Facebook Seite ist nicht offiziell, daher sieht man nur wenn sie ihr Profilbild ändert. 10 Tage nach dem Unfall hat sie ein Foto lachend in einem Blumenfeld gepostet. Im November ein Foto mit ihr auf einem Motorrad. Das hat natürlich auch nicht zu einem positiven Eindruck über sie beigetragen...
Nächsten Mittwoch ist die Verhandlung... Ich weiß nicht welche Strafe ich ihr "wünschen" soll. Einerseits kann sowas wie gesagt jedem passieren, anderseits hat sie mir trotzdem meinen Hero für immer weggenommen. Dass sie sich nie gemeldet hat schmerzt halt schon gewaltig. Dieses Verhalten kann in der Familie und im Freundeskreis eigentlich keiner verstehen. Eine tränenreiche Entschuldigung vor Gericht brauchen wir alle nicht - dafür ist es zu spät...

Natürlich kann keiner sagen wie er selbst handeln/reagieren würde. Weder die eine noch die andere Seite. Sicher wird nicht jede Opferfamilie so denken/fühlen wie wir - genauso wenig wie jeder Verursacher gleich denkt/fühlt.

Ich wünsche dir das Allerbeste damit du mit dieser Sache klar kommen kannst und den für dich richtigen Weg zur Verarbeitung findest.
Bin mir sicher das braucht für alle Betroffenen seine Zeit.

LG, Rompost
 
Hallo palme41,

Mir ist im Mai ein ähnlicher Unfall passiert. Auch ich bin nach links abgebogen und habe einen Motorradfahrer mit Sozia übersehen. Beide sind mit schwersten Verletzungen ins Krankenhaus geflogen worden. Der Fahrer schwebte in Lebensgefahr und wurde ins künstliche Koma versetzt. Mittlerweile ist er zum Glück wieder wach und hoffentlich weiter auf dem Wege der Besserung.

Es tut mir sehr leid dass du diese Erfahrung machen musstest. Und dann auch noch mit Todesfolge. Ich selbst kann mir bis heute nicht erklären wie unser Unfall zustande kam. Hatte meine neunjährige Tochter mit dem Auto. Kein Alkohol, keine Drogen, kein Handy am Steuer. Ich fahre jedes Jahr zwischen 60 und 70 000 km. Seit 12 Jahren bin ich im Außendienst tätig und seitdem habe ich so viele Kilometer. Bisher immer unfallfrei. In diesem Moment scheine ich einfach nicht richtig aufgepasst zu haben. Das klingt total bescheuert, aber es ist wohl so.

Ich wollte dir eigentlich erst eine private Nachricht schreiben. Aber ich glaube ich habe nicht genügend Rechte dazu im Moment. War bisher, seit meinem Unfall, hier nur stiller Mitleser. Ich habe mich einfach sehr dafür interessiert wie die Opfer so denken und was sie vom Unfallverursacher persönlich erwarten. Mir war es vom ersten Moment an sehr wichtig Kontakt aufzunehmen. Ich habe es auch immer wieder versucht. Direkt an der Unfallstelle schon über die Polizei, auch später hatte ich einen engen Kontakt zu meinem bearbeitenden Polizisten. Er hat mich zum Glück immer auf dem Laufenden gehalten. Auch habe ich sehr auf dem Krankenhaus angerufen und zumindestens nachgefragt auf welcher Station der Mann liegt. So wusste ich zumindestens ob er noch auf der Intensivstation liegt und offensichtlich noch im künstlichen Koma ist.Irgendwann habe ich dann der Familie einen Brief geschrieben. Leider haben sie mir nicht darauf geantwortet. Und auch zum Polizisten haben sie gesagt dass sie im Moment keinen Kontakt möchten. Das ist für mich in Ordnung, ich kann es auch verstehen. Mir war es einfach nur wichtig zu zeigen dass es mir unendlich leid tut und dass ich alles dafür tun würde gehen in irgendeiner Weise zu helfen.

Auch ich habe mich zum Psychologen begeben. Leider sind meine Erfahrungen ähnlich wie deine. Es hat menschlich nicht gepasst, somit war ich ehrlich gesagt nur ein einziges Mal dort. Aber ich habe eine Freundin, die mir einen Kontakt vermittelt hat zu einer ihrer Freundinnen die als psychosoziale Betreuerin vor Gericht arbeitet und dort mit den Opfern teilweise auch in Verhandlungen reingeht. Sie war z.b. bei dem bekannten Raser Prozess in Stuttgart dabei. Dieses Gespräch mit dir hat mir wesentlich mehr geholfen wie das Gespräch mit dem Psychologen. Vielleicht hast du die Chance das eine oder einer deiner Freunde dir da Unterstützung geben kann.

Wenn Du möchtest, können wir gerne unsere Kontaktdaten austauschen.

@Rompost an dich geht mein allerherzlichstes Beileid. Ich wünsche dir sehr viel Kraft für den Prozess. Wie sich eure Unfallverursacherin verhalten hat kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Leider reagiert da jeder anders. Ich persönlich hätte es nicht ausgehalten nicht wenigstens den Versuch gemacht zu haben Kontakt aufzunehmen. Ich weiß nicht wie viele Male ich abends da saß und gebetet habe. Ich bin bislang kein tiefgläubiger Mensch gewesen. Aber mir war es einfach ein Bedürfnis in irgendeiner Form ausdrücken zu können dass ich den beiden alles erdenklich Gute wünsche und hoffe dass sie gesund werden. Und ganz ehrlich, ohne die Informationen die der Polizist mir zugeschustert hat wäre ich wahrscheinlich verloren gewesen. Wenn ich mir jetzt noch vorstelle dass bei dem Unfall jemand gestorben wäre, ich glaube ich wäre nicht mehr glücklich geworden. Ich wollte mich erstmal nur ein einigeln und von gar niemandem etwas wissen. Habe zum Glück aber einige Freunde die mich aus diesem Loch rausgeholt haben.

Euch allen viele Grüße, Sandra
 
Hallo,

@Rompost, m.E. darf/sollte der Unfallverursacher mit den Geschädigten keinen Kontakt aufnehmen. So sind die Vorgaben der Versicherungen. Es würde dann einem Eingeständnis gleich kommen. So war es zumindest bei mir vor 9 Jahren, was mir mein RA so erzählte.

Gruß H.O.
 
Hallo Hans Olsen,

das gilt heute noch, wie meine Erfahrungen zeigen. Das geht sogar soweit, dass die Unfallgegner durch ihre Versicherer "geimpft" werden, was sie im Gerichtsprozess aussagen sollen. Und das kann schon abstrus sein.

Herzliche Grüße vom RekoBär :)

(ab morgen bis einschließlich 21.09.2020 im Urlaub)
 
Hallo,
ich kann dir leider nicht so viel helfen aber ich wünsche dir das beste und hoffe du kommst gut klar. Gib dir bitte nicht so viel Schuld, solche Unfälle passieren täglich und es sind ja immer zwei betroffen, nicht nur du. Lass dich so was nicht davon abhalten glücklich zu sein
Liebe Grüße
 
Hallo Goro, weil es täglich passiert, macht es was besser?
Das Leben derer, die einen Menschen vermissen?
Das Leben derer, welche wissen, dass sie dieses Vermissen verursacht haben?
Ja, es gibt zwei Seiten. Beide Seiten müssen damit leben.
Habe meinen Vater vor 26 Jahren bei einem Unfall verloren, er hatte null Chance. Nicht ein Wort der Entschuldigung... Nicht nach dem Unfall, nicht nach dem Tod, nicht bei Gericht...
Es passiert vlt täglich, aber nicht für die Betroffenen, weder für die eine Seite, noch für die andere. Abhaken und Weiterleben? Ja, irgendwann findet man ins Leben zurück und doch bleibt die Lücke, auf beiden Seiten, so denke ich.......

Frau von Max
 
Hallo Frau von Max,

ja, so ist es, es gibt immer zwei Seiten. Der Moment, wenn jemand unverschuldet aus der Mitte der Gemeinschaft, der Familie gerissen wird, ist unendlich traurig. Es sind die verpassten Chancen noch etwas miteinander zu besprechen, die Türe, die zufällt durch die man gemeinsam in die Zukunft gehen wollte. Pläne, Wünsche, Selbstverständlichkeiten brechen weg. Ohne die Kraft zu haben wird man auf einen neuen Weg geschubbst, den man niemals antreten wollte.

Auf diesem beängstigenden Weg sehnt man sich nach Heilung. So eine eine Entschuldigung des Verursachers wäre ein kleines Pflaster: das kann man doch erwarten... der muss doch... der sollte... man macht das doch... es gehört doch zur Mitmenschlichkeit... das wäre doch anständig, wenn der.... ja sicher, natürlich meint man das wäre normal, erwartbar. Aber was ist in solch einer Geschichte schon normal.

Einmal glaube ich, dass der Verursacher das alles auch lieber ungeschehen machen würde, wenn er es könnte. Es war ein Unfall, ohne Absicht, es ist passiert und alle Beteiligten werden in ein tiefes Loch von Verzweiflung geworfen. Manche Verursacher sind so zurückgeworfen, dass sie die Wirklichkeit nicht ertragen können und erstarren, oft jahrelang, manch andere legen sie sich zurecht und suchen irgendwelche Einflüsse, an denen sie nicht Schuld wären und den Unfallmoment ausgelöst hätten. Sie können sich die Schuld nicht eingestehen und mit deren Folgen umgehen. Das ist keine Entschuldigung, sondern eine nur zu menschliche Reaktion. Empathie, das Mitfühlen, das Verantwortung für sein Handeln übernehmen, das kann nicht jeder. Es wäre schön wenn, aber ich glaube das ist eine Illusion.

Was kann man als Betroffener tun, als Opfer. Der sollte doch sich entschuldigen, das lähmt, das lässt mich warten auf etwas, was vermutlich nicht eintritt. Dann folgt die rechtliche Aufarbeitung, der sollte doch... was wieder nicht eintritt und die langsam und frisch verheilten Wunden wieder aufreißt. Jetzt ist das geregelt, dann könnte der doch... und es passiert nichts. Je mehr man auf die Reaktion von anderen wartet, desto abhängiger macht man sich sein eigenes Agieren.

Der Weg heraus ist das Wort verzeihen. Fehler sind menschlich, wir sind keine Maschinen, wir sind nicht unfehlbar, wir bemühen uns täglich nur so wenig Fehler zu machen, dass wir uns selber sowie unsere Mitmenschen nicht schädigen. Dieser Schritt zu verzeihen befreit einen aus der Erwartung, dass andere handeln sollen und man dann erst selber aktiv werden kann. Dazu gehört das Abschied nehmen von der Erwartung der Entschuldigung. Der Verursacher ist auch gezeichnet, diese Schuld muss er sein Leben lang tragen, das ist kein Mitleid, sondern Fakt. Er ist vielleicht so ein armes Würstchen, das nie gelernt hat für sich Verantwortung zu übernehmen und es auf andere schiebt. Vielleicht ist er selbst so verzweifelt, depressiv, dass er nicht in der Lage ist "normal" zu reagieren. Vielleicht ist er ein Egotrippler, der ohne Rücksicht auf Verluste auf dem Rücken anderer sein Vergnügen sucht.

Die Frage ist, soll ich mein Leben danach ausrichten, dass solche Verursacher mein Handeln bestimmen. Soll ich darauf warten. Was kann ich tun? Ich habe es in der eigenen Hand und kann mich mit der neuen Situation zurecht finden indem ich Achtsam mit mir umgehe, schaue, was mir gut tut, täglich trotz Hamsterra, versuche Momente, ob es eine Stunde faulenzen, ein Buch lesen, spazieren, Lieblingsmusik hören, tanzen usw ganz bewusst in meinen Alltag einbaue, eine Gespräch mit jenen, die mit gut tun, oder eine Selbsthilfegruppe suchen, sich von einem Schmerzarzt für Gedanken, Psychotherapeuten helfen lassen usw.

Das sind die vielen Möglichkeiten meine eigenen Pflaster für meine verwundete Seele zu finden. Es trifft hier das alte Sprichwort zu: Zeit heilt Wunde. Narben bleiben, kein Mensch verlangt, dass man sie täglich aufkratzt und sich selbst immer wieder neu verletzt. Ja man wird dünnhäutiger und geht vorsichtiger mit sich um. Man schützt sich anders, als das unbekümmerte Leben vor dem Ereignis.

Schicksal als Chance? Diesen Spruch hätte ich in den Mond schießen können, aber er stimmt - leider - . Wir gehen in der Familie mit den Selbstverständlichkeiten anders um, früher Wichtiges gerät in den Hintergrund, die Prioritäten haben sich verschoben und heute muss ich sagen, die neuen Wichtungen sind wertvoller für mich. Es wurden neue Türen sichtbar und aufgestoßen, auf vorab gar nicht im Blick waren. Man wird gezwungen sich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren. Ähnlich geht es manchen heute während der Zeit indem das Coronavirus unseren Alltag auf den Kopf gestellt hat.

Ich wünsche Euch Mut innerlich den Schritt der Verzeihung zu wagen für den Verursacher und für einen selber. Es bietet die Chance frei und selbstbestimmt das veränderte Leben in die Hand zu nehmen.

LG Teddy
 
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