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Recht des Versicherten auf Geheimhaltung von Arztberichten

seenixe

Super-Moderator
Mitarbeiter
Registriert seit
31 Aug. 2006
Beiträge
8,874
Ort
Berlin
Hallo,
Immer wieder gibt es Diskussionen, wie man mit medizinischen Únterlagen, die nicht in die entsprechenden Verfahren passen, umgehen muß. Hier eine Möglichkeit und die entsprechenden Erläuterungen.

Bei dem nachfolgenden Urteil geht es um die grundsätzliche Frage, ob ein Versicherter das Recht hat, bei einem Leistungsträger gespeicherte Arztberichte einer weiteren Nutzung zu entziehen.
Das Sozialgericht Hamburg hat rechtskräftig festgestellt, daß ein Widerruf der abgegebenen Schweigepflichtsentbindungserklärung zumindest eine Sperrungspflicht auf Seiten des Leistungsträgers auslöst. Die Sperrung hat so zu erfolgen, daß eine Nutzung der Unterlagen nicht mehr möglich ist, also z.B. dadurch, daß sie in einem verschlossenen Umschlag in einer seperaten Akte aufbewahrt werden. Die Anbringung eines Sperrvermerkes genügt nicht. Die Bedeutung dieses Urteils ist darin zu sehen, daß für Versicherte somit die Möglichkeit besteht unrichtige oder zweifelhafte Arztberichte, auch solche von Ärzten der Leistungsträger, einer weiteren Nutzung zu entziehen, denn auch diese unterliegen der Ärztlichen Schweigepflicht. Hierzu genügt der Widerruf der abgegebenen Schweigepflichtserklärung und ein entsprechendes Sperrungsverlangen. Wenn der Leistungsträger dem Sperrverlangen nicht nachkommen will, empfiehlt sich ein Widerspruch mit anschließender Unterlassungsklage, die gute Erfolgsaussichten hat. Desweiteren kann, um derartige Klagen zu vermeiden, grundsätzlich nur davor gewarnt werden pauschale Schweigepflichtsentbindungserklärungen gegenüber Leistungsträgern abzugeben. Hier empfiehlt sich eine selektive Vorgehensweise nach 182 BGB. Es besteht nämlich für den Antragsteller von Sozialleistungen grundsätzlich die Möglichkeit eine Schweigepflichtsentbindung gegenüber dem behandelnden Arzt erst dann abzugeben, wenn die Auskunft gemäß 100 SGB X vorliegt, der Patient und Antragsteller sie also kennt und geprüft hat. Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten ist darin nicht zu sehen.
Auch gegenüber den Ärzten der Leistungsträger muß, so eine wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema, der Antragsteller eine Schweigepflichtsentbindungserklärung abgeben, damit dieser Arzt dem Leistungsträger berichten darf. Sie sollte gemäß 182 BGB erst dann abgegeben werden, wenn Inhalt des ärztlichen Gutachtens bekannt und geprüft ist.
Das Urteil ist im angegebenen Umfang rechtskräftig.

Recht des Versicherten auf Geheimhaltung von Arztberichten
Sozialgericht Hamburg, S 9 RJ 834/98 v. 07.08.1998 rechtskräftig

1. Die Beklagte wird verurteilt, die in der Gutachtenakte enthaltenen gesperrten Sozialdaten von den übrigen zu trennen und besonders abzusichern.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Zum Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers, die in der Gutachtenakte der Beklagten enthaltenen gesperrten Daten von jeglicher Nutzung auszunehmen.
Dem Kläger wurde vom Mai 1990 bis Juli in der privat betriebenen Klinik A. in H. antragsgemäß eine achtwöchige medizinische Rehabilitation gewährt. Der leitende Arzt der Klinik A., Prof. Dr. med. B. übersandte nach Beendigung der Rehabilitation ohne vorherige schriftliche Schweigepflichtsentbindungserklärung des Klägers einen ausführlichen "Ärztlichen Entlassungsbericht" an die Beklagte. Im Februar 1993 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die ihm nach Untersuchung durch den nicht bei der Beklagten angestellten Facharzt Dr. C. unter Auswertung des Berichtes der Klinik A. in H. sowie der aufgrund der vorformulierten Schweigepflichtsentbindungserklärung vom Febr. 1993 übermittelten Arztberichte des Krankenhauses B in Hamburg mit Bescheid vom Nov. 1993 auf Dauer gewährt wurde. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit dem Ziel der Gewährung einer EU-Rente auf Zeit sowie wegen Nichtberücksichtigung freiwilliger Beiträge zur Höherversicherung Widerspruch ein.
Unter Berücksichtigung der Beiträge zur Höherversicherung erließ die Beklagte einen weiteren Rentenbescheid. Dagegen erhob der Kläger Klage mit dem Ziel, eine Rente auf Zeit zu erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom Nov. 1995 nahm die Beklagte nach Anhörung des bei ihr festangestellten Arztes Dr. D. den Rentenbescheid vom Nov. 1993 zurück und erkannte den Anspruch auf Zeitrente bis zum 31.01.1998 an. Mit Ausführungsbescheid vom Jan. 1996 gewährte sie dem Kläger wunschgemäß eine Rente auf Zeit bis zum 31.01.1998.
Am 12.10.1995 beantragte der Kläger die Gewährung einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme in Form der Finanzierung des im Wintersemester 1995/96 aufgenommenen Studiums an der Hochschule A. in Hamburg. Im Rahmen dieses Antrages erklärte sich der Kläger nicht bereit, eine vorformulierte Schweigepflichtsentbindungserklärung der Beklagten zu unterzeichnen. Mit Schreiben vom 27.10.1995 erklärte der Kläger unter Berufung auf sein informationelles Selbstbestimmungsrecht, eine Schweigepflichtsentbindung nur gegenüber ihm namentlich genannten Ärzten zu erteilen und einer weiteren Datenübermittlung nur im Einzelfall zuzustimmen; im übrigen bat er um Akteneinsicht, die ihm im April 1996 gewährt wurde. Mit Fax vom Juni 96 bestritt der Kläger die Richtigkeit der in der Gutachtenakte der Beklagten enthaltenen Unterlagen und der darin gestellten Diagnosen, da sie nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Meinung und Forschung entsprechen würden, und beantragte die Berichtigung bzw. Sperrung seiner medizinischen Sozialdaten gem. 84 SGB X. Mit Schriftsatz vom Sept. 1996 wies die Beklagte darauf hin, daß die Weitergabe der Gutachtenakte an die ärztliche Abteilung eine Weitergabe von Daten gem. 67 Abs. 7 SGB X sei, mithin ein Widerspruchsrecht nicht bestehe. Vielmehr sei die Nutzung gem. 67 Abs. 7 SGB X innerhalb der speichernden Stelle gem. 67 c SGB X zur Beurteilung der Entwicklung des Krankheitsprozesses sowie der Vermeidung von Doppelbegutachtungen zulässig.
Daraufhin erwiderte der Kläger mit Schriftsatz vom 29.10.1996, daß hinsichtlich des Entlassungsberichtes der Klinik A. in H. eine unbefugte Offenbarung gem. 203 StGB, 100 Abs. 1, 84 Abs. 2 Satz 1 SGB X und hinsichtlich des Gutachtens von Dr. C. eine unbefugte Offenbarung gem. 203 StGB, 79, 100 SGB X erfolgt sei, so daß die Daten zu löschen bzw. zu vernichten seien. Gleichzeitig widerrief er seine Schweigepflichtsentbindung bzgl. der Beiziehung der Arztberichte aus dem Krankenhaus B. in Hamburg und beantragte deren Sperrung.
Mit Schreiben vom 11.11.1996 fertigte die Beklagte folgenden Sperrvermerk und stellte diesen auf B1. 1 der Gutachtenakte den nachfolgenden Daten voran und wies auf dem Aktendeckel der Gutachtenakte auf den Sperrvermerk, B1. 1 besonders hin: "Bitte beachten Sperrvermerk:
Der Versicherte hat im Rahmen des Verwaltungsverfahrens aufgrund eines Antrages auf berufsfördernde Leistungen vom Oktober 1995 einen Antrag auf Sperrung bezüglich in dieser Gutachtenakte gespeicherter Daten gestellt bzw. deren Richtigkeit bestritten. Hiervon erfaßt sind die Arztberichte aus dem Krankenhaus B. auf folgenden Seiten der Gutachtenakte: Blatt 14-27"
Ferner wies sie auf die Bedeutung der Sperrung hin. Die einzelnen Krankenberichte des Krankenhauses B, erhielten keinen entsprechenden Vermerk. Bezüglich der Sperrung bzw. Löschung des Entlassungsberichtes der Klinik A. in H. sowie des Gutachtens des Dr. B. strengte der Kläger eine einstweilige Anordnung so wie eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Hamburg an.
Am 07.02.1997 schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich:
1. Die Beklagte erklärt sich bereit, auf dem Entlassungsbericht der Klinik A. in H. und auf dem Gutachten von Dr. B. einen Hinweis anzubringen, daß Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose bestehen.
Zusätzlich ist den genannten med. Unterlagen das Attest von Frau Dr. E. vom Dez. 1996 voranzustellen.
2. Die Beklagte erklärt sich weiter bereit, auf den unter 1 genannten Unterlagen einen weiteren Sperrvermerk dahingehend aufzunehmen, daß diese Unterlagen an andere Leistungsträger oder sonstige Dritte nicht übermittelt werden.
3. Die Beklagte wird insoweit den Widerruf hinsichtlich der Einwilligungserklärung, die im Rahmen des Rentenantrages abgegeben wurde, beachten."
Dem kam die Beklagte nach, indem sie folgenden Sperrvermerk auf B1. 1 a) der Gutachtenakte anbrachte:
" Bitte beachten !
Sperrvermerk:
Der Versicherte hat die Richtigkeit der Diagnosen in dem Entlassungsbericht der Klinik A in H. sowie dem Gutachten von Herrn Dr. C unter Hinweis auf das diesem Vermerk angeheftete Attest von Frau Dr. E. bestritten. Insofern erfolgt der Hinweis (gem. 84 Abs. 1 Satz 2 SGB X), daß Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose bestehen. Der Kläger hat seine im Rahmen des Rentenantrages abgegebene Einwilligungserklärung zur Anforderung und Übermittlung von ärztlichen Untersuchungsunterlagen widerrufen. Aus diesem Grunde wird ein Sperrvermerk dahingehend aufgenommen, daß weder der Entlassungsbericht der Klinik A. noch das Gutachten von Dr. C an andere Leistungsträger oder sonstige Dritte übermittelt werden dürfen. "
Mit seiner im Mai 1998 erhobenen Klage begehrte der Kläger u.a., der Beklagten den Umgang bzw. die Nutzung der in der Gutachtenakte gesperrten Sozialdaten, dem Entlassungsbericht der Klinik A. in H., dem Gutachten des Dr. C. sowie den Entlassungsberichten des Krankenhauses B in H. zu untersagen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Nutzung der in der Gutachtenakte gesperrten Daten zu unterlassen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozeßakte der Kammer, die Renten-, Reha- und Gutachtenakte der Beklagten verwiesen, die vorliegen und zum Gegenstand der Entscheidung gemacht werden.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.
Gegen die Zulässigkeit der Unterlassungsklage bestehen keine Bedenken (vgl. BSG Urteil vom 25.10.1978, Bd. 47, S. 118, 119). Sie ist ein Unterfall der in 54 Abs. 5 SGG genannten "echten" Leistungsklage, die auf das Unterlassen einer Amtshandlung gerichtet ist, die nicht in Form eines Verwaltungsaktes zu ergehen hat. Die für das qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis bei Unterlassungsklagen auch im öffentlichen Recht erforderliche Wiederholungsgefahr für die Rechtsbeeinträchtigung (vgl. BSG Urteil vom 28.01.1993 Az. 2 RU 8/92) ist im vorliegenden Fall gegeben, weil die Beklagte auch in Zukunft das Recht auf
Weitergabe der Gutachtenakte von der Renten- bzw. RehaAbteilung zur Abteilung ärztlicher Dienst mit den darin enthaltenen gesperrten Daten für sich in Anspruch nimmt.
Die Unterlassungsklage ist auch hinsichtlich der gesperrten Daten begründet. Denn die Kennzeichnung der gesperrten Sozialdaten durch Einfügen eines Sperrvermerkes, ohne das die Nutzung der betreffenden Sozialdaten wirksam durch Trennung und besondere Absicherungsvorkehrungen gegen eine unbefugte Nutzung verwahrt wird, genügt nicht.
"Sperren" gem. 67 Abs. 6 Ziff. 4 SGB X bedeutet das vollständige oder teilweise Untersagen der weiteren Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten durch entsprechende Kennzeichnung. "Nutzen" im Sinne des 67 Abs. 7 SGB X ist wiederum jede Verwendung von Sozialdaten, soweit es sich nicht urn Verarbeitung handelt, auch die Weitergabe innerhalb der speichernden Stelle. Zur wirksamen Durchsetzung der Sperrung der Sozialdaten ist es aus Sicht der Kammer erforderlich, die gesperrten Daten von den übrigen zu trennen und sie im Sinne des 78 a SGB X besonders abzusichern ( so auch Krahmer, Sozialdatenschutz, 996, 67 Rdnr. 15).
Abweichend von 3 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) hat der Gesetzgeber in 67 Abs. 6 Nr. 4 SGB X geregelt, daß der Schwerpunkt beim Sperren auf dem Untersagen der weiteren Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten liegt und nicht auf einer entsprechenden Kennzeichnung. Zwar erfolgt im Rahmen des BDSG die "Kennzeichnung" durch einen Sperrvermerk. Der Kläger kann eine wirksame Sperrung seiner Sozialdaten im Sinne des SGB X jedoch nur durchsetzen und einer unbefugten Nutzung durch z.B. unbefugtes Lesen (was kaum nachzuweisen, aber menschlich nicht auszuschließen ist) entgegenwirken, wenn sie getrennt von den sonstigen in der Gutachtenakte enthaltenen Sozialdaten aufbewahrt werden. Nach Auffassung der Kammer ist es in Anlehnung an die Regelungsgedanken der 67 Abs. 3, 78 a SGB X nicht mit unvertretbarem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft verbunden, auch bei einer Nutzung der Sozialdaten innerhalb der
speichernden Stelle eine mögliche Trennung (z.B. geschlossener Umschlag etc.) wie für den Bereich der Übermittlung von Sozialdaten gem. 67 d Abs. 3 SGB X vorzunehmen. Für eine Trennung der gesperrten Daten spricht im übrigen auch die aus 35 Abs. 1 Satz 2 SGB I abzuleitende Forderung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, daß die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Dieser Schutz im Innenbereich einer speichernden Stelle kann aber nur durch entsprechende positive Vorkehrungen erreicht werden, um den Sozialdatenschutz sicherzustellen (Rasmussen, Der
Schutz medizinischer Daten im Sozialdatenschutz, NZS 1998, S. 67, 68).
Die Beklagte hat zu recht die Arztberichte des Krankenhauses B. in H. mit einem Sperrvermerk versehen, denn der Kläger hat nach der erfolgten Erstübermittlung, die noch auf der Schweigepflichtsentbindung vom Febr. 93 beruhte, seine Einwilligung widerrufen.
Grundsätzlich kann eine Einwilligung, die den behandelnden Arzt zur Auskunft ermächtigt (vgl. 100 Abs. 1 Nr. 2 SBG X), jederzeit für die Zukunft widerrufen werden (Schröder-Printzen in Schröder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/ von Wulffen, SGB X, 3. Aufl., 100 Rdnr. 9, 67 b Rdnr. 4). Dies macht zwar die Übermittlung der Arztberichte nicht rechtswidrig, denn diese war durch die Einwilligung gedeckt. Für die Zukunft wäre jedoch eine weitere Speicherung unzulässig, da die Voraussetzungen der zulässigen Datennutzung nach 67 b Abs. 1 SGB X nicht mehr vorliegen. Die Beklagte hat jedoch die Daten - zunächst
unbeanstandet - mit dem Sperrvermerk vom Nov. 1996 versehen, da dem Kläger auf der Grundlage dieser Daten eine Rente gewährt wurde ( 84 Abs. 3 Nr. 2 SGB X). Über den diesbezüglichen Antrag des Klägers auf Löschung bzw. Herausgabe der Arztberichte des Krankenhauses B. in H. hat die Beklagte noch nicht abschließend entschieden; dieser Streit ist Gegenstand des Rechtsstreits S 9 RJ 527/98.


Gruß von der Seenixe
 
Hallo seenixe,

vielen Dank für die Einstellung des Urteils, obwohl es mir schon seit etlichen Jahren bekannt ist.

Das Problem, explizit betreffend der Schweigepflichtsentbindungen, insbesondere der allgemeinen Schweigepflichtsentbindung wird hervorragend rechtlich dargestellt. Das weitere Problem nur, ist, dass die meisten Sozialleistungsträger sich nicht daranhalten, (hier: Rentenversicherer, Krankenkassen, Jobcenter, etc.) und die Antragsteller und Probanden die Rechtslage nicht bzw. nicht genügend kennen.

Die wenigsten wissen doch, dass auch unter den Ärzten die Schweigepflicht gilt. D. h., kein Arzt darf ohne die Einwilligung des Patienten, einem anderen Arzt gegenüber dessen Krankheitsdiagnosen offenbaren. Aber, die Praxis sieht ganz anders auch. D.h., es wird ohne Einwilligung offenbart, und der Patient oder Proband erfährt noch nicht einmal davon. Das ist die Realität.

In Verfahren der gesetzl. Rentenversicherung und auch immermehr jetzt bei den gesetzl. Krankenkassen wird der Sozial- u. Gesundheitsdatenschutz mit Füssen getreten. Bienenfleissige SachbearteiterInnen, vertreten hier Rechtsauffassungen, dass einem die Haare zu Berge stehen. Jetzt selber wieder innerfamiliär erlebt, in einem Widerspruchsverfahren gegen die gesetzl. Pflegeversicherung. Mir wurde telefonisch Auskunft über die Daten meiner Eltern gegeben, ohne zu wissen, wer am anderen Ende der Leitung mit Ihnen telefonierte. Und dies ist kein Einzelfall.

In einem Sozialverwaltungsverfahren gelten für alle Sozialgesetzbücher, die einschlägigen Paragrafen des SGB I - SGB XII. Verfahrensrechtlich insbesondere das SGB I und die Mutter aller SGB´s das SGB X. Ich habe es aber über all die Jahre, indenen ich Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigter für meine Frau war, es nie erlebt, indem ich auf das Widerspruchsrecht gem. § 100 SGB X i.V.m. § 76 SGB X aufmerksam gemacht worden wäre. Denn kaum ein praktizierender Hausarzt weiss um diese Tatbestände, und die med. SV sind schlau genug, die Kollegen HausärztInnen hierüber auch nicht aufmerksam zu machen. Ergo der Patient, der Proband, wird schon im Verwaltungsverfahren ausgetrickst bzw. bleibt schon auf der Strecke, weil er um seiner Rechte oftmals nicht weiss, oder schlecht beraten oder der zustehenden Auskunftspflicht "schlicht und ergreifend" von den Sozialleistungsträger nicht nachgekommen wird.

Ganz gravierend, wird gegen den Sozialdatenschutz in sozialgerichtlichen Verfahren verstossen, indem die SG ohne Einwilligung der Klägerpartei und ohne Schweigepflichtsentbindung, die gesamten Unterlagen einschliesslich der Gutachtenakte der Verwaltung, den ernannten med. SV zukommen lassen. Obwohl das BVerfG mit seinem Urteil, das med. Selbstbestimmungsrecht als Grundrecht deklariert hat, verstossen in aller Regel gegen besseres Wissen, Sozialgerichte verfahrensrechtlich gegen den Datenschutz, insbesondere gegen den Sozialdatenschutz. Denn es gilt auch in SG-Prozessen, dass nur eine auf den Einzelfall ausgestellte Schweigepflichtsentbindung erforderlich ist, und nicht eine allgemeine Schweigepflichtsentbindung erzwungen werden kann. Aber wieviel KlägerInnen legen sich wegen einer gerichtlich erzwungenen Schweigepflichtsentbindung mit dem erkennenden SG an.

Entgegen aller Beteuerungen wird der Datenschutz als solcher, insbesondere der Sozial- bzw. Gesundheitsdatenschutz weiterhin mit Füssen getreten werden, insbesondere dann, wenn die Sozialleistungsträger ihre Interessen durchsetzen wollen. Dies ändert auch nicht viel daran, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte, Herr Schaar, hier wirklich ausgezeichnete Arbeit leistet, die Landesdatenschutzbeauftragte ebenfalls. Das Problem ist und bleibt, dass Verstösse gegen den Sozialdatenschutz von den betreffenden Sozialleistungsträger immernoch als "Kavaliersdelikte" angesehen werden. Die landläufige Meinung, der "Zweck heiligt die Mittel" ist immernoch weitverbreitet in den Sozialbehörden, trotz des gesetzl. verankerten Datenschutzes. Hier gilt es aber anhand des o. a. Urteils und den verfahrensrechtlich sehr guten Erläuterungen, trotz widriger Umstände, auf dem Rechtsanspruch des Schutzes seiner "persönlichen Daten" beharrlich zu bestehen.

Gruss
kbi1989
 
Hallo Kbi,
meine Erfahrung ist aber auch, das die beauftragten Anwälte einen auf diese Rechtslage nicht hinweisen.

Damit wird dem Kläger nach meiner jetzigen Erfahrung ein wichtiges Instrument entzogen!

Wie schrieb Seenixe,Zitat: „Auch gegenüber den Ärzten der Leistungsträger muß, so eine wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema, der Antragsteller eine Schweigepflichtsentbindungserklärung abgeben, damit dieser Arzt dem Leistungsträger berichten darf. Sie sollte gemäß 182 BGB erst dann abgegeben werden, wenn Inhalt des ärztlichen Gutachtens bekannt und geprüft ist.“

Könnten Wir das Gutachten erst auf seine Vollständig –und Richtigkeit prüfen, wäre so manches Gutachten nicht an den Leistungsträger gegangen.

Interessant wäre es wirklich zu erfahren, welche Anwälte ihre Mandanten darauf hingewiesen haben

Gruß
Fuchs
 
Hallo Fuchs,

Interessant wäre es wirklich zu erfahren, welche Anwälte ihre Mandanten darauf hingewiesen haben

Keiner meiner Anwälte hat das getan. Nur einer hat sich sofort vehement ins Zeug gelegt, als er von einem Arztbrief-Inhalt aus den Schreiben der Gegenseite erfuhr, von dem nicht einmal wir eine Ahnung hatten. Wie also hätte man diesen Schund-Inhalt zur Verwendung verhindern können?

Ich habe erst von der Möglichkeit erfahren, dass man ein Gutachten nicht verwerten dürfe, durch dieses Forum, wenn man das aus der Akte entfernen ließe, aber auch das ist ja erst möglich, wenn man von diversen Schriftstücken weiß.

Man gibt normaler Weise seine Vollmacht an die Behörden, die dann Arztberichte und auch Kurarztberichte und auch von KK einsammeln können.

Wenn man zur fachärztlichen Untersuchung ist, dann wird gefragt, an wen solle man den Arztbrief schicken. Ich wusste auch das nicht, dass man diese Arztbriefe auch an sich selbst schicken lassen kann, weil ein Arzt meinte, ich könne damit sowieso nichts anfangen. So landen Schund-Arztbriefe bei Ärzten, die man als Behandler angegeben hatte, dann doch plötzlich bei der Behörde (BG), ud dann beim Versicherer, weil man dem ja auch eine Vollmacht gegeben hat, bei Ärzten Dokumente einzusammeln..

Mein gesamter Prozessverlauf wäre damals anders verlaufen, hätte ich von diesem Gesetz gewusst. Heute nützt mir so ein ärztlicher Schundbrief sogar für meine Argumentationen gegen Versicherungs begünstigte Ärzte.

Ergo:
Arztbriefe zuerst an sich selbst schicken lassen. Wenn diese nicht zu bemängeln sind, dann erst das Ok geben, für Weitergabe an Versicherer, Behörde, andere Ärzte, ... .
Dann kann das nicht passieren, dass Ärzte Dokumente raus geben, die mehr Schund sind, als korrekte Dokumentation.
Außerdem kann man dem Arzt selbst mitteilen, welche der Dokumentationen nicht weitergeleitet werden dürfen, also seiner besonderen absoluten Schweigepflicht unterlegen, auch wenn sonst wer mit Vollmacht daher kommt. Manchmal hat man im Prozessverlauf als kognitiv Gestörter keinen Überblick mehr, wer alles eine Vollmacht für was alles von einem bekommen hat. Man lernt nie aus!

Gruß Ariel
 
Hallo,

ich finde es gut, dass so wichtige Dinge auch wenn sie schon älter sind wieder erscheinen, schon allein weil es immer wieder Neue (wie mich) gibt die sich im Forum schlau machen. Man kann nicht wissen was es schon gab und alles lesen -au-

Vieleicht hab ich was überlesen oder nicht verstanden
aber hat die BG zum Beipiel ein Anrecht alle Artzbriefe zu bekommen

Gruß Würmchen
 
Hallo Fuchs,

nenn das Thema Rechtsanwälte nicht. Wären die beiden mandantierten RA´e meiner Frau - einer sogar FA für das Sozialrecht - verfahrensrechtlich auf der Höhe der Zeit gewesen, hätte ich mich nicht jahrelang in die Materie einlesen müssen.

Das Thema Rechtsanwälte - ist ein allumfassendes Thema. Allein schon die Bezeichnung Fachanwalt, sagt über die Qualität einer(s) RA(in) noch garnichts aus. Die Bezeichnung Fachanwalt kannst du in einem Crash-Kurs mit max. 20 Std. bei der Anwaltskammer erwerben, und dann dich als solcher selber öffentlich bezeichnen.

Nein, FA für....das Recht ist in meinen Augen leider oftmals eine Farce.....Denn der Anwalt erbringt nur eine beauftragte Dienstleistung, keine Garantieleistung. Und was die Inhalte der Gutachten und deren verfahrensrechtliche Bewertung anbelangt, haben die wenigsten Ahnung bzw. den Mut gegen "Schlechtachter" sachkundig und rechtlich vorzugehen. Zitat: "wir besitzen nicht das Know-how gegen med. SV vorgehen zu können".

Ein Beispiel: indem damals anhängigen Verfahren meiner Frau ging es u. a. auch um ein chronisches Schmerzsyndrom. Mein Ansinnen an den damals mandantierten FA für Sozialrecht, er möge doch die Schmerzsystematik in den Schriftsätzen an das Gericht offenbaren, wurde abschlägig beschieden......ach, wissen Sie, so seine damalige Antwort: "Schmerzen interessieren die Sozialgerichte nicht. Die sind nicht beweisbar, das führt zu nichts".

Dass das BSG, was die Schmerzsystematik anbelangt, schon mehrere grundsätzliche Entscheidungen getroffen hatte, war damals und mit Sicherheit auch heute noch, dem ehemals mandantierten Anwalt nicht bekannt.

Ergo, also gilt wie damals auch heute noch meine Devise......selbt ist die Frau oder der Mann......wenn es um die eigenen Rechte geht!

Gruss
kbi1989
 
@kbi1989,
dem kann ich nur zustimmen!
 
Hallo Kbi,
da gebe ich Dir vollkommen Recht!

Jetzt ich habe noch mal eine Frage an Dich oder andere, die schon einmal nach § 182 BGB die Schweigepflichtsentbindungserkärung , erst nach Prüfung des ärztlichen Gutachtens abgegeben haben!

Wie haben die Leistungsträger und Ärzte darauf reagiert?

Bedanke mich im Voraus!

Gruß Fuchs
 
Hallo Fuchs,


das Verhalten der med. SV war unterschiedlich, von persönlich beleidigt sein......bis schroff abweisend ...... einer wollte dann nicht begutachten, tat es dann aber doch.......nachdem ich Ihm die möglichen Varianten zur rechtlichen Anwendung einer Schweigepflichtsentbindung dargelegt hatte, und er sich dbzgl. schlau gemacht hatte.

In den beiden damals anhängigen Verfahren, gab es eine rühmliche Ausnahme, das war der schmerzmedizinische Sachverständige. Es war für Ihn überhaupt kein Problem, er schmunzelte sogar, und stellte fest: ....."ich verstehe es voll und ganz, dass das Ergebnis meiner Untersuchung Sie brennend interessiert".

Der schmerzmed. Gutachter war zunächst beauftragter Sachverständiger im zivilprossualen Verfahren gegen die priv. BU-Versicherung, und nachdem die Versicherung die eingelegte Berufung vor dem OLG zurückgezogen hatte, brachte ich u. a. das schmerzmed. Gutachten (mit Zustimmung des Gutachters) als Privatgutachten in das neu aufgerollte Verfahren der gesetzl. Rentenversicherung in Form eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X, ein. Der Schmerzmediziner hatte kein Problem damit, das ehemals erstellte Gutachten von Ihm, weiter verwenden zu dürfen.

Warum schreib ich Dir das? Der schmerzmed. Gutachter war der einzige Gutachter, der sich von niemandem verbiegen lies. Im Gegenteil: er war objektiv und neutral in seiner Befunderhebung, und das Ergebnis seiner zusammenfassenden Beurteilung war schlüssig, logisch und nachvollziehbar und letztendlich einscheidungserheblich.

PS: heute wissen wir, dass das für meine Frau erstellte schmerzmed. Gutachten u. a. in anonymisierter Form dahingehend genutzt wird, wenn FA für das Versicherungsrecht weitergebildet bilden.

Gruss
kbi1989
 
Hallo Kib,
noch mal danke, für die nette ausführliche Antwort.

Jetzt weiß ich wenigstens , mit welcher Reaktion ich möglicherweise zu rechnen habe, bei den Gutachter .

Vielleicht habe ich ja auch so einen informierten, wie Du!

Gruß
Fuchs
 
Wenn ich das lese, rauf ich mir die Haare, weil ich so naiv bin.
Ich habe beim letzten Gutachten beim Erscheinen in der Praxis diesen Wisch pauschal unterschrieben. :eek:
Ich habe meines Erachtens auch so einige Wischs damals bei der Notaufnahme im Krankenhaus unterschrieben.

Das Gutachten ist noch nicht erstellt. Nun meine Frage: Wenn ich jetzt diese Entbindung sofort widerrufe und dann erst das Gutachten zum Lesen anfordere, dann ggf. freigebe oder eben nicht, welche Konsequenzen hätte das für das Gutachten oder eben für das laufende Verfahren? Darf dann der Gutachter das Gutachten überhaupt an die BG weitergeben, ohne mein Einverständnis?

Mir ist schlecht.

Gruß und Danke an alle, die sich hier große Mühe machen

H.O.
 
Hallo HansOlsen,

Ich habe beim letzten Gutachten beim Erscheinen in der Praxis diesen Wisch pauschal unterschrieben. :eek:

Das Gutachten ist noch nicht erstellt. Nun meine Frage: Wenn ich jetzt diese Entbindung sofort widerrufe und dann erst das Gutachten zum Lesen anfordere, ...

So naiv sind alle Unfallopfer anfangs.

Nun sofort - per Einschreiben mit Rückschein - Widerruf der allgemeinen Vollmacht und dann erstellst du die Neue Vollmacht:

Vollmacht für Entbindung der Schweigepflicht bezieht sich ausschließlich für den Auftrageber des Gutachtens. Du behältst Dir vor, gemäß deines Selbstbestimmungsrechts, erst nach Kenntnis des GA-Inhalts über die Weitergabe zu entscheiden. Also zuerst hat das GA vor Weitergabe an Dich geschickt zu werden.


Hoffentlich hast Du dem Auftraggeber nicht auch schon eine Voll-Vollmacht erteilt und die geben dann alles weiter oder holen sich alles nach belieben.

Gruß Ariel
 
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