Schlagt sie mit ihren eigenen Waffen!
Hallo Joker,
hallo Siegfried21
bedauerlich, dass unser Rechtssystem solche Verhaltensweisen gezüchtet hat, diese nicht eindämmen kann und - schlimmer noch - systembedingt auch nicht eindämmen will.
Das stoische Behaupten unwahrer Tatsachen ist somit auch eine Taktik zur Verzögerung, häufen sich doch dadurch in der Regel nur die Schriftsätze, die Akte wird immer dicker, bis sich kein Richter mehr damit auseinandersetzen mag.
Alle diese Erfahrungen kann ich leider genau so bestätigen.
Aber als die Klageerwiderung kam, habe ich mich hingesetzt und anders reagiert als es üblich ist.
Ich habe für jeden einzelnen Punkt, jede Behauptung, jede Vermutung "auseinandergenommen".
Das Ergebnis:
Unsere Klageschrift: 14 Seiten
Klageerwiderung der einen Versicherung: 52 Seiten + ein Konvolut an 63 Fotos
Klageerwiderung der anderen Versicherung: 11 Seiten Ausführungen + 94 Seiten Anlagen
Unsere Repliken: 34 bzw. 38 Seiten Ausführungen inkl. Inhaltsverzeichnis + 20 Seiten Anlagen
Die vermutliche Folge: Einer der Beklagtenvertreter klappte zusammen ...

Zumindest seine Reaktion lässt dies vermuten.
Er beschwerte sich im nächsten Schriftsatz (der dann nur noch 4 Seiten hatte), dass in der langjährigen Praxis seiner Tätigkeit noch nie ein Folgeschriftsatz eingereicht wurde der einerseits einen derartigen Umfang hatte und andererseits mit einem Inhaltsverzeichnis (3 Ausrufezeichen) versehen sei.
Meine Taktik: Schlagt sie mit ihren eigenen Waffen!
Ich habe für den einen Fall massig Ressourcen und habe hier auf dem Board die Fragen gestellt, die mir geholfen haben, wenn ich selbst nicht weitergekommen bin. Dass solch einen Aufwand ein normaler Klägervertreter nicht erreichen kann, ist logisch, da ja jede Lüge und Behauptung substantiiert widerlegt werden muss und unseren Anwälten meistens das notwendige Detailwissen fehlt. Das aber ein Klägervertreter als RA auch unter Kosten- und Erfolgsdruck steht ist ebenso klar. Wenn dann anstatt der normalen Reaktionen in einer Replik eine umfangreiche Stellungnahme erfolgt, ist dann natürlich ungewöhnlich- auch wenn das eigentlich der Normalfall sein sollte.
Aber wenn der eigene Anwalt mitspielt kann man so dem Gegner eine Menge Wind aus den Segeln nehmen und bei ihm einen Aufwand erzeugen, der relativ hoch ist. Denn bei jedem Schriftwechsel muss er noch nachschauen, was hat er vorgetragen, wie war die Erwiderung und haben wir dazu schon etwas gesagt.
Wenn die Versicherungen einfach eine Unmasse wilder Behauptungen aufstellen und dann wird von Klägerseite nicht auf jede einzelne Behauptung reagiert, dann machen die Kläger hinterher einfach so weiter. Sie müssen ja nichts beachten.
Verursacht man dagegen durch umfangreiche Ausarbeitungen eine Situation, in der sich die Beklagten erst durch 100te von Seiten wühlen müssen, bevor sie wissen was, wer, wann, wie vorgetragen hat, macht man ihnen das bisher bequeme taktieren sehr aufwendig.
Möglicherweise auch zu aufwendig.
Die Antwort unseres Anwalts auf diese Beschwerde (wegen des Umfangs)war dann jedenfalls, dass er dem Gericht vorgetragen hat, dass der Aufwand durch die falschen Behautungen und Vermutungen erzeugt wurde. Hätte die Beklagte nicht widersprüchliche, irrelvante oder falsche Ausführungen gemacht und hätte die Beklagte nicht mit völlig untauglichen Beweismitteln argumentiert, wäre dieser Umfang nicht erreicht worden. Der Beklagte ist also selber Schuld über den Umfang, weil er ihn selbst verursacht hat.
Ich denke so etwas bleibt meim Gericht hängen und vermittelt innerhalb des Verfahrens und die Taktik findet so einmal eine schriftliche Darstellung in der Akte. Ganz ignorieren wird so etwas wohl keiner. Letztlichbsind auch Richter und ihre Angehörigen nur Menschen, die einmal einen schweren Unfall haben könnten.
Soweit meine Gedanken zur Vorgehensweise und angemessenen Begegnung der Taktik der Versicherungen zum Beginn des Verfahrens.
Grüße
oohpss
PS.: Da fällt mir ein:
Es gibt ein paar "Standardanwendungen" der Versicherungen um den Kläger in die Knie zu zwingen. Beispielsweise gehört dazu die Heranziehung der ICD-Kodierungen aus teiweise (ur)alten Befunden. Aber wer weiß schon was ICD-Kodierungen genau sind und welche Qualität die Angaben haben? Die versicherungen stellen die Angaben der ICD-Kosierungen durchweg als Tatsachenfeststellungen dar. Aber das ist falsch nur welcher Anwalt weiß das schon?
Oder es werden Schweigepflichtentbindungen genutzt um die Befunde von Ärzten auszuspionieren. Uralte Arztberichte werden dann zum Nachteil der Kläger angewendet.
Wäre es deshalb eine Überlegung wert ob wir einen Threat neu aufmachen, innerhalb dem über diese Standardtaktiken diskutiert werden kann. Einfach damit wir erkennen was Standardtaktiken sind.
Und dass wir eine anderes Board aufmachen - möglicherweise sogar nur für Mitglieder - in dem die erkannten Mechanismen benannt werden und dann nachfolgend Beispielstexte für die Erwiderungen angegeben werden?
So dass man als Kläger die Möglichkeit hat zu schauen, ob der Gegener einen der identifizierten Mechanismen nutzt und dann aus den Textbausteien einen Vorschlag für den eigenen Anwalt zur Reaktion zur Verfügung hat. Relativ einfach, schnell und dadurch qualifiziert, dass der eine oder andere über den Erfolg oder Misserfolg seines Textbausteins berichtet.
Könnte so etwas funktionieren? Sollte das ein eigenes Diskussionsthema sein?