Der Sachverständige F führt in seinem Gutachten überzeugend aus: "Die posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) ist ein Störungsbild, das 1980 im Gefolge der Erfahrungen des Vietnamkriegs in das DSM-3-Klassifikationssystem der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft aufgenommen wurde. Häufig wird inzwischen in der posttraumatischen Belastungsstörung die einzig mögliche psychoreaktive Antwort auf ein belastendes äußeres Ereignis gesehen, was jedoch nicht der Fall ist. Die Häufigkeit des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung ein Jahr nach einem Verkehrsunfall schwankt mit Werten von 2 % in einem schweizerischen Kollektiv von Schwerverletzten bis zu 15 % in einer Übersicht früherer Studien. Zur Frage des Auftretens psychoreaktiver Störungen nach Arbeitsunfällen liegen dagegen nur wenige Studien vor. Nyberg et al. fanden sechs Monate nach schweren Arbeitsunfällen bei 12 % der Betroffenen das Vollbild einer PTBS. Identische Zahlen berichteten Hu et al. für unmittelbare Zeugen tödlicher Arbeitsunfälle. Eine besondere Bedeutung scheinen Handtraumen zu besitzen. "Typische" Symptome einer PTBS können letztlich nach alltäglich auftretenden "Life-Events", wie Arbeitsplatzverlust oder familiären Problemen, eigenen schweren Krankheiten sowie Tod oder Erkrankung eines nahen Angehörigen, auftreten. Vergleichbare Symptome fanden sich auch bei Patienten mit depressiven Störungen, bei denen gar kein spezifisches Lebensereignis zu eruieren war, bei Personen mit Sozialphobien in verfahrenen Lebenssituationen sowie letztlich auch bei "Mobbing" am Arbeitsplatz. Bezüglich einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung sind wiederholte und anhaltende Traumatisierungen zu fordern. Hier wird auf Erlebnisse in einem Konzentrationslager, Folter, Katastrophen, andauernde lebensbedrohliche Situation verwiesen.
Gemäß der ICD-10-Klassifikation handelt es sich bei der posttraumatischen Belastungsstörung - in diesem Zusammenhang aber lediglich auf katastrophale Ereignisse bezogen - um eine "verzögerte oder protrahierte Reaktion". Nach Horowitz kommt dies dadurch zustande, dass die seelische Beeindruckung im Anschluss an die unmittelbare peritraumatische Akutreaktion mit Überflutung von den überwältigenden Eindrücken derart hoch ist, dass diese Erlebnisse zunächst dem Bewusstsein im Sinne der Verleugnung entzogen sind und sich erst im Verlauf willentlich unbeeinflussbar in das Bewusstsein drängen. Verwiesen wird darauf, dass die Symptome normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma auftreten. Dies könnte den Eindruck erwecken, dass eine hinreichend zeitnahe psychische Reaktionsbildung für die Diagnose einer PTBS in Zukunft völlig entbehrlich ist. Liest man hierzu den Kommentar (DSM-5), wird man jedoch eines Besseren belehrt: So sei die Forderung nach einer emotionalen Reaktion auf das Trauma (lediglich) deswegen nicht mehr Teil von Kriterium A, weil das klinische Bild der PTBS ... vielfältig ist. Dies entspricht auch prospektiven Studien, die zeitnah zu Unfallereignissen psychische Symptome berichten. Darüber hinaus findet sich im DSM-5 zum verzögerten Beginn einer PTBS die Aussage, wonach in diesem Fall das Auftreten "einzelner Symptome zwar initial" bereits erkennbar ist, aber erst im Verlauf "alle" diagnostischen Kriterien erfüllt sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Betroffenen bis zum Auftreten des Vollbildes einer PTBS keinesfalls symptomfrei sind, sondern während dieser Zeit bereits in Teilbereichen ihres Lebens durch psychische Symptome eingeschränkt sind, was sich dann im Sinne von Brückensymptomen nachweisen lassen muss. Dies entspricht auch der wissenschaftlichen Literatur, wonach ein verzögerter Beginn der PTBS außerhalb kriegerischer Auseinandersetzungen "extrem selten" ist und dass auch in diesem Fall auch bereits zuvor Teilsymptome erkennbar sind.