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Schmerzensgeldtabelle Schwintowski

Mark321

Mitglied
Registriert seit
3 Okt. 2021
Beiträge
66
Hallo liebe Forum-Mitglieder,

ich habe in naher Zukunft Schmerzensgeld zu erwarten und wollte fragen, ob mittlerweile überall so abgerechnet wird, wie es das Oberlandesgericht Frankfurt im Oktober 2018 gemacht hat? Nach der Literatur von Herrn Schwintowski.

Also pro Tag ein gewisser Prozentsatz des jährlichen durchschnittlichen Bruttoeinkommens.

Über eine Antwort würde ich mich freuen.


LG
Mark
 
Hallo Mark,

gehe mal davon aus, dass jedes Gericht das anders handhabt. Außerdem musst Du ja als Kläger ohnehin die Höhe des geforderten Schmerzensgeldes mit einer entsprechenden Begründung vorgeben. Ob das die Gegenseite auch so sieht und letztendlich der Richter so entscheidet steht auf einem anderen Blatt.

Herzliche Grüße vom RekoBär :)
 
Hallo Mark,

es gibt da ein PDF zum Herunterladen, auf dem zahlreiche Kritikpunkte der taggenauen Bemessung des Schmerzensgelds mit Zitaten aus Urteilen angeführt sind. Es gibt da m. E. einfach zu viele Unwägbarkeiten. Ganz krass ist der damit verbundene Gedanke, dass ein Geringverdiener für den erlittenen Schmerz einer z. B. gleichen Verletzung geringer entschädigt werden soll als ein Hochverdiener. Beim Schmerzensgeld soll es aber nicht darum gehen, eine Einbuße des Lebensstandards auszugleichen, wie etwa in der Gesetzlichen Unfallversicherung.

Da finde ich schon den pauschalierten Schadensausgleich nach § 31 BVG angemessener, über den wir im anderen Thread gesprochen haben.

"Das Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) dient dem Ausgleich für Schäden nicht-vermögensrechtlicher Art und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat (OLG Frankfurt a.M. Rn. 61)."

"Genugtuung" für den Geschädigten? Das würde dem Strafmonopol des Staates entgegenstehen. Wenn ich einsehe, dass der Schädiger, ein sympathischer Typ, nicht mit Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gehandelt hat, die Wunde mir in seelischer Hinsicht zwar nicht wehtut und ich keine Abneigung oder Hass auf den Unfallverursacher empfinde, sie aber wie Hölle schmerzt, steht mir etwa kein Schmerzensgeld oder weniger zu? Und bei Verkehrsunfällen zahlt ja i. d. R. auch nicht der Schädiger selbst sondern die HPV des Fahrzeughalters.

"Die Vereinigten Großen Senate des BGH haben am 16.09.2016 (VGS 1/16) entschieden, dass alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Seiten können dabei nicht von Vornherein ausgeschlossen werden (OLF FfM Rn. 62)."
Klar, der Millionenerbe als Fahrzeughalter muss mir einfach mehr zahlen, wenn sein Chauffeur mich versehentlich umgemäht hat, als er einer Katze ausweichen wollte. Das ist einfach sozial gerecht!:confused:

"Die Erfahrungen des Senats zeigen, dass die Bemessung des Schmerzensgeldes in geradezu extremer Art und Weise von der persönlichen Situation des erkennenden Richters, den Vorstellungen, die der RA des Geschädigten äußert und auch von dem Landstrich abhängt, indem sich das Gericht befindet (OLG FfM Rn. 65)."
Und Würfeln ist einfach sicherer; da gilt, was "oben liegt". Und genau so kommt es: der Geschädigtenanwalt, der einfach eloquenter labert und sich mit "Herr Rechtsanwalt von..." anreden lassen kann, holt mehr raus! Es ist unmöglich, bei der Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe objektiv zu sein, dafür hängt sie von zu vielen unwägbaren Faktoren und der Fähigkeit des Geschädigtenanwalts ab die Waagschale so lange mit ungewissen Möglichkeiten zu füllen, bis der Richter vom Stuhl fällt.

Grüße

KoratCat
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo RekoBär, hallo KoratCat,

vielen Dank für eure Antworten.


LG
Mark
 
Grüß Euch alle hier!

01
CoratKat hatte eine interessante Idee, dass der Genugtuungsgedanke etwas mit dem Strafmonopol des Staates zu tun hat. Früher hieß es manchmal: "Der Täter wurde zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt. Damit hat der Geschädigte schon etwas Genugtuung". Der BGH hat dem aber vor etlichen Jahren ein Ende bereitet. Es hilft dem Opfer auch nicht, dass der Täter eingekerkert ist.

02
Der BGH spricht bei dem Genugtuungsgedanken von "dem Ausdruck eines verfeinerten Rachegedankens"! Das habe ich nie verstanden. Denn wenn ich nach Rache dürste, dann ist's bei mir jedenfalls mit der Verfeinerung vorbei. Da habe ich -wie wohl jeder andere Mensch auch- den hoffentlich bald gezähmten Wunsch, dass jetzt da drüben mal der Blitz einschlägt, aber: Aber gründlich!
Vielleicht verstehe ich auf meiner Insel am Polarkreis aber auch die deutsche Seele nicht so richtig.

03
Jedenfalls: Ich kann schon verstehen: Es macht einen Unterschied, ob man nur Opfer einer Sekunden kurzen Unaufmerksamkeit geworden ist: Oder ob man böswillig, aus reinem Übermut einfach zusammengeschlagen worden ist. Dass dieser Schläger das Doppelte bis das Dreifache des sonst Üblichen zahlt, nun....ich kann darin kein großartiges Unrecht sehen.

ISLÄNDER
 
hallo,

wenn ich unqualifiziert die beiden insider mal kommentiere und gleich der ausgangsfrage etwas entgegensetze, die da heisst "pro Tag ein gewisser Prozentsatz des jährlichen durchschnittlichen Bruttoeinkommens": nein, das kann ich mir nicht vorstellen. das hiesse ja, dass derjenige, der kein einkommen hat, gewinnt - auch wenn zb eine versicherung dafür einzustehen hätte. es widerspräche auch dem grundsatz der "billigen entschädigung", denn sie hat andere kriterien. man kann es jedenfalls nicht mit dem strafmonopol des staates gleichsetzen, im gegenteil. auch wenn die kriterien vorsatz, fahrlässigkeit eine rolle spielen (und ob das richtig ist, scheint mir zweifelhaft, wie auch die unterscheidung zur leistungsfähigkeit des schädigers). es geht hier nicht um ein abstaktes strafbedürfnis in anlehnung an den schädiger, sondern um die subjektive persönliche hinnahme eines lebenssituation.

im übringen hätte ich zur berechnung einen völlig anderen (jedenfalls angepassten) modus.


gruss

Sekundant
 

Hallo Isländer,


Der BGH hat dem aber vor etlichen Jahren ein Ende bereitet. Es hilft dem Opfer auch nicht, dass der Täter eingekerkert ist.

meinst Du vielleicht diese Änderung des BGH aus Haufe.de:

Seit dem Jahre 1990 ist die maßgebliche Vorschrift für die Zuerkennung von Schmerzensgeld aus dem Deliktsrecht heraus genommen und unter einer im wesentlichen neu gestalteten Bestimmung ins Allgemeine Schuldrecht des BGB als § 253 aufgenommen worden.

Daneben finden sich Sonderregelungen in § 11 S.2 StVG, § 6 Satz 2 HaftPflG, § 87 S. 2 ArzneimittelG, § 36 Satz 2 LuftVG, § 8 S. 2 ProdHaftG und in weiteren Spezialgesetzen.

Obwohl immaterielle Schäden das Leben eines Menschen oft stärker beeinträchtigen können als materielle, fallen die von der Rechtsprechung zuerkannten Entschädigungsbeträge im internationalen Vergleich in Deutschland immer noch eher gering aus.

Gruß Bobb
 
Hallo Sekundant,

hier aus haufe.de:
(OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 18.10.2018, 22 U 97/16)

Auszug aus obigem Link:
  • Das Besondere an der Entscheidung des Oberlandesgerichts:
  • Es wandte als erstes Oberlandesgericht eine neue Methodik zur Berechnung von Schmerzensgeld an.
  • Anders als bisher üblich, orientierte sich das OLG nicht an tabellenmäßig erfassten Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte.
Die neue Berechnung basiert auf dem jährlichen durchschnittlichen Bruttonationaleinkommen je Einwohner, das auf einen prozentual ausgedrückten Tagessatz runtergerechnet wird. Die Daten stammen vom Statistischen Bundesamt.

Gruß Bobb

PS: Wie das die anderen Gericht handhaben, bleibt wohl offen. Wäre für mich persönlich aber auch interessant, da meine SG ins Ermessen des Gerichtes gestellt wurde.
 
Hallo CoratKat,

Deine PDF von P. Schwintowski zum Herunterladen ist sehr hilfreich. Habe diese erst jetzt gesehen. Werde ich mal meinem Anwalt unter die Nase reiben :)
Im übrigen bin ich persönlichen der Meinung, dass Schmerzen für jeden gleich "teuer" sein sollten. Warum sollte ein Millionenerbe einem Geschädigten mehr zahlen müssen?

Gruß Bobb
 
Grüß Euch alle hier!

Eine heiße Debatte ist das hier!

01
Die Bestrafung des Täters durch den Staat mit Geldstrafe oder Gefängnis hat der BGH schon im Urteil vom 16.01.1996, Aktenzeichen VI ZR 109/95 entschieden. Demnach hat das strafrechtliche Verfahren mit der Genugtuung zu Gunsten des Geschädigten praktisch nichts mehr zu tun.

02
Dieses BGH-Urteil hat nichts damit zu tun, dass das Schmerzensgeld jetzt vorne in § 253 im BGB und nicht mehr hinten im § 847 BGB zu finden ist. Das kann erst Jahre später.

03
die Berechnungsart des Oberlandesgerichts Frankfurt hat sich, soweit ich sehe, nicht allgemein durchgesetzt. Gerichte vermeiden es wieder Teufel das Weihwasser, genaues dazu zu sagen, wie der Schmerzensgeld berechnet wird. Die Faktoren, die das Schmerzensgeld beeinflussen, sind bekannt, das schon.

Aber eine verbindliche Tabelle, welcher Faktor welches Gewicht hat, die gibt es nicht.

03
Es kommt nicht nur auf die Verletzungen an und die Verletzungsfolgen. Es kommt auch darauf an, wie es zu den Verletzungen gekommen ist.

Das liegt daran:

(a)
Wer eine Verletzung verursacht hat durch leichte Fahrlässigkeit, „ein Augenblick nicht aufgepasst, schon ist es passiert“ trägt eine andere Menge an Schuld für die Folgen als derjenige, der erheblich betrunken, aber "nur" grob fahrlässig einen Unfall verursacht.

(b)
Bereits grobe Fahrlässigkeit führt zu einem erhöhten Genugtuungsbedarf und zu einem Zuschlag. Ganz grob, kann man in der Regel sagen: Zuschlag ist = 50-100 % auf das, was bei leichter Fahrlässigkeit geschuldet wäre. Wobei ich vermute, dass bei grob fahrlässigen Unfällen aufgrund eines illegalen Autorennens sich die Summen noch nach oben begeben.

(c)
Erst recht führt Vorsatz bei der Körperverletzung zu einem Zuschlag. Glücklicherweise ist es mit der Rechtsprechung vorbei, die eine Weile lang im nördlichen Deutschland aufgefallen ist: da meinte man es reiche aus, einen Zuschlag von 20-30 % zudem, was bei leichter Fahrlässigkeit üblich sei. Das wurde dann doch als Belohnung für Schläger wahrgenommen. Merkwürdigerweise war es schon damals im Süden anders. Je näher man an die Alpen rückte, desto größer wurde der Zuschlag. Inzwischen hat sich allerdings auch das geändert. Vorsätzlich zusammengeschlagen? Das macht den doppelten bis dreifachen "Tarif".

(d)
Nicht nur die Verursachung spielt eine Rolle. Es kann auch eine Rolle spielen, dass nach der Tat Böses geschieht:

Stellt ein Gericht fest, dass es kein Motiv mehr gibt, sich vernünftigerweise gegen Schmerzensgeld zu wehren, liegt also nachgewiesene Böswilligkeit vor, dann erhöht auch das das Schmerzensgeld.

(e)
Die Verletzungsfolgen allein sind es also nicht.

ISLÄNDER
 
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