Gutachten
1. Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte für die Behauptung beweispflichtig ist, der Kläger leide an einer emotionalen instabilen Persönlichkeitsstörung.
Wie bereits vorgetragen wurde, wurde dieser Nachweis bislang nicht erbracht, insbesondere nicht durch das Gutachten des Prof. Dr. xxxx Für die Spekulation, der Kläger leide seit seiner Kindheit an einer emotionalen instabilen Persönlichkeitsstörung fehlen jegliche Hin- weise und objektive Befunde.
2. Bei einem medizinischen Gutachten ist das Gericht verpflichtet, dem Gutachter sämtliche Anknüpfungstatsachen, insbesondere Krankenunterlagen oder Stellungnahmen der behan- delnden Ärzte zu übermitteln und ihn anzuhalten, sich mit diesen fachkundigen Stellung- nahmen auseinanderzusetzen. Weicht der Sachverständige von einer solchen Stellungnahme ab, so muss er im Gutachten auf diese fachkundige Äußerung eingehen und den Grund für seine abweichenden Feststellungen nachvollziehbar darlegen. Andernfalls ist das Gut- achten unvollständig und deshalb fehlerhaft und nicht verwertbar (vgl. BVerwG, 2010-06- 30,2 B 72/09).
3. Die gerichtliche Aufklärungspflicht ist verletzt, wenn sich das Gericht bei der nach seiner Rechtsauffassung erforderlichen Klärung einer entscheidungserheblichen Frage mit einem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten begnügt, das objektiv ungeeignet ist, ihm die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermit- teln. Dies ist im Allgemeinen bereits dann der Fall, wenn das vorliegende Gutachten auch für den Nichtsachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein aner- kannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sach- kunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt. Die Verpflichtung zur Ergänzung des vorliegenden Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter dieses als Erkennt- nisquelle für unzureichend hält (Urteil BVerwG vom 06.02.85, Az. 8 C 15.84, in BVerwGE 71, 38 <45> = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1 S. 6; Beschlüsse BVerwG vom 26. 02.08, Az. 2 B 122.07, in ZBR 2008, 257 <259 f> und vom 29.05.09, Az. 2 B 3.09, in NJW 2009,2614; stRspr).
Beweis: Beschluss BVerwG vom 22.07.10, 2 B 128.09, als Anlage 1
4. Begleitperson bei psychiatrischen Begutachtungen und die gerichtlichen Entscheidungen:
a) Das beklagte Land Hessen ist der Meinung der Gerichtssachverständige Prof. Dr. med. K. D handelte ermessensfehlerfrei, als er die Anwesenheit des Begleiters während des Gespräches und der Untersuchung nicht duldete. Er hat sich hierbei nach den allgemein anerkannten Kriterien für die psychiatrische Begutachtung gerichtet. Sein Verhalten ist daher in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Das beklagte Land Hessen erwähnt und ver- weist hierzu auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 29.10.2013 auf die Rechtsprechung verschiedener Gerichte, unter anderem auf den Beschluss des Oberverwaltungsgericht Rheinland - Pfalz vom 11.06.2013, Az. 2 A 11071112 12. OVG- juris. Die Beklagte Land Hessen erwähnt auch das Urteil des LSG Baden - Württemberg Az,: L 11 R 4243/10 dieses hat im Leitsatz seiner Entscheidung vom 24.10.11 im Anschluss an einen Beschluss des LSG Niedersachen - Bremen vom 20.11.09, Az.: L 2 R 516/09 B, - ausgeführt, dass ein Ren- tenbewerber grundsätzlich keinen Anspruch auf die Zulassung von Angehörigen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, die fachliche Durchführung der Untersuchung sei eine Sache des Sachverständigen. Das Gericht dürfe ihm grundsätzlich keine fachlichen Weisungen erteilen. Es werde in der (medizinischen) Fachliteratur empfohlen, im Regelfall keine Teil- nahme von Angehörigen am gutachterlichen Gespräch zuzulassen. Wenn ein Sachverstän- diger es für erforderlich halte, die Untersuchung in Abwesenheit dritter Personen vorzuneh- men, weil er die Verfälschung des Ergebnisses der Exploration befürchtet, so bewege dieser sich bei dieser Entscheidung im Bereich seiner Fachkompetenz.
b) Würdigung und Kritik:
aa) Die Frage, ob ein Anspruchsteller bei einer gerichtlich angeordneten medizinischen Be- gutachtung einen Anspruch darauf hat, dass eine Begleitperson, z.B. eine Person seines Vertrauens, bei der Untersuchung anwesend ist, wird von den Gerichten unterschiedlich be- urteilt. Auch in der medizinischen und juristischen Fachliteratur wird dies kontrovers disku- tiert. Das LSG Baden - Württemberg hat sich im vorliegenden Fall in weiten Zügen einem Beschluss des LSG Niedersachsen - Bremen vom 20.11.09 unter Übernahme wesentlicher Gründe aus der Entscheidung angeschlossenen.
bb) Nicht weiter diskutiert wurden allerdings hiervon abweichende
Entscheidungen:
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 23.02.06, Az.: L 4 B 33/06 SB, als Leitsatz ausgeführt, dass der generelle Ausschluss eines Rechtsanwaltes von der Untersuchung ei- nes Klägers durch einen vom Gericht bestellten ärztlichen Sachverständigen mit den Grund- sätzen der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme und eines fairen Verfahrens unvereinbar ist, wenn der Kläger die Anwesenheit seines Anwaltes oder einer anderen Vertrauensperson wünscht. Das LSG Rheinland-Pfalz hatte unter anderem festgestellt, der Grundsatz des An- spruches auf ein faires Verfahren verpflichte den Richter wie den Sachverständigen zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation. Es ver- wies auf den Beschluss des BSG vom 09.04.03, Az. B 5 RJ 140/02 B und führte weiter aus, dass angesichts der tief in die Persönlichkeit und Menschenwürde des zu Untersuchenden eingreifenden Beweisaufnahme durch einen ärztlichen Sachverständigen - selbst aus un- sachlichen Gründen - eine Begleitung durch eine Vertrauensperson bei der Untersuchung gerechtfertigt sei. Der Sachverständige könne die Untersuchung nur ablehnen, wenn er hier- für sachliche Gründe habe. Wenn er sie aber nicht durchführen wolle, weil er pauschal der Auffassung sei, in Anwesenheit einer Vertrauensperson des zu Untersuchenden nicht das notwendige Vertrauensverhältnis herstellen zu können und eine ordnungsgemäße Begutach- tung so nicht möglich sei, dürfe das Misstrauen des zu Untersuchenden in die Objektivität des Sachverständigen nachvollziehbar und der Sachverständige damit wegen der Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen sein.
In einer weiteren Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.07.06, Az.: L 5 KR 39/05, wird ausgeführt, dass der Gutachter im Verwaltungsverfahren dem Begehren des Proban- den, die Anwesenheit einer Vertrauensperson bei der Untersuchung zu gestatten, nicht ohne Weiteres widersprechen darf. Er sei hierzu nur berechtigt, wenn er vor der Untersuchung einen triftigen Grund vorbringt.
Unzutreffend wird hierzu von der Beklagten ausgeführt, dass es im fachlichen Ermessen des Sachverständigen liege, die Anwesenheit von Begleitpersonen zu erlauben. Das Gericht dürfe ihm keine fachlichen Weisungen erteilen, auf welchem Weg er sein Gutachten zu erar- beiten habe. Hierbei wird übersehen, dass das Gericht den Sachverständigen nach § 404a ZPO zu überwachen und anzuleiten hat.
Die Qualität einer ärztlichen Begutachtung ergibt sich nicht nur aus der Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens für das Gericht, sondern auch aus der Akzeptanz und Nachvollziehbarkeit für den Rechtssuchenden. Ein Gutachten, das nicht nur für Richter und Anwälte, sondern auch für den Rechtssuchenden nachvollziehbar ist, weil es in einer fairen Untersuchungssi- tuation stattgefunden hat und sich mit seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen beschäftigt, wird von diesem eher inhaltlich angenommen und führt zu einer erhöhten Über- zeugungskraft und Akzeptanz.
Auch das VG Münster bejaht den Anspruch auf Mitnahme einer Begleitperson anlässlich einer amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Dienstfähigkeit unter Hinweis auf die Entscheidungen des OVG Koblenz vom 30.09.99, Az. 2 B 11735/99, sowie OVG Hamburg vom 15.06.06, Az. I Bs 102/06, vgl. VG Münster, Beschluss vom 16.05.12, Az. 4 L 113112.
cc) Es ist damit festzustellen, dass das LSG Baden-Württemberg mit dem einseitig formulier- ten Leitsatz hier eine einheitliche Rechtsprechung suggeriert, die gar nicht vorliegt und sich im Übrigen mit der wissenschaftlichen Fachdiskussion auf medizinischem und juristischem Gebiet offenbar nicht beschäftigte.
Wenn ein medizinischer Sachverständiger der Auffassung ist, dass er die Begutachtung in Gegenwart der vom Probanden gewünschten Begleitperson nicht durchführen kann, hat er die Gründe vorab dem Probanden zu erläutern und - falls keine Einigung über eine mögli- cherweise Teilnahme der Begleitperson gefunden werden kann - das Gericht zu informieren. Dieses muss die Gründe des Sachverständigen prüfen und ihm entweder im Rahmen des § 404a ZPO hierzu konkrete Anweisungen erteilen oder einen anderen Sachverständigen mit der Erstellung des Gutachtens beauftragen. Wenn das Gericht es unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles aus nachvollziehbaren medizinischen Gründen für erforder- lich hält, dass die Untersuchung ohne Begleitperson stattfinden soll, hat es den Kläger hierü- ber und über die Folgen einer Weigerung, sich ohne Begleitperson untersuchen oder explo- rieren zu lassen, zu informieren. Unzulässig ist eine Weigerung des Sachverständigen mit einer pauschalen, nicht auf den Einzelfall abgestimmten medizinischen Begründung, wie z.B. das mache er immer so, dass habe er so gelernt oder er sei nicht bereit, sich kontrollieren zu lassen.
Beweis: oben zitierte Entscheidungen
Forum C· Diskussionsbeitrag Nr. 1 12013 RA Francke, Düsseldorf als Anlage 2
c) Hinweis:
Der Sachverständige Prof. Dr. D hat somit das Prozessgrundrecht des Klägers auf ein faires Verfahren gemäß Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG missach- tet und verletzt. Bereits vor der Begutachtung hatte der Kläger den Sachverständigen gebe- ten, eine Begleitperson bei dem Untersuchungstermin zuzulassen. Dies sicherte der Sach- verständige dem Kläger vor dem Termin auch ausdrücklich und unmissverständlich zu. Bei dem Termin zur Begutachtung am 03.05.2011 brachte der Kläger sodann den Zeugen Joa- chim Kärcher mit. Der Sachverständige schloss, für den Kläger überraschend, die Begleit- person von der angeblichen Exploration oder Untersuchung aus. Einen sachlichen Grund für diese Ablehnung nannte der Sachverständige dem Kläger nicht. Die unerwartete Verhinde-
rung der Anwesenheit des Zeugen Kärcher durch den Sachverständigen begründet Miss- trauen hinsichtlich seiner Objektivität und Neutralität.
d) Der Kläger beantragt ferner, die Erläuterung des Gutachtens des Prof. Dr. D vom xxxx. Er verweist hierzu auf den bereits schriftsätzlich vorgetragenen Fragenkatalog.
Dem Antrag einer Partei auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftli- chen Gutachtens hat das Gericht grundsätzlich zu entsprechen, auch wenn er das schriftli- che Gutachten für überzeugend hält und selbst keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht verletzt den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör und führt im Rahmen des § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverwei- sung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Ich verweise hierzu auf den Beschluss des BSG vom 24.04.08, Az. B 9 SB 58/07 B, (Lexetius.com 12008 ,2148 ). Danach geht das Recht eines Verfahrensbeteiligten, Fragen an den Sachverständigen zu stellen, der ein schriftliches Gutachten erstattet hat, nicht mit dem Ende der Instanz verloren, wenn das erst- instanzliche Gericht den Antrag auf Anhörung fehlerhaft als verspätet ablehnte.
Rein vorsorglich verweise ich ergänzend auf die Beschlüsse des BSG vom 03.03.99, Az. 9 VJ 1/98 B - SgB 2000, 269 und vom 12.12.06 - B I3 R 427106 B - Juris).
Das Recht der Klägerin oder des Klägers, an den erstinstanzlich tätig gewordenen Sachver- ständigen, noch im Berufungsverfahren Fragen zu stellen, entfällt auch nicht deshalb, weil das Fragerecht grundsätzlich nur innerhalb des Rechtszuges besteht, in dem das Gutachten eingeholt worden ist. Außer in dem von der Rechtsprechung entschiedenen Fall (Vorliegen der Voraussetzungen nach § 411 Abs. 3 ZPO; vergleiche dazu BSG Beschlüsse vom 03.03.1999 – B 9 VJ 1/98 B - SgB 2000, 269 und vom 12.12.2006 - B I3 R 427106 B - Juris) geht das Fragerecht mit Ende der Instanz, in der das schriftliche Gutachten erstattet worden ist, auch dann nicht verloren, wenn dort Verfahrensfehler mit der Begründung unberücksich- tigt geblieben sind, es sei verspätet oder missbräuchlich geltend gemacht worden.
Beweis: BSG, Beschluss vom 12.04.05, Az. B 2 U 222/04 B, als Anlage 11