Ein unscheinbarer Name steht auf dem aussichtsreichen zweiten Platz der Liste für die Sozialwahl bei der großen öffentlichen Krankenkasse DAK. Mehrere Vorschlagslisten mit Kandidaten für die Wahl gibt es bei der DAK. Auf der Liste 3 kandidiert Roger Jaeckel, angeblich für die "freie und unabhängige Interessengemeinschaft der Versicherten und Rentner" (BfA). Ist Jaeckel ein rüstiger Pensionär, der sich ums Allgemeinwohl kümmern möchte? Die Biographie des Kandidaten lässt andere Schlüsse zu: Roger Jaeckel arbeitet für den großen Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK). Er ist dort der Leiter der Abteilung "Gesundheitspolitik" und will sich nun gleichzeitig in das oberste Gremium der Krankenkasse DAK wählen lassen: den Verwaltungsrat. Eine Personalie, die Kritik hervorruft. Auf den Wahllisten und Broschüren wurde nirgends über Roger Jaeckels Position in der Pharmaindustrie informiert.
"Bei den Sozialwahlen scheint der politische Wettbewerb zu versagen", sagte Christian Humborg, Geschäftsführer der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International. "Die Kandidaturen und ihre Programme sind nicht hinreichend transparent und es findet keine politischen Diskussionen der Kandidaten statt. Daher brauchen wir Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten." Es sei unverständlich, warum GlaxoSmithKline diese Kandidatur im Rahmen des unternehmenseigenen Verhaltenskodex genehmigt habe, betonte Transparency und warnte: "Es wäre skandalös, wenn als Ergebnis der Sozialwahl der Lobbyist eines internationalen Pharmakonzerns eine große gesetzliche Krankenkasse mitverwaltet."
Bei der DAK will man sich offiziell lieber gar nicht zu dem Thema äußern. Die Kandidatenlisten seien "ein hochheiliger Bereich", sagt eine Sprecherin auf Anfrage. "Das ist ein demokratischer Prozess, dazu dürfen wir keine Stellungnahme abgeben."
Die freie und unabhängige Interessengemeinschaft der Versicherten und Rentner (BfA) sagte auf Anfrage, man sehe kein Problem in der Bewerbung. "Es gibt keine Interessenkollisionen, weil Herr Jaeckel keinen Einfluss auf Entscheidungen hat", sagte BfA-Sprecher Cord Lubinski. Denkbar sei auch, dass Jaeckel im DAK-Verwaltungsrat nicht mitstimme, falls Befangenheit drohe.
Doch in der DAK rumort es wegen der Kandidatur des Pharma-Vertreters längst bis in die Spitze der Krankenkasse. Offiziell will sich zwar niemand dazu äußeren, schließlich steht es dem Vorstand nicht an, die Bewerber bei der Sozialwahl zu kommentieren. Doch es bestünden große Bauschmerzen angesichts dieser Personalie, heißt es aus Kassenkreisen. Andere Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherung werden deutlicher: "Die Grenze des Erträglichen ist überschritten", sagt ein hoher Kassenfunktionär. "So eine Kandidatur gehört sich einfach nicht." Allerdings könne man so etwas nicht verhindern, der Bewerber selbst hätte aber den Interessenkonflikt sehen müssen.
Als Mitglied des Verwaltungsrates könnte der Mann des Pharmariesen GlaxoSmithKline Vorstandsmitglieder der DAK mit einsetzen, den Haushalt mitbestimmen und weitreichende Kontrollrechte ausüben. Auch erführe er womöglich frühzeitig, welche Wirkstoffe für frei verfügbare Medikamente die Krankenkasse unter den Pharmakonzernen ausschreibt und welche Angebote eingehen. Informationen, die für Jaeckels Arbeitgeber von hohem Interesse sein dürften.
"Ich sehe natürlich keinen Interessenkonflikt, die Kritik ist an den Haaren herbeigezogen", sagte Roger Jaeckel der Berliner Zeitung. "Ich kandidiere als langjähriges Mitglied der DAK und als Arbeitnehmer." Auch im Vorstand der Deutschen Rentenversicherung sei er Mitglied. Es gehe ihm darum, "Barrieren zwischen den Welten abzubauen", so Roger Jaeckel, denn Krankenkassen und Pharmaindustrie seien schließlich "im gleichen System zu Hause".
Er könne sich im DAK-Verwaltungsrat keine Situation vorstellen, bei der er in Interessenkonflikt gerate, so Jaeckel. "Im Zweifel würde ich den Raum verlassen." Doch der Manager stellt auch klar: "Ich vertrete natürlich die Interessen des Unternehmens, wenn es um den Haupt-Job geht."
Eine Aufteilung, die der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach nicht nachvollziehen kann: "Ein Mitarbeiter eines Pharmakonzerns muss dafür sorgen, die Umsätze zu maximieren", so Lauterbach. "Einem Vertreter im Verwaltungsrat einer Krankenkasse muss es jedoch darum gehen, die Kosten im Rahmen zu halten. Damit besteht ein massiver Interessenkonflikt". Er könne dem Betroffenen daher nur empfehlen, auf die Kandidatur zu verzichten.