Grüß Dich, Mika 88!
01
Die Versicherung wird ohne Prozess nichts zahlen, denn sie hofft, dass Du schon klein bei gibst. Im weil Du Dich fürchtest vor der jahrelangen Belastung.
Ich kenne aber viele Leute, die das schon durchgestanden haben.
02
Unter anderem auch deshalb, weil der Unfallopfer Bayern e.V. in München eine kleine Selbsthilfegruppe hat. Ruf mal in der Zentrale an – Telefonnummer ist im Internetauftritt zu finden.
03
Ich verstehe eines nicht: Du bist viel zu schüchtern!
Wo soll denn das Prozessrisiko liegen?
Das Schlimmste, was in der Theorie überhaupt passieren könnte (damit sage ich nicht, dass es hier passieren kann!) liegt darin, dass man einen Prozess verliert. Dann steht zwar im Urteil auch der hässliche Satz: „die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger“,aber dieser Satz kann der egal sein. Du bist ja Rechtsschutzversichert. Also muss die Rechtsschutzversicherung für diese Kosten aufkommen.
04
Noch schlimmer als einfach aufzugeben kann es gar nicht kommen.
Also, rauf aufs Pferd mit Dir, die Lanze eingelegt zu einem tüchtigen Turnier vor Gericht!
05
Bei GdB 70 dürfte schwer sein, ins Erwerbsleben zurückzukommen, und erst recht bei Pflegegrad 1.
Dabei musst Du Dir aber nicht jedwede Erwerbstätigkeit zumuten lassen:
(a)
Zwar gibt es ein berühmtes Buch (Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden), in dem die Behauptung aufgestellt wird, Du müsstest eine verbliebene Arbeitskraft in jedweder Hinsicht einsetzen.
Dieses Buch ist in einem seriösen Verlag erschienen, aber ich habe schon oft feststellen müssen, dass die Autoren einseitig sind, und das ist anscheinend mit den Jahren noch schlimmer geworden. Nun, Küppersbusch war Prokurist einer Versicherung, die heute zum Allianz Konzern gehört, und Höher ist ein Rechtsanwalt, der in der größten deutschen Versicherungskanzlei ziemlich weit oben rangiert.
(b)
Was Küppersbusch und Höher schreiben, ist vielfach durchaus interessant, man muss ja wissen, was alles an Einlassungen daherkommen kann. Aber oft falsch: Diesen beiden Autoren glaube ich ziemlich wenig. Wie oft musste ich schon abenteuerliche Rechtsansichten in diesem Buch lesen, die vor Gericht keine Aussicht auf Erfolg haben! Und zwar ganz einfach deshalb nicht, weil der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung konsequent anderer Ansicht ist dementsprechend anders urteilt!
Und wenn der Bundesgerichtshof sich mehrfach festgelegt hat, dann kann man sich mit 99,99 % Wahrscheinlichkeit darauf verlassen, dass die anderen Gerichte davon nicht abweichen. Dabei ist es völlig unsinnig, anderer Meinung zu sein, da ist ausdiskutiert. Von solchen Urteilen habe ich einen ganzen Packen.
Und so ist es auch mit der Erwerbstätigkeit. Du musst nicht alles annehmen!
(ba)
Man muss nicht jeden Job übernehmen. Du musst solche Arbeitsmöglichkeiten nutzen, die die zumutbar sind. Im Schadensersatzrecht ist es Dir zuzumuten, eine Arbeit zu übernehmen, die etwa gleich gut bezahlt wird wie Deine frühere Arbeit, die auch gleiches soziales Ansehen und ungefähr gleiches Niveau bietet. Jedenfalls näherungsweise.
(bb)
Wer aber einmal einen Beruf gelernt hat und in diesem Beruf auch tätig war, der braucht sich nicht auf Hilfstätigkeiten verweisen zu lassen. Das hat der Bundesgerichtshof mehrfach bestätigt, mir liegen die Urteile vor. So zum Beispiel hat das Oberlandesgericht München im Verfahren 24 U 716/15 das Urteil des Landgerichtes Augsburg 023 O 4375/14 bestätigt: ein Unfallopfer konnte noch einfache Büroarbeiten durchführen, auch Buchungsarbeiten. Ursprünglich hatte man auch Steuerfachangestellter gelernt gehabt. Doch danach hat er studiert und war Wirtschaftsprüfer geworden. Das war auch, also verunglückte. Als Wirtschaftsprüfer konnte er wegen des Unfalles nicht mehr arbeiten. Ausgeschlossen! Aber Steuergehilfenarbeit – das ging noch. Da wollte die Versicherung haben, dass er sich das dabei verdiente Geld anrechnen lässt. Schließlich, so meinte die Versicherung, sei das ja auch ein ehrbarer Beruf.
Da hat das Landgericht Augsburg aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das muss er nicht. Zuletzt war er Wirtschaftsprüfer gewesen, das ist der Maßstab. Und wenn er Wirtschaftsprüfer gewesen ist, dann braucht er nicht Arbeit als Steuergehilfe anzunehmen. Das Oberlandesgericht München hat das bestätigt.
(bb)
"Komisch!“, höre ich Dich sagen. "Ich habe immer gehört, dass man kein Arbeitslosengeld bekommt, wenn man nicht bereit ist, jedwede Arbeit anzunehmen. Da habe ich gehört, dass ein arbeitsloser Professor notfalls als Gärtnereigehilfe arbeiten muss. Ist das nicht richtig?"
Nun, das hast Du schon richtig gehört. Das gilt dann, wenn man Arbeitslosengeld haben will. Geht es darum? Nein, darum geht es nicht..
Es geht darum, dass Du Entschädigung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch von der gegnerischen Versicherung haben willst, und da gelten andere Regeln. Nämlich die, von denen ich oben berichtet habe und die das Landgericht Augsburg, das Oberlandesgericht München und auch der BGH oben genannt hat.
(c)
Ich glaube auch nicht recht, dass jemand, der eine Pflegestufe hat und einem Pflegegrad hat mit Erfolg auf den Arbeitsmarkt zurückkehren könnte, selbst dann wenn wollte.
(d)
zwar besteht grundsätzlich das Problem, dass Du das Gericht davon überzeugen musst: Ohne den Unfall wärest Du wieder in die Erwerbstätigkeit zurückgekehrt.
Dafür gibt es aber besondere Beweiserleichterungen (zum Beispiel § 252 BGB). Du musst zum Beispiel gar nicht mehr beweisen, dass Du (Unfall weggedacht) jetzt einen Job hättest. Es genügt, dass Personen, die eine vergleichbare Karriere gemacht haben, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit arbeiten würden. Da inzwischen 3 von 4 Damen nach einer Kinderpause wieder arbeiten (das kann man leicht belegen Mithilfe des statistischen Bundesamtes), sieht es gar nicht einmal so schwierig aus, dass Du auch belegen kannst, dass Du wieder gearbeitet hättest.
Und das Geld, dass Du dabei verdient hättest, das kannst Du einklagen. Sicher, eine Erwerbsunfähigkeitsrente oder Erwerbsminderungsrente müsstest Du Dir anrechnen lassen, aber üblicherweise bleibt da Monat für Monat ein tüchtiger Schaden übrig. Den verlangst Du jetzt ersetzt.
03
Leute, die so stark eingeschränkt sind, haben in der Regel einen tüchtigen Haushaltsführungsschaden. Hast Du davon schon mal was gehört?
ISLÄNDER