Machts Sinn
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zur Diskussion:
StGB - Einzelnorm
am Beispiel der vom MDK nach Aktenlage - ohne persönliche Untersuchung - über den Kopf der behandelnden Ärzte hinweg
verneinten Arbeitsunfähigkeit
Strafantrags-Entwurf
Gruß!
Machts Sinn
StGB - Einzelnorm
am Beispiel der vom MDK nach Aktenlage - ohne persönliche Untersuchung - über den Kopf der behandelnden Ärzte hinweg
verneinten Arbeitsunfähigkeit
Strafantrags-Entwurf
Polizeidirektion …
…
…
Strafantrag zu § 278 StGB, Gesundheitszeugnis – Frau Dr. med. …
vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, …
Sehr geehrte Damen und Herren,
Frau Dr. med. ... hat als Ärztin des MDK … nach Aktenlage das als – Anlage 1 – beigefügte Sozialmedizinische Gutachten vom … erstellt und sich damit über die – weiterhin unveränderte – Beurteilung der behandelnden Ärzte hinweggesetzt. Ihr Gutachten war für die KK … Grundlage, mit Schreiben vom … die Arbeitsunfähigkeit und das Krankengeld mit Ablauf des … zu beenden und mich aus dem Bereich der Krankenversicherung für vollschichtig … in den Bereich der Arbeitslosenversicherung an die Arbeitsagentur zu verweisen – Anlage 2 – .
Seitdem wird um das Krankengeld über den … hinaus gestritten. Nachdem die KK die Arbeitsunfähigkeit und den Anspruch auf Krankengeld auch in einem Überprüfungsverfahren sowie mit zwei Widerspruchsbescheiden ihrer Widerspruchsausschüsse vom … und … – Anlagen 3 und 4 – verneinte, ist das Sozialgericht … mit Urteil vom … gegenteilig von weiterer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen und hat die KK zur Krankengeldzahlung über den … hinaus bis zur Aussteuerung am … verurteilt – Anlage 5 – .
Das der Beendigung des Krankengeldes durch die KK zugrunde liegende Gutachten der Frau Dr. med. … spielte bei der Auswertung der medizinischen Erkenntnisse eine dermaßen untergeordnete Rolle, dass sich das Gericht vollkommen darüber hinwegsetzte, ohne dieses Gutachten in den Entscheidungsgründen des Urteils auch nur mit einem einzigen Wort zu erwähnen. Trotzdem bezieht sich die KK im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht … weiterhin auf die Feststellungen des MDK, wonach kein Krankengeldanspruch über den … hinaus bestehe, weil Arbeitsunfähigkeit nicht mehr gegeben gewesen sei – Anlage 6 – .
Deswegen sehe ich mich veranlasst, nun gegen Frau Dr. … unter Hinweis auf § 278 StGB Strafantrag wegen Ausstellens eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses zu stellen, möglicherweise in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug und zur Nötigung, jeweils durch die KK.
Frau Dr. … ist Ärztin. Sie hat das Zeugnis über meinen Gesundheitszustand zum Gebrauch – Einstellung der Krankengeld-Zahlung – durch die Krankenkasse ausgestellt, welche als öffentlich-rechtliche Körperschaft unter den Behörden-Begriff fällt.
Es muss angenommen werden, dass Frau Dr. … bei ihrer Vorgehensweise wider besseres Wissen handelte. Die Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach den die Beteiligten des Krankenversicherungssystems und damit insbesondere den MDK und Frau Dr. … bindenden Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) – das Standardwerk der Arbeitsunfähigkeits-Beurteilung.
Nach § 1 der AU-RL (Präambel) erfordert die Feststellung der Arbeits(un)fähigkeit wegen ihrer Tragweite für den Versicherten und ihrer arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen sowie wirtschaftlichen Bedeutung besondere Sorgfalt. Die Richtlinien haben deswegen zum Ziel, ein qualitativ hochwertiges, bundesweit standardisiertes Verfahren für die Praxis zu etablieren, das den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen Vertragsarzt, Krankenkasse und Medizinischem Dienst verbessert.
Das Verfahren zur Feststellung der Arbeits(un)fähigkeit ist in § 4 der AU-RL geregelt. Danach sind bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit der körperliche, geistige und seelische Gesundheitszustand des Versicherten gleichermaßen zu berücksichtigen. Deshalb darf die Feststellung von Arbeits(un)fähigkeit ausdrücklich nur auf Grund ärztlicher Untersuchungen erfolgen. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AU-RL ist das Gutachten des Medizinischen Dienstes grundsätzlich verbindlich.
Dass Frau Dr. … diese Regelungen kannte, war Voraussetzung für ihre Tätigkeit. Ihre vorgesetzte Dienststelle hat mit Schreiben vom … – Anlage 7 – auch ausdrücklich bestätigt, dass Frau Dr. … über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge. Im Übrigen hat eine summarische Prüfung stattgefunden und ergeben, dass das Gutachten zumindest formelle Mängel aufweist. Insbesondere hätten die zitierten Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien nicht der aktuellen Fassung entsprochen. Die Vorgänger-Version der AU-RL 2004 ist hinsichtlich der obigen Zitate jedoch identisch.
Somit muss davon ausgegangen werden, dass Frau Dr. … das beigefügte Gesundheitszeugnis wider besseres Wissen ausstellte, indem sie den Gesundheitszustand ohne ärztliche Untersuchung beurteilte und damit die ihr als Ärztin als selbstverständlich obliegende besondere Sorgfalt schwer verletzte.
Dazu wird auf das Urteil des BGH vom 08.11.2006, 2 StR 384/06, Bezug genommen. Darin ist wörtlich ausgeführt:
„Nach § 278 StGB macht sich ein Arzt strafbar, der ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseren Wissens ausstellt. Die Vorschrift soll die Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse für Behörden und Versicherungsgesellschaften sichern. Ein Zeugnis, das ein Arzt ohne Untersuchung ausstellt, ist als Beweismittel ebenso wertlos wie ein Zeugnis, das nach Untersuchung den hierbei festgestellten Gesundheitszustand unrichtig darstellt (BGHSt 6, 90, 92; RGSt 74, 229, 231).“
Im Übrigen ist auf die Ausführungen des LSG Hessen im Urteil vom 10.07.2007, L 8 KR 228/06, zur „Grenze der Willkür“ zu verweisen:
„Vorliegend sind die Stellungnahmen des MDK jedoch nicht geeignet, die Richtigkeit der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der behandelnden Ärztinnen der Klägerin in Zweifel zu ziehen. Denn es handelt sich nach Art und Inhalt der Stellungnahmen des MDK vom 15./22. Mai 2003 und vom 17. Juni 2003 nicht um medizinische Gutachten im Sinne von § 275 Abs. 1 Nr. 3b) SGB V, die sich durch eine wissenschaftlich-methodische Untersuchung und Bewertung ärztlicher Befunde auszeichnen, sondern um Stellungnahmen, denen angesichts ihres Inhalts im konkreten Fall keinerlei Beweiswert zukommt. Die dortigen Ausführungen beruhen – anders als die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der behandelnden Ärztinnen – schon nicht auf einer persönlichen Befragung und Untersuchung der Klägerin. Eine solche hat seitens des MDK nie stattgefunden, obwohl dies gerade bei einem psychiatrischen Krankheitsbild zur Beurteilung der Frage der Arbeitsfähigkeit regelmäßig vonnöten sein wird; denn in solchen Fällen gibt es - anders als bei verschiedenen körperlichen Erkrankungen – kaum messbare Befunde und die Beurteilung der Leistungsfähigkeit beruht deshalb in besonderem Maße auf dem persönlichen Eindruck des Arztes. Zudem beschränken sich die Ausführungen in der Stellungnahme des MDK vom 15./22. Mai 2003 auf eine durch keinerlei Befunde gestützte Interpretation des Berichtes von Dr. D. ("anscheinend liegt ein minderschweres Krankheitsbild vor"), um hieraus die Empfehlung der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit abzuleiten. Auch die Stellungnahme des MDK vom 17. Juni 2003 enthält keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen der behandelnden Ärztin im Schreiben vom 3. Juni 2003. Ein solches Vorgehen des MDK, der die Beendigung des Leistungsbezugs empfiehlt, obwohl jede nähere Kenntnis des Krankheitsbildes (insbesondere durch Befragung der behandelnden Ärzte) fehlt und welcher den sich zur Frage der Arbeitsfähigkeit überhaupt nicht konkret äußernden Berichts von Dr. D. – deren Eintragung bei der Frage nach der Arbeitsfähigkeit ("November 2002") völlig unklar lässt, was damit gemeint war – im Sinne eines minderschweren Krankheitsbildes interpretiert, bewegt sich nach Auffassung des Senats an der Grenze zur Willkür.
Ist die erforderliche persönliche Untersuchung unterblieben, ist ein trotzdem ausgestelltes Zeugnis über den Gesundheitszustand allein schon deswegen zwangsläufig unrichtig. Ein Arzt, der für den MDK auf der Basis der AU-RL Gesundheitszeugnisse ausstellt, muss das wissen. Wenn er trotzdem abweichend verfährt, handelt er wider „besseres Wissen“, insbesondere weil er sich damit nicht nur über unmittelbare Berufspflichten (Berufsordnung, Heilbehandlungsgesetz, Bundesmantelvertrag Ärzte), insbesondere gegen die Sorgfaltspflicht aus § 1 AU-RL und die Pflicht der ärztlichen Untersuchung aus § 4 AU-RL, sondern ohne eigene weitergehende Erkenntnisse ausdrücklich auch über die nach persönlicher Untersuchung durch den Facharzt getroffene Feststellung der Arbeitsunfähigkeit hinwegsetzt.
Jedenfalls durfte die Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit am … nicht auf die Spekulation gestützt werden, dass anlehnend an die Einschätzungen in einem Gutachten 7 Monate früher nach der bisherigen AU-Dauer inzwischen – auch bei eingetretener akuter Verschlechterung – eine Stabilisierung eingetreten sein „sollte“, die das genannte Leistungsbild ermöglicht – zumal sich diese Spekulation und die akute Verschlechterung ausdrücklich widersprechen und selbst eine „Minderung der EF (Erwerbsfähigkeit) nicht sicher beurteilbar“ war.
Es ist auch ausgeschlossen, das positive / negative Leistungsbild mit … für die Abgrenzung an der Schnittstelle zwischen Krankengeld und Arbeitslosengeld angemessen und zureichend zu beschreiben. Pauschale und dementsprechend in einer Vielzahl von Fällen verwendbare Floskeln lassen keine objektive, aus ernsthaften Bemühungen, Erkenntnissen oder Erfahrungen resultierende tragfähige Grundlage erkennen, sondern jede pflichtgemäße Prüfung vermissen. Es gehört aber zu den Aufgaben des Arztes, sich von den Leiden des Patienten ein eigenes Bild zu machen und wichtige Befunde selbst zu erheben, insbesondere wenn sich das Urteil über die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufgrund persönlicher Untersuchung von Fachärzten hinweg setzen und die Erwartung Dritter in die Zuverlässigkeit ober-ärztlicher Gutachten erfüllen soll.
Der damit deutliche Fehler geht über einen vermeidbaren Subsumtionsirrtum weit hinaus und setzt ein mehr als anmaßendes Selbstverständnis der MDK-Ärztin voraus. Das Gutachten ist damit nicht mehr als ein Gefälligkeitsattest um nicht zu behaupten, eine „schriftliche Lüge“ für die KK damit diese die Leistungszahlung einstellen konnte. Jedenfalls ist eine Beschränkung auf die Aktenlage nur zulässig, wenn damit vorhergehende Beurteilungen der behandelnden Ärzte bestätigt werden. Wenn aber durch verbindliches Obergutachten das Gegenteil entscheiden und der Krankenkasse eine Basis zur Eingriff in das Krankengeld-Leistungsverhältnis geliefert werden soll, ist eine eigene Untersuchung des Obergutachters zwingend. Auf die zitierter BGH-Rechtsprechung wird hier nochmals verwiesen.
Im Übrigen gibt es Vorschriften zur engen Zusammenarbeit, § 86 SGB X, in diesem Fall zwischen der KK und der Arbeitsagentur sowie ihrer medizinischen / ärztlichen Dienste hinsichtlich übergreifend verwertbarer Begutachtungsergebnisse bezüglich der Arbeitsunfähigkeit / Vermittlungsfähigkeit an der Schnittstelle zwischen den beiden Sozialversicherungszweigen, § 96 SGB X, die insgesamt ignoriert wurden.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Papier der Frau Dr. … darüber hinaus die darin verwendete Bezeichnung „Sozialmedizinisches Gutachten“ nicht verdient. Die Anforderungen an die Person des Gutachters und den Inhalt des Gutachtens ergeben sich aus dem Urteil des BSG vom 07.08.1991, 1/3 RK 26/90.
Frau Dr. … muss auch klar gewesen sein, dass ihr Sozialmedizinisches Gutachten dazu beiträgt, mich aus dem Krankengeld-Bezug von der Krankenkasse in den Arbeitslosengeld-Bezug bei der Arbeitsagentur zu verschieben. Insoweit ergeben sich Anhaltspunkte für die erforderliche nähere Prüfung der Beihilfe zur Nötigung und zum Betrug.
Die dargestellte Vorgehensweise ist nicht nur wegen ihrer Folgen im Einzelfall und für das Ansehen des Berufsstandes der Ärzte nicht hinnehmbar.
Wegen des Gebrauchs des unrichtigen Gesundheitszeugnisses – § 279 StGB – durch die KK wird bei der Polizeidirektion … ein gesonderter Strafantrag gestellt werden. Die genannte Vorschrift gilt zwar nicht unmittelbar im Verhältnis der Krankenkassen zu ihren Versicherten, obwohl sicherlich auch die Kassen nicht dürfen, was umgekehrt unter Strafe steht. Die Auffassung, dass die Arbeitsagentur als Behörde durch solches und den darauf gestützten Bescheid getäuscht wird, erscheint aber naheliegend. Außerdem stellt sich die Frage, ob die einseitige Verweisung der Krankenkasse aus dem Bereich der Krankenversicherung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und damit in den Bereich der Arbeitslosenversicherung eine Nötigung darstellt, vielleicht sogar in Tateinheit mit Betrug, weil der Versicherte um Krankengeld und in der Folge die Arbeitsagentur um Arbeitslosengeld betrogen werden.
7 Anlagen
Mit freundlichen Grüßen
Gruß!
Machts Sinn