Da die Arbeitsagenturen immer wieder versuchen diese Nahtlosigkeitsregelungen zu umgehen, hier ein Urteil zu dieser Problematik.
Das Sozialgericht (SG) Kiel – S 6 AL 17/06 ER – hat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass eine arbeitsunfähig erkrankte, nicht gekündigte Arbeitnehmerin Arbeitslosengeld erhalten kann, wenn ihr Krankengeldanspruch erschöpft ist. Voraussetzung dafür ist, dass sie prinzipiell arbeitsbereit ist und einen Rentenantrag gestellt hat. Legt die Rentenkasse den Antrag ab und geht die Antragstellerin mit einem Widerspruch dagegen vor, dann ist das Arbeitsamt verpflichtet weiter Arbeitslosengeld zahlen, solange das Verfahren noch offen ist.
Das Urteil wurde bei Carmilo veröffentlicht (Zitat):
Arbeitslose, die nach laengerer Krankheit kein Krankengeld mehr erhalten, koennen gemaess § 125 Sozialgesetzbuch, Dritter Teil (SGB III) im Wege der Nahtlosigkeitsregelung Arbeitslosengeld erhalten, wenn sie zwar nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten koennen, aber prinzipiell noch mindestens drei Stunden taeglich arbeiten wollen und bereit sind, sich amtsaerztlich begutachten zu lassen. Dies gilt, wenn sie einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt haben. Und zwar solange, bis über den Antrag Betroffener auf Erwerbsminderungsrente endgültig rechtskräftig entschieden worden ist.
Dies stellte das Sozialgericht (SG) Kiel in einem Beschluss fest, mit dem es dem Antrag der Betroffenen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgab. Den einstweiligen Rechtsschutz bewilligte das SG Kiel der Antragstellerin dabei aufgrund der eindeutigen Rechtswidrigkeit des von ihr angegriffenen ablehnenden Bescheides der Arbeitsagentur. Da die Frau zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Sozialleistungen mehr erhielt und ueber kein Einkommen mehr verfuegte, sei auch Dringlichkeit gegeben.
Die Betroffene, eine Zahntechnikerin, war seit Ende 2004 arbeitsunfaehig krank. Sie war zum April 2006 nach anderthalbjaehrigem Bezug von Krankengeld aus dem Krankengeld ausgesteuert worden. Sie hatte wegen ihrer fortwaehrenden Erkrankung zunaechst einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bei der Rentenversicherung gestellt, den diese aber ablehnte, weil die Betroffene noch mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten koenne. Gegen diesen Ablehnungsbescheid hatte die Frau Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Doch eine Entscheidung darueber war noch lange nicht abzusehen.
In ihrem rechtzeitig vor Auslaufen des Krankengeldes zusaetzlich gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld hatte die Betroffene erklaert, dass sie zwar nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten koenne, aber im Rahmen ihres beschraenkten Leistungsvermoegens durchaus noch arbeiten wolle. Mit einer amtsaerztlichen Untersuchung ueber ihr Leistungsvermoegen sei sie auch einverstanden. Doch die Agentur fuer Arbeit Kiel lehnte ihren Antrag ab. Die
betroffene Frau sei gar nicht arbeitslos, da sie weder arbeitsbereit noch -faehig sei, so die Arbeitsagentur. So stehe sie nach wie vor in einem ungekuendigten Arbeitsverhaeltnis mit ihrem frueheren Betrieb. Zudem sei sie nicht bereit, im Rahmen des von der Rentenversicherung festgestellten Leistungsvermoegens zu arbeiten und habe muendlich erklaert, aus gesundheitlichen Gruenden gar keine Arbeit ausueben zu koennen. Und die Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung aus § 125 SGB III scheide aus, weil der Traeger der Rentenversicherung ja bereits ihr noch vorhandenes Leistungsvermoegen festgestellt habe.
Dem gegenueber stellte nun das SG Kiel fest, dass die Voraussetzungen fuer die Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung aus § 125 SGB III sehr wohl vorlaegen. Dies gelte auch fuer den Zeitraum, in dem ein negativer Bescheid der Rentenversicherung ergehe, der aber noch angefochten werde. Der Zweck der Regelung in § 125 SGB III bestehe darin, gesundheitlich dauerhaft eingeschraenkten Arbeitslosen, die wegen ihrer gesundheitlichen Einschraenkung eigentlich nicht arbeitsfaehig seien, daher eigentlich nicht der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes zur Verfuegung stehen wuerden und somit auch im Sinne der §§ 118 und 119 SGB III nicht arbeitslos seien, dennoch den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermoeglichen. Denn es solle verhindert werden, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen der Rentenversicherung und der Arbeitsagentur ueber den Umfang des Leistungsvermoegens von Kranken auf dem Ruecken der Betroffenen ausgetragen werden. Daher fingiere die Nahtlosigkeitsregelung in § 125 SGB III die Arbeitsfaehigkeit zugunsten der Betroffenen. Und diese unterstellte Verfuegbarkeit gelte nach dem eindeutigen Wortlaut des § 125 SGB III so lange, bis der Rentenversicherungstraeger „positiv Berufs- oder Erwerbsunfaehigkeit festgestellt hat”, so das Gericht. Eine solche positive Entscheidung ueber den Antrag der Betroffenen liege aber noch nicht vor. Denn der Rechtsstreit in dieser Angelegenheit sei noch nicht beendet. Und das fortdauernde Beschaeftigungsverhaeltnis stehe nach Auffassung des SG dem Bezug von Arbeitslosengeld nicht entgegen. Die Betroffene sei wegen ihrer Arbeitsunfaehigkeit nicht in der Lage diese Arbeit auszuueben. Deshalb sei von einem Verzicht des Arbeitgebers auf sein Direktionsrecht auszugehen. Und die Frau halte ihre Dienstbereitschaft nicht mehr aufrecht, wie sich daraus ergaebe, dass sie einen Renten- und einen Arbeitslosengeldantrag gestellt habe.
Und die subjektive Bereitschaft der Frau, im Rahmen ihres beschraenkten Leistungsvermoegens arbeiten zu wollen, ergaebe sich aus ihren eindeutigen Erklaerungen in Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld. Dass die Frau muendlich anders lautende Erklaerungen abgegeben habe, sei fuer das Gericht aus den Akten auch nicht ersichtlich. Somit sei von einer subjektiven Arbeitsbereitschaft der Betroffenen auszugehen. Dass die Frau nicht in ihrem Beruf als Zahntechnikerin arbeiten wolle, rechtfertige allein nicht die Annahme der Arbeitsagentur, dass damit die Anspruchsvoraussetzungen fuer den Bezug von Arbeitslosengeld entfallen seien. Vielmehr sei die Antragstellende zur Zeit objektiv aufgrund ihrer Arbeitsunfaehigkeit nicht zur Ausuebung dieses Berufs in der Lage, weshalb sie auch dieser Anforderung nicht nachkommen muesse.
Ergaenzend wies das Gericht mit gewisser Ironie die Arbeitsagentur noch darauf hin, dass die Antragstellerin im uebrigen auch dann Arbeitslosengeld bekommen muesste, wenn die Auffassung des Rentenversicherungstraegers richtig waere, dass sie mindestens sechs Stunden am Tag ausserhalb ihres Berufs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten koenne. Dann laegen zwar nicht mehr die Bedingungen des Bezugs von Arbeitslosengeld fuer Kranke nach § 125 SGB III vor. Jedoch waere die Betroffene dann arbeitslos im Sinne der allgemeinen Bestimmungen der §§ 118 und 119 SGB III.
§§ 119 Abs. 5, 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 SGB III; § 86b Abs. 2 SGG
(StF)
MfG.
Pit
Das Sozialgericht (SG) Kiel – S 6 AL 17/06 ER – hat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass eine arbeitsunfähig erkrankte, nicht gekündigte Arbeitnehmerin Arbeitslosengeld erhalten kann, wenn ihr Krankengeldanspruch erschöpft ist. Voraussetzung dafür ist, dass sie prinzipiell arbeitsbereit ist und einen Rentenantrag gestellt hat. Legt die Rentenkasse den Antrag ab und geht die Antragstellerin mit einem Widerspruch dagegen vor, dann ist das Arbeitsamt verpflichtet weiter Arbeitslosengeld zahlen, solange das Verfahren noch offen ist.
Das Urteil wurde bei Carmilo veröffentlicht (Zitat):
Arbeitslose, die nach laengerer Krankheit kein Krankengeld mehr erhalten, koennen gemaess § 125 Sozialgesetzbuch, Dritter Teil (SGB III) im Wege der Nahtlosigkeitsregelung Arbeitslosengeld erhalten, wenn sie zwar nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten koennen, aber prinzipiell noch mindestens drei Stunden taeglich arbeiten wollen und bereit sind, sich amtsaerztlich begutachten zu lassen. Dies gilt, wenn sie einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt haben. Und zwar solange, bis über den Antrag Betroffener auf Erwerbsminderungsrente endgültig rechtskräftig entschieden worden ist.
Dies stellte das Sozialgericht (SG) Kiel in einem Beschluss fest, mit dem es dem Antrag der Betroffenen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgab. Den einstweiligen Rechtsschutz bewilligte das SG Kiel der Antragstellerin dabei aufgrund der eindeutigen Rechtswidrigkeit des von ihr angegriffenen ablehnenden Bescheides der Arbeitsagentur. Da die Frau zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Sozialleistungen mehr erhielt und ueber kein Einkommen mehr verfuegte, sei auch Dringlichkeit gegeben.
Die Betroffene, eine Zahntechnikerin, war seit Ende 2004 arbeitsunfaehig krank. Sie war zum April 2006 nach anderthalbjaehrigem Bezug von Krankengeld aus dem Krankengeld ausgesteuert worden. Sie hatte wegen ihrer fortwaehrenden Erkrankung zunaechst einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bei der Rentenversicherung gestellt, den diese aber ablehnte, weil die Betroffene noch mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten koenne. Gegen diesen Ablehnungsbescheid hatte die Frau Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Doch eine Entscheidung darueber war noch lange nicht abzusehen.
In ihrem rechtzeitig vor Auslaufen des Krankengeldes zusaetzlich gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld hatte die Betroffene erklaert, dass sie zwar nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten koenne, aber im Rahmen ihres beschraenkten Leistungsvermoegens durchaus noch arbeiten wolle. Mit einer amtsaerztlichen Untersuchung ueber ihr Leistungsvermoegen sei sie auch einverstanden. Doch die Agentur fuer Arbeit Kiel lehnte ihren Antrag ab. Die
betroffene Frau sei gar nicht arbeitslos, da sie weder arbeitsbereit noch -faehig sei, so die Arbeitsagentur. So stehe sie nach wie vor in einem ungekuendigten Arbeitsverhaeltnis mit ihrem frueheren Betrieb. Zudem sei sie nicht bereit, im Rahmen des von der Rentenversicherung festgestellten Leistungsvermoegens zu arbeiten und habe muendlich erklaert, aus gesundheitlichen Gruenden gar keine Arbeit ausueben zu koennen. Und die Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung aus § 125 SGB III scheide aus, weil der Traeger der Rentenversicherung ja bereits ihr noch vorhandenes Leistungsvermoegen festgestellt habe.
Dem gegenueber stellte nun das SG Kiel fest, dass die Voraussetzungen fuer die Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung aus § 125 SGB III sehr wohl vorlaegen. Dies gelte auch fuer den Zeitraum, in dem ein negativer Bescheid der Rentenversicherung ergehe, der aber noch angefochten werde. Der Zweck der Regelung in § 125 SGB III bestehe darin, gesundheitlich dauerhaft eingeschraenkten Arbeitslosen, die wegen ihrer gesundheitlichen Einschraenkung eigentlich nicht arbeitsfaehig seien, daher eigentlich nicht der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes zur Verfuegung stehen wuerden und somit auch im Sinne der §§ 118 und 119 SGB III nicht arbeitslos seien, dennoch den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermoeglichen. Denn es solle verhindert werden, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen der Rentenversicherung und der Arbeitsagentur ueber den Umfang des Leistungsvermoegens von Kranken auf dem Ruecken der Betroffenen ausgetragen werden. Daher fingiere die Nahtlosigkeitsregelung in § 125 SGB III die Arbeitsfaehigkeit zugunsten der Betroffenen. Und diese unterstellte Verfuegbarkeit gelte nach dem eindeutigen Wortlaut des § 125 SGB III so lange, bis der Rentenversicherungstraeger „positiv Berufs- oder Erwerbsunfaehigkeit festgestellt hat”, so das Gericht. Eine solche positive Entscheidung ueber den Antrag der Betroffenen liege aber noch nicht vor. Denn der Rechtsstreit in dieser Angelegenheit sei noch nicht beendet. Und das fortdauernde Beschaeftigungsverhaeltnis stehe nach Auffassung des SG dem Bezug von Arbeitslosengeld nicht entgegen. Die Betroffene sei wegen ihrer Arbeitsunfaehigkeit nicht in der Lage diese Arbeit auszuueben. Deshalb sei von einem Verzicht des Arbeitgebers auf sein Direktionsrecht auszugehen. Und die Frau halte ihre Dienstbereitschaft nicht mehr aufrecht, wie sich daraus ergaebe, dass sie einen Renten- und einen Arbeitslosengeldantrag gestellt habe.
Und die subjektive Bereitschaft der Frau, im Rahmen ihres beschraenkten Leistungsvermoegens arbeiten zu wollen, ergaebe sich aus ihren eindeutigen Erklaerungen in Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld. Dass die Frau muendlich anders lautende Erklaerungen abgegeben habe, sei fuer das Gericht aus den Akten auch nicht ersichtlich. Somit sei von einer subjektiven Arbeitsbereitschaft der Betroffenen auszugehen. Dass die Frau nicht in ihrem Beruf als Zahntechnikerin arbeiten wolle, rechtfertige allein nicht die Annahme der Arbeitsagentur, dass damit die Anspruchsvoraussetzungen fuer den Bezug von Arbeitslosengeld entfallen seien. Vielmehr sei die Antragstellende zur Zeit objektiv aufgrund ihrer Arbeitsunfaehigkeit nicht zur Ausuebung dieses Berufs in der Lage, weshalb sie auch dieser Anforderung nicht nachkommen muesse.
Ergaenzend wies das Gericht mit gewisser Ironie die Arbeitsagentur noch darauf hin, dass die Antragstellerin im uebrigen auch dann Arbeitslosengeld bekommen muesste, wenn die Auffassung des Rentenversicherungstraegers richtig waere, dass sie mindestens sechs Stunden am Tag ausserhalb ihres Berufs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten koenne. Dann laegen zwar nicht mehr die Bedingungen des Bezugs von Arbeitslosengeld fuer Kranke nach § 125 SGB III vor. Jedoch waere die Betroffene dann arbeitslos im Sinne der allgemeinen Bestimmungen der §§ 118 und 119 SGB III.
§§ 119 Abs. 5, 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 SGB III; § 86b Abs. 2 SGG
(StF)
MfG.
Pit