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Leben mit Radiusköpfchenprothese

LettaLuftig

Neues Mitglied
Registriert seit
28 Mai 2019
Beiträge
1
Hey Leute,

ich lebe nun seit ca 8 Monaten mit meiner Radiuskopfprothese. Ich hatte einen schweren Fahrradunfall, mit Luxationsfraktur und komplett zertrümmertem Ellenbogengelenk.Wie für wahrscheinlich alle von euch, ist das Leben damit nicht immer einfach, aber man kämpft sich durch. Ich bin 26 Jahre und habe mich früher unglaublich gerne bewegt. Ich war ein kleiner Gummiball, nun hat sich viel geändert und das Bewegen fällt mir schwer, denn ich habe fast immer Schmerzen oder bin deprimiert, da sich durch den Unfall das ganze Leben verändert hat. Viele Freunde sind deswegen abgehauen, mein damaliger Freund hat mich verlassen, da er mit der Verletzung und den Folgen nicht zurecht kam.
Ich möchte hier auch nicht groß rum jammern, ich würde gerne wissen - habt ihr auch soziale Verluste durch den Unfall erlitten? Wie kommen eure Angehörigen damit zurecht? - und - habt ihr Alternative sportliche Hobbys gefunden, welche euren Arm nicht all zu sehr belasten und trotzdem Spaß machen?
Ich gehe zwar regelmäßig ins Fitnessstudio, aber das stumpfe Abschwitzen im Käfig erfüllt mich nicht ganz, ich suche nach einem wirklich reizvollen , spaßigen, aufregenden, sportlichen Hobby.
Vielleicht habt ja Ideen und Vorschläge.
Vielen Dank schon einmal.
Grüße, Julia
 
Hallo Julia,
Du musst eines erkennen, der Unfall ist passiert, as Rad kann keiner zurückdrehen. Die Depressionen musst Du schnellstens ausblenden. Wenn Dich schon Freunde verlassen haben, musst Du die Ursachen dafür dringend selbst hinterfragen, Du musst deine Persönlichkeit auf Deine Neue Lebenssituation einstellen, dringend neuen Mut schöpfen. Aber das muss aus Dir heraus geschehen, dass kann und sollte kein andere mittragen. Also ganz ehrlich, ich kenne im meinem Bekanntenkreis keinen Fall, wo jemad dadurch Freunde verloren hat, oder es ware zuvor die falschen. Gerade in solchen fällen, sind Freund, Bekannte und Familie die wichtigsten Pfeiler im Leben. Du musst einfach selber schauen, was Du nun aus Deiner Situation machst, der grösste Teil Deines Lebens liegt noch vor Dir und den solltest Du Dir so angenehm wie möglich gestalten. Die Architektur dafür, musst Du selber festlegen.
Gruß Jörg
 
Hallo Julia,

ich kann Jörg nur beipflichten. Ein zurück ins alte Leben gibt es nicht - der Unfall hat einen aus der Lebensbahn geworfen und man sieht sich im Alltagsdschungel ohne Orientierung hilflos im Dickicht. Es gibt nur den Weg nach vorne - das Leben neu orientieren, neues ausprobieren nach anderen Lösungen suchen. Man ist ja schon kraftlos durch die Unfallumstände - Schmerz begleitet einen bei Tag und Nacht, 24h seit Monaten und da soll man noch Energie aufbringen sich neu zu justieren? Das ist sehr schwer, aber die einzige Chance.

Wenn du von den traurigen Momenten erzählst, dass sich vermeintlich gute Freunde, sogar Partner von einem trennen, dann ist das genau das Sieb, die Spreu vom Weizen zu trennen. Bleib im Kontakt mit allen die dir gut tun. Nimm dein Adressbuch und kreise alle ein, von jenen, bei denen du dich wohlfühlst. Und wenn es nur drei oder vier Namen sind. Melde dich jede Woche einmal bei denen. Das lässt sich ja selbst vom Krankenbett ausführen. Alle die dir nicht gut tun - pausiere - vielleicht melden die sich mal von sich aus. Egal, dann soll es so sein.

Für dich selber ist es wichtig raus aus der Depriphase zu kommen. Versuche dir jeden Tag ganz bewusst etwas Gutes zu tun. Also ein Spaziergang, ein Lieblingsgetränk, ein Kinobesuch etc. jeden Tag eine eigene Streicheleinheit von Dir selber an Dich. Für Dein Wohlbefinden bist nur du selber zuständig, sonst niemand. Die anderen sind nur Beigabe bzw. ein Geschenk.
Als Kind hast du gelernt: ein Geschenk kann man nicht einfordern, man bekommt es von sich aus, oder gar nicht. Das gilt auch für Beziehung bzw. Freundschaft. Wenn man dann ständig den anderen mit seinem Leid und Enttäuschung in den Ohren liegt, kann es denen auch zu viel werden und die ziehen sich zurück.

Für das alles braucht es viel Zeit. Nicht umsonst steht man Trauernden, die einen Angehörigen verloren haben, eine Trauerzeit zu. Man redet da von durchschnittlich sieben Jahren, bis ein Verlust überwunden scheint. Du selber trauerst auch, du hast dein altes Leben aufgeben müssen. Du machst parallel dazu diese Trauerphasen durch, aber sei gewiss, es sind Phasen, die vorüber gehen und Neues, Besseres auf dich wartet.

Dieser Unfall ist noch kein Jahr her, also schenke dir selber die Zeit. Bleib dran, an all jenem was dir bei den Schmerzen, bei der Bewältigung des Alltags als Hilfe dienen kann. Sei offen und probiere aus, was dir gut tut, dich weiter bringt, in ein neues anderes Leben, also du dir 25 Jahre lang ausgemalt hast.

Es ist wie die Eroberung eines unbekannten Kontinents, du hast mit dem Boot dein altes Leben verlassen und unfreiwillig zu neuen Ufern aufgemacht. Täglich begegnen dir Momente, die dich zurückwerfen oder vorwärts bringen, es ist eine Gratwanderung, die du alleine bewältigen musst.

Du wirst sehen in einem Jahr wunderst du dich über die momentanen Probleme - bis dahin hast du gelernt, lernen müssen, wie du mit dir und deinen Umständen umgehen musst, damit es dich nicht künstlich in den Tiefen der Depression hält. Vielleicht helfen dir ein paar Therapiestunden in der Gesprächs- bzw. Verhaltenstherapie, oder auch eine kurzfristige über wenige Monate dauernde Einnahme von leichten Psychies, die dich ein bisschen in Watte packen und als mentale Krücke fungieren können.

Ich wünsche Dir Mut und Zuversicht und wie hieß einmal ein Eintrag ins Poesiealbum

Kannst du nicht wie der Adler fliegen - steige nur Schritt für Schritt bergan
wer den Gipfel mit Mühen erklommen - hat auch die Welt zu Füßen liegen.


Lieben Gruß
Teddy
 
Hallo Julia,
der Thread ist ja inzwischen etwas älter, aber evtl. wird es ja noch gelesen. Wie geht es Dir inzwischen?
Ich hatte 2015 ebenso einen Fahrradsturz mit völlig zertrümmerten Ellenbogengelenk. Und ja der Unfall hatte auch bei mir Auswirkungen auf das ganze nachfolgende Leben, aber nicht immer nur schlechter-nur anders.
Ich bin viel dankbarer geworden, meiner Gesundheit gegenüber und wie wenig ich für selbstverständlich halten kann. Einfach und allein aus der Tatsache heraus, dass die ersten 2 Wochen danach gar nix ging (hatte links und rechts Frakturen). Allein wieder zu Essen und duschen gehen zu können, war traumhaft ;).
Meine sozialen Kontakte haben sich auch verändert. Ich weiss jetzt, welche Beziehungen mir gut tun und welche nicht. Aufgrund von verletzenden Kommentaren, Unverständnis über die langanhaltenden Schmerzen usw. Bei echten Freunden muss man sich nicht rechtfertigen, bewerten lassen usw. sie vertrauen Einem und haben echtes Interesse daran, wie es mir geht- auch nach der akuten Krankheitsphase. Das waren ziemlich "verletzende" Auswirkungen, mit denen ich nie gerechnet hätte, aber es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Viel dankbarer und mit intensiveren Beziehungen zu meinen Mitmenschen.
Ich war zum Glück vorher nicht ganz so sportbegeistert, weil eben vieles nicht mehr geht. Ich habe mich während der langen Rehaphase zunehmend auf das konzentrieren können, was noch geht z.B. meine Beine funktionieren wunderbar- also den Fokus auf die funktionieren Körperteile legen.
... dennoch sind die Folgen des Unfalls immer präsent... und ja dauerhaft Physio nervt auch ;).
Viele Grüße :)
 
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