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Gutachten in Haftpflichtsachen

Cindy

Erfahrenes Mitglied
Registriert seit
6 Sep. 2006
Beiträge
467
Hallo allerseits,

da ich nicht wußte wohin, setze ich mich ins Cafe und würde mich über Gedankenaustausch zum Thema freuen.
Fragen, die ich mir stelle, könnten sowohl Verkehrsunfall als auch Freizeitunfall mit Personenschaden (also Zivilrecht) betreffen. Die meisten Betroffenen hier haben Personenschäden.

Eine Diskussion zum Thema MdE und BG hatte ich gefunden und trotzdem leuchtet mir noch nicht alles zur MdE ein:
M dE

Mein Wissensstand ist - mal kurzgefasst: MdE sagt etwas über den Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes aus, der für den Betroffenen verschlossen ist.

Hier - und nicht nur hier -Mde/GdB
lese ich:
...Beide Begriffe haben die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt. MdE und GdB sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens.

Aus dem GdB/MdE-Grad ist nicht auf das Ausmaß der Leistungsfähigkeit zu schließen. GdB und MdE sind grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen, es sei denn, dass bei Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht ein besonderes berufliches Betroffensein berücksichtigt werden muss.

Die Anerkennung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit durch einen Rentenversicherungsträger oder die Feststellung einer Dienstunfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeit erlauben keine Rückschlüsse auf den GdB/MdE-Grad, wie umgekehrt aus dem GdB/MdE-Grad nicht auf die genannten Leistungsvoraussetzungen anderer Rechtsgebiete geschlossen werden kann."

In Urteilen (Zivilverfahren) liest man regelmäßig wie lange welche MdE bestanden hat bzw. welche dann noch auf Dauer bleibt.

1. sagt diese also nichts über Leistungsfähigkeit im 'derzeitigen' Beruf aus, ebenso wenig über die Länge der Arbeitsunfähigkeit - richtig oder falsch?

2. müßte dann doch für den Haftpflichtschaden (arbeitsmedizinisch) die Leistungsfähigkeit bzw. Unfähigkeit beurteilt werden und spezifisch, wie im Sozialrecht, auf den Beruf bezogen sein - richtig oder falsch?

Die allgemeinen Grundlagen (wie aus o.g. Link zitiert), oder Anhaltspunkte oder was auch immer, gelten die grundsätzlich - so dass man sie vor Gericht auch nutzen könnte? Oder legt jeder Gutachter, jedes Gericht die Grundsätze zur Bedeutung einer MdE selbst fest?

Warum ich das frage? Angenommen ein Verletzter hat für einen bestimmten Zeitraum MdE 30%. Angenommen das Gericht fragt nach, ob es von Arbeitgeberseite möglich gewesen wäre, während dieser Zeit eine Teilzeitstelle auf Basis von 70% der Vollzeitstelle anzubieten. Man könnte annehmen, dass Gericht hat so sein eigenes Verständnis von MdE.

Ich steh im Wald und bin für Anregungen dankbar um alles besser zu verstehen.

Liebe Grüße
Cindy

PS: Falls ich mich irgendwo unverständlich ausgedrückt haben sollte, bitte nachfragen. Danke!
 
Hallo Cindy,
Du mußt da aufpassen, mit dem Begriff der MdE ist die gesetzliche Unfallversicherung verbunden. Diese hat aber mit der Sozialgerichtsbarkeit zu tun nicht mit Zivilgerichten. Hier mal die genau Definition der Minderung der Erwerbsfähigkeit

Minderung der Erwerbsfähigkeit
§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII i. d. F. v. 7. 8. 96 Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Der Gesetzgeber übernimmt in § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII die bisherige Rechtsprechung. Ausgangspunkt für den Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist der Begriff Erwerbsfähigkeit. Erwerbsfähigkeit ist die Fähigkeit des Versicherten, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm im gesamten Bereich des Erwerbslebens – auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Um die MdE infolge eines Versicherungsfalles festzustellen, ist die vor dem Versicherungsfall bestehende individuelle Erwerbsfähigkeit eines Versicherten (Ausgangswert) mit dem demjenigen danach zu vergleichen (Beziehungswert). Die Feststellung der MdE setzt also voraus, daß die individuelle Erwerbsfähigkeit des Versicherten vor dem Versicherungsfall – einschließlich des Vorschadens – und die dem gegenüber infolge des Versicherungsfalls eingetretene gesundheitliche Beeinträchtigung ermittelt wird. Als MdE ist die Differenz in Prozentsätzen zu ermitteln. Die MdE ist also der durch die gesundheitlichen (körperlichen, seelischen und geistigen) Folgen des Versicherungsfalls bedingte Verlust aller Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (Hauck/Kranig, SGB VII K § 56 Rz 34 f.).
Der Grad der MdE hängt nicht nur von der medizinischen Beurteilung ab, welche körperlichen Schäden und Funktionsausfälle vorliegen, sondern auch davon, welche Arbeiten der Verletzte bei seinem Gesundheitszustand noch verrichten kann. Die Frage nach dem Grad der unfallbedingten MdE ist in erster Linie eine Rechtsfrage. Eine Bindung des Unfallversicherungsträgers oder des Gerichts an die ärztlichen Gutachten besteht nicht (BSGE 4, 147). Der begutachtende Arzt sollte dem Verletzten den von ihm vorgeschlagenen Grad der MdE nicht mitteilen. Teilt er ihm seine Schätzung mit, ist dies nicht schädlich, weil der Versicherte ohnehin das Gutachten einsehen kann (§ 25 SGB X).
Die Bewertung der MdE ist ihrem Wesen nach eine Schätzung, der – wie jeder Schätzung – eine gewisse Schwankungsbreite eigentümlich ist. Soweit dabei bestimmte Grenzen nicht überschritten werden, ist jede innerhalb der Toleranzspanne liegende Schätzung gleichermaßen rechtmäßig. Die natürliche Schwankungsbreite liegt bei einer Abweichung von 5 v. H. (BSGE 43, 53; vgl. jetzt auch § 73 Abs. 3 SGB VII). Das Gericht ist daher – bei denselben Befunden – gehindert, einen Rentenbescheid über 25 v. H. aufzuheben und eine Rente nach einer MdE von 30 v. H. zuzusprechen.
Gutachten von verschiedenen Ärzten, die den gleichen Befund feststellen, kommen manchmal zu erheblich voneinander abweichenden Schätzungen der MdE. Das gilt besonders bei Kopfverletzungen, bei inneren Verletzungen und bei Berufskrankheiten. Dagegen bereitet die Schätzung der MdE bei glatten Gliedmaßverlusten, z. B. bei Fingerverlusten, dem Verlust eines Unterschenkels oder eines Auges, keine Schwierigkeiten. Es gibt zwar in der Unfallversicherung für die verschiedenen Verletzungsarten keine feststehenden Entschädigungssätze, doch haben sich im Laufe von jahrzehnten für gewisse, einfach zu beurteilende und häufig vorkommende Unfallfolgen Erfahrungssätze entwickelt, die den Unfallversicherungsträgern und den Sozialgerichten als Richtwerte (ein Gerüst von MdE-Werten) dienen (BSG HVBG-Info 5/1985, 30).
Eine erhebliche Entstellung sichtbarer Körperteile, insbesondere des Gesichts, ist bei der Schätzung der MdE zu berücksichtigen. Wenn Außenstehende durch den Anblick in ihrem Verhalten beeinträchtigt werden und dadurch beim Verletzten eine verminderte Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hervorgerufen wird. Im allgemeinen sind weibliche Verletzte durch Entstellungen in ihrer Erwerbsfähigkeit mehr beeinträchtigt als Männer. Eine verminderte Heiratsmöglichkeit kann bei der Schätzung der MdE nicht berücksichtigt werden.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen hinterlassen, so ist die MdE im ganzen zu würdigen. Eine schematische Zusammenrechnung, der für die einzelnen Leiden in Ansatz gebrachten Sätze darf nicht erfolgen. Das BSG (E 48, 22) hat entschieden, daß die Gesamt-MdE nicht rechnerisch aus Einzel-MdE-Graden zu ermitteln ist, sondern auf einer Gesamtwürdigung des Gesundheitszustandes unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der verschiedenen Minderungen beruhen muß. Es gäbe sowohl Fälle, in denen mehrere Behinderungen beziehungslos nebeneinander stünden, als auch die, in denen sich die eine Behinderung auf eine andere Behinderung nachhaltig auswirke (z. B. bei paarigen Organen), und auch die, bei denen sich eine Behinderung wegen einer schon vorliegenden anderen Behinderung nicht voll auswirke oder bei denen sich das Maß der Behinderung durch hinzutretende Leiden gar nicht verstärke.
Sind die als Berufskrankheit anerkannten gleichartigen Gesundheitsschäden an verschiedenen Organen auf dieselbe gefährdende Tätigkeit zurückzuführen, so handelt es sich um eine einheitliche Berufskrankheit, für die eine Gesamt-MdE zu bilden ist (BSG SozR 2200 § 581 RVO Nr. 11).
Der Grad der MdE für alle Unfallfolgen ist in der Regel niedriger als die Summe der Einzelschädigungen. Das ergibt sich schon daraus, daß anderenfalls die völlige Erblindung und der Verlust eines Unterschenkels mit einer MdE von 140 v. H. eingeschätzt werden müßte, obwohl der Verletzte von seiner vor dem Unfall vorhanden gewesenen individuellen Erwerbsfähigkeit höchstens 100 v. H. verlieren kann. Man wird in vielen Fällen davon ausgehen, daß Unfallfolgen von 20 v. H. (chirurgisch) und 20 v. H. (neurologisch) eine Gesamt-MdE von 30 v. H. und Unfallfolgen von 50 v. H. und 20 v. H. eine Verletztenrente von 60 v. H. ergeben.
Heilt eine der mitberenteten Unfallfolgen aus, so darf die noch zurückbleibende MdE nicht durch einen schematischen Abzug des Hundertsatzes für den ausgeheilten Schaden von der bisher gewährten Rente errechnet werden. Auch in diesem Falle muß der Grad der MdE in freier Würdigung des Gesamtzustandes geschätzt werden. Rechenmethoden sind für die Bildung der Gesamt-MdE ungeeignet.
Es hat sich in gleichartigen Fällen eine feste Rechtsprechung herausgebildet und das Schrifttum (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Aufl. 1993; Krösl/Zrubecky, Die Unfallrente, 3. Aufl. 1980; Mollowitz, Der Unfallmann, 11. Aufl. 1992; Izbicki/Neumann/Spohr, Unfallbegutachtung, 9. Aufl. 1992; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 1997, Anhang 12; Hauck/Kranig, SGB VII, Stand 1997, K § 56 Rz 53 ff.; Kennzahl 500 S. 15 ff.) hat Übersichten und Tafeln zusammengestellt, aus denen die Rentensätze für den Normalfall (MdE-Erfahrungswerte) abgelesen werden können. In den Vom-Hundert-Sätzen der MdE sind die für die Verletzungsfolgen üblichen Schmerzen mit berücksichtigt. Es handelt sich hierbei um unverbindliche Richtsätze, von denen abzuweichen ist, wenn der Einzelfall Besonderheiten aufweist. Die Schätzung der MdE kann um 5 v. H. abgestuft sein, also 20 v. H., 25 v. H., 30 v. H. usw. Eine Ausnahme bilden die Rentensätze von 331/3 v. H. und 662/3 v. H. (BSGE 43, 53). Eine Staffelung in die Zukunft hinein scheidet bei einer Rente aus. Bei Unfallfolgen mit einer MdE unter 10 v. H. ist es besser und für den Verletzten verständlicher (z. B. bei einem Fingerverlust), wenn der Arzt statt 0 v. H. "unter 10 v. H." in das Gutachten schreibt. Dagegen sollen Schätzungen der MdE auf 10 v. H. oder 15 v. H. im Gutachten angegeben werden, auch wenn zunächst kein anderer Entschädigungsfall zu berücksichtigen ist.
Eine MdE unter 10 v. H. ist in der Regel nicht meßbar. MdE-Sätze unter 10 v. H. können daher auch nicht zusammengezählt werden (LSG Hamburg BG 1956, 536). Jedoch können zwei oder drei kleine Folgen eines Unfalls, die jede für sich unter 10 v. H. zu bewerten sind, in der Gesamtschau, also insgesamt eine MdE von 10 v. H. begründen. Dabei werden sämtliche Unfallfolgen eines einzigen Unfalls mit einem einheitlichen MdE-Grad (Gesamt-MdE) bewertet (BSG Breith. 1977, 603, 605).

Vielleicht hilft es Dir bei der Klärung.

Gruß von der Seenixe
 
Hallo seenixe,

herzlichen Dank für deinen Beitrag.
Leider gibt es hier kein Hand-vor-Kopf-klatsch-Smiley.

Dass es auf das Rechtsgebiet ankommt hatte ich ja verstanden - nur fehlte mir die Bewertungsgrundlage für das Zivilrecht. Lange hatte ich gestöbert und erst durch deinen erneuten Hinweis bzgl. Gerichtsbarkeit bin ich darauf gekommen google mit MdE und Zivilrecht zu bemühen. Danke.

Gefunden habe ich eine Tabelle, die sicher interessant ist, da sie anschaulich Begriffe und Maßstäbe bei der Bewertung von unfall- bzw. schädigungsbedingten Funktionsstörungen in verschiedenen Rechtsgebieten darstellt.
sh. Tabelle 9 unter Punkt 6

Interessant auch Punkt 6.3 Bewertung der MdE in der Haftpflichtversicherung.

"...Wird nach der "MdE" gefragt, ist entweder die prozentuale Beeinträchtigung in der konkreten Berufstätigkeit gemeint, wobei nicht die Fähigkeitseinbußen als solche, sondern die daraus resultierenden Schäden (Verdienstentgang) den Gegenstand des Schadensersatzanspruchs bilden, oder...."

Evtl. läßt sich darauf aufbauen, wenn in Gutachten (Haftpflichtrecht) bzgl MdE Einteilung der Zusatz steht: "diese betrifft den allgemeinen Arbeitsmarkt".

Ich denke, da muss ich dran bleiben.

Liebe Grüße
Cindy

PS: Ist die gesetzl. Unfallversicherung der passende Bereich? Bin ja eher Haftpflichtrecht - Kämpfer ;)
 
Hallo Cindy,

super die dargestellte Tabelle. Sie gibt allen die richtige Sicht auf die Bewertungen. Den Artikel könnte ich nur in den Bereich der privaten Versicherung schieben. Wäre das Oki?
Werde mal sehen, ob man diese Tabelle zitieren kann.

Gruß von der Seenixe
 
Hallo,

wer bei Personenschaden in Haftpflichtsachen begutachtet wird, sollte darauf achten, dass es um konkrete Bewertung und Entschädigung geht und nicht nach abstrakten Maßstäben (wie im Sozialrecht) bewertet werden sollte.

ärztliche Gutachten in Haftpflichtsachen
Punkt 4.1.5

"Wird ein Arzt als Gutachter in einer Haftpflichtsache tätig, muss er diese fundamentalen Unterschiede des zivilen Schadensersatzrecht zu den - ihm häufig geläufigeren - vergleichbaren Tatbeständen des Sozialrechts kennen und beachten.
.... insbesondere ist es bei geminderter Erwerbsfähigkeit fehl am Platz, diese in den für das Sozialrecht maßgebenden Prozentsätzen an MdE auszudrücken..."

Es finden sich weitere Infos zu PUV, PKV.

Quelle: Gesetzliche Grundlagen : Zivilrecht
vom Thieme-Verlag


Gruß
Cindy
 
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