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Haushaltsführungsschaden: 15,25 Euro/Stunde?

Isländer

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Registriert seit
11 Nov. 2012
Beiträge
1,730
Ort
Bayern
Grüß Euch alle,
die ihr um Haushaltsführungsschäden kämpft!

01
In diesem Artikel geht es um den Stundensatz für Haushaltsführungsschäden: Wer wegen eines Unfalles, den ein anderer verschuldet hat, seinen eigenen Haushalt nicht mehr (so) versorgen kann wie vor dem Unfall, der hat regelmäßig einen sogenannten Haushaltsführung Schaden. In den meisten Fällen wird er "auf fiktiver Basis“abgerechnet. Das ist dann, wenn der Geschädigte keine Haushaltshilfe anstellt. Tut er das nicht, bekommt er das Netto einer (fiktiven) Haushaltshilfe, die er eigentlich gebraucht hätte.

02
Dabei wird häufig der Fehler gemacht:

(a)
Man schätzt, wie viel Stunden/Woche ausfallen oder durch Mehrarbeit innerhalb der Familie aufgefangen werden.

(b)
Dann schätzt man, was eine Haushaltshilfe netto pro Stunde bekommt.

(c)
Man multipliziert die Zahl der Stunden/Woche mit dem Nettostundensatz, schon hat man den Nettobetrag pro Woche. Nimmt man das „mal 52", so hat man den Schaden pro Jahr.

So machen es fast alle. Nur ist es falsch. Es ist eine Milchmädchenrechnung.

03
Das Landgericht Köln bestellte sich einen Sachverständigen.

Der kam (für das Jahr 2019) auf 15,25 €.für das Jahr 2015 hatte er noch 13,85 € errechnet. Vergleicht man das mit den häufig gewählten Netto Stundensätzen zwischen 8,00 € und 10,00 €, selten auch einmal 12,00 €, wird die 15,25 € netto pro Stunde saftig.

Das Landgericht Köln ist seinem Gutachten trotzdem gefolgt:

Der Sachverständige sagte nämlich:

(a)
- Wer Vollzeit arbeitet, bekommt den Vollzeit-Lohn. Nehmen wir an, er bekommt jede Stunde 10,00 €. Nehmen wir einmal an, 39 Stunden pro Woche entspricht einer Vollzeitstelle. Arbeitet jetzt dieser Arbeitnehmer im Jahr 52 Wochen je 39 Std. (= 2028,00 Stunden im Jahr)?

(b)
Nein. Der Arbeitnehmer hatte auch Urlaub. Da bekommt der Geld, den Urlaub wird in Deutschland bezahlt, weil das im Bundesurlaubsgesetz steht. Aber wer im Urlaub ist, der arbeitet nicht. Der bekommt also Nettostunden bezahlt, die er nicht arbeitet. Auch diese Haushaltskraft wird einmal krank sein ("Schnupfen, Husten, Heiterkeit"), da es Lohnfortzahlung (auch im Minijob) im Übrigen: An Feiertagen wird gefeiert, nicht gearbeitet, trotzdem: Feiertage werden bezahlt. Der Sachverständige fand heraus: Wer Vollzeit berufstätig ist, der arbeitet nicht die oben ausgerichteten 2028 Stunden im Jahr, sondern nur etwa 1650 Stunden im Jahr. Nimmt man als an, dass ein Nettolohn 10,00 € netto pro Stunde ist, dann verdient so eine Kraft im Jahr netto 20.280,00 €. Das sind für jede Stunde, die dieser Arbeitnehmer wirklich arbeitet, 12,29 €. Der Sachverständige fand: ein Ausfall an Arbeit kann nur durch Leistung von Arbeit ersetzt werden. Sie kann nicht dadurch ersetzt werden, dass nur kassiert wird, aber nicht gearbeitet wird.

(c)
Damit nicht genug. Wenn der Unfallverletzte nicht mehr in Urlaub fahren kann, was macht in den 4 Wochen gesetzlichen Mindesturlaubs seiner fiktiven Haushaltshilfe? Er steht dumm da! Er braucht eine Urlaubsvertretung, während seine fiktive Haushaltskraft in Mallorca am Strand liegt. Es ist nur so, auch diese Urlaubsvertretung wird Geld haben wollen.

Der durchschnittliche Arbeitnehmer hat nicht die 4 Wochen Mindesturlaub im Jahr, sondern 6 Wochen Urlaub. Es kann ja sein, dass der Unfallverletzte seinerseits noch in Urlaub fahren kann, dass auch tut und dass es ihm gelingt, sich mit seinem fiktive Arbeitnehmer abzustimmen. Nur: fährt der durchschnittliche deutsche 4 Wochen im Jahr in Urlaub? Oder gar 6 Wochen in Urlaub? Nein: Das ist deutlich weniger. Aber selbst dann, wenn nur eine Lücke von 3 Wochen übrig bleibt, für die eine Vertretung bezahlt werden muss: 3 Wochen entspricht ungefähr 5,8 % des Jahres. Um die Urlaubsvertretung auch nur für 3 Wochen zu finanzieren, müssten 5,8 % „Umlage“ für die Urlaubsvertretung auf den Stundensatz aufgeschlagen werden.

So werden aus den (ursprünglich) 10,00 € inzwischen 13,00 € pro ausgefallener Stunde.

(d)
Dann hat der Sachverständige sich noch folgendes überlegt: Am Wochenende oder an Feiertagen muss man nicht Wäsche waschen. Mag sein. Aber:

(da)
Ein Teil der Erziehungsarbeit läuft am Wochenende und an Feiertagen, und zwar ehe überdurchschnittlich viel. Denn da sind die Kids nicht in der Schule oder im Kindergarten aufgeräumt. Dann muss man sich schon selbst bespaßen!

(db)
Übrigens fand der Sachverständige auch, dass sich der Sonntagsbraten nicht von selbst macht. Das dürfte auch stimmen. Man kann aber den Braten für den Sonntag nicht irgendwann unter der Woche machen – sonst gibt es am Sonntag bestenfalls kalten Braten: mit kalten Kartoffelbrei. Also gibt es auch am Sonntag Haushaltsarbeit.

Also schön: Da wird also auch Haushaltshilfe womöglich am Wochenende oder an Feiertagen notwendig sein. Nur, wer arbeitet da ohne einen tüchtigen Zuschlag? Das machte nur wenige %e aus, obwohl die geschädigte Person Kinder hatte (sie hat auch unter der Zeit neuen Nachwuchs bekommen). "Null" war auch das nicht. Sagen wir jetzt vereinfacht, was das noch einmal 3 % Zuschlag ausmacht, so im Durchschnitt der Haushalte, dann sind wir jetzt bei 13,39 € pro Stunde angelangt.

Was sind dann die 10,00 € pro Stunde netto? Antwort: Eine Milchmädchenrechnung!

04
Die Annahme, ein „Basislohn“ von 10,00 € netto, die stammt von mir. Diesen Basis-Lohn habe ich jetzt gewählt gewählt, damit man deutlicher sieht, wie groß die Fehler sind, wenn man die übliche Milchmädchenrechnung macht.

Der Sachverständige hatte eine etwas höhere Basis, weil der Haushalt im Großraum Köln war in einem städtischen Gebiet. Es muss auch berücksichtigt werden, dass in dem Haushalt zeitweise mehrere kleine Kinder waren, für Kinderbetreuung muss man schon etwas mehr auf den Tisch legen. Aber schon bei der Berechnung der Ausgangsbasis zeigte sich, dass es mit 8,00 € als Ausgangsbasis nicht mehr geht. Der Sachverständige hatte im statistischen Bundesamt aussagekräftige Zahlen gefunden.


05
Der Haushalt, um den es ging, lag im urbanen Bereich des Oberlandesgerichts Köln. In Städten wird mehr bezahlt als auf dem flachen Land. Eine größere Rolle spielt hier auch, dass in dem Haushalt durchgehend kleine Kinder und Schulkinder zu versorgen waren. – damit sind die 15,25 € durchaus ein hier hoher Stundensatz, verglichen mit dem Durchschnitt. Aber selbst dann, wenn man 15 % abzieht, weil man solche Faktoren im konkreten Haushalt bei Dir nicht hat: dann legt man immer noch in der Nähe von 13,00 €.

06
Beachtlich ist auch: Gerichte schätzen Stundensätzen gerne dadurch, indem sie sich auf ältere Entscheidungen berufen, ohne die Lohnentwicklung zu beachten. Das Urteil zeigt, dass das schon eine ärgerliche Fehlerquelle ist:

Das Urteil zeigt nämlich auch eine Lohnentwicklung. Dort entschiedene Zeitraum war nämlich sehr lang. Die 15,25 € pro ausgefallener beziehen sich auf das Jahr 2019. Der Wert für das Jahr 2012 (also 7 Jahre rückwärts) war noch 12,99 €. In 7 Jahren ein Plus von 17,4 %.

Das sollte sich einmal das OLG München sehr zu Herzen nehmen: Dort urteilt man nämlich ohne Rücksicht auf die zwischenzeitliche Lohnentwicklung immer noch mit 8,50 € pro Stunde: Das macht das Oberlandesgericht München seit dem Jahr 2005 so. 15 Jahre ohne Lohnanpassung. Das kann gar nicht stimmen.


07


Das Landgericht Köln hat nach dem Eingang des Gutachtens den Sachverständigen ins Gericht bestellt, damit er sein Gutachten erläutern möge. Und, damit die Parteien dazu auch Fragen stellen könne.

Das Gericht sah "besonders fundierte Spezialkenntnisse der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Schätzung von Haushaltsführungsschäden", er habe seine Feststellung in der mündlichen Verhandlung überzeugend und nachvollziehbar zu erläutern vermocht und hierbei alle an ihn gerichteten Rückfragen erschöpfend und präzise beantworten können"- so steht es im Urteil. Und es folgte dem Gutachten.

06
Das Urteil des Landgerichts Köln stammt vom 22.12.2020 und hat das Aktenzeichen 3 O 224/16. Druckfrisch!

07
Es gibt übrigens eine ähnliche Entscheidung, die schon früher einmal ganz ähnliche Kalkulationsschritte gegangen ist, weil dort ein Geschädigter ein betriebswirtschaftliches Sachverständigengutachten erholen ließ. Das war das Urteil des Landgerichtes Bamberg 2 O 173/88 vom 06.02.2008.

Dort ist es zwar um Assistenz für einen schwer Unfallverletzten gegangen, also um Hilfe dazu, dass er überhaupt in seinem Haushalt leben kann. Aber die Grundgedanken sind selbstverständlich die gleichen. Denn es ist egal, wo man hinschaut, auch in der Pflege gibt es viele Stunden, die werden zwar bezahlt – in denen wird aber nicht gearbeitet. Denn auch im Pflegeberuf gibt es Urlaub!


08
Nun kann ja jeder sagen: "Och... Das ist ja nur das Urteil eines Landgerichts", das stimmt.

Wenn man sich die Grundlagen ansieht: Was soll denn an dem Gutachten falsch sein? Urlaub gibt es eben, und Urlaubsvertretungen kosten Geld, und Wochenendarbeit kostet halt eben Zuschlag.

Das Landgericht Köln hat den Sachverständigen zur Erläuterung des Gutachtens in eine Verhandlung geladen. Es war anscheinend beeindruckt, dass er bei der Befragung auf alle Rückfragen „erschöpfend und präzise beantworten konnte", die Feststellungen habe er "überzeugend und nachvollziehbar zu erläutern vermocht".


Es wird recht spannend sein, zu sehen, welchen Einfluss dieses Urteil auf die weitere Rechtsprechung hat.

ISLÄNDER
 
Hallo Isländer,

Danke für Deine ausführliche Beschreibung und Deinem letzten Satz - Einfluss auf weitere Rechtsprechung.
 
Hallo Isländer,

danke Dir für Deine prima Ausführungen :)

Gruß Bobb
 
Hallo Isländer,

Danke für den interessanten Vortrag.

Ein Beschluss des kammergerichts Berlin hat für einen ein Personen Haushalt folgendes ausgeführt:
"Für die Schätzung des Nettolohns hat der Senat unter Heranziehung des Tabellenwerkes Schulz-borck/ Pardey, Haushaltsführungsschaden 7.auflage, den entgeltgruppe des für den Wohnsitz des Klägers maßgebenden TVÖD Bund zu grunde gelegt und entsprechend der überzeugenden Empfehlungen
der Tabelle 14a des Tabellenwerkes Schulz-borck/Pardey , Seite 89, die Eingruppierung in der entgeltgruppe 1nach dem Umfang der Leistungen vorgenommen, die eine HIlfskraft übernehmen müsste, um den Ausfall des klägers zu ersetzen."
Wenn ich richtig verstehe, orientiert sich die Nettolohn eines Hilfskrafts nach entgeltgruppen des TVöD Bund und die steigen jährlich.
Wird die gegnerischen Versicherung auch das akzeptieren und jedes Jahr die Stundensätze erhöhen oder sollte hierfür Vereinbarungen getroffen werden?
Ich hoffe, dass ich mich verständlich ausgedrückt habe.

MfG
trus
 
Hallo Isländer,

Fazit aus dem was Du beschrieben hast, es ist wichtig einen Fachmann / Gutachter an der Hand zu haben und einzusetzen.
Ich kenne drei Namen, wobei einer besonders qualifiziert sich heraus stellt, es ist anzunehmen, dass Dein Betrag diesen widerspiegelt.
 
Grüß Dich, Trus!

01
Ausgangspunkt ist zunächst: Man muss berechnen, wieviele Stunden eine Haushaltskraft braucht, um das zu erledigen, was die verletzte Person in ihrem Haushalt nicht mehr (auf zumutbare Weise) tun kann.

Ich nehme für meine Erläuterungen jetzt einmal eine Einschränkung an, die Hilfe im Haushalt der verletzten Person für 10 Stunden in der Woche nötig macht. Nur als Beispiel. Das könnte also durchaus ein Singlehaushalt sein, der ungefähr mittlerem Niveau geführt wird, und bei dem die Hälfte der Haushaltsarbeit nicht mehr möglich ist.


02
Wird eine solche Haushaltskraft nicht eingestellt, bekommt der Verletzte trtotzdem etwas. Nämlich das, was eine Haushaltskraft netto bekommen, würde, die das erledigt, was die verletzte Person nicht oder nicht mehr tun kann. Wieviel ist das?

(a)
Da müssen wir erst mal wissen, was solche Kräfte im Durchschnitt brutto verdienen.

(aa)
Das KANN man mit dem TVÖD schätzen, das stimmt. Man kann aber auch andere Marktdaten benutzen. Da besteht eine gewisse Freiheit, wo man seine Anhaltspunkte hernimmt: Denn der Schaden wird ja nicht (voll) beweisen, sondern anhand geeigneter Anhaltspunkte geschätzt (§ 287 ZPO).

(ab)
Nehmen wir mal folgendes an: Eine Vollzeit-Kraft bekommt im Jahr Brutto für so eine Arbeit 30.000,00 Euro: Brutto. Das ist grob geschätzt. Hängt natürlich auch davon ab, ob eine Reinigungskraft in Sachsen-Anhalt auf dem Lande gebraucht wird oder eine Hauswirtschaftsmeisterin in Starnberg, dem teuersten Landkreis von Deutschland.

(b)
Daraus kann man nun mithilfe von Rechenprogrammen (z.B. von der AOK) ausrechnen, was das Netto ist. Sagen wir einmal: ungefähr 21.000,00 € pro Jahr netto.
Das sind pro Woche ungefähr 404,00 € Lohn. Netto. Für unsere Vollzeitkraft. Bei einer 40 Stundenwoche ist das in unserem Beispielsfall nicht viel. Das sind netto 10,10 €.

(c)
Wir brauchen aber in unserem Beispielsfall keine Vollzeitkraft. Da langen ja 10 Stunden in der Woche. Die 10 Stunden in der Woche entsprechen im Jahr 520 Stunden. So viel ist also in unserem Beispielsfall der Arbeitszeitbedarf, der jedes Jahr geleistet werden muss.

(d)
Und als nächstes kommt der riesengroße Fehler, den fast alle machen: den das Landgericht Köln aber mithilfe des Sachverständigen vermieden hat, und das ist das Revolutionäre an dem Urteil:

(da)
Fast alle sagen sich: Wenn wir statt 40 Std./Woche nur eine 10 Stunden benötigen, dann ist das eine Viertelstelle. Das macht also pro Woche 1/4 von den 404,00 € netto aus, die eine Vollzeitkraft als Haushaltshilfe jede Woche netto verdient. Laut Taschenrechner: das sind in der Woche rd. 100,00 €.

Das wird dann häufig verlangt bzw. in Urteilen zugesprochen. Aber es ist falsch, und zu zwar zulasten der Geschädigten.

(db)
Was soll denn daran falsch sein?

(I)
Ganz einfach: Richtig ist ja noch, dass so ein Arbeitnehmer in diesem Beruf mit einer Vollzeitstelle netto 100,00 € pro Woche verdient, zumindest nach den Bedingungen des Besipieles.

(II)
Richtig ist auch noch, dass jemand, der eine 1/4-Stelle hat, unter diesen Bedingungen in der Woche 100,00 € netto verdient.

(III)
Aber dafür arbeitet unserer Hilfskraft er aber nicht Woche für Woche 10 Stunden! Da liegt der Fehler!

- An den etwa 10 Feiertagen des Jahres wird gefeiert. Der Lohn dafür wird bezahlt. Aber wer macht die Arbeit? Keiner. Damit lässt sich aber der Ausfall nicht ausgleichen. Arbeitsausfall kann man doch nur dadurch wiedergutmachen, in dem jemand anders wirklich arbeitet, nicht nur kassiert!

- Genauso: Urlaub wird ja bezahlt. Wer erledigt da den Ausfall-? Keiner. Wer soll Dir jetzt helfen? Klarer Fall, eine Urlaubsvertretung. Nur: Dann muss auch die Urlaubsvertretung bezahlt werden, d. h. für so ungefähr 5-6 Wochen im Jahr: 5-6 Wochen pro Jahr sind nicht 100,00 € netto pro Woche fällig, sondern das Doppelte. Die ersten 100,00 € für die Kraft, die sonst immer die Arbeit erledigen würde, und die 100,00 € für die Urlaubsvertretung. Kommt obendrauf!

- Dann kommt unser Arbeitnehmer mal nicht, weil sein Kind krank ist (Sonderfall des "Home-Office"). Nur: Dort, wo er putzen sollte, da erscheint er nicht.

Der Sachverständige hat das so bewältigt:

(eba)
Er hat ermittelt, dass in Deutschland Vollzeitkräfte durchschnittlich eine 39-Stunden-Woche haben. Dafür arbeiten sie nicht 52 Wochen/Jahr je 39 Std. = 2.028 Std., sondern nur ungefähr 1650 Stunden. Das heißt: Wer eine 39-Stunden-Woche hat, der arbeitet in wirklichkeit nur 1650 Std./Jahr : 52 Wochen/Jahr = 31,73 Std./Woche.

Die restlichen 378 Stunden im Jahr werden bezahlt, da wird aber nicht gearbeitet.
Wenn man also ausrechnen will, was die Stunde wirklich geleisteter Arbeit kostet, dass man bei der Vollzeitkraft nicht in Jahres Nettolohn von 21.000,00 € aus unserem obigen Beispiel durch 2028 Stunden teilen, man muss ihn durch 1650 Stunden teilen. Dann kostet jede Stunde wirklich geleisteter Arbeit schon deutlich mehr: In unserem Beispielsfall 12,73 € pro Stunde.

(ebb)
Damit haben wir aber noch nicht bewältigt, dass für etwa 5,5 Wochen des Jahres zusätzlich noch eine Urlaubsvertretung bezahlt werden muss. Das auch noch! Das Sachverständige hat so bewältigt: Er hat ausgerechnet: 5,5 Wochen entsprechen etwa 10,6 % eines ganzen Jahres. Um also den Nettolohn dieser Urlaubsvertretung finanzieren zu können, muss man auf jeden Stundenlohn geleisteter Arbeit 10,6 % aufschlagen.

So werden aus 12,73 € jetzt 14,08 € pro ausgefallene Stunde, immer netto berechnet.

(f)
Das ist jetzt aber ein ganz anderer Betrag als das, was netto die Ausgangsbasis gewesen ist: die Ausgangsbasis war 10,10 € Nettolohn pro bezahlter Stunde. Die wirklich gearbeitete Stunde (inklusive Umlage für die Urlaubsvertretung) ist teuerer: da ist man jetzt in unserem Beispielsfall bei 14,08 €, das sind immerhin 39,15 % mehr.


(g)
Ich habe jetzt die Darstellung und das Urteil des Landgerichts Köln ganz erheblich vereinfacht. Damit ihr die wichtigen Neuerungen auch gut sehen könnt und vor allem das Prizip erkennt. In Köln gab es deshalb mehr, weil kleine Kinder zu betreuen waren, und dann war der Haushalt auch im städtischen Bereich: Da ist's halt etwas teuerer.

(h)
Tatsächlich kommt anscheindend fast keiner auf den Trichter. Aber das LG Köln hat es geschafft.


03
Ich rate allen, die diesen Beitrag lesen, das auch einsetzen wollen:

(a)
Ausdrucken.

(b)
Dem Anwalt unter die Nase halten.

(c)
Bei dem Anwalt drauf dringen, dass er das unterbringt. Er sollte darauf dringen, dass für die Kalkulation ein Gutachten eines Sachverständigen für Haushaltsführungsschäden her muss, sonst wird's schon wieder falsch gemacht. Die IHK's haben entsprechende Sachverständigenverzeichnisse.

(d)
Darauf hinweisen, dass es ja geht, beim LG Köln ist es auch gegangen (Az.: 3 O 224/16, Urteil 22.12.2020).

(e)
Wer das durchsetzen will, der muss tüchtig Druck auf die Tube geben. Mehr Schub also!


ISLÄNDER
 
Grüß Dich, Trus!

(a)
Die 7. Auflage von "Schulz-Borck/Pardey" ist veraltet. Aktuell ist die 9. Auflage. Prof. Dr. Schulz-Borck ist vor einigen Jahren verstorben. Pardey führt das Werk weiter. Vorsicht: Die neuen Auflagen zeigen einige Änderungen.

(b)
Versicherungen werden das freiwillig wohl kaum hinnehmen. Sie werden DIr auch nicht Jahr für Jahr einen Aufschlag gewähren. Denn viele Oberlandesgerichte haben die NEigung: Sie schätzen den Stundensatz, indem sie ein anderes Urteil abschreiben. Dort hat man ein noch älteres Urteil abgeschreiben, un in dem noch älteren Urteil steht, dass man sich auf eine Entscheidung vor dem Jahr 2000 beruft.

(c)
Mach Dich auf eine Klage gefaßt, sonst wird das nichts. Zögern, zaudern und hoffen hilft da nicht, das ist leider so.
Rauf aufs Pferd und ncht lange rumtun. Klagen!
Da muss ich leider aus Erfahrung sprechen. Seit über 42 Jahren bearbeite ich beruflich -an unterschiedlichsten Positionen- Unfälle und Personenschäden. Da kommt allerhand zusammen.

(d)
Tipp: Der Vortrag zum Stundensatz sollte gründlich sein.

(e)
Hast Du eine Rechtsschutzversicherung-?

Ist Dir jetzt damit schon weitergeholfen?

ISLÄNDER
 
Hallo Isländer,

sorry für die OT`s hier:

wie Recht du hast (;-))) weißt, unser Urteil von LG Darmstadt war auf unserer Seite wegen der Katzen ( Tierschutzgesetz,etc.)
Die Gegnerisch verweigert dies erneut, weil Katzen nicht so lange Leben ,man brauche " keine Neuen"- Ey, gehts noch ?
Männe kann nicht mehr richtig Motorrad fahren ( Gespann steht eher rum) jetzt sollen wir die Katzten aussterben lassen .....
Nee, etwas vom " gesunden Leben" vorher muß doch möglich sein?

Danke und
lG Aramis
 
Grüß Dich, Aramis!

Thema: "Katzen", damit Thema "Aufwand mit Tieren im Haushalt":

01
Haustiere wirken sich in der Haushaltsarbeit aus. Teilweise direkt, Weise gefüttert werden müssen, Hunde müssen ausgeführt werden, man muss auch ab und zu zum Tierarzt mit seinem Haustier. Auch die Katzentoilette bedarf einer gewissen Wartung.

Wie wirkt sich das Haushaltsführungsschaden aus?

02
Es gibt eine Meinung, die ist in der Versicherungswirtschaft oft genannt: Ein Haustier hat man nicht, weil man ein Haustier haben muss. Das hat man als Hobby, eben, weil man Hunde oder Katzen mag. Immerhin bereichern sie ja auch das Leben zu Hause.
Daraus wird dann geschlossen, dass Haustiere bzw. deren Betreuungsbedarf nicht zum Haushaltsführungsschaden gehören kann.


03
Ich halte die Ansicht für falsch.

(a)
Es ist zwar richtig, dass man sich ein Haustier selbst zulegt, weil man ein Haustier haben möchte. Das ist kein „muss“.
Das stimmt aber für den Garten ebenso. Beim Garten ist es völlig unstreitig (ausgenommen Küppersbusch: Aber was will man von einem vormaligen Prokuristen einer Versicherung aus der Allianz Gruppe anders erwarten?).
Der Bundesgerichtshof ist jedenfalls der Meinung: Ausgefallene Gartenarbeit es zu entschädigen (BGH VersR 58/454; BGH, Beschluss VI ZR 84/95 vom 10.12.1985; BGH NZV 89/387).
Nachdem aber auch ein Garten kein „Muss“ ist: Wieso soll der Garten bei der Haushaltsarbeit mitzählen, die Haltung eines Haustieres aber nicht?

(b)
Es ist doch so: die Versicherung muss schon hinnehmen, wie man sich sein Leben gestalten möchte. Schließlich hat man es vor dem Unfall selbst gestaltet, dann darf man das nach dem Unfall auch. Gerade im persönlichen Bereich ist Versicherung nicht befugt, sich auf den Lebensbereich eines Mönches zu beschränken, der in einem besonders strengen Orden lebt. Auch da haben wir den BGH hinter uns: BGH VersR 98/366 und BGH VersR 78/149. Ich habe noch weitere Urteile im Kopf, bei Bedarf kann ich die Urteil Stelle nennen (Oberlandesgericht Bremen, Oberlandesgericht Koblenz).



(c)
Einen Garten darf ich verwildern lassen, vielleicht ist das biologisch sogar ganz gut. Wenn ich aber ein Tier habe, dann muss ich mich darum kümmern, ich muss es artgerecht halten, das ist eine Rechtspflicht (§ 2 des Tierschutzgesetzes), Tierschutz ist eine in der Verfassung vorgesehene Verpflichtung. Sobald man sich also ein Tier angeschafft hat, entstehen auch Rechtspflichten. Seit wann ist das ein Hobby, Rechtspflichten zu folgen?

04
Nun gibt es tatsächlich Zeitaufwand mit einem Tier, die man schlecht als „Haushaltsarbeit“ bezeichnen kann. So zum Beispiel kommt mein Kater pünktlich jeden Abend und will mindestens eine halbe Stunde beschmust werden, während ich im Fernsehsessel sitze. Nun ist das auch ein Bedarf, den mein Kater hat (wehe, ich komme nicht zu schmusen!), Aber „Arbeit“?

05
Für vernünftig halte ich folgende Ansicht: folgendes gehört zur Haushaltsarbeit:

Hunde – und Katzenhaare entfernen
vermehrten Schmutzeintrag durch Hund und Katze beseitigen
Fütterung, Tierarzt, Hundefriseur und der Arbeitsaufwand damit
meines Erachtens in dem Umfang, in dem es zum artgerechten Haltungsbedarf gehört: Ausführung des Hundes. Beritt eines Pferdes.

Immer mehr setzt sich die Meinung durch, dass durch Haustiere verursachte Haushaltsarbeit bei Ausfall Schadensersatzpflichten zur Folge hat:

OLG Brandenburg (Urteil vom 8.3.2007, 12 U 154/06) (für Versorgung einer Katze)
hält den Aufwand für die Versorgung einer Katze hingegen für ersatzpflichtig, ebenso

Landgericht Hamburg (Urteil 306 O 265/11, Urteil vom 20.06.2014) (Versorgung eines Hundes), so auch: Landgericht Dortmund (VersR 16/964)

OLG Frankfurt (Urteil 24 U 202/08 vom 26.06.2006) (Kosten für den Beritt eines Pferdes, dessen Halter verletzungsbedingt vorübergehend nicht reiten kann)

Übrigens hat auch das Landgericht Köln, dass ich oben mit seinem Urteil vom Dezember 2020 zitiert habe, sich dieser Ansicht angeschlossen (für einen Hund).

(06)
Das Ansinnen, man solle halt eben in Zukunft keine Haustiere mehr halten, ist eine arrgogante Gemeinheit, mit der die Versicherung das Recht auf die Seite schiebt, das eigene Leben zu gestalten. Offensichtlich werden hier Werte eines Menschen in Freiheit missachtet, die aber im Grundgesetz stehen. Das darf man durchaus einmal auch mit scharfen Worten kommentieren:

Vor den Hintergrund der Werte des Grundgesetzes handelt es sich bei dieser Ansicht nicht nur um eine falsche Ansicht. Sie ist eine einzige Erniedrigung des Unfallopfers im Prozess, die völlig unnötig ist. Das geschieht aus niedrigen Beweggründen, nämlich aus Gewinnmaximierungsabsicht. Angesichts der Verletzung von Grundrechten handelt es sich um einen Verstoß von einiger Niedertracht. Man dafür durchaus einmal nachfragen,
in welcher Menge sich die Versicherung noch Gemeinheiten leisten will, bis sie damit die Rechnung bekommt durch ein erhöhtes Schmerzensgeld.
Man kann sehr der Versicherung nicht nehmen, sich gegen die Klage zu stemmen und in Berufung zu gehen. Wenn Sie aber mit der Nutzung dieses, in der Zivilprozessordnung geregelten Rechtes Schäden anrichtet, wie zum Beispiel besondere, schmerzensgeldwürdige Belastungen des Unfallopfers, so muss sie diesen Preis als Preis für die Nutzung der Rechte aus der ZPO bezahlen.

Mit „Vertretung berechtigter Interessen“ hat das jedenfalls nichts zu tun. Es gibt keine berechtigten Interessen gegen die Grundrechte.


ISLÄNDER
 
Guten Morgen Isländer,

vielen Dank für diese ausführlichen Erläuterungen auch zum Thema "Tierhaltung" in Bezug auf HFS.

Die Niedertracht von HPVen kennt keine Grenzen. Meine Erfahrungen diesbezüglich sind umfangreich und man hat mir erhebliche Schmerzen durch falsche Behauptungen der Beklagten zugefügt, was m.E. auch eine erhöhtes Schmerzengeld rechtfertigt.

Da gibt es auch Rechtsprechungen meines Wissens bzw. Vergleichsurteile, wonach das zuständige Gericht den Klägern ein solches erhöhtes SG zugesprochen hat. Habe ich auf der Agenda.

Gruß Bobb
 
Danke Isländer,

im LG-Urteil wird die Versorgung der Katzen anerkannt und auf das Tierschutzgesetz verwiesen!

Das greift die Gegnerische mit Hinweis auf OLG Brandenburg v.20.12.2000 , etc. aus.
Noch dazu Leben Katzen nicht so lange, man braucht sich ja dann keine mehr anzuschaffen, usw.

LG
Aramis
 
Grüß Dich, Aramis!

01
Ich kenne ein Urteil des OLG Brandenburg vom 20.12.2000, Az.: 14 U 84/99. Da geht es zwar um einen (tödlichen) Unfall, aber von keinem Haustier konnte ich dort nichts finden.

02
Hat die Gegenseite ein Aktenzeichen genannt? Dann bitte ich um Mitteilung, ev. findet sich dann etwas.

03
Ich habe den leisen Verdacht, dass schon wieder jemand ein "alternative facts" verbreiten will, so nannte das die Sprecherin Conway des damaligen US-Präsidenten (wie hieß denn der nur gleich wieder?).

Fehlzitate: Das kommt oft vor. Ich habe auch schon einige Male gesehen, dass das platte Gegenteil von dem drinstand, was angeblich dort stehen sollte.

04
Deshalb: Wenn eine Gegenseite etwas zitiert: Nicht glauben. Nachschauen!

ISLÄNDER
 
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