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Nachweis Morbus Sudeck

Amazone

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27 Juli 2007
Beiträge
9
Hallo miteinander,
mal eine Frage an Betroffene des Morbus Sudeck:

Seit Arbeitsunfall bestehen u.a. Sensibilitätsstörungen im Bereich der Ferse. Insbesondere nach längerem Sitzen kommt es hier zu massiver Pelzigkeit. Infolgedessen kam es vor über 3 Monaten beim Gang zum Hausarzt (nicht deshalb) zu einem Umknicken des Fußes nach innen.

Hausarzt war nicht da und Vertretung wurde hiervon nichts erzählt. Vier Wochen später Überweisung zu bisherigem D-Arzt, Wartezeit 8 Wochen. Kurz vor Ablauf schriftliche Terminstreichung, weitere Behandlung wird abgelehnt. Da dies vorauszusehen war, zwischenzeitlich bei anderen D-Arzt Untersuchung.

Auf Röntgenbild nichts zu sehen, da der alte Arbeitsunfall nicht erwähnt wurde, schnelle Überweisung für ein MRT des OSG, mittlerweile 3 Monate vergangen. Während der ganzen Zeit extrem starke Hitze und Schwellung im Bereich des OSG, bei nur geringster Belastung und häufiger Hochlagerung.

Zum Befund: In einzelnen Flexorensehnenscheiden der Tibialis-posterior Loge und im OSG Erguß. Ruptur des Ligamentum collaterale laterale ca. die Hälfte ventrales mediales Drittel.

Es ist keine weitere Therapie geplant! :confused:

Jetzt unsere Frage:

Das OSG kocht regelrecht, d.h. es ist feuerheiß und so langsam kommt der Gedanke an einen Morbus Sudeck. Bewegungseinschränkung bei Flexion und Extension, erneut starke Schwellung bei geringster Belastung.

1.Wie kann dies ärztlich untersucht bzw. nachgewiesen werden ?
2.Wie können weitere Schäden verhindert und eine Linderung erreicht werden ?
3.Sollte gegenüber dem SG ein Folgeschaden geltend gemacht werden ?

Vielen Dank für eure Mühe.
 
Hallo Amazon,

bei mir wurde CRPS (bereits im Stadium III) durch das Gesamtbild nachgeweisen: Verschmächtigung, atrophierte Gewebestrukturen, Versteifung, vegetative Fehlfunktionen (Eiseskälte trotz 30 Grad plus, Durchblutungsstörungen und Verfärbungen, fast wie bei Leichen, veränderter Nagelwachstum, Paresen (Nervenlähmungen), Brennschmerz und ein reaktives Eiweiß im Blut und Pergamenthaut...

Brennschmerz,
Ödeme,
reaktives Eiweiß
man hält keinen Wattebausch auf der Haut aus

- sprechen für Deinen Verdacht.

Sudeck muss serologisch und neurologisch abgeklärt werden.

Gruss,
Cateye
 
Hallo Cateye,

danke für deine Antwort.

Bedeutet diese, dass mit einem Blutbild auf reaktives Eiweiß der Ausschluß oder Nachweis eines Morbus Sudeck geführt wird ?

Was genau untersucht der Neurologe bzw. was sollte auf der Überweisung stehen (Morbus Sudeck scheint ein Fremdwort im Sprachschatz der Ärzte zu sein).

Was hilft gegen den permanenten Brennschmerz und wieso schwillt der Fuß bei geringster Belastung sofort wieder an ?

An der Bandruptur kann das doch sicher nicht liegen ? Oder ?

Danke und Grüße
 
Hallo wackelbär,

zunächst ist in der Literatur vieles als Auslöser für den CRPS (neuere und korekte Bezeichnung) beschrieben: von Bagatellverletzungen, OPs, Herzinfarkt und auch einen spontanen Beginn, ohne Auslöser ist alles möglich (auch eine Bandruptur). Bei mir war es vermutlich das Fremdmaterial (Draht), nach einer Bandplastik, bzw. Arthodese...

Da es sich um einen Symptomenkomplex (hier im Forum gibt es dazu viele Beiträge und Themen zu Sudeck und auch mit einer eigenen Rubrick) handelt, gibt es allenfalls eine Reihe von Untersuchungen, die den Verdacht stärken oder schwächen.

Dazu gehören

-Nervenmessungen (Seitenvergleich)= gibt an, ob Nerven gelähmt und oder verletzt sind
-Stimmgabeltest (Test auf Sensibilitätsstörungen)
-Thermographie (Temperaturunterschied im Seitenvergleich)
-Röntgenuntersuchungen (Entkalkung tritt vielfach auf, dazu auch im Seitenvergleich)
-Blutuntersuchungen....

Gegen Brennschmerz helfen die in der Schmerztherapie angewandten Methoden: Schmerzpumpe, Blockaden (bei mir Stellatum), Medikamente (meist antiepileptika), Blockaden der unteren Extremitäten etc. pp.

Ja der Fuss kann immmer wieder anschwellen und beim geringsten Temperaturunterschied reagieren. Manche können noch nicht einmal ein Seidentuch auf dem Gliedmaß vertragen.

Grüsse von Cateye
 
Hallo Cateye,
wir sind ja nun schon lange bei den Sudecken, erstmals beschreibst Du deine Symptome genauer. Und irgendwo hab ich noch in Erinnerung das Du dafür 10% MdE hast.
Laut BG Tabelle sind es aber 50 - 60% MdE.
Was lief da falsch?
Gruß .
 
Hallo Dani,

GdB sind es 10, Mde 30, Gesamt GdB 30%, frech nicht wahr?

Gruss
Cateye
 
Nicht frech einfach FALSCH, sowohl GdB als auch MdE !
.
 
Hallo zusammen,

ich habe noch etwas ganz Wichtiges vergessen: in der Erstbeschreibung von dem Chirurgen Sudeck steht noch, dass eine pychische Komponente auch krankheitsfördernd sein kann. Hier sind Depressionen gemeint.

Daher: bei Begutachtungen und dergleichen immer darauf achten, was gefragt wird. Die Versicherungwirtschaft argumentiert neuerdings vermehrt, dass bei einer psychischen Erkrankungen eine zu erwartende Versicherungsleistung verweigert werden kann.

Das Krankheitsbild und deren Beschreibung gehört vollständig überarbeitet!

Grüsse
Cateye
 
Hallo zusammen,

vielen Dank für eure vielen Gedanken zum Morbus Sudeck. Da diese Krankheit häufig gar nicht oder fehldiagnostiziert wird, anbei ein interessantes Urteil für die anderen Betroffenen.

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 221/06 Verkündet am: 12. Februar 2008


Wenn ein Morbus Sudeck nach dem Klagevortrag infolge einer ärztlichen Fehlbehandlung und der damit hervorgerufenen Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten ist, behauptet der Kläger insoweit einen Sekundärschaden. Für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen der Fehlbehandlung und dem Morbus Sudeck gilt in diesem Fall der Maßstab des § 287 ZPO (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118).
BGH, Urteil vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06 - OLG Saarbrücken, LG Saarbrücken
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Pauge, Stöhr und Zoll für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 11. Oktober 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:

[1] Der Kläger nimmt den Beklagten, einen Facharzt für Orthopädie, wegen ärztlicher Fehlbehandlung auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch.

[2] Der Kläger schlug sich am 11. Oktober 2002 mit dem Hammer auf den linken Zeigefinger und begab sich deswegen am 14. Oktober 2002 in die ärztliche Behandlung des Beklagten. Dieser fertigte ein Röntgenbild an und diagnostizierte danach eine starke Prellung. Er versorgte den Finger mit einem Verband und entließ den Kläger als arbeitsfähig. Am 15. November 2002 rutschte der Kläger während der Arbeit aus und schlug mit dem linken Zeigefinger gegen eine Wand. Aufgrund dessen stellte er sich am 18. November 2002 bei Dr. B. vor, der eine Refraktur des linken Zeigefingerendglieds diagnostizierte. Nachfolgend trat eine Sudecksche Heilentgleisung ein. Der Kläger ist seitdem arbeitsunfähig und erhält seit Mai 2004 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

[3] Der Kläger behauptet, er habe bereits am 11. Oktober 2002 eine Fraktur des linken Zeigefingerendglieds erlitten. Dies sei auf dem gefertigten Röntgenbild eindeutig zu erkennen. Der Zeigefinger hätte ruhiggestellt und er selbst hätte arbeitsunfähig geschrieben werden müssen. Folgen der Fehlbehandlung seien der Unfall vom 15. November 2002 und das Auftreten des Morbus Sudeck.

[4] Das Landgericht hat dem Kläger wegen der Behandlungsverzögerung ein Schmerzensgeld von 500 € zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:

[5] I. Das Berufungsgericht bejaht einen Behandlungsfehler des Beklagten bei der Auswertung des Röntgenbildes, weil tatsächlich eine Fraktur vorgelegen habe und die Diagnose einer Prellung mithin falsch gewesen sei. Es meint jedoch, dass sich eine Kausalität zwischen der Fehlbehandlung und der Entstehung des Morbus Sudeck nicht sicher feststellen lasse. Nach der Beurteilung des Sachverständigen sei ein Ursachenzusammenhang zwar sehr wahrscheinlich; da es jedoch möglich - wenn auch sehr unwahrscheinlich - sei, dass sich der Morbus Sudeck allein aufgrund des ersten Unfalls vom 11. Oktober 2002 entwickelt habe, lasse sich nicht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit die Überzeugung gewinnen, dass der Behandlungsfehler die Sudecksche Heilentgleisung hervorgerufen habe. Beweiserleichterungen kämen dem Kläger nicht zugute. Die fehlerhafte Auswertung des Röntgenbildes sei, da der Beklagte den notwendigen Befund erhoben habe, kein Befunderhebungsfehler, sondern ein Diagnosefehler. Ein grober Behandlungsfehler in Form eines fundamentalen Diagnoseirrtums liege nicht vor, weil die Fraktur nach Einschätzung des Sachverständigen eher schwierig zu erkennen gewesen sei. Da sie jedoch auf dem Röntgenbild erkennbar sei, habe keine Veranlassung bestanden, eine Vergrößerung der Aufnahme anzufertigen.

[6] II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

[7] 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht das ärztliche Fehlverhalten des Beklagten am 14. Oktober 2002 nicht als Befunderhebungsfehler, sondern als Diagnosefehler gewertet, wie er im Falle der Fehlinterpretation von erhobenen oder sonst vorliegenden Befunden gegeben ist. Im Unterschied dazu liegt ein Befunderhebungsfehler und damit ein Therapiefehler vor, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird (vgl. Senatsurteile vom 10. November 1987 - VI ZR 39/87 - VersR 1988, 293, 294; vom 23. März 1993 - VI ZR 26/92 - VersR 1993, 836, 838; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46 und vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02 - VersR 2003, 1256 f.). Vorliegend ist dem Beklagten eine Fehlinterpretation des erhobenen Befundes unterlaufen. Die Fraktur des linken Zeigefingerendglieds war auf dem von ihm angefertigten Röntgenbild nämlich zu erkennen. Das Nichterkennen dieses Bruchs stellt sich demnach als Diagnosefehler dar, und zwar auch dann, wenn das Röntgenbild, wie die Revision geltend macht, vierfach hätte vergrößert werden müssen (dazu unten unter 3 b, bb).

[8] 2. Als nicht frei von Rechtsfehlern erweisen sich jedoch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die Ursächlichkeit der Fehlbehandlung durch den Beklagten für den Gesundheitsschaden des Klägers verneint hat. Die Revision macht mit Recht geltend, bei der Beurteilung der Kausalität habe das Berufungsgericht ein zu strenges Beweismaß angelegt. Nach den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil kann nicht ausgeschlossen werden, dass es den Kläger zu Unrecht für beweisfällig gehalten hat.

[9] Der Patient hat grundsätzlich den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden nachzuweisen. Dabei ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Erstere betrifft die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Rechtsgutverletzung als solche, also für den Primärschaden des Patienten im Sinne einer Belastung seiner gesundheitlichen Befindlichkeit. Insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit verlangt (BGHZ 53, 245, 255 f.; Senatsurteile vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88 - VersR 1989, 758, 759 und vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - VersR 2000, 503, 505; BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - NJW 1993, 935, 937). Die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität und damit der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für alle weiteren (Folge-)Schäden einschließlich der Frage einer fehlerbedingten Verschlimmerung von Vorschäden richtet sich hingegen nach § 287 ZPO; hier kann zur Überzeugungsbildung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Oktober 1987 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310; vom 22. September 1992 - VI ZR 293/91 - VersR 1993, 55 f. und vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154).

[10] Vorliegend hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Fehlbehandlung des Klägers und damit die haftungsbegründende Kausalität festgestellt. Primärschaden des Klägers, d.h. die durch den Behandlungsfehler im Sinne haftungsbegründender Kausalität hervorgerufene Körperverletzung, ist die durch die unterbliebene Ruhigstellung und damit unsachgemäße Behandlung der Fraktur eingetretene gesundheitliche Befindlichkeit. Welche weiteren Schäden sich hieraus entwickelt haben, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität. Da der Morbus Sudeck nach dem Klagevortrag nicht durch den Unfall, sondern durch die ärztliche Fehlbehandlung und die damit hervorgerufene Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten ist, behauptet der Kläger insoweit mithin einen Sekundär-/Folgeschaden (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118, 119; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1999, 176, 177). In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem dem Senatsurteil vom 4. November 2003 (VI ZR 28/03 - VersR 2004, 118) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem der nach dem Unfall aufgetretene Morbus Sudeck als Primärschaden geltend gemacht wurde, weil es an einer vorausgegangenen Körperverletzung fehlte.

[11] Nach den vom Berufungsgericht verwendeten Formulierungen liegt die Annahme nahe, dass es bei Prüfung des Kausalzusammenhangs für den Folgeschaden einen zu strengen Maßstab angelegt hat. Das Berufungsgericht hat nämlich die Kausalität verneint, weil sich nicht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit die Überzeugung gewinnen lasse, dass die Fehlbehandlung die Sudecksche Heilentgleisung hervorgerufen habe, denn es sei möglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich, dass sich der Morbus Sudeck allein aufgrund des Unfalls vom 11. Oktober 2002 entwickelt habe. Für die Anlegung eines zu strengen Beweismaßes spricht auch, dass das Berufungsgericht nicht nur den Sachverständigen Prof. Dr. C. mit den Worten zitiert, dieser habe gesagt, dass der Morbus Sudeck auch bei ordnungsgemäßer Behandlung nicht "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" vermieden worden wäre, sondern ausdrücklich auch die Beweiswürdigung des Landgerichts billigt, welches für den Kausalitätsbeweis eine "mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" verlangt hat. Damit hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht geltend macht, für den Nachweis der Ursächlichkeit hinsichtlich des Folgeschadens ein Beweismaß verlangt, das noch nicht einmal von dem strengen Maßstab des § 286 ZPO vorausgesetzt wird (vgl. BGHZ 53, 245, 255 f.; Senatsurteile vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88 - VersR 1989, 758, 759 und vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - VersR 2000, 503, 505; BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - NJW 1993, 935, 937). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatrichterliche Würdigung bei Berücksichtigung der hier allein maßgebenden Grundsätze des § 287 ZPO zu einem anderen, für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätte.

[12] 3. Auch soweit das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers verneint hat, sind seine Ausführungen nicht in jeder Hinsicht frei von Rechtsfehlern.

[13] a) In Arzthaftungsprozessen kommt eine Beweislastumkehr in Betracht, wenn der Beweis des Ursachenzusammenhangs von dem hierfür grundsätzlich beweispflichtigen Patienten nicht geführt werden kann. Das wäre vorliegend der Fall, wenn der Kläger auch bei Anlegung des Beweismaßes von § 287 ZPO beweisfällig bliebe. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Beweislastumkehr für den Kausalitätsbeweis bei groben Behandlungsfehlern (Senatsurteil BGHZ 159, 48, 53 m.w.N.), wie der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden hat, grundsätzlich nur Anwendung finden, soweit durch den Fehler des Arztes unmittelbar verursachte haftungsbegründende Gesundheitsbeschädigungen in Frage stehen. Für den Kausalitätsnachweis für Folgeschäden (Sekundärschäden), die erst durch den infolge des Behandlungsfehlers eingetretenen Gesundheitsschaden entstanden sein sollen, gelten sie nur dann, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge der Primärverletzung ist (Senatsurteile vom 21. Oktober 1969 - VI ZR 82/68 - VersR 1969, 1148, 1149; vom 9. Mai 1978 - VI ZR 81/77 - VersR 1978, 764, 765; vom 28. Juni 1988 - VI ZR 210/87 - VersR 1989, 145; vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03 - VersR 2005, 228, 230; vgl. auch Senatsurteil vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154; OLG Oldenburg, VersR 1999, 63). Das Berufungsgericht wird deshalb ggf. durch Nachfrage beim Sachverständigen aufzuklären haben, ob es sich beim Auftreten des Morbus Sudeck um eine typische Folge der durch den Behandlungsfehler gesetzten Primärschädigung handelt.

[14] b) Das Eingreifen einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten setzt des Weiteren voraus, dass dem Arzt ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist. Dies hat das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkannt. Die Revision macht jedoch mit Recht geltend, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der dem Beklagten unterlaufene Diagnosefehler nicht als fundamentaler Diagnoseirrtum einzustufen sei, auf einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhaltes beruht.

[15] aa) Im Ansatz geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass ein Fehler bei der Interpretation von Krankheitssymptomen nur dann einen schweren Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst und damit einen "groben" Diagnosefehler darstellt, wenn es sich um einen fundamentalen Irrtum handelt (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 1981 - VI ZR 35/79 - VersR 1981, 1033, 1034; vom 10. November 1987 - VI ZR 39/87 - VersR 1988, 293, 294; vom 14. Juli 1992 - VI ZR 214/91 - VersR 1992, 1263, 1265 und vom 9. Januar 2007 - VI ZR 59/06 - VersR 2007, 541, 542). Wegen der bei Stellung einer Diagnose nicht seltenen Unsicherheiten muss die Schwelle, von der ab ein Diagnoseirrtum als schwerer Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen ist, der dann zu einer Belastung mit dem Risiko der Unaufklärbarkeit des weiteren Ursachenverlaufs führen kann, hoch angesetzt werden.

[16] Die Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler als grob oder nicht einzustufen ist, ist eine juristische Wertung, die dem Tatrichter obliegt, der sich dabei mangels eigener Fachkenntnisse der Hilfe eines medizinischen Sachverständigen zu bedienen hat. In aller Regel wird er sonst den berufsspezifischen Sorgfaltsmaßstab des Arztes, der bei der Prüfung eines groben Behandlungsfehlers zu berücksichtigen ist, nicht zutreffend ermitteln können (st. Rspr., vgl. Senatsurteile BGHZ 72, 132, 135; 132, 47, 53 f.; vom 3. Dezember 1985 - VI ZR 106/84 - VersR 1986, 366, 367; vom 10. November 1987 - VI ZR 39/87 - VersR 1988, 293, 294; vom 13. Februar 1996 - VI ZR 402/94 - VersR 1996, 633, 634 und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - VersR 2001, 859, 860). Das einzuholende Sachverständigengutachten muss vollständig und überzeugend und insbesondere frei von Widersprüchen sein. Unklarheiten und Zweifel zwischen den verschiedenen Bekundungen des Sachverständigen hat das Gericht durch gezielte Befragung zu klären. Andernfalls bietet der erhobene Sachverständigenbeweis keine ausreichende Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. Senatsurteile vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - VersR 1995, 195, 196; vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46, 47; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - VersR 1995, 659, 660 und vom 27. März 2001 - VI ZR 18/00 - aaO).

[17] bb) Vorliegend hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des medizinischen Sachverständigengutachtens einen groben Behandlungsfehler verneint, weil der Gutachter angegeben habe, das Übersehen einer Fraktur sei etwas, das tagtäglich passiere. Es könne zwar einen groben Fehler darstellen, doch sei dies nicht der Fall, wenn der Bruch, wie vorliegend, schwer zu erkennen sei. Mit Recht verweist die Revision darauf, dass der Sachverständige auch erklärt hat, die Fraktur sei "nur unter genauer Anschauung bzw. unter Vergrößerung erkennbar" gewesen. Abgesehen davon, dass eine "genaue Anschauung" bei der Auswertung eines Röntgenbildes wohl stets geboten sein dürfte, wirft diese Beurteilung des Sachverständigen die Frage auf, ob das Unterlassen einer genauen Anschauung vorliegend nicht doch als grober Fehler zu bewerten sein könnte. Unklar ist vor allem, was unter der Formulierung "Vergrößerung" zu verstehen ist. Da es sich bei der Verletzung des Klägers am Zeigefinger um eine relativ kleine Fraktur handelt, könnte der Sachverständige mit einer Anschauung "unter Vergrößerung" sowohl das Betrachten des Röntgenbildes mittels einer Lupe als auch die Anfertigung eines vergrößerten Röntgenbildes gemeint haben. Auch diesen Fragen wird das Berufungsgericht gegebenenfalls nachzugehen haben, zumal der Kläger, wie die Revision mit Recht geltend macht, unter Beweisantritt vorgetragen hat, es sei medizinischer Standard, ein Röntgenbild vierfach zu vergrößern. Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, eine Vergrößerung sei hier deshalb nicht erforderlich gewesen, weil die Fraktur auf dem Röntgenbild auch ohne Vergrößerung zu erkennen gewesen sei, steht diese rechtliche Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht nicht im Einklang mit der oben wiedergegebenen Einschätzung des Sachverständigen, wonach die Bruchstelle "nur unter genauer Anschauung bzw. unter Vergrößerung erkennbar" gewesen sei. Jedenfalls wird das Berufungsgericht, wenn es auch nach dem Beweismaß des § 287 ZPO keine Überzeugung von dem Ursachenzusammenhang zwischen der Fehlbehandlung und dem Morbus Sudeck gewinnen kann, die Voraussetzungen einer Beweislastumkehr erneut zu prüfen haben und einen groben Behandlungsfehler nur auf der Grundlage einer vollständigen und widerspruchsfreien Würdigung der medizinischen Anknüpfungstatsachen verneinen können.

Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 06.12.2005 - 16 O 234/04 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 11.10.2006 - 1 U 726/05-245- -
 
Hi Alle,


bisher habe ich mich für das Thema Morbus Sudeck nicht interessiert, da ich der Meinung war, es hat nur mit der Hand zu tun.

Nach den Berichten hier im Forum, könnte es mit meinen Sprunggelenksverletzungen und den ständigen Schmerzen schon etwas zu tun haben.

Dazu ist mir nach Cateye`s Zeilen von vor 2 Tagen, der Abschlußbericht des Reha - Arztes eingefallen, denn der Arzt schreibt auch von Nervenmessung am Fuß.

Da muß ich jetzt dann in Murnau im UK mal den untersuchenden Arzt darauf hinweisen.

Danke für Eure Beiträge.
 
Hallo oerni,

wenn Du nach BW kommen könntest, dann hätte ich Dir einen guten Gutachter!

Grüsse
Cateye
 
Serologische Untersuchung zum Nachweis von CRPS

Internationale Presse Zeitschrift für angewandte Schmerztherapie 4/2001

Patienten mit CRPS I haben weit häufiger als gesunde Probanden Antikörper gegen Parvoviren B19. Besonders hoch (94%) war die Seroprävalenz bei einem Schmerzsyndrom der unteren Extremität, ergab eine Untersuchung der niederländischen Forschergruppe von VAN DER VUSSE, A. C., et al. an 52 Patienten mit CRPS I. Bei der oberen Extremität waren immerhin 68% seropositiv. Beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom Typ I wird immer wieder diskutiert, dass es in

Zusammenhang mit vorangegangenen neurotropen Infektionen steht. In dieser Studie wurden die Patienten auch auf Antikörper gegen Treponema pallidum, Borrelia burgdorferi, HTLV-1 untersucht, hier waren alle negativ. Bei Zytomegalie-, Epstein- Barr-Virus, Herpes-simplex- Virus, Varizella-Zoster-Viren und Toxoplasma gondii waren die CRPS-Patienten vergleichbar gesunden Kontrollen. Aufgrund dieser Daten fordern die Autoren weitere serologische Untersuchungen dieser Patienten auch in anderen Regionen, um den Stellenwert der Parvoviren-Infektion bei der Entwicklung eines CRPS-I-Syndroms abzuklären. Nur so lässt sich der Verdacht, der bei der Maastrichter Studie auf diesen Erreger fiel, erhärten oder widerlegen.
A.C. VAN DER VUSSE et al.:
Screening of patients with complex regional pain syndrome for antecedent infections. Clin. J. Pain. 2001, 110- 114.

http://www.schmerz-therapie-deutschland.de/pages/zeitschrift/z4_01/art_416.html



Gruss,

Cateye
 
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