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psychische probleme - wir brauchen hilfe

kajukk

Nutzer
Registriert seit
3 Dez. 2007
Beiträge
2
hallo,

nach dem ich jetzt seid einiger zeit durchs forum "ziehe" ,eure erfahrungsberichte lesen und auch bereits viel "mitgenommen" habe drängt sich mir immer mehr eine frage auf - wie schafft ihr das psychisch?
ersteinmal kurz "meine" geschichte:
mein freund hatte im juni 2006 einen schweren verkehrsunfall, er ist als motorradfahrer "übersehen" worden ...
dank sehr kompetenter ärzte und helfer hat er überlebt und kann wieder auf eigenen beinen stehen - seine diagnose polytrauma: oberschenkeltrümmerbruch, rippenserienfraktur (komplett gelöster brustkorb) mit den dazugehörigen lungenproblemen und mehrere wirbelbrüche
der fixateur interne in der wirbelsäule wird im februar 2008 entfernt, die platte aus dem oberschenkel ist bereits im november diesen jahres entfernt worden - aus chirurgischer sicht läuft alles gut...
doch was ist mit den ängsten (vor der neuen op), zukunftsängste - beruflich, werden die schmerzen nie weg sein? (denn da hat sich noch nicht viel getan...) behinderungen bleiben (hinken) ? da bekommen wir keine antworten, klar können die ärzte da keine prognosen machen ....
all das versursacht abwechselnd depressionen oder agressionen - für uns ( 2 töchter + ich ) nicht vorhersehbar, was gerade auf uns zukommt... für ihn noch mehr ängste, depressionen und entschuldigungen unter tränen.... kennt ihr das auch?
wir sind beim psychologen, der hat allerdings nur hilfe in antidepressiva gesehen, diese bewirkten aber eine verschlimmerung, dh sie wurden dann abgesetzt... und nu?
ich verwende meine ganze kraft um positive gefühle, geborgenheit, sicherheit etc zu vermitteln, komme aber manchmal einfach nicht durch.......
und hin und wieder geht mir auch die kraft aus, denn "nebenbei" läuft ja unser alltag, kinder, meine arbeit...
es wäre schön wenn wir von euren erfahrungen lesen und lernen könnten...
danke !
 
Hallo kajukk,

ich kann das, was Du geschrieben hast, ziemlich gut nachvollziehen... man kennt sich ja manchmal selbst nicht mehr, da hat es der Partner bzw. das Umfeld natürlich noch schwieriger... aber nicht verzweifeln, es gibt Wege, da wieder raus zu kommen :)

Schau doch mal hier http://www.unfallopfer.de/forum/showthread.php?t=3767 rein, da wurde schon einiges zum Thema Traumabewältigung geschrieben.

Ich habe auch anfangs Antidepressiva genommen, allerdings nach 2 Monaten wieder abgesetzt, da ich in dieser Zeit 10 kg zugenommen hatte (war also kontraproduktiv, da ist ja die nächste Depression vorprogrammiert...) :eek:

Nehme seither - neben meiner Traumatherapie - als "Ersatz" hoch dosiertes Johanniskraut und komme mit dieser Kombination inzwischen wieder sehr gut zurecht. Vielleicht wäre das auch für Deinen Mann eine Alternative? Sprecht doch einfach mal mit Eurem Arzt darüber. Sicher hab ich auch noch hin und wieder absolute psychische Tiefpunkte, aber diese sind viel weniger und damit ist es viel besser geworden.

Alles Gute :)
 
Hallo Carlina,

dass war ja prompt ... danke
tja zugenommen hat er von den dingern auch :D - wäre aber echt egal gewesen, wenn sie ihm geholfen hätten...
wo bekommen wir denn einen fähigen traumatherapeuten her ?
wird das von den kassen gezahlt ?
denn er ist ja in psychologischer behandlung, der (psych) ist in meinen augen aber nicht wirklich fähig, es finden nur alle 3 - 4 wochen gespräche statt und das auch nur für 30min....
wie wirst du mit zukunftsängsten fertig?

lg
kajukk
 
Hallo Kajukk,

die Hinweise auf die Seiten mit Ratschlägen zur psychischen Unfallbewältigung hast Du sicher schon gelesen.

Die Bewälitgungsstrategien nach Unfällen sind sehr unterschiedlich. Ich lese aus Deinen Worten, daß Du viel von der Last Deines Partners mitträgst und auch noch zwei Kinder zu versorgen hast. Ich denke, daß es wichtig ist, daß Du Dir auch für Dich Unterstützung suchst, daß auch Du gestärkt werden solltest.

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, daß es Zeiten gibt, wo ich mit Sicherheit Freunden und Familie auf die Nerven gehe und es an ihren Kräften zehrt, weil es immer wieder Rückschläge, mehr Schmerzen und Verzweiflung bei mir gibt und es einfach wenig voran geht im Sinne von Heilung und Zuversicht. Ich bin dabei ungeduldiger als die Anderen, hadere auch lauthals und bin mißmutig, und dann gehe ich eben auch immer wieder mal auf Rückzug und versuche die Familie und Freunde nicht zu sehr zu belasten.

Für die Anderen nicht leicht und sehr kraftaufwendig da dann in den unterschiedlichen Phasen gut dranzubleiben und zu stützen, so wie Du das wohl auch versuchst und tust. Deshalb mein Rat oder Wunsch für Dich, selbst auch viel für Dich zu sorgen und auch für die Kinder, Aussprache und Unterstützung zu suchen, wo ihr Euch entlasten könnt, damit alle gut durch diese schwere Zeit kommen.

In diesem Sinne Alles Gute

Laverda

P.S. In dem Thread s.o. habe ich zur Traumatherapeutensuche geposted, die helfen auf jeden Fall bei der Suche.
 
Hallo kajukk,

naja... das mit der extremen Gewichtszunahme in so kurzer Zeit fand ich echt heftig. Ich hatte/habe ja leider durch diverse körperliche Einschränkungen auch nicht viele Möglichkeiten, effektiven Sport zu treiben... war auch ständig hundemüde von dem Zeugs. Na egal, was die eigentliche Wirkung angeht, hatte ich jedenfalls nicht den Eindruck, dass das Antidepressivum mehr geholfen hat als das Johanniskraut! Für mich war/ist es eine echte Alternative.

Zu der Traumatherapie: guck Dir einfach mal den oben genannten Link im Detail an, da stehen einige hilfreiche Infos und Adressen.
Die Kasse hat das bei mir anstandslos gezahlt.
Anfangs war ich 1x pro Woche bei meiner Therapeutin, inzwischen bin ich schon soweit, dass wir uns nur noch ein paar Mal im Quartal sehen müssen.

Die Therapie hat mir viel gegeben, und mir z. B. Zukunftsängste genommen. Ich habe gelernt, mein "neues" Leben mit der Gehbehinderung, der mangelhaften Belastbarkeit und allen anderen Einschränkungen anzunehmen und damit umzugehen.

Liebe Grüße :)
 
@ Kajukk:

Deine Frage finde ich sehr berechtigt, das Thema psychische Bewältigung hat mich auch selber in das Forum geführt. Meine eigene Beobachtung ist, daß gerade in dem Moment, wo der Körper wieder einigermaßen stabilisiert ist und heilen kann, die psychischen Lasten voll ausbrechen können. Vorher ist man ja auch sehr mit allen möglichen anderen Sachen beschäftigt, erlebt auch noch die Geschichten diverser Nachbarn mit und ist eigentlich einigermaßen abgelenkt.

Mir ging es übrigens auch exakt so wie Du beschreibst, daß mehrere Antidepressiva bei mir falsch rum gewirkt haben (der Neurologe nannte es "rebound"). Mir ging es damit so schlecht, daß ich nur noch im Bett liegen konnte und nicht mal mehr zum Brötchenkaufen den Mund aufbekam. Auch sonst hatte ich viele Nebenwirkungen wie vermehrte Alpträume, die bei mir sowieso schon ein Problem waren, oder so ein illuminiertes Gefühl, daß ich die gesamte Nacht nicht schlafen konnte, so daß ich mich schnellstmöglich wieder aus den Medikamenten "rausgeschlichen" habe.

Durch das Forum bin ich gerade auf EMDR aufmerksam geworden. Selber hatte ich das Gefühl, daß mir das normale Gespräch mit einem Therapeuten nicht so helfen kann. Beim EMDR informiere ich mich jetzt gerade weiter. Den Ansatz solltest Du Dir vielleicht auch mal näher ansehen, z.B. über google.

Besten Gruß! Wolferl
 
Hallo Wolferl,

ich habe auch lange nur Gespräche bei meinem Therapeuten gehabt, das hat mir sehr geholfen aber nicht den Punkt errreicht. Er hat mich sehr lange auf EMDR vorbereitet, weil ich sehr große Angst davor hatte. Wir haben uns dann Stück für Stück vorgearbeitet und sieha da... es hat gewirkt.

Also ich kann nur Gutes über EMDR berichten, es ist zwar mega anstrengend aber sehr gut. Es hat mir die Bilder, die ich immer wieder vor Augen hatte und die mir sehr große Angst gemacht haben, genommen und wenn ich sie mir heute vorstelle, sind sie zwar noch da aber ich kann sehr gut damit umgehen.

Aber Vorsicht: Nicht jeder Therapeut kann das... er muss eine Fortbildung dafür gemacht haben soweit ich weiß...

Ich wünsche Dir, das du einen Therapeuten findest, der das kann...

Viel Kraft und alles Liebe wünscht Euch

die Sonne 67:)
 
Hallo kajukk,

ich denke, jeder von uns hat so sein Päckchen zu tragen, zum einen durch das Trauma, zum anderen, wenn ein bleibender Schaden entstanden ist. Ich rate dazu professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Wenn allerdings Leistungen von Versicherungen zu beanspruchen sind, würde ich die psychischen Einschränkungen verschweigen und nur die funktionellen Schäden am Bewegungsapparat nennen. Zum einen weil das Eingestehen von psychischen Problemen, die egal wie entstanden, noch immer stigmatisiert wird. Zum anderen, weil schon in der Beschreibung gewisser Erkrankungen die psychische Komponente (zu Unrecht) eine Rolle spielt, was in Bezug auf die Beweisumkehrlast, die einem obliegt bei einem Unfall (dass der Schaden vom Unfall kommt und nicht regenerativem Ursprung ist), es uns als Unfallopfer immer wieder eine Versagung der Versicherungsleistung zu Folge hat.

Liebe Grüsse,
Cateye
 
Hallo Cateye und Ihr Alle,

kannst Du mir da Fundstellen evtl. auch hier aus dem Forum nennen, wo UO wegen, z.B. wie bei mir mit PTBS, psychischer Befunde neben den anderen, bei mir HWS-Distorsion und Folgen, stigmatisiert und Leistungen versagt wurden, mit der Erklärung, nicht unfallursächlich Ich habe danach schon gesucht auch gegoogelt aber wenig gefunden.

Beste Grüße

Laverda
 
Hallo Laverda,

ich kann das lediglich für den Sudeck belegen. Hier gerade frisch aus dem Netz:

"Bei Morbus Sudeck finden sich außerdem häufig bestimmte psychische Symptome wie Depressionen, Ängste und emotionale Labilität. Im Vorfeld der Erkrankung kam es außerdem häufig zu belastenden Ereignissen im Leben der Betroffenen. Bei Erwachsenen sind dies z.B. Todesfälle, Krankheiten sowie finanzielle oder berufliche Schwierigkeiten. Bei Kindern können die Trennung von Bezugspersonen, instabile Familienverhältnisse, aber auch alltäglichere Schwierigkeiten wie Probleme in der Schule eine Rolle spielen...."

Derartiger Schwachsinn macht mich eher wütend als depressiv, weil damit eigentlich behauptet wird, dass ich an der Krankeit selbst Schuld hätte, weil es ja veranlagt sei...

LG,
Cateye
 
Hallo Laverda,

ich schon wieder :D...

Kannste hier mit etwa anfangen? Stichwort HWS Psyche bei google:

Die Halswirbelsäule als Sinnesorgan
Schwindel und Bewußtseinsstörungen

Das Schleudertrauma der HWS
Das Schleudertrauma der HWS entsteht im Zusammenhang mit Unfällen, bei denen der Kopf im Verhältnis zum Körper aufgrund seines Gewichtes in irgend eine Richtung geschleudert wird. Die Halswirbelsäule (HWS) wird hierbei überdehnt. Zu objektivierbaren Verletzungen (Zerreißungen, Frakturen) kommt es normalerweise nicht.

Die resultierenden Beschwerden sind ebenso mannigfaltig wie nachhaltig und konzentrieren sich auf Fehlfunktionen der Sinnesorgane des Kopfes. Es kommt zu Schwindel, Sehstörungen, Hörstörungen, Geschmacksstörungen, Raumorientierungsstörungen, Schlafstörungen, Denkstörungen, unterschiedlichste Schmerzen, usw, letztlich die soziale Isolation. Das Beschwerdebild ist insofern uneinheitlich, als jeder Patient ein individuelles Muster an Störungen und Kombinationen aufweist, das jeweilige Muster jedoch konstant bestehen bleibt.

Der Leidensdruck ist sehr groß. Die Therapieversuche sind oft genug frustran. Letztendlich landen diese Patienten beim Psychotherapeuten und werden so in die Nähe des Simulantentum gerückt.

Die Psychotherapie ist genauso hilflos, was sich alleine bereits dadurch erklärt, daß der Start der Beschwerden ein physisches Trauma und kein Psychotrauma gewesen ist. Unfallversicherungen nutzen regelmäßig die dürftige Objektivierbarkeit der Beschwerden dazu, fällige Leistungen zu verweigern, indem sie erklären, der kausale Zusammenhang sei nicht erwiesen.

Der Schlüssel zum Verständnis des Schleudertrauma der HWS
Das Schleudertrauma der HWS verliert seine Undurchsichtigkeit, wenn das Problem in seiner Gesamtheit betrachtet wird. Kopf und Hals sind Teile des Gesamtkörpers und in dessen Gesamtzusammenhang zu interpretieren.

Das individuelle Unfallgeschehen in seiner spezifischen Wirkung auf den Körper und dessen Gegenreaktion auf die Unfallkraft ist als Schlüssel für das Verständnis ausschlaggebend. Statische Untersuchungsmethoden, wie Röntgenbilder etc. sind sinnlos, da mit diesen Methoden lediglich Strukturstörungen und nicht Funktionsstörungen erfaßt werden können. Die Kenntnis der HWS-Funktion als eigenständiges Sinnesorgan für die Eigenempfindung des Körpers ist der zweite Schlüssel für das Gesamtverständnis.

Die Halswirbelsäule als Sinnesorgan
Die Halswirbelsäule (HWS) kann als eine Art mechanisches Sinnesorgan aufgefaßt werden. Sie ist der Mittler Zwischen dem Kopf und dem Rest des Körpers. Die Augenebene liegt waagerecht. Der Körper kann sich in allen Raumrichtungen bewegen.

Um eine Vorstellung zu bekommen, was dies heißt, kann man einmal selbst seine eigenen Augen vor einem Spiegel betrachten. Bei senkrechter Kopfstellung steht die Augenebene waagerecht und damit im rechten Winkel zu der vertikalen Kopfachse. Wenn der Kopf zur Seite geneigt wird, bleiben die Augen wie die Libelle einer Wasserwaage horizontal stehen und bewegen nicht mit der Kopfachse mit. Dies heißt, daß die Augen mittels ihrer Augenmuskeln gegensinnig zum Kopf in Orientierung zur senkrechten Körperachse aktiv bewegt werden.

Damit dieser Prozeß sinnvoll geregelt durchgeführt werden kann, muß das zentrale Steuerorgan, das Gehirn (ZNS), über entsprechende Informationen verfügen. Diese Informationen holt sich das Gehirn über seine verschiedenen Meßorgane, die Sinnesorgane bzw. Rezeptororgane. Diese sind zum einen das Auge selbst, sowie das Gleichgewichtsorgan. Diese beiden Organe dienen der Orientierung des Körpers im Verhältnis zu seiner Umgebung. Die Orientierung über die momentane innere Situation, ob etwa die Wirbelsäule seitwärts geneigt ist, oder vertikal steht, gewinnt das Gehirn über Meßorgane, die im Inneren des Körpers verteilt sind. Dies Meßorgane werden Propriozeptoren (Eigenmeßfühler) genannt. In besonderer Häufung finden sich diese Propriozeptoren im Bereich der HWS, also in besonderer Nähe zum Kopf.

Körper und Körperbewußtsein
Informationen über die äußere Umgebung des Menschen sind stets in vollem Umfang dem Bewußtsein zugänglich. Man weiß, was man sieht und hört.

Die innere Situation wird im Sinne des Körpergefühls dem Bewußtsein vermittelt. Man ist ausgeruht oder müde, man steht oder liegt, man ist hungrig oder satt etc.

Fehler in den Sinnesorganen
Sinnvoll geregelte Funktionen setzen voraus, daß die Informationen, die das Gehirn bekommt, auch tatsächlich zutreffend sind. Bekommt das Gehirn falsche Informationen, dann können seine Reaktionen nicht mehr korrekt sein.

Falsche Informationen können zustande kommen, wenn die Sinnesorgane ihrerseits erkrankt sind oder in ihrer Funktion gestört sind. Dies ist de Fall beim HWS-Schleudertrauma.

Das Gehirn verarbeitet Informationen so, wie diese ankommen. Wenn die Meßorgane Falsches liefern, dann kann diese Falschheit vom Gehirn selbst nicht erkannt werden.

Das Gleichgewichtsorgan mißt die Stellung des Kopfes im Verhältnis zur Erdanziehungskraft, die Propriozeptoren die Stellung der Körperglieder zueinander. Die Meßergebnisse beider Systeme werden Im Gehirn abgeglichen. Dies geht gut, solange die Meßergebnisse einander bestätigende sinnvolle Ergebnisse liefern.

Konkurrierende Sinnesmeldungen
Ein Problem entsteht, wenn die Meßergebnisse einander ausschließende Ergebnisse liefern. Etwa wenn das Gleichgewichtsorgan das Ergebnis “waagerecht” und gleichzeitig die Propriozeptoren der HWS das Ergebnis “schräg” melden. Hier hat das Gehirn ein Problem, denn es kann schlecht entscheiden, welches Organ nun die zutreffenden Informationen liefert.

Das Ergebnis im bewußten Eigenempfinden ist der Schwindel mit allen verwandten Varianten, von der Konzentrationsstörung bis hin zur totalen Bewußtlosigkeit, dem Zusammenbruch des logischen Systems. Der Schwindel ist, so betrachtet, eine Erkrankung, die darauf beruht, daß einander ergänzende mechanische Rezeptorensysteme einander widersprechende Informationen liefern.

Krankheiten der Meßorgane
Solche diskordante Informationen können entstehen, wenn die Meßorgane selbst funktionsgestört, also erkrankt sind. Krankheiten des Gleichgewichtsorgans selbst sind seit langem bekannt und gut erforscht. Krankheiten der inneren Meßorgane, der Propriozeptoren, sind nur teilweise erforscht.

Gut bekannt sind die Funktionen von Rezeptoren zur Blutdruckregulation und zur Magensäureregulation. Hierfür gibt es auch spezielle Medikamente. Mechanorezeptoren wurden bisher so gut wie gar nicht erforscht.

Was Mechanorezeptoren, welche zur Messung der inneren Situation eingerichtet sind, speziell betrifft, ist die Störanfälligkeit durch äußere mechanische Reize, also äußere Verletzungen (Unfälle). Ein Mechanorezeptor mißt mechanische Reize, also Kraft und Bewegung. Ob der Reiz innerhalb des Körpers oder außerhalb des Körpers seinen Ursprung hat, ist prinzipiell unerheblich. Wenn der Rezeptor gereizt wird, dann setzt dieser seine Meldung ab und das Gehirn reagiert so, als käme der Reiz von innen.

Verschiebung der Eigenwahrnehmung
Wenn ein Mechanorezeptor durch Unfallgewalt verändert wurde, dann setzt er falsche Reize ab. Die Folge ist ein falsches Eigenkörperempfinden. Der Betroffene empfindet sich nicht mehr so, wie er tatsächlich ist. Die inneren Dimensionen werden falsch wahrgenommen.

Der Kopf fühlt sich schwerer an, als er tatsächlich wiegt. Wenn man mit dem Finger auf die Nase zeigen will, trifft man die Stirn, beim Essen beißt man auf die Zunge, die Schluckvorgänge laufen nicht mehr automatisch ab, der Fußboden ist nicht mehr waagerecht, sonder schräg oder bewegt sich sogar. Der betroffene Mensch ist im eigentlichen Sinne “ver-rückt” im Sinne von auseinandergerückt, was natürlich auch die Psyche dann nicht unberührt läßt. Die psychischen Störungen sind hier allerdings Folge und nicht Ursache der Störungen.

Die Unfallmechanik
Unfälle treffen einen Körper unvorbereitet und aus irgend einer beliebigen Richtung. Der Körper versucht mit allen verbliebenen Fähigkeiten der Unfallgewalt entgegenzutreten. Wenn dies mit Erfolg gelingt, bleibt der Unfall folgenlos. Übersteigt die Unfallgewalt die abwehrfähigkeit des Körpers, kommt es zu eskalierenden Schäden. Die erste Stufe ist die Dehnüberlastung derjenigen Strukturen, die auf der Schwerpunktlinie der ankommenden Unfallgewalt liegen. Weitere Stufen sind Strukturverletzungen, wie Knochenbrüche, Zerreißungen und Quetschungen.

Dehnüberlastungen hinterlassen als Dauerfolge eine Verspannungslinie im Körper, die genau derjenigen Linie entspricht, die die Unfallgewalt genommen hatte. Funktionen, die mit dieser Verspannungslinie gekoppelt sind, sind anschließend gestört. Es gibt z.B. Schmerzen.

Diese Verspannungslinie ist mit dem Finger zu tasten. Sie verläuft vom Eintrittspunkt der Fremdgewalt bis zum Austrittspunkt der Fremdgewalt. Solange eine solche Verspannung im Körper existiert, wird dieser Körper Beschwerden verursachen. Deswegen ist die möglichst genaue Kenntnis des Unfallherganges von wesentlicher Bedeutung.

Ein klassisches Beispiel ist der Auffahrunfall mit Sicherheitsgurt und Nackenstütze. Der Fahrer sieht den Unfall kommen und bremst, steht also mit dem rechten Fuß auf dem Pedal. Im Moment des Aufpralls wird der Körper geradeaus nach vorne geschleudert, bis der Sicherheitsgurt den Körper auffängt. Der Gurt verläuft diagonal über den Oberkörper. Damit bekommt der Körper einen zweiten Bewegungsimpuls im Sinne der Drehung um den Gurt. Der Gurt wird zur Bewegungsachse. Die Gurte bestehen üblicherweise aus Nylon und sind damit hochelastisch. sie speichern ausgezeichnet die Bewegungsenergie. Nachdem der Unfall zum Stillstand gekommen ist, wird die gespeicherte Bewegungsenergie des Gurtes wieder frei, der Körper wird zurückgeschleudert. Das Zurückschleudern erfolgt nicht auf einer geraden Bahn, sondern um die diagonale Achse des Gurtes

Der Körper wird spiralig von links unten nach rechts oben zurückgeschleudert, der Kopf also nach rechts gedreht, bis er von der Nackenstütze gestoppt wird.

Dieses Zurückschleudern ist eine Peitschenschlagbewegung. Beim Aufprall nach vorne spannt der Körper mit seiner Muskulatur gegen die verzögernde Kraft des Unfalles. Alle Kräfte sind nach vorne gerichtet. Durch den Sicherheitsgurt wird der Körper in die gegenteilige Richtung geschleudert, wo keine abfangende Gegenkraft aufgebaut ist. Der Körper wird in die momentan völlig lockerer gegensinnige Muskulatur geschleudert, er kann so schnell dieser Umkehrkraft nichts entgegensetzen. Das einzige was hier noch hält, ist das verfügbare Bindegewebe. In diesem Bindegewebe baut sich dann die Spannung auf, die von alleine nicht mehr weggeht und die Beschwerden verursacht.

Bei solch einem Unfall gibt es zwei pathologische Spannungslinien. Die erste geht von der Fußsohle geradlinig in richtung Kopf. An solch einer Fußsohle kann dann richtiggehend der Pedalabdruck auch Jahre später noch getastet werden. Hier muß dann auch die Therapie beginnen.

Die zweite Linie beginnt am linken Beckenkamm, verläuft vorne schräg über die Bauchdecke nach oben, geht unter der rechten Achsel auf den Rücken in richtung linker Schulter-Hals-Übergang, von da weiter über den vorderen Hals hinter dem Schlund und endet vorne im rechten Kopfgelenksbereich. Therapiert werden muß am linken Beckenkamm, um die Linie aufzulösen.

Erst wenn diese beiden Linien aufgelöst sind, gibt es eine Chance die HWS selbst wieder zu korrigieren. Davor liegen solche Linie wie ein einschnürendes Netzwerk über dem Körper. Darunterliegende Funktionen haben keine Chance frei zu werden. Es ist also von entscheidender Bedeutung, die innere Logik eines Unfalles zu rekonstruieren.

Therapie
Die Therapie kann sehr einfach und auch sehr schwierig sein, ist jedoch prinzipiell immer möglich. Das Problem liegt in der anatomischen Zugänglichkeit der gestörten Areale.

Sind die Areale zugänglich, dann genügt eine einmalige therapeutische Lokalanästhesie zur Ausheilung. Dies ist im HWS-Bereich eine sehr kritische Sache.

Wesentlich weniger gefährlich und genauso wirksam ist die Normalisierung der Funktionen durch Fingerdruckreize. Dies ist eine Technik, die eine entsprechende Schulung des Therapeuten erfordert.

Geht dies auch nicht, dann muß die Selbstregulation über gezielte Bewegungsübungen, welche die Umkehrbewegung der verursachenden Unfallbewegung darstellt, durchgeführt werden. Dies wird durch von außen geführte Bewegungen erreicht und muß anschließend vom Patienten selbst durchgeführt werden. Es werden nicht Kräfte sondern Bewegungen trainiert.

Da die Selbstheilung auf jeden Fall möglich ist, ist die Prognose insoweit prinzipiell gut. Das medizinische Denken muß um das Denken der Regulationslogik erweitert werden, um zum Erfolg zu kommen.

Walter Packi
Arzt

Jan 2001/2005

Gruss
Cateye
 
Hallo, Cateye,

danke für den Artikel, den kannte ich noch nicht. Habe im Netz auch schon viele andere gelesen und gespeichert, die zur Verletzungen an der HWS Infos geben, insbesonders hier im Forum besonders dazu auch von Ariel Vieles gelesen und gelernt.

Was mir speziell fehlt und wo ich im Netz fast nix zu gefunden habe, sind konkrete Rechtssprechungen/ Urteile/Bewertungen durch Gerichte und BGen zu diesen Themen (HWS-Distorsion und PTBS durch bzw. nach Arbeitsunfällen).

Gruß

Laverda
 
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