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Unheilvolle „Zusammenarbeit“ von Gutachtern und Gerichten

hallo Jutta,

zu deiner
Frage zum Schluss: Stehen medizinische Gutachter in Zivilprozessen unter Eid, so dass Falschaussagen einem Meineid gleichkommen?

ein eindeutiges "JA", und zwar ist dies zwingend vorgeschrieben, s. ZPO

§ 410 Sachverständigenbeeidigung

(1) Der Sachverständige wird vor oder nach Erstattung des Gutachtens beeidigt. Die Eidesnorm geht dahin, dass der Sachverständige das von ihm erforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatten werde oder erstattet habe.

(2) Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im Allgemeinen beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid; sie kann auch in einem schriftlichen Gutachten erklärt werden.

was aber nicht jeden SV und auch nicht jeden richter interessiert. so muss ich auch noch den meineid "meines" SV nachschieben, den er trotz meines ausdrücklichen hinweises partout nicht lassen wollte (wäre auch mal interessant, ws "seine" fakultät und studis dazu sagen :oops:).


gruss

Sekundant

gruss

Sekundant
 
Hallo prowler und alle, die mit Gerichten und Gutachtern zu haben!

Schön wäre es, wenn die 2. Instanz alles noch einmal sorgfältig prüfen müsste. Leider kann man davon nicht ausgehen. Noch weniger tut dies der Bundesgerichtshof, wo lediglich noch Verfahrensfehler überprüft werden und auch ein augenscheinlich falsches Urteil einer Vorinstanz kein hinreichender Grund für eine Neuaufnahme des Verfahrens ist. Es geht dort lediglich um den §103 des GG, das Recht auf Gehör vor Gericht, und auch dies wird offenbar rein formal überprüft.

Ich habe im Mai 2016 in einem Arzthaftungsprozess am OLG Celle in der 2. Instanz an einer knapp einstündigen, kurz vor der Mittagspause angesetzten Verhandlung teilgenommen. Es ging um die vielfache, systemfehlerhafte, falsche Einbringung von Knochenersatzmaterialien in infizierte Stellen und falsche Zahnimplantationen. Die Folge war eine schwere Kieferosteomyelitis bei der Klägerin und auch anderen Patienten aus der gleichen Praxis mit über 25, in einem Fall sogar 45 Nachoperationen, dem Verlust eines großen Teils des Kiefers und voraussichtlich lebenslangen Schmerzen.

Was ich dabei erfahren musste, hat mich vollkommen sprachlos gemacht. Die 2. Instanz muss nichts ersthaft überprüfen. In der Verhandlung bezog sich der Vorsitzende Richter lediglich auf den medizinischen Sachverständigen der 1. Instanz, ein älterer Gutachter aus Halle, obgleich dessen Gutachten gravierende, von Fachärzten nachgewiesene Fehler enthielt und der 2. Instanz zusätzlich ein Privatgutachten (ein sogenanntes Second-Look-Gutachten) vorlag, das in den Kernpunkten genau das Gegenteil des gerichtlich bestellten Gutachtens aussagte.

Im Verlauf entstand bei mir der Eindruck, dass das Urteil von Anfang an feststand. Ich war von der Klägerin als Zeuge benannt. Darauf hingewiesen sah der Vorsitzende bemerkenswerterweise kein Problem darin, dass ich an der Verhandlung teilnahm. Schon der Beginn war mehr als seltsam: „Sagen Sie mir, warum ich auf Grund Ihrer Aussagen den armen Dr. … verurteilen soll!“ Die Klägerin legte daraufhin die Aussagen der Fachärzte dar, darunter Professoren von Unikliniken und der Second-Look-Gutachter, ebenfalls ein Professor, wies auf Widersprüche und Fehler im Gutachten der 1. Instanz hin. Alle Unterlagen lagen dem Gericht vor. Sie wurde dabei ständig vom Vorsitzenden unterbrochen, der immer wieder wissen wollte, ob der Gutachter in der einzigen Verhandlung in der 1. Instanz, bei der nur Fragen an ihn zugelassen waren, ihr (und damit der abweichenden Meinung der anderen Ärzte) zugestimmt habe. Das war natürlich nicht der Fall.

Als Naturwissenschaftler konnte ich die Argumente der Klägerin vollständig nachvollziehen, sie waren zu 100% gerechtfertigt. Die Unwissenschaftlichkeit des Gutachtens war frappierend: Behauptungen wurden nicht bewiesen, Gebrauchsanweisungen mit klaren Kontraindikationen wurden nicht beachtet, Belege ignoriert oder in einen falschen Zusammenhang gestellt, das Fehlen von Untersuchungen entschuldigt. Die entscheidenden Aussagen standen im klaren Widerspruch zu den Aussagen der anderen Fachärzte einschließlich des Privatgutachters, selbst die elementare Logik wurde verletzt. Zu Recht wurde das Gutachten in der 1. Instanz angefochten, ein Befangenheitsantrag gegen den Gutachter und ein Antrag auf ein neues Gutachten gestellt. Alles ohne Erfolg.

Der Vorsitzende Richter des Senats am OLG ließ wie die Vorsitzende Richterin der Kammer des Landgerichts Hannover nur die Aussagen des gerichtlich bestellten Gutachters zu. Die wichtigsten Zeugen, darunter auch der Kieferchirurg, der den umfangreichen Schaden schließlich sah, beschrieb und zuordnen konnte, und der parallel tätige HNO-Arzt, Zeugen, die das Gutachten hätten kippen können, wurden in keiner Instanz geladen – wohl auch, weil der gerichtlich bestellte Gutachter in seinen Schriftsätzen deren Befragung für überflüssig erklärte.

Ich hatte den Eindruck, dass der Vorsitzende am OLG kaum mehr als die Aussagen des gerichtlichen Gutachters im Verhandlungsprotokoll der 1. Instanz gelesen hatte. „Andere Kläger hören sich in Ruhe an, was der Gutachter sagt und geben sich dann zufrieden. Sie müssen endlich einmal glauben, was Ihnen der Gutachter sagt!“ Das wurde sinngemäß mehrfach wiederholt. Der Tonfall gegenüber der Klägerin war so unverschämt, dass ich kurz davor war aufzuspringen und zu protestieren. Die beiden beisitzenden Berufsrichter (Laienrichter gibt es in einem solchen Verfahren nicht) griffen nicht ein. Eine haarsträubende Situation!

Es verwunderte mich am Ende kaum noch, dass kein inhaltliches Protokoll erstellt wurde – was hätte bei einer derart katastrophalen Verhandlungsführung wohl darinstehen sollen? Das Fehlen eines ausführlichen Protokolls schadete der Klägerin möglicherweise auch vor dem Bundesgerichtshof: Im Protokoll hätte sich im Detail gezeigt, dass sie vor dem OLG kein Gehör gefunden hatte. Die Klägerin redete gegen eine Wand, ihre säuberlich geordneten Belege (die der Richter aus seinem Aktenstudium eigentlich hätte kennen müssen) durfte sie nicht vorlegen.

Entsprechend dem Verlauf der Verhandlung war das Urteil. Hier behauptete der Vorsitzende entgegen jeder Logik und im Widerspruch zu den Tatsachen sogar, der Privatgutachter sage im Grunde das Gleiche aus wie der Gerichtsgutachter. Mein Eindruck war, dass der Richter das Privatgutachten erst jetzt zur Kenntnis genommen hatte und nun alles passend machen musste. Es war vielleicht sein letzter Fall am OLG, anschließend trat er eine andere Stelle an. Mir schien, es sollte alles schnell über die Bühne gehen.

Eine Revision wurde vom OLG nicht zugelassen. Der Bundesgerichtshof schließlich wies die Nichtzulassungsbeschwerde ohne fallbezogene Begründung mit allgemein gehaltenen Worten ab.

Man kann also leider nicht sicher sein, dass die 2. Instanz besser arbeitet als die 1. Instanz. Es kostet Zeit, sich ausführlich mit einem Fall zu beschäftigen, es kostet Zeit, einen neuen Gutachter zu beauftragen. Und diese Zeit ist bei den arbeitsüberlasteten Gerichten aller Instanzen knapp. „Gutachtergläubigkeit“ in Bezug auf den gerichtlich bestellten Gutachter ermöglicht eine „effizientere“ Arbeit – auf Kosten der Gerechtigkeit.

Meines Erachtens müsste ein derartiges Verhalten nach § 339 StGB geahndet werden: „Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.“ Wenn eine Klägerin in einer solchen Weise wie hier geschehen „abgebügelt“ wird, dann sollte dieser Paragraf eigentlich greifen.

Auch wenn mit Sicherheit viele Gutachter/innen und Richter/innen ordentliche Arbeit leisten bleibt viel zu tun. Der Vorschlag von Jutta, Ärztekammern, Justiz und Politik deutlich auf die Defizite hinzuweisen und Abhilfe zu fordern, ist nur zu unterstützen! Gutachten müssen zwingend überprüft oder ersetzt werden, wenn begründete Einwände vorliegen – wie es hier eindeutig der Fall war! Es kann nicht angehen, dass Gerichte juristisch auf der sicheren Seite sind, wenn sie trotz fachärztlich begründeter Einwände an „ihrem“ Gutachter festhalten.

Die Geschädigte ist in ihrer Angelegenheit schon bei höchsten Bundespolitikern vorstellig geworden. Sie wird sich auch an die Medien wenden, das ist in Vorbereitung. Und sie überlegt, ob sie das Ganze nicht in einem Buch verarbeiten sollte. Ich hoffe, dass sie die Kraft dazu findet – es würde vielen aus der Seele sprechen.

Es wäre eine Art Weißer Ring für Geschädigte dringend erforderlich, der ihnen weiterhilft, gegen Gutachter und Gerichte vorzugehen und die Verantwortlichen in Justiz und Politik auf die gesamte Problematik aufmerksam macht - und ihnen notfalls auch unbequeme Fragen stellt.

Viele Grüße
Uwe
 
Hallo Prowler,

leider ist es doch so, dass die Rechtsschutzversicherung, nur „für Sachverständig, die vom Gericht herangezogen werden“ aufkommt.

Wenn ich den Fall zu 100% gewinne, dann zahlt die unterlegene Partei die Kosten im Zivilprozess. Wenn ich meine Forderungen nur zum Teil, z. B. nur zu 40 %, durchsetzen kann, dann muss meine Rechtsschutzversicherung 60% aller Kosten tragen, darunter auch 60% der Kosten für den gerichtlich bestellten Gutachter.

Bei den Kosten für ein Privatgutachten hingegen handelt es sich um „Kosten, die der Versicherungsnehmer ohne Rechtspflicht übernommen hat“. Dafür kommt die Versicherung nicht auf.

Was Zivilprozessordnung betrifft befürchte ist, dass das im Sozialgerichtsgesetz festgelegte Verfahrensrecht nicht einfach darauf übertragen werden kann. Aber in meinem Fall ist es ja sowieso egal.

VG
Jutta
 
Damit keine Missverständnisse aufkommen: der ältere Gutachter stammt aus Halle an der Saale!
 
Hallo,
ein Arzthaftungsprozess (Schadensersatz, Schmerzensgeld) ist natürlich eine "etwas" andere Sache und deine selbst erlebte Verhandlung ist (zum Glück) ein wirklich "extremes" Beispiel (keine Ladung der wichtigsten Zeugen, nach Verhandlung ist der Richter gewechselt, kein Gerichtsprotokoll usw.) . Natürlich finde auch ich die Vorgänge in dieser Gerichtsverhandlung eine Schweinerei :mad:.
Obwohl ich mittlerweile schon in weit mehr wie 100 öffentlichen Verhandlungen vor dem LSG (Bayern) als Zuschauer war, habe ich ähnliches noch nicht erlebt. Auch wenn man diverse Urteile hier liest, sind diese für mich - neutral betrachtet - eigentlich immer nachvollziehbar und Gesetzeskonform.
Auf dem Sozialgericht habe auch ich allerdings schon mehrfach "haarsträubende" Sachen erlebt....:rolleyes:
Deshalb beurteile ich die "Vorgänge" in erster Instanz schon gegensätzlich zur Berufungsverhandlung und kann den Weg der zweiten Instanz (Berufung) durchaus empfehlen.


Gruß Prowler
 
ich habe keinen anlass für zweifel an Uwe's darstellung, aber auch sonst habe ich grösste bedenken, wenn das als
deklariert wird. wieviele solcher extreme darf es geben, um nicht als "beispiel" dazustehen (es impliziert ja nach m.A. einen ausnahmefall).

es gibt einen punkt, an dem objektiv zwischen einem fehler (oder wie es bei mir und wohl allemein im jargon heisst: "pannenfall") und offensichtlicher willkür und korruption zu unterscheiden ist. und die häufigkeit, in denen richter ihren "kollegen" beistehen, lässt ein rechts- und staatsversagen nicht verleugnen.
ich halte es jedenflls weder für "extrem" im sinn eines ausnahmefehlers noch für ein "Beispiel", wenn (um das mit eigener erfahrung zu ergänzen) eine ausführliche begründung eines befangenheitsantrags vom richter des olg bamberg mit erfundenen tatsachen eines akteninhalts abgeschmettert wird, um damit eine angebliche verfristung zu begründen. nachdem ich dem richter Herdegen seine manipulation nachgewiesen hatte, ging alles als sogen. "pannenfall" ans landgericht zurück. da muss im StGB ein redaktioneller fehler vorliegen, wenn es dort als rechtsbeugung tituliert wird, statt richtigerweise als "pannenfall".
dass verbrechen dann keine verbrechen sind, wenn sie sich vor dem richtertisch ereignen, ist wohl ungeschriebenes gesetz.
vielleicht kann ja mit Uwe eine dokumenttion erfolgen.


gruss

Sekundant
 
Es ist schwer zu sagen, was war zuerst die Kücken oder das Ei? Und wo sollen wir das Problem anpacken. Ich denke, das wichtigste ist, dass wir aktiv sind.

Da es keine Anlaufstelle für diese Gruppe von Mensche gibt, sollte die Politik dringend handeln und uns anbieten was fehlt und nicht in Ordnung ist. Und die tun von alleine nichts. Deswegen müssen wir auch unsere Meinung klar äußern...

* hier,
* beim Unabhänigen Patientenberatung,
* Ärztekammer,
* Verdi,
* Ministerien
* ... und, und, und.

Wenn die Politik die Reglen im Gutachterzimmern aufstellt und Kameras einführt wie z.B. bei einer Bank, damit werden massenghafte Manipulationen, Lügen, Ungerechtigkeiten und Rückslosigkeit automatisch reduziert.

Erst dann werden die Wahrheit und Gerichtigkeit ihre Plätze haben.

LG, Transparenz
 
Hallo Andreas2,
wie Du in Deinem Post vom 2. Dezember schreibst, bist Du Naturwissenschaftler und warst bei einer Gerichtsverhandlung als Zeuge dabei. Ich habe eine spezielle Frage an Dich: Hast Du zufällig eine Orthopädische Ausbildung? Ich suche jemanden auf diesem Gebiet, der mich vor Gericht begleiten würde bzw. mich bei einer schriftlichen Stellngnahme zu einem orthop. Gutachten unterstützt.
Gruß Bobb
 
Hallo Transparenz,

die Politik........... will-kann nicht, warum auch immer bzw. hier geht es um die Kohle!
Die Politik weist u. a. die Gerichtspräsidenten an, erstmals...... so wenig wie möglich Erwerbs-Minderung- Renten- Kläger durchzulassen.
Dito verschiedene BG Angelegenheiten.

Das was du darlegst..... ist nicht falsch, aber in über > 17 J. Erfahrungswerten hat sich seit dem nicht viel verändert.

Vergiss die Gewerkschaften - Gewerkschaftsrechtsschutz - VDK i. d. R. zahnlose Tiger o_O

Ärztekammern:D:p

Ich kenne nur ein Fall;)

§ 22 Hessisches Heilberufsgesetz; § 25 Satz 1 der Berufsordnung für die Ärzte und Ärztinnen in Hessen
Tenor
Dem Beschuldigten wird unter Erteilung eines Verweises wegen Verstoßes gegen seine ärztlichen Berufspflichten eine Geldbuße in Höhe von 12.000,00 Euro auferlegt.

Die Berufsausübung § 22
Die Kammerangehörigen sind verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen.

Quelle:
https://www.laekh.de/images/Aerzte/Rund_ums_Recht/Rechtsquellen/heilberufsgesetz.pdf
VG Gießen, Urteil vom 16. November 2009 - Az. 21 K 1220/09.GI.B
HESSEN: Genervte Fahnder - DER SPIEGEL 4/2011

Grüße
 
Hallo Bobb,
leider bin ich kein Orthopäde, sondern Physiker. Sorry, dass ich mich erst heute melde, ich war sehr beschäftigt. Im Fall des Prozesses, bei dem ich zugehört habe und bei dem ich Einblick in die Dokumente hatte, musste man kein Experte in Kieferchirurgie sein, um den Unsinn zu erkennen, den der Gutahter verzapfte. Aber natürlich gilt ein Fachfremder nichts, auch wenn es nur um einfache Logik geht.
Ich wünsche Dir viel Erfolg bei der Suche nach einem geeigneten Begleiter (falls dieser Wunsch nicht schon zu spät kommt).
VG Andreas2
 
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