Hallo zusammen, habe mich zwar schon seit langem nicht mehr hier gemeldet, (keine Zeit) wollte Euch aber eine info nicht vorenthalten, da ich nach einer ersten Suche hier nichts zum Thema finden konnte:
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 30.10.2007 (Az: B 2 U 4/06 R) aufgrund der Ergebnisse der deutschen Wirbelsäulenstudie das Mainz-Dortmunder-Dosismodel (MDD) in folgenden Punkten modifiziert:
1. Das Erreichen einer bestimmten Mindesttagesdosis kann nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr verlangt werden. Dies bedeutet, dass nach diesem Urteil zukünftig auch berufliche Belastungen an Arbeitstagen, an denen der MDD-Richtwert für die Beurteilungsdosis Dr von 5.500 Nh bei Männern und 3.500 Nh bei Frauen unterschritten wird, bei der Berechnung der Gesamtdosis DH zu berücksichtigen sind.
2. Die MDD-Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis sind zu halbieren. Dies bedeutet, dass zukünftig von einer beruflichen Einwirkung im Sinne der Berufskrankheit 2108 bei einer Gesamtdosis DH von 12,5 x106 Nh bei Männern und 8,5 x106 Nh bei Frauen auszugehen ist.
Von dem o.g. Urteil liegt bislang nur die beiliegende Pressemitteilung vor.
Bundessozialgericht
Der 2. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 30. Oktober 2007:
Der Senat hat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, weil die bislang festgestellten Tatsachen keine abschließende Entscheidung über den Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2108 Anl BKV erlauben.
Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung damit begründet, dass bereits die im Tatbestand der Nr 2108 Anl BKV geforderten schädigenden Einwirkungen durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung beim Kläger nicht vorgelegen hätten. Die nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) für die Annahme eines erhöhten Krankheitsrisikos notwendige Gesamtbelastungsdosis habe der Kläger im Verlauf seines Berufslebens lediglich zu rund 60 % erreicht. Bei einer derart deutlichen Unterschreitung des maßgebenden Richtwertes sei die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 Anl BKV ohne weitere Ermittlungen zu verneinen.
Dieser Beurteilung konnte sich der Senat nicht anschließen. Er hat allerdings das MDD in der Vergangenheit selbst als eine "mit Abstrichen geeignete Arbeitsgrundlage" zur Bestimmung der als gesundheitsgefährdend einzustufenden Belastungsdosis bezeichnet und - ohne damals Grenzwerte im Sinne einer Mindestbelastungsdosis daraus abzuleiten - in zwei Fällen aus einer sehr deutlichen Unterschreitung der Richtwerte um 50 % bei der Gesamtdosis und um mehr als 50 % bei der Tagesdosis auf das Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit geschlossen. Die zwischenzeitlich abgeschlossene Deutsche Wirbelsäulenstudie hat Schwächen des MDD aufgedeckt bzw bestätigt, die dessen Aussagewert relativieren. So deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass auch unterhalb der Orientierungswerte nach dem MDD ein erhöhtes Risiko für bandscheibenbedingte Erkrankungen bestehen kann. Das Erreichen einer bestimmten Mindesttagesdosis, wie nach dem MDD gefordert, kann nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr verlangt werden, sodass sich bei vielen Versicherten höhere Gesamtdosen ergeben, weil die bisher nicht berücksichtigten Belastungen an Tagen, die unterhalb der Mindesttagesdosis lagen zu den bisher schon aufaddierten Tagen mit Tagesdosen oberhalb dieses Grenzwertes hinzukommen.
Der Senat hält trotz dieser Schwächen und der weiterhin geäußerten Kritik gegenwärtig noch am MDD in modifizierter Form als Grundlage für die Konkretisierung der im Text der Nr 2108 Anl BKV zur Kennzeichnung der beruflichen Einwirkungen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe fest, weil aktuell kein den wissenschaftlichen Erkenntnisstand besser abbildendes Alternativmodell zur Verfügung steht. Im Hinblick auf die bestehenden Unsicherheiten sind aber die Richtwerte des MDD für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren, sodass von einem langjährigen Heben oder Tragen schwerer Lasten bzw einer langjährigen Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung auszugehen ist, wenn mindestens 50 % des nach dem MDD ermittelten Wertes für die Gesamtbelastungsdosis erreicht oder überschritten wurden. Da Letzteres beim Kläger bereits nach der bisherigen, ungünstigeren Berechnungsmethode der Fall war, sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen in seinem Fall erfüllt und es bedarf der weiteren Prüfung, ob das Bandscheibenleiden ursächlich auf die beruflichen Belastungen zurückzuführen ist.
Der Rechtsstreit gibt Anlass, den Verordnungsgeber nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Fassung der Berufskrankheiten-Tatbestände in der Anlage der BKV dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügen muss. Das schließt die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zur Beschreibung der arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen einer BK nicht aus, solange sich deren Inhalt auf der Grundlage eines gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes hinreichend konkretisieren lässt. Eine gleichmäßige Rechtsanwendung ist aber nicht mehr gewährleistet, wenn ein solcher Erkenntnisstand nicht existiert und sich Inhalt und Voraussetzungen der BK deshalb mit den herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden nicht mehr zuverlässig bestimmen lassen.
SG Mannheim - S 11 U 599/01 -
LSG Baden-Württemberg - L 6 U 2188/03 - -BSG B 2 U 4/06 R -
mfg JOS
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 30.10.2007 (Az: B 2 U 4/06 R) aufgrund der Ergebnisse der deutschen Wirbelsäulenstudie das Mainz-Dortmunder-Dosismodel (MDD) in folgenden Punkten modifiziert:
1. Das Erreichen einer bestimmten Mindesttagesdosis kann nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr verlangt werden. Dies bedeutet, dass nach diesem Urteil zukünftig auch berufliche Belastungen an Arbeitstagen, an denen der MDD-Richtwert für die Beurteilungsdosis Dr von 5.500 Nh bei Männern und 3.500 Nh bei Frauen unterschritten wird, bei der Berechnung der Gesamtdosis DH zu berücksichtigen sind.
2. Die MDD-Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis sind zu halbieren. Dies bedeutet, dass zukünftig von einer beruflichen Einwirkung im Sinne der Berufskrankheit 2108 bei einer Gesamtdosis DH von 12,5 x106 Nh bei Männern und 8,5 x106 Nh bei Frauen auszugehen ist.
Von dem o.g. Urteil liegt bislang nur die beiliegende Pressemitteilung vor.
Bundessozialgericht
BUNDESSOZIALGERICHT - Pressestelle -
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Tel. (0561) 3107-1, Durchwahl -460, Fax -474
e-mail: presse@bsg.bund.de
Internet: http://www.bundessozialgericht.de
Kassel, den 31. Oktober 2007
Terminbericht Nr. 55/07 (zur Terminvorschau Nr. 55/07)
Der Senat hat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, weil die bislang festgestellten Tatsachen keine abschließende Entscheidung über den Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2108 Anl BKV erlauben.
Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung damit begründet, dass bereits die im Tatbestand der Nr 2108 Anl BKV geforderten schädigenden Einwirkungen durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung beim Kläger nicht vorgelegen hätten. Die nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) für die Annahme eines erhöhten Krankheitsrisikos notwendige Gesamtbelastungsdosis habe der Kläger im Verlauf seines Berufslebens lediglich zu rund 60 % erreicht. Bei einer derart deutlichen Unterschreitung des maßgebenden Richtwertes sei die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 Anl BKV ohne weitere Ermittlungen zu verneinen.
Dieser Beurteilung konnte sich der Senat nicht anschließen. Er hat allerdings das MDD in der Vergangenheit selbst als eine "mit Abstrichen geeignete Arbeitsgrundlage" zur Bestimmung der als gesundheitsgefährdend einzustufenden Belastungsdosis bezeichnet und - ohne damals Grenzwerte im Sinne einer Mindestbelastungsdosis daraus abzuleiten - in zwei Fällen aus einer sehr deutlichen Unterschreitung der Richtwerte um 50 % bei der Gesamtdosis und um mehr als 50 % bei der Tagesdosis auf das Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit geschlossen. Die zwischenzeitlich abgeschlossene Deutsche Wirbelsäulenstudie hat Schwächen des MDD aufgedeckt bzw bestätigt, die dessen Aussagewert relativieren. So deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass auch unterhalb der Orientierungswerte nach dem MDD ein erhöhtes Risiko für bandscheibenbedingte Erkrankungen bestehen kann. Das Erreichen einer bestimmten Mindesttagesdosis, wie nach dem MDD gefordert, kann nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr verlangt werden, sodass sich bei vielen Versicherten höhere Gesamtdosen ergeben, weil die bisher nicht berücksichtigten Belastungen an Tagen, die unterhalb der Mindesttagesdosis lagen zu den bisher schon aufaddierten Tagen mit Tagesdosen oberhalb dieses Grenzwertes hinzukommen.
Der Senat hält trotz dieser Schwächen und der weiterhin geäußerten Kritik gegenwärtig noch am MDD in modifizierter Form als Grundlage für die Konkretisierung der im Text der Nr 2108 Anl BKV zur Kennzeichnung der beruflichen Einwirkungen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe fest, weil aktuell kein den wissenschaftlichen Erkenntnisstand besser abbildendes Alternativmodell zur Verfügung steht. Im Hinblick auf die bestehenden Unsicherheiten sind aber die Richtwerte des MDD für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren, sodass von einem langjährigen Heben oder Tragen schwerer Lasten bzw einer langjährigen Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung auszugehen ist, wenn mindestens 50 % des nach dem MDD ermittelten Wertes für die Gesamtbelastungsdosis erreicht oder überschritten wurden. Da Letzteres beim Kläger bereits nach der bisherigen, ungünstigeren Berechnungsmethode der Fall war, sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen in seinem Fall erfüllt und es bedarf der weiteren Prüfung, ob das Bandscheibenleiden ursächlich auf die beruflichen Belastungen zurückzuführen ist.
Der Rechtsstreit gibt Anlass, den Verordnungsgeber nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Fassung der Berufskrankheiten-Tatbestände in der Anlage der BKV dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügen muss. Das schließt die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zur Beschreibung der arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen einer BK nicht aus, solange sich deren Inhalt auf der Grundlage eines gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes hinreichend konkretisieren lässt. Eine gleichmäßige Rechtsanwendung ist aber nicht mehr gewährleistet, wenn ein solcher Erkenntnisstand nicht existiert und sich Inhalt und Voraussetzungen der BK deshalb mit den herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden nicht mehr zuverlässig bestimmen lassen.
SG Mannheim - S 11 U 599/01 -
LSG Baden-Württemberg - L 6 U 2188/03 - -BSG B 2 U 4/06 R -
mfg JOS