In der Politik für Menschen mit Behinderungen hat seit 1998 ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Ziel dieser Neuorientierung ist die Verwirklichung einer umfassenden Teilhabe behinderter Menschen an dem Leben in der Gesellschaft, die Ermöglichung ihrer weitgehenden Selbstbestimmung und die konsequente Beseitigung von Diskriminierungen und Barrieren.
Wichtige Schritte sind bereits getan. Mit dem neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wurde ein modernes und leistungsfähiges System der Teilhabe behinderter Menschen eingeführt, das Chancengleichheit, soziale Integration sowie die Eröffnung beruflicher Perspektiven für behinderte Menschen mit umfasst. Wie die öffentliche Anhörung der Koalitionsarbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen im Oktober 2003 zeigte, ergeben sich aber durch die Ausgestaltung dieser Ansprüche in der praktischen Umsetzung seit Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Juli 2001 immer noch Probleme, die sich insbesondere bei der Kooperation der Rehabilitationsträger sowie bei der Koordination und Konvergenz des Leistungsgeschehens zeigen. Darauf verweist auch der umfangreiche Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe.
Aufgabe eines modernen Sozialstaates ist es, für alle Menschen eine menschenwürdige Lebenswelt zu organisieren. Die Strukturen der Selbstverwaltung und des Föderalismus müssen an diesem Anspruch gemessen werden.
Das SGB IX hat die Divergenz und Unübersichtlichkeit des Rehabilitationsrechtes weitgehend beendet. Doch ist bei der Umsetzung deutlich geworden, dass der notwendige Anpassungsbedarf im Rahmen einer Weiterentwicklung des Sozialrechtes aufzuarbeiten ist.
Wegen der Unterschiedlichkeit der Ansprüche und Anspruchsvoraussetzungen und der Zuständigkeit verschiedener Träger mit jeweils anderen Eingliederungszielen konnte eine Zusammenführung zu einem Teilhabeanspruch im SGB IX nur unzureichend verwirklicht werden. Dabei hat sich auch die Möglichkeit, nach § 7 SGB IX jeweils spezifische Regelungen für die einzelnen Lebensbereiche zu schaffen, als für eine Anpassung und Zusammenführung zu einem Teilhabeanspruch problematisch herausgestellt.
Angesichts der unterschiedlichen Zuständigkeiten der verschiedenen Institutionen wird geprüft, wie der Zersplitterung des Systems der sozialen Sicherung entgegen gewirkt kann und statt dessen Kooperation und Koordination fortentwickelt werden können. Die Koalitionsarbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen wird sich noch in dieser Legislaturperiode der von Verbänden und anderen Akteuren in der Behindertenpolitik intensiv geführten Diskussion stellen und den Prozess der strukturellen Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe mit gestalten. Gegebenenfalls sind auch strukturgesetzliche Regelungen erforderlich.
Für diese Legislaturperiode gilt nach Auffassung der Koalitionsarbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen, dass auf der Grundlage des geltenden Leistungsrechts daher umgehend wirksame Maßnahmen ergriffen und Instrumente entwickelt werden müssen, um die Ziele des SGB IX, insbesondere das Ziel einer umfassenden Teilhabe behinderter Menschen unabhängig von Trägerzuständigkeiten, noch besser umzusetzen.
Dazu kommen vor allem folgende Schritte in Betracht:
1. Ebenso wie nicht behinderte haben behinderte Menschen in steigendem Maße individuell verschiedene Lebensziele, -interessen und -möglichkeiten. Diesen unterschiedlichen Lebensstilen muss durch verbesserte Wahl-, Gestaltungs- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten Rechnung getragen werden. Dabei sind die unterschiedlichen Formen und Ausprägungen von Behinderungen zu berücksichtigen. Rehabilitations- und Teilhabeleistungen, aber auch andere soziale Leistungen sind an diese Entwicklung noch nicht hinreichend angepasst. Sie müssen in Zukunft bedarfsorientiert, zielgerichtet und aus einer Hand erbracht werden. Sie müssen auch die besonderen Belange chronisch kranker und psychisch kranker Menschen berücksichtigen. Maßstab für diese Maßnahmen müssen das Benachteiligungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und der Gedanke der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG sein.
2. Bei der Eingliederungshilfe ist aufgrund der demographischen Entwicklung, des medizinischen Fortschritts, der Belastungen im Arbeitsleben, der Zunahme der Anzahl der von einer Behinderung betroffenen Menschen und der stationären Orientierung ein erheblicher Ausgabenanstieg feststellbar. So sind die jährlichen Nettoaufwendungen hierfür im Zeitraum 1994-2003 von rd. 5,8 Mrd. EUR auf rd. 9,6 Mrd. EUR gestiegen (Zunahme von rd. 66%). Im Mittelpunkt einer Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen muss die wirksame Sicherung der Teilhabe stehen. Es gilt dabei, die verschiedenen Lebenslagen von behinderten Menschen zu berücksichtigen. Ziel ist eine Normalisierung der Lebensverhältnisse, d.h. Stabilisierung und Befähigung. Dementsprechend müssen die Kriterien für eine Wirksamkeitskontrolle ausgestaltet werden. Grundlage dafür ist eine Machbarkeitsstudie, die sowohl Aufschluss über die bisherigen Kriterien für die Wirksamkeit der Eingliederungshilfe als auch über zusätzlich gesetzlich zu verankernde Kriterien gibt. Dabei sollen die Instrumente einer individualisierten Leistungserbringung weiterentwickelt werden und eine genauere Wirksamkeitskontrolle der Maßnahmen stattfinden, indem eine regelmäßige Überprüfung der Eingliederungsziele und -erfolge erfolgt und Transparenz geschaffen wird. Die Erbringung einer umfassenden sozialen Teilhabe soll stärker der Maßstab für die Ausgestaltung der Eingliederungshilfeleistungen werden.
3. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und der zunehmenden Anzahl von Menschen mit Behinderungen wird im Rahmen der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung darauf hingewirkt, dass alle Rehabilitationsträger des SGB IX die notwendigen Leistungen zur Verhinderung von Pflegebedürftigkeit erbringen („Reha vor Pflege“). Pflegebedürftigkeit darf nicht dazu führen, dass erforderliche Leistungen zur Teilhabe nicht erbracht werden.
4. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit müssen die unterschiedlichen Träger in Zukunft stärker die besonderen Bedürfnisse behinderter Eltern auch außerhalb des Arbeitslebens bei ihrem Recht auf Teilhabe und für die Ausübung ihres Rechts auf Elternschaft berücksichtigen. Sobald mehrere Träger zuständig sind, ist die Leistung als Komplexleistung zu gestalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch unabhängig von der Berufstätigkeit behinderten Eltern Hilfen zur Mobilität zu fördern sind, hörbehinderte Eltern Verständigungshilfen für Elternsprechtage benötigen, barrierefreie Kindermöbel erforderlich sind oder die Elternschaft nur mit Assistenz oder Anleitung wahrgenommen werden kann.
5. Die besondere Berücksichtigung der Bedürfnisse behinderter Frauen soll unter anderem durch eine stärkere Beschäftigung behinderter Frauen bei Leistungserbringern z.B. in der Beratung erreicht werden. Hierzu müssen die Leistungsträger entsprechende Bestimmungen in den Leistungsvereinbarungen oder vergleichbaren Regelungen umsetzen (§ 21 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX). Ihre berufliche Teilhabe soll über die Einbeziehung der Frauenförderinstrumentarien in die Integrationsvereinbarungen für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder sichergestellt werden. Die Chancengleichheit behinderter Frauen bei privaten Arbeitgebern soll über die spezifische Teilhabeleistungen nach § 33 Abs. 2 SGB IX hergestellt werden, die insbesondere berufsbegleitend durchgeführt werden und Hilfen zum beruflichen Aufstieg einbeziehen soll.
Zur Verbesserung der Chancengleichheit behinderter Frauen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind die Arbeitgeber deutlich darauf hinzuweisen, dass in den Integrationsvereinbarungen nach § 83 SGB IX insbesondere Regelungen zur verstärkten Beschäftigung behinderter Frauen vereinbart werden sollen.
6. Schule ist auch ein Ort der Rehabilitation und Teilhabe. Beschulung ohne Ausgrenzung (Inklusion) soll die Regel, nicht die Ausnahme sein. Entsprechend sind die Rehabilitationsträger und die Schulträger verpflichtet, Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe zu erbringen und daher zusammenzuarbeiten. Benötigen behinderte Kinder zum Beispiel Schulassistenz, eine Umgestaltung des Zugangs zur Schule oder spezielle Hilfsmittel für den Schulbesuch ist oft unklar, ob der Schulträger verpflichtet ist, die Infrastruktur bereit zu stellen oder ob ein Anspruch der Kinder auf Eingliederungshilfe gegenüber den Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträgern besteht. Die Beschulung behinderter Kinder in der Regelschule scheitert häufig allein an dieser fehlenden Zuständigkeitsklärung.
Abgrenzungsfragen zwischen Schulträgern und Jugendhilfe- und Sozialhilfeträgern sind ausschließlich zwischen den Trägern zu lösen und dürfen die Leistungserbringung nicht beeinflussen. Die gemeinsame Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung und die Förderung der gleichen Teilhabe am Unterrichtsgeschehen ist auch dann sicher zu stellen, wenn die Schulgesetze der Länder keine spezielle Anspruchsgrundlage für die Kostenübernahme zusätzlicher Aufwendungen zur gleichen Teilhabe behinderter Kinder und Jugendlicher enthalten. Dieses ist durch Leistungen der zuständigen Rehabilitationsträger (Träger der öffentlichen Jugendhilfe und Sozialhilfe) sicherzustellen. Bei der Wahl zwischen Sonderschule oder inklusiver Beschulung ist dem Vorrang gemeinsamer Unterrichtung und dann dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern Rechnung zu tragen. Im Rahmen des Ausbaus der Ganztagsschulen ist auf eine inklusive Beschulung zu achten. Ebenfalls ist die Förderung der gleichen Teilhabe an Angeboten der vorschulischen Erziehung zu gewährleisten. Die Qualität der inklusiven Beschulung und vorschulischen Erziehung ist sicherzustellen.
7. Die gemeinsamen Servicestellen werden unter Beteiligung aller Rehabilitationsträger ausgebaut und mit Entscheidungsbefugnis ausgestattet. Sie leisten auch die Eingliederungshilfen nach dem SGB XII, um Hilfe aus einer Hand (Rehabilitation und Eingliederung) zu ermöglichen. §§ 22ff. SGB IX besagen bereits, dass das Beratungsangebot der gemeinsamen Servicestellen trägerübergreifend und trägerunabhängig konzipiert sein muss. In den gemeinsamen Servicestellen wird eine fallbezogene Beratung und Unterstützung angeboten. Es erfolgt eine gemeinsame Bedarfsermittlung, Zielformulierung und Hilfeplanung. Die Entscheidungen der gemeinsamen Servicestellen erfolgen im Auftrag der zuständigen Rehabilitationsträger, einschließlich der Träger der Sozial- und Jugendhilfe und der Integrationsämter. Als Beauftragte entscheiden sie endgültig über die gestellten Anträge und über die Widersprüche.
Dies entspricht den Ergebnissen der Begleitforschung und einem Vorschlag aus dem Bericht der Bundesregierung zur Lage behinderter Menschen und der Entwicklung ihrer Teilhabe.
8. Wenn behinderte Menschen Leistungen von unterschiedlichen Leistungsträgern benötigen, werden diese immer noch unzureichend miteinander abgestimmt. Die Erbringung von Teilhabeleistungen ist daher als Komplexleistung auszubauen. Die Erfahrungen der Finanzierung von Komplexleistungen insbesondere im Bereich der Frühförderung zeigen aber auch, dass eine kombinierte Finanzierung der trägerübergreifenden Leistung von den beteiligten Leistungsträgern noch nicht bewältigt worden ist. Um solche Abstimmungsprobleme zu vermeiden und die positiven Effekte einer Komplexleistung sicherzustellen, soll daher der Träger, in dessen Leistungsbereich der überwiegende Teil der Komplexleistung fällt - analog der Regelungen zum Persönlichen Budget -, als Beauftragter vollständig zur Leistung verpflichtet werden. Integrationsämter sollen in die Erbringung von Komplexleistungen einbezogen werden.
9. Bereits heute verpflichten §§ 8, 10 SGB IX die Rehabilitationsträger, den Teilhabebedarf in jedem Einzelfall schon bei der Antragstellung umgehend und trägerübergreifend zu prüfen. Darauf abgestimmt müssen sie ihre Leistungen gemäß §§ 10 - 12 SGB IX nahtlos, zügig sowie nach Gegenstand, Umfang und Ausführung einheitlich erbringen und Abgrenzungsfragen einvernehmlich klären. Dieser Prozess soll in einen flexiblen Förder-, Rehabilitations- und Teilhabeplan nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB IX münden. Dieser ist beginnend mit der Frühförderung zu entwickeln und für den jeweiligen Entwicklungsstand des behinderten Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen fortzuschreiben. Die möglichen Entwicklungsziele sind an die nächste Stufe der Entwicklung anzupassen. Die Koalitionsarbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen ist der Auffassung, dass in einer gemeinsamen Empfehlung in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen, Eltern und Angehörigen zu regeln ist, diese regelmäßig - mindestens in einem Zeitraum von zwei Jahren - zu überprüfen und neu aufzustellen.
10. Das trägerübergreifende Persönliche Budget ermöglicht - in der Regel als Geldbetrag - die Erbringung der verschiedenen den behinderten Menschen zustehenden Leistungen „aus einer Hand“, indem ein einzelner Leistungsträger alle erforderlichen Leistungen, einschließlich Leistungen anderer Träger, ausführt. Der Bericht der Bundesregierung weist darauf hin, dass bei Sachleistungen im gegliederten System des Rechtes der Rehabilitation und Teilhabe jedoch weiterhin unbefriedigende Schnittstellen bestehen. Zur erfolgreichen Umsetzung des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets sollte deshalb auch die Einbeziehung am Teilhabebedarf orientierter weiterer Sachleistungen angestrebt werden. Dazu zählen insbesondere die Leistungen zur Pflege, allgemeine Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und Leistungen der Integrationsämter. Der vorrangig verpflichtete Leistungsträger soll dabei seine Beauftragtenfunktion so wahrnehmen, dass für die Budgetnehmer/innen eine einheitliche und bedarfsgerechte Leistungserbringung sichergestellt ist.
11. Es ist zu prüfen, ob die gegenwärtige Grenzziehung zwischen den Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 54 SGB XII und im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe für seelisch behinderte Menschen nach § 35a SGB VIII hinsichtlich ihrer Ausrichtung, Effizienz und Bedarfsgerechtigkeit beibehalten oder verändert werden soll.
12. Die Soziale Pflegeversicherung hat zu einer besseren Versorgung vieler pflegebedürftiger Menschen geführt. Durch sie sind jedoch auch neue Schnittstellenprobleme entstanden, die noch weitgehend ungelöst sind. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit müssen weiterhin solidarisch finanziert werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sich an den Teilhabezielen des SGB IX orientieren, dass alle Träger die notwendigen Leistungen zur Verhinderung von Pflegebedürftigkeit erbringen (§§ 4 SGB IX, 5 SGB XI, „Reha vor Pflege“) und dass Pflegebedürftigkeit in keinem Fall dazu führen darf, dass erforderliche Leistungen zur Teilhabe nicht erbracht werden. Im Rahmen der Auswertung der Modellprojekte zum Persönlichen Budget ist besonders zu prüfen, ob Leistungen zur Pflege weiterhin nur als Sachleistungen erbracht werden können.
13. Seit dem 1. Januar 2005 erbringen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bundesagentur für Arbeit und die zugelassenen kommunalen Träger) nach dem SGB II die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige. Die zugelassenen kommunalen Träger (Optionskommunen) übernehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich die Rechte und Pflichten der Agenturen für Arbeit. Dies schließt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Klarstellung die Rechte und Pflichten eines Rehabilitationsträgers nach dem SGB IX ein.
Auch zugelassene kommunale Träger haben in ihrer Eigenschaft als Rehabilitationsträger nach dem SGB IX alle im Einzelfall erforderlichen Teilhabeleistungen so umfassend und vollständig zu erbringen, dass Teilhabeleistungen anderer Rehabilitationsträger nicht erforderlich werden.
Sollte sich in den weiteren Gesprächen der Bundesregierung mit den Optionskommunen und ihren Interessenvertretungen ein gesetzlicher Regelungsbedarf in Bezug auf eine Klarstellung
des Rehabilitationsträgerstatus zugelassener kommunaler Stellen und
der von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II in Verbindung mit dem SGB IX zu erbringenden Teilhabeleistungen
herausstellen, sind die erforderlichen Klarstellungen im Interesse der behinderten Menschen zeitnah im Zusammenhang mit einem geeigneten laufenden Gesetzgebungsvorhaben vorzugsweise des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vorzunehmen. In den Kreis der Rehabilitationsträger aufgenommen wird darüber hinaus die Pflegeversicherung. Es ist zu prüfen, ob die Integrationsämter als Rehabilitationsträger bestimmt oder ihnen weitgehend gleichgestellt werden sollen.
14. Die Praxis von Rehabilitation und Teilhabe muss bürgernah in der Kommune und der Region organisiert werden. Bereits jetzt schon ermöglicht das SGB IX den Rehabilitationsträgern und Integrationsämtern, Landesarbeitsgemeinschaften zur gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben zur Sicherung der Teilhabe behinderter Menschen zu bilden. Dadurch soll die erforderliche Kooperation und die gemeinsame Wahrnehmung der Aufgaben nach § 12 SGB IX sowie die bessere Umsetzung der Gemeinsamen Empfehlungen nach § 13 SGB IX hergestellt werden. Auch soll der Abschluss regionaler Rahmenverträge zur Standard- und Qualitätssicherung nach § 21 SGB IX zur Herstellung eines einheitlichen Leistungsgefüges damit besser ermöglicht werden.
15. Die im SGB IX geschaffenen Grundsätze können in den gegenwärtig vorhandenen Strukturen der Zusammenarbeit von Trägern und Leistungserbringern nur unzureichend umgesetzt werden. Die Verabredungen der Träger der Selbstverwaltung u.a. in gemeinsamen Empfehlungen müssen sehr viel stärker als bisher den Grundgedanken des SGB IX - Kooperation, Koordination und Konvergenz - Rechnung tragen und entsprechend Wirkung entfalten. Andernfalls sind strukturelle Änderungen notwendig. Die Koalitionsarbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen hält dann - orientiert an dem Gemeinsamen Bundesausschuss - die Bildung eines wirksamen und entscheidungsfähigen Gremiums unter Mitwirkung der Vertreter/innen chronisch kranker und behinderter Menschen für erforderlich. Die Leistungsträger sind zu vorbereitenden Gesprächen einzuladen.
16. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben sind für ihren Erfolg in besonderem Maße von lokalen und zielgruppenspezifischen Erfahrungen und regionalen Vernetzungen abhängig. Die Bundesagentur für Arbeit ist verpflichtet, ihren Aufgaben als Träger von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nachzukommen, indem sie Qualität und Kontinuität der Leistungen zur Berufsbildung und beruflichen Eingliederung für die betroffenen Menschen sicherstellt. Gemeinsam mit den Rehabilitationsdiensten und –einrichtungen sind Konzepte zu entwickeln und in Zielvereinbarungen umzusetzen, die ihnen eine mittelfristige Planungsperspektive gewährleisten.
17. Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dient als länder- und fachübergreifende einheitliche Sprache zur Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes und der Behinderung einer Person, sowie der Beeinträchtigung der Aktivitäts- und Partizipationsmöglichkeiten und der relevanten Kontextfaktoren. Die ICF bietet dabei die Grundlage, auf der die Träger Maßstäbe zur einheitlichen, zielgerichteten und wirksamen Leistungserbringung entwickeln müssen, um ihren gestellten Aufgaben wie auch den Zielen Koordination, Kooperation und Konvergenz gerecht zu werden. In den Prozess der Implementierung sind behinderte und chronisch kranke Menschen und ihre Verbände von Beginn an einzubeziehen und an der Umsetzung der Vorgaben zu beteiligen.
18. Bauliche und kommunikative Barrieren sollen bei der Leistungserbringung beseitigt werden. Dazu sollen die Sozialleistungsträger mit den Leistungserbringern vereinbaren, dass die Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt und frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren erbracht werden (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I).
19. Um die im SGB IX und BGG vorgesehene Beteiligung behinderter Menschen durch ihre Vertretungen (Behindertenbeauftragte, Behindertenbeiräte, Behindertenverbände, Deutscher Behindertenrat) besser zu ermöglichen, sollen Kompetenzzentren eingerichtet werden, die die Forschung und Lehre im Sinne der Barrierefreiheit und Teilhabe verbessern, notwendige Expertisen erstellen, sowie Ausbildung und Schulung der zu Beteiligenden und der Zielvereinbarungspartner vornehmen können. Dazu sollen unter Mitwirkung von Behindertenverbänden in Kooperation mit Hochschulen, Fachvereinigungen oder Projekten Kompetenzzentren zu den verschiedenen Bereichen der Beteiligung (z.B. Gesundheit, barrierefreies Bauen und Verkehr sowie Kommunikation, persönliche Assistenz und rechtliche Fragen im Hinblick auf Zielvereinbarungen) gebildet werden. Berlin, 21. Januar 2005