Hallo Ines,
mein Freund war ca. 4Monate komatös. Er hat aber in dieser Zeit sich entwickelt - jede Woche kam er weiter an die Oberfläche. Richtig erwacht (wenn man , das so nennen kann) ist er erst nach seiner KopfOP - Shunt (Hirnwasserableitungssystem) verlegt und Kopf geschlossen. Da hats aber auch noch ca. 3Wochen gedauert bis die Bewegungen auch für die Ärzte deutlich genug waren. In der Anfangszeit waren es kleine Zeichen: mal die Zehen bewegt, wenn man ihn aufgefordert hat oder die Hand geöffnet. Nach ca. 2Mon. konnte er den Kopf drehen und unter Anstrengung die Augen öffnen - er hatte bis dato geschlossene Augen. Wie man später rausfand wegen einer Lidheberschwäche(dieser Nerv war lädiert). Bis dahin galt er auch als tief komatös(zumindest bei den Ärzten) - weil erst das öffnen der Augen ein Schritt weiter ist (appallisches Durchgangssyndrom). Wenn man halt nach Lehrbuch vorgeht.... Mein Einwand, das er vielleicht die Augen ganz einfach nicht aufkriegt, aber es tun würde wenn es ginge wurde belächelt. Ich habe aber schon auf der Intensivstation seine Lider angehoben und da hat er mich immer angeschaut. Kein starrer Blick - sondern direktes Fixieren. Am schnellsten war mir klar, das er noch hören kann - 2Wochen nach dem Unfall. Als eine Schwester eine Ampulle in einen Blecheimer warf zuckte er erschrocken zusammen. Aber auch das natürlich nur mein Wunschdenken....Das er auch nicht blind sein konnte wurde mir dann auch bald klar - hab die Lider angehoben und ihm ein Bild von unserem Hund hingehalten - erst ging sein Blick zu mir, dann zum Hund. Man muss wirklich sehr genau beobachten.
Ich glaub ich war in dieser Zeit bei den Ärzten als Traumtänzerin mit Rieseneinbildungspotenzial verrufen, die man mit mitleidigen Blicken bedachte. Aber wenn sich von denen wirklich mal einer 1Stunde Zeit genommen hätte und mal genauer hingschaut - sie hätten es auch gesehen. Aber so war er dann halt das erstaunliche Wunder. Und jedes Mal hat man gesagt, das seine Verletzungen einfach zu schwer sind - und jetzt müsse der Stillstand mal kommen. Aber es ging immer weiter bis jetzt und immer noch. Bei uns ist es der beschriebene lange Weg. Der Unfall war am 9.2.07. Aber mittlerweile haben sich die Prognosen geändert. Es ist wohl alles drin, allerdings ganz ohne Restschäden wird es nicht gehen. Mein Freund kann kurze Strecken mit Hilfe gehen. Die Spastik in der linken Seite baut sich immer weiter ab. Er kann sich selbstständig im Rolli fortbewegen und er hat wieder Essen/Trinken gelernt(Ein Doktor fragte mich damal vor 1Jahr mal:"Hat er gerne gegessen?" ich ja natürlich "Das wird er nie wieder können!")
Er versteht fast alles - Leider kann er nicht mehr sprechen. er antwortet mit Nicken und Kopfschütteln.Ich denke aber das er wieder spricht. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen...Sein linker Arm wird immer besser(O-Ton Arzt: Da sind keine Funktionen mehr drin) - er kann gezielt und bewußt die Finger bewegen. Sein Altgedächtnis(Ort, Personen, Raum) ist erhalten. Er hat uns alle noch gekannt und das ist gut - darauf kann man aufbauen. Er wirkt nicht verwirrt und verhält sich situationsbedingt richtig.
Zum Rauskommen aus dem Koma ist noch zu sagen, das es sich über Wochen hingezogen hat und es war eine harte Zeit. Das Durchgangssyndrom ist wohl im starken Maße von der Komadauer abhängig - je länger desto schlimmer.
Jede Kopfverletzung ist anders und man kann schlecht eine Aussage treffen, was sein wird.
Und am Anfang möchte man einfach nur, das sie überleben. Ich hab zu ihm gesagt, das wenn er sich davonstiehlt ich ihn nochmals umbringe. Nach die Organe wurden wir auch gefragt. Das die ja alle so gesund sind und man müsse ja nicht unbedingt die Maximaltherapie fahren, bei seinen Aussichten(Schwerstpflegefall). Man musste auch keine Maximaltherapie fahren, weil er auch so immer besser wurde von Tag zu Tag und die in Aussicht gestellten Krisen(Lungenentzündungen, Blasenentzündungen,...) einfach nicht kamen.
Aber ich wollte auch keinen SChwerstpflegefall(Wachkoma). Der Gedanke, das mein Mensch 20Jahre im Pflegeheim dahinvegetiert - 3Mal am Tag gedreht, hat mich die ersten Wochen und Monate verfolgt. Ich konnte in dieser Zeit kaum schlafen, dann hatte er auch dieses in Aussicht gestellte Schicksal überholt.
Es ist nicht einfach und es wird auch nicht einfacher. Die Tiefs kommen und gehen. Manchmal habe ich mich in dieser Zeit gefragt, ob der Tod nicht doch ....., aber er will leben und er will weiterkommen und das trägt mich auch.
Was sehr wichtig ist jetzt ist die Anwesenheit der Familie. Man muss zusätzlich zu den Therapien viele Reize setzen. Man kann nie zuviel tun.
So das war jetzt ziemlich ausufernd.
LG Kathrin