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Kann die Erinnerung an den Unfall nach 6 Jahren zurückkehren?

Grinsekatze3

Neues Mitglied
Registriert seit
13 Nov. 2019
Beiträge
1
Hallo,

ich bin gerade ein wenig verzweifelt. Ich hatte vor 6 Jahren einen schweren PKW-Unfall bei dem ich ein Polytraume erlitten habe. Mein Vater, der Fahrer, ist an der Unfallstelle verstorben. Die Sache ist die, dass ich anscheinend noch an der Unfallstelle ansprechbar gewesen bin und die ganze Zeit gesagt habe, dass ich blind sei und nichts sehen würde. Ich wurde dann im Krankenhaus für 4 Wochen in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt. Als ich im Krankenhaus aufgewacht bin konnte ich mich an nichts erinnern, weder an den Unfall, noch an den Unfalltag, noch an die Wochen davor. Ich hatte keine Verletzungen am Kopf oder Gehirn.
Es hat 3 Jahre und etliche Operationen und Reha Aufenthalte gedauert bis ich wieder ein normales Arbeitsleben führen konnte. Ich war für 3 Jahre in Psychotherapie und habe es als Geschenk gesehen mich nicht erinnern zu können, da es mir erlaubt wieder Auto zu fahren und ohne Angst am Straßenverkehr teilzunehmen.

Jetzt, 6 Jahre später, wo es mir gut geht und ich mitten in meiner Doktorarbeit stecke habe ich auf einmal das Gefühl, dass Erinnerungsfetzen kommen.
Ich wollte fragen, ob jemand ähnliche Erfahrungen gemacht hat und ob es überhaupt möglich ist dass ich mich erinnere, oder ob dies quasi Einbildungen sind wie man sich denkt dass ein Unfall aussieht?

Danke schon im Vorraus für die Antworten!
 
Hallo Grinsekatze, willkommen im Forum.

Ich bin kein Experte für deine Frege, schiebe deinen Beitrag aber mal hoch ...
... und frage, ob du in Behandlung bist oder dir einen Psychotherapeuten suchen willst, der auf PtBS spezialisiert ist.
Vorstellen kann ich mir sehr gut, dass es das gibt, was du beschreibst, außerdem gehe ich davon aus, dass du dir da nichts einbildest. Evtl. triggert Stress der aktuellen Situation etwas.

LG
 
hallo Grinsekatze,

nachdem ich deine frage schon frühzeitig gelesen hatte und einen vergleich anstellte, war mir meine erfahrung nicht als hilfreich vorgekommen, da es von den neurologischen folgen nicht so vergleichbar scheint. aber vielleicht gibt es ja doch etwas an anstössen, die nach m.M. aber letztlich doch mit einem neurologen besprochen werden sollten.

zu meiner erfahrung späterer erinnerung:
ich hatte nach dem unfall etwa 1 woche lang massive ausfälle an erinnerungen. vom einschlag und den 2 tagen danach bis auf wenige sequenzen gar keine, dann auch nur selektive und ziemlich ungeordnete erinnerung. vom erzählen weiss ich nur von einem arztbesuch am folgetag und dass ich nochmal dort "abgeliefert" wurde, weil keine behandlung oder sonst was erfolgt war. 1 woche nach unfall noch ein besuch, von dem ich weiss, dass ich bei einer ärztin gewesen bin, sonst nichts. die sonstigen ausfälle sollen mal dahingestellt bleiben.

5 1/2 jahre später wurde ich wegen eines folgeunfalls ins örtliche KH gebracht. hier traf ich auf eine - offenkundige - ärztin (sie hatte mit der aktuellen situation nichts zu tun), die für mich aber auffällig kaum der deutschen sprache mächtig war. aber in dem moment wusste ich, dass dies eben diese ärztin war, bei der ich 5 1/2 jahre zuvor gewesen bin.

ich muss aber sagen, dass ich weder im koma war noch dass ich eine bewusstlosigkeit am unfallort als solche wahrgenommen habe. ich konnte und kann mich schlicht nicht an das mir fehlende erinnern. ob es bei dir ähnliche wirkungsweisen geben kann, scheint also möglich, aber das wie gesagt wäre letztlich eine medizinisch zu´beantwortende frage.


gruss

Sekundant
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Angaben von Sekundant spiegeln meines wieder!

Ich hatte keine schwereren Schädelverletzung und war am Unfallort wohl voll ansprechbar. Der Ersthelfer wusste meine komplette Lebensgeschichte, ich habe Ihn noch nie gesehen.

Es kamen mit der Zeit aber leichte Fitzel, nur Bilder. Eine jugendlicher war Zeuge und als dieser mir Jahre später begegnete konnte ich mich an sein Gesicht erinnern. Ich habe noch ein paar Bilder von dem Unfallort.

Ich fahre kein Motorrad mehr und ein relativ großes Auto in dem ich mich sicher fühle, ja der Unfall hat Auswirkungen, aber keine Großen seit der PTBS Therapie.

MfG

GSXR
 
Hallo Grinsekatze,

ich habe auch nur Erinnerungsfetzen an meinen Unfall und das hat sich in den vergangenen 10 Jahren nicht verändert.
Die gestellte Frage kann jedoch nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden.

Ich kann aus meiner Sicht nur den Rat geben, nichts zu tun, was an den Unfall erinnern könnte, respektive eine aufkommende Erinnerung nicht zuzulassen. Aus meiner Sicht bringt es nichts, sich mit der Vergangenheit zu belasten. Nur muss das jeder für sich selbst entscheiden.

Mit Gruss
Chumana
 
Hallo,

Gebe hier meine persoenliche Meinung wieder.

Die Psyche laeuft nicht immer konform mit der vernuenftigen Einstellung eines Menschen.
Selbst wenn es von der Person als "Geschenk" angesehen wird sich an nichts zu erinnern, heisst es nicht das das Unterbewusstsein das genauso "sieht".

Das langsame Auftauchen von Erinnerungen ist normal, getriggert z.B. von Stress, Situationen, Geruechen, Farben oder sogar Stimmlagen.
Jeder Mensch ist anders, bei dem einen dauert es Wochen, bei anderen ggf. Jahren.

In stressigen Situationen kann man Erinnerungen die man nicht moechte, nicht mehr ausblenden und es kommen teilweise Fetzen in den Vordergrund.
Das kann dann immer mehr werden.

Ich empfehle dringend eine psychologische Behandlung, was keine Schande ist, jeder braucht mal Hilfe.
Sonst koennte es sein das man davon "ueberrannt" wird, vor allem wenn man ueberzeugt ist das man sie nicht moechte und auch kein Interesse daran hat sie zu haben.

Wenn Erinnerungen auftauchen, sind sie vorhanden und wollen oft genauso behandelt werden wie z.B. ein gebrochenes Bein gegipst werden sollte. Wenn keine Behandlung erfolgt koennen sich Angstzustaende entwickeln.

Aber es muss jeder fuer sich entscheiden wie mit Situationen umgegangen wird :)
 
hallo,

deinem beitrag kann man nicht widersprechen

In stressigen Situationen kann man Erinnerungen die man nicht moechte, nicht mehr ausblenden und es kommen teilweise Fetzen in den Vordergrund.

allerdings würde ich unterscheiden zwischen wieder auftauchenden erinnerungen, die vorher nicht vorhanden waren, und einem ständigen wiederkehren von erinnerten ereignissen. beides hat für sich genommen einen eigenen stellenwert und im letzten fall sicher einen krankheitswert, den ich im reinen "sich-erinnern"-vorgang erst mal nicht sehen würde.
vielmehr vermute ich als laie zwischen erinnerungen, die wieder aufkommen und solchen, die für immer ausbleiben, ein merkmal der schwere eines SHT und der verletzung allgemein. auch die tiefe einer bewusstseinsstörung von eintrübung bis hin zu koma (ggf auch im verlauf nach dem unfall zu- oder abnehmend) dürfte nach allgemeiner erfahrung dazu beitragen, ob und wie "erinnerungen" zurückkommen.
auch nicht zu vergessen, dass es ggtl nicht eigene erinnerungen sein müssen, sondern sich bilder von erzähltem und berichtetem als (vermeintliche) erinnerung darstellen können. auch da musste ich lernen zu unterscheiden bzw dies anderen deutlich zu machen.


gruss

Sekundant
 
Hi :)

Das ist soweit richtig aus meiner Sicht, hab mich da etwas unluecklich ausgedrueckt.
Nur wenn einen die Gedanken belasten oder Einfluss aufs taegliche Leben ausueben, oder man nicht sicher ist was fuer Erinnerungen es sind, sollte man vielleicht Hilfe in anspruch nehmen, um diese zu sortieren.

Hatte zum Beispiel nach meinem Unfall keine Erinnerung an den Hergang oder was zwischen Unfall und ankommen im KH passiert ist.
Hat mich die erste Zeit auch nicht wirklich belastet, sondern ich habe es als Geschenk angesehen nicht staendig an diesen Vorfall erinnert zu werden.

Hatte keine schwerwiegenden Kopfverletzungen, HWS und Prellung, aber z.B. keine Schwellung des Gehirns.

Nach einiger Zeit habe ich Panikanfaelle im Auto beim mitfahren (selber darf ich wegen Meds. nicht fahren) bekommen und das belastet mich sehr.
Bin auch in Behandlung deswegen, Psychologin meint das es mit dem Unfall und den nicht vorhandenen Erinnerungen ist und wir versuchen das aufzudroeseln.

Lebe auch eigentlich nach der Einstellung, aus den Augen aus dem Sinn, was vergangen ist ist vergangen. Leider holt einen die Vergangenheit manchmal ein, ob man will oder nicht :)
 
Hallo,

nach dem Stand der Psychotraumatologie kann dies sein, das sich jemand erst Jahre, auch erst 6 Jahre später wieder an eine Unfallsituation, oder ganz allgemein an ein traumatisches Erlebnis erinnert. Dabei kann es, wie Sekundant schon schrieb, sich um eigene Erinnerungen, auch Bruchstücke davon handeln. Oder tatsächlich um Eindrücke aus dem Alltag, von Erzähltem, eine Fernsehsendung oder anderes.

Die PTBS - Posttraumatische Belastungsstörung - kann sich auch nach längerer Zeit erst manifestieren. Dann kann es hilfreich sein, jemanden zu kontaktieren, einen Therapeuten, wenn ein gewisser Leidensdruck vorhanden ist, und sich Unterstützen zu lassen. Bei einer Traumatherapie ist es wichtig, das ein Therapeut entsprechend darauf geschult, ausgebildet ist und es sollte mentale Stabilisierungsübungen in der Therapie geben. Das "durchkauen" eines traumatischen Erlebnisses war früher oft "normal". Heute weiß man jedoch, das es zu Retraumatisierungen kommen kann und daher besteht heute eine Traumatherapie grob gesagt aus 4 Teilen Stabilisierung und 1 Teil Durcharbeiten des Geschehens bei genügender Stabilität.

Persönlich würde ich auch eher abwägen, ob ich die Erinnerungen "wieder haben möchte" mich diesen aktiv zuwende, oder eher den Fokus darauf lege, meine Konzentration im Hier und Jetzt zu halten.

Vielleicht helfen einige der Gedanken weiter,
Helios
 
Hallo Grinsekatze,

das nennt man auch Verdrängungsmechanismus. Das ist wichtig, damit Dein Gehirn nicht durchdreht.

Die entscheidende Frage ist, ob Du Dich überhaupt an den Unfall erinnern willst. Ich frage das deshalb, weil die Erkenntnisse daraus durchaus das Lebensgefühl arg beeinträchtigen können. Andererseits gibt es aber Fälle, wo die Personen, die sich daran erinnern können, anschließend nachdem sie die Kenntnis darüber hatten, damit abschließen konnten.

Das ist allerdings von Person zu Person unterschiedlich.

Wenn ich eine Unfallrekonstruktion durchführe, dann besichtige ich grundsätzlich den Unfallort und zwar zusammen mit dem Unfallgeschädigten. Ich rate dann immer, noch eine zweite Person zur seelischen Stütze mitzunehmen und weise darauf hin, dass danach eine zwei-dreitägige Erholungsphase von Nöten ist. Die Konfrontation mit dem Unfallort bringt emotional gesehen Erinnerungen zum Vorschein, die für meine Unfallanalyse von immenser Bedeutung sind. Bis auf einen Fall, bei dem der Unfallgeschädigte sich auch bei Anwesenheit am Unfallort an nichts erinnern konnte, habe ich immer die Erfahrung gemacht, dass Bruchstücke und Kleinigkeiten, die aber für die Beurteilung des Unfalls sehr wichtig sind, zum Vorschein kamen.

Mal ein kleines Beispiel: Ich hatte vor Jahren im Norddeutschen Raum für eine ältere Dame einen Unfallrekonstruktion erstellt. Ich hatte im Vorfeld mit ihr mehrmals telefoniert und sie sagte mir jedes Mal, dass sie sich an nichts erinnern kann. Also fuhr ich mit ihr zum Unfallort und siehe da, kam unvermittelt eine Unfallbegebenheit zu Tage. Sie sagte zu mir: Sehen sie dort drüben auf dem Gehweg, da war noch Wochenlang nach meinem Unfall eine Senke in den Gehwegplatten, da ich dort mit meinem Pkw auf dem Dach lag.

Diese Information war für mich als Unfallanalytiker sehr wichtig. Das setzte nämlich voraus, dass die ältere Dame sich mit ihrem Auto seitlich überschlug. Also habe ich von der ursprünglichen Fahrtrichtung in Richtung Gehwegsenke geschaut und auf dem Weg dorthin einen noch recht dünnen Baum (der letztendlich als "Kippschanze" diente) entdeckt.

Du siehst, es kommt darauf an, was das Ziel der Erkenntnis ist.

Herzliche Grüße vom RekoBär :)
 
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