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Gutachter Auftrag § 200 Abs. 2 SGB VII

oerni

Erfahrenes Mitglied
Registriert seit
2 Nov. 2006
Beiträge
5,224
Ort
Bayrisch-Schwaben
In einem Urteil zu Lesen!

Aus § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII folgt unabhängig von der Anwendbarkeit des § 407a ZPO zwingend, dass der ausgewählte Gutachter seinen Gutachtensauftrag nicht auf einen weiteren Gutachter übertragen darf. Dies würde Sinn und Zweck der Norm zuwiderlaufen, dem Bürger durch Einräumung eines Auswahlrechts eine qualifizierte Mitwirkung bei der behördlichen Ermittlung des Sachverhalts (§ 20 SGB X) einzuräumen und die Akzeptanz des Verwaltungs- verfahrens zu fördern, soweit der Unfallversicherungsträger dem Gutachten des vom Bürger ausgewählten Gutachters folgt (BT-Drucks 13/4853 S 22).

Dieses Übertragungsverbot verbietet zwar grundsätzlich nicht, weitere Personen zu unter- stützenden Diensten nach Weisung heranzuziehen, sofern der beauftragte Gutachter seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbrin- genden Zentralaufgaben selbst wahrnimmt, die abhängig vom Fachgebiet differieren können. Insofern können hier die Grundsätze des § 407a ZPO herangezogen werden (vgl zu § 407a ZPO: BSG Beschlüsse vom 20.3.2017 - B 9 SB 54/16 B - juris RdNr 7 <psychiatrische Unter- suchung>, vom 10.10.2016 - B 13 R 172/16 B - juris RdNr 8 <internistisch-umweltmedizinisches Fachgutachten>; BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 VU 2/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 1


<psychiatrische Untersuchung>; BSG Beschluss vom 15.7.2004 - B 9 V 24/03 B - SGb 2004, 702; abgrenzend BSG Urteil vom 27.4.1989 - 9 RV 29/88 - juris RdNr 10; vgl BVerwG Urteil vom 9.3.1984 - 8 C 97/83 - BVerwGE 69, 70
<Laboruntersuchungen>; Grüner in Bieres- born, Einführung in die medizinische Sachverständigentätigkeit vor Sozialgerichten, 2015, S 63).
Der Senat zählt jedoch auch bei einer gemäß § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII in Auftrag gegebenen Begutachtung auf orthopädischem, hand- bzw (unfall-)chirurgischem Fachgebiet eine persönliche Begegnung mit dem Probanden zu den Kernaufgaben, die durch den ernannten Gutachter selbst zu erledigen sind und nicht delegiert werden dürfen. Eine solche persönliche Begegnung, bei der sich der Gutachter einen persönlichen Eindruck verschafft und der zu Begutachtende seine subjektiven Beschwerden vorbringen kann, ist im Rahmen einer Begut- achtung nach § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII zwingend erforderlich. Ansonsten würde gerade der von § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII vorausgesetzte Sinn und Zweck des Untersuchungsauftrags nicht erreicht werden, wenn der Versicherte den von ihm selbst benannten Gutachter überhaupt nicht zu Gesicht bekommt und der ernannte Gutachter andererseits sich nicht durch eine unmit- telbare Sinneswahrnehmung einen persönlichen Eindruck vom Versicherten verschafft. Damit entspricht es gerade der mit der Norm beabsichtigten Transparenz des Verfahrens (vgl BT-Drucks 13/4853, S 22), dass der Versicherte einen Anspruch darauf hat, mit dem von ihm ausgewählten Gutachter, der das Gutachten nach einer Untersuchung erstellen soll, persönlich in Kontakt zu treten. Dieser Grundsatz wird auch bestätigt durch Ziffer 4.2 der Leitlinie "Allge- meine Grundlagen der medizinischen Begutachtung" (AWMF-Registernummer: 094/001), an der ua auch die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie beteiligt ist, ohne dass es hier auf die Rechtssatzqualität der in dieser Leitlinie zum Ausdruck kommenden Regel ärztlichen Handelns ankommt. Nach Ziffer 4.2 der genannten Leitlinie "muss sich" der Gutachter "zwingend einen persönlichen Eindruck von dem zu Begutachtenden, seinen Beschwerden und den zu erheben- den Befunden verschaffen, um die aus Rechtsgründen erforderliche Letztverantwortung für das Gutachten übernehmen zu können."
 
Hallo oerni,

das Urteil ist interessant. Kannst Du bitte noch eine Fundstelle nennen. Das Thema ist bei mir Gegenstand verschiedener Verfahren.

Danke

Shammy
 
Hi oerni,

vielen Dank für das interessante Urteil. Auch bei mir ist dieses Thema Gegenstand div. Verfahren.
Es ist für mich von starken Interesse, wie bei Shammy, mehr über die Fundstelle zu erfahren.
Gerne auch als PN.
Ich bedanke mich für Deine Bemühungen und sende Dir viele liebe Maigrüße aus Heilbronn.

Jürgen
 
das Wort zum Sonntag von dem guten Geist

Richter laufen hier Gefahr bei Missachtung des § 103 SGG denn :

Aus Kommentar SGG Meyer Ladewig § 103 SGG RN 2C
§ 200 Abs. 2 SGB VII (Benennung von Gutachtern zur Auswahl durch UVTr, Hinweis auf Widerspruchsrecht des Betroffenen gem. § 76 Abs. 2 SGB X) gilt auch für Gutachten, die ein UVTr im Laufe eines Gerichtsverfahrens in Auftrag gibt, soweit
es sich um Gutachten handelt, die extern bei Ärzten eingeholt werden, die
nicht dem Organisationsbereich des Tr. zuzurechnen sind (BSGE 100, 25 =
NZS 09, 99 m. krit. Anm. Behrens/Froede NZS 09, 128, 134 u. Bieresborn
SGb 09, 49 ff; zu weiterer Kritik und Rspr. des BVerfG s. Hinw. in BSG
18.1.11, B 2 U 5/10 R, NZS11, 910, 912 Rn. 36; zum BegriEdes Gutachtens
BSG 11.4.13, B 2 U 34/11 R, SozR 4-2700 § 200 Nr. 4 = NZS 13,
710; Vgl. auch § 128 Rn. 5b; Schömann SGb 06, 78 ff; Ricke in KassKomm
§ 200 SGB VII Rn. 4). Gutachten, die unter Verstoß gegen die den Schutz
der Sozialdaten bezweckende Belehrungspflicht zustande gekommen sind,
dürfen vom Gericht nicht verwertet werden (BSGE 100, 25, 38 ff; Plagemann/ Radtke-Schwenzer NJW 12, 1552, 1557; zum Vorliegen eines Verfahrensmangels vgl. auch BSG 5.2.08, B 2 U 10/07 R, USK 2008-35).


Alles andere nur noch per PN
 
Hallo Sekundant,

dann ist nicht nur Oerni Geheimnisträger, der Terminsbericht und auch das Urteil stehen seit 2019 im FAQ-Bereich zur Verfügung, in diesem Zusammenhang auch das Urteil des BSG B 2 U 26/17 R (in zwei Verfahren sehr klare Aussagen- Betreffen auch den selben Unfall und Urteile des LSG Bremen).

Müssen wir uns jetzt wegschließen?


Gruß von der Seenixe
 
Wieso sollen wir uns wegschließen müssen?

Manche Informationen stehen wie dieses Urteil auf der DGUV Seite bzw werden dort über die Landesverbände verbreitet.

Rundschreiben Nr. D 12/2019 DOK-Nr.: 412.8. 28.11.2019

Betreff: Erstellung von Gutachten für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung

Sehr geehrte Damen und Herren,
(An die Damen und Herren Durchgangsärzte und weitere orthopädisch-unfallchirurgische Gutachterinnen und Gutachter)

das Bundessozialgericht hatte Mitte des Jahres entschieden, dass ein Verstoß gegen das Gutachter-Auswahlrecht des Versicherten vorliegen kann, wenn ein anderer, als der im Gutachten-Auftrag benannte Arzt (z. B. nachgeordneter Arzt der Abteilung) das Gutachten erstellt.
Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass zwischenzeitlich die Begründung für die Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 07. Mai 2019 vorliegt (AZ: B 2 U 25/17 R), aus der sich maßgeblich relevante Punkte für den Begutachtungsprozess ergeben.
Die Begründung greift die Punkte Gutachterauswahl, Transparenz und Datenschutz im Verfahren auf.
Das BSG weist daraufhin, dass der verantwortliche Gutachter in jedem Fall einen persönlichen Eindruck vom Versicherten bekommen soll. Hierzu wird ausgeführt, dass „eine solche persönliche Begegnung, bei der sich der Gutachter einen persönli- chen Eindruck verschafft und der zu Begutachtende seine subjektiven Beschwerden vorbringen kann, [...] im Rahmen einer Begutachtung nach § 200 Abs. 2 HS 1 SGB VII zwingend erforderlich“ ist.

Damit entspricht es gerade der mit der Norm beabsichtigten Transparenz des Ver- fahrens [...], dass der Versicherte einen Anspruch darauf hat, mit dem von ihm aus- gewählten Gutachter, der das Gutachten nach einer Untersuchung erstellen soll, per- sönlich in Kontakt zu treten.“
Darüber hinaus seien bei der Weitergabe von personenbezogenen Daten an andere (als den beauftragten Gutachter) datenschutzrechtliche Aspekte des informationellen Selbstbestimmungsrechtes klärungsbedürftig.
Das BSG-Urteil ist als Anlage beigefügt.
Die Gesetzliche Unfallversicherung arbeitet derzeit an einer zeitnahen bundesein- heitlich angepassten Vorgehensweise beim Begutachtungsprozess, die diese Punkte aufgreift. Wir werden Sie umgehend über die Beratungsergebnisse informieren.
Sofern sich bis dahin Ihrerseits Klärungsbedarfe im konkreten Einzelfall ergeben, wenden Sie sich bitte direkt an den beauftragenden Unfallversicherungsträger.
Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag

Kann man ohne Probleme herunterladen.
 
Hallo Oerni,

so ernst war es dann doch nicht gemeint. Man muß nur Wissend gemacht werden und dazu hast Du einen guten Beitrag geleistet, aber Du hättest das Aktenzeichen usw. gleich mitteilen können. ;-)
Wer macht sich als normales betroffenes Unfallopfer die Mühe und liest sich durch die vielen Beiträge und behält dann auch noch das Wichtigste?
Als ich mich mit meiner BG über Gutachten rumschlagen mußte, haben wir von einem solchen Urteil geträumt. Wer jetzt mit § 200 SGB VII zu tun hat kann sich dank auch unserer Arbeit hier im Forum auf Urteile und klare Ansagen stützen.
Dafür allen Beteiligten großen Dank

Gruß von der Seenixe
 
Sorry, sekundant und seenixe
aber "Geheimurteile" und "wieso sollen wir uns wegschließen" ....ist auch am Thema vorbei
hiervon hat oerni nichts geschrieben.
die Beiträge von oerni sind immer interessant und wichtig und genau hiervon lebt das Forum.
Ob dann per PN oder wie auch immer ist doch nebensächlich, wofür ist denn der PN dann ?
Jeder der angefragt hat (s.o) hat bestimmt die Info von oerni erhalten !?
"Geheimurteile" welche positiv für Betroffene sind und nicht veröffentlich werden gibt es bestimmt auch,
aber das wäre dann mal ein anderes Thema.
Gruß Impf
 
hallo Impf,

warum die aufregung? wie @seenixe schon schrieb - es war so ernst nicht gemeint. allerdings ist dein argument "hiervon lebt das Forum" dann doch nicht ganz dazu passend, denn es ist schon auch ein kleiner wink dabei gewesen, da zb von einem link jeder etwas hätte. und sieh es mir nach - ich bin ein grosser freund davon, bei zitaten oder berufen auf andere stellen diese quelle auch anzugeben. das fördert beteiligung, arbeitsteilung und die glaubwürdigkeit.

+++ ende off topic +++


gruss

Sekundant
 
Hallo oerni,

Danke für diese Information und zusätzlich auch noch der Hinweis auf das Rundschreiben,
und ebenfalls Danke an Sekundant und Seenixe.

Diese immens wichtigen Informationen sind an mir vorbeigezogen,
und da es bei mir mit der Begutachtung genauso ablief,
habe ich mir schon mal alles abgespeichert, ausgedruckt,
und werde es mit Sicherheit im anstehenden Gerichtstermin verwenden.

DGUV Rundschreiben samt BSG Urteil kann man auch super als pdf.Datei runterladen.
Hier folgt der Link auf oerni's Hinweis:

Das Sozialgericht hat zu meinen Einwänden keine Stellung bezogen,
warum sollte ich auch wissen, was das BSG entschieden hat,
um gerade mit diesem Urteil meine eigene Position als Kläger zu stärken.
Dieses Urteil öffnet mir die Augen,
und jetzt weiß ich genau, warum sich das Sozialgericht so verhält,
wie es sich jetzt verhält.

Seltsam das mein Anwalt nichts von dem Urteil zu wissen scheint...

Endlich gibt es auch mal ein Urteil des BSG
zur Goldstandardbegutachtungsvorgehensweise der BG.

Einen ganz herzlichen Dank
das Ihr diese Thematik nochmal aufgegriffen habt.

Gruß
nightwalker
 
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