Hallo Ariel,
es ist in der Vergangenheit, und leider - heute auch no so - dass Theorie (med. Lehre und Forschung) und die Praxis (Diagnose- u. Befunderstellung)
bei einer Begutachtung in der Praxis weit auseinander klaffen.
Dies umsomehr, weil die wenigsten UO und Bk`ler sich in ihren eigentlichen
Kranksbilder und - verläufen medizinisch auskennen. Dieser Umstand wird
natürlich von den Versicherungsmediziner schamlos ausgenutzt.
Dabei ist natürlich zu unterscheiden ob jemand mental und psychisch dazu
in der Lage ist - sich dieser Herausforderung - zu stellen. Viele sind auch
in anderen Bereichen des Lebens überfordert - weil die globalisierte Welt -
auf den Einzelnen keine Rücksicht mehr nimmt. Gerade und deshalb könn-
en und konnten sich Systeme bilden - wo machtpolitische wirtschaftliche
Interessen von Verbänden, Institutionen und Vereinigungen bis aufs Mes-
ser verteidigt werden - oftmals wieder "Besseres Wissen" und der eigenen
Standes-Ethik.
Es würde zuweit führen - hier im Einzelnen aufzulisten - was sich mittler-
weile im versicherungsmedizinischen Spektrum abspielt. Tatsache aber ist,
dass sich verschiedene Versicherungselemente - auch die Sozialversicher-
ungen - wehement sich dagegen wehren, wenn es sich um die begehrten
Leistungen dreht. Dabei wird trickreich und oftmals med. nicht haltbar ver-
sucht, die gestellten Anträge unter zuhilfenahme der med. Sachverstän-
digen und deren Gutachten so ablehnend zu begründen, dass man die ei-
gene voreingenommene Ablehnungshandlung nicht zu offenbaren braucht.
Sollte es aber trotzdem jemand wagen - das begutachtete Ergebnis in Frage zu stellen - weil ein Probant(in), Kläger(in) der Meinung ist, dass
das Gutachtenergebnis nicht dem erlebten körperlichen u. psychischem
Krankheitsbild entspricht und darüberhinaus auch nicht dem neuesten
Stand der med. Lehre und Forschung Rechnung trägt, dann kommt ein
weiteres - ein anderes System zum tragen -. Das System der Jurispudenz.
So gesehen, Ariel, finden wir uns in vielen Systemen wieder, die sich alle
dem "Gemeinwohl" verschrieben haben, aber leider sich nicht so verhalten.
Um deinen vorherigen Thread "Strategische Beweisvereitelung durch kon- stante Prozesspartei" anzusprechen - wird doch deutlich - wie die vorge-
nannten Systeme sich gegenseitig die Bälle zu werfen. Wer blickt den hier
als med. Laie oder juristisch unbelesener noch durch. Wer weis denn, was
derzeit aktueller Stand der herrschenden med. wissenschaftlichen Meinung
ist? Wer weis, dass in einem anstehenden Zivil- wie Sozialgerichtsverfah-
ren die Zivile Prizessordnung (ZPO) das verfahrensrechtliche Instru-
ment ist, das die Kläger(innen) dahingehend nutzen können (müssen), um
prozessleitend (verfahrensrechtlich) dagegensteuern zu können. Es gibt,
nach meiner subjektiven Einschätzung wenige - auch in diesem Forum -
die über solche Erfahrungen verfügen. Diese meine subjektive Meinung,
bitte nicht als Vorwurf oder Kritik verstehen, Gott behüte, dies ist nicht
mein Ansinnen.
Dennoch und da gebe ich Dir Recht, muss (sollte) einjeder versuchen, so
gut wie es geht, sich med. Kenntnisse über seine Erkrankung anzueignen,
und versuchen, sich auch juristisch weiterzubilden, damit man wenigstens
relevante verfahrensrechtliche Grundkenntnisse besitzt. Schon deshalb,
wie Du es auch schon in verschiedenen anderen Beiträgen es geschildert
hast, können beauftrage Anwälte(innen) ohne, dass der Mandant es merkt, für die Gegenseite arbeiten.
Dies möchte ich auch an einem konkreten Beispiel festmachen:
Eine 47 Jahre alte Frau von Beruf Kosmetikerin kämpft am SG auf Aner-
kennung einer BK wegen Bandscheibenvorfällen und chronischen Schmer-
zen im Lendenwirbelbereich. Die durchgeführten Untersuchungen und Be-
gutachtungen erfolgten überwiegend nur orthopädisch. Der behandelnde
Hausarzt schlägt der Klägerin vor, sie solle nach § 109 SGG ein schmerz-
medizinisches Gutachten über den Anwalt bei Gericht beantragen lassen.
Der Anwalt windetsich mit Ausreden - wie Schmerzen sind keine Krank-
heit - deshalb würden die Gerichte solche Anträge negativ bescheiden.
Was er der Klägerin verschweigt, das Gericht muss einen solchen Antrag
genehmigen, wegen dem Rechtsgrundsatz "Rechtliches Gehör". Die Klage
wird abgelehnt.
Nach Beauftragung eines neuen Anwaltes und Einlegung der Berufung ge-
gen das Urteil der 1. Instanz, verliert auch die Klägerin in der 2. Instanz,
weil es zu keiner schmerzmedizinischen Begutachtung gekommen ist. Der
neu beauftragte Anwalt hatte zwar den 109er Antrag gestellt, das LSG
hat aber in seiner Beweiswürdigung keinen konkreten Anlass gesehen, die-
sem Antrag zu folgen.
Mittlerweile - der Hausarzt war schmerzmed. mit seinem Latein am Ende -
wurde durch eine neurologisch/psychiarische Mitbehandlung (Konziliar=)
festgestellt, dass bei der Klägerin sich ein chronisches Schmerzsyndrom
aufgrund eines pathologischen Organkorrelats gebildet hatte, wobei auch
schon eine substantielle Schädigung der Nervenwuzeln L4 und L5 einge-
treten war. Um es abzukürzen, mittlerweile hat sich auch eine einge-
schränkte Gehfähigkeit entwickelt, weil durch die lange Krankheitsdauer
der Beinnerv zerstört wurde, und eine Operation keine Besserung mehr
bringen würde.
Hätte also der Anwalt der 1. Instanz - wie von der Klägerin gewollt - einen
dbzgl. Beweisantrag in Form eines 109er Gutachtens gestellt, hätte wo-
möglich die Klägerin obsiegt und ihr wäre eine überlange Prozessdauer bis
jetzt vor das BSG erspart geblieben. Erschwerend hinzu kommt noch die
Tatsache - dass durch die viel zu spät durchgeführte neurologische Unter-
suchung sich die Schmerzen manifestiert haben - und der Klägerin ein wei-
terer Körperschaden in Form einer Fuß- u. Großzehenheberparese zuge-
führt wurde, was zu einer weiteren Erschwernis mittlerweile in Form eines
Stepperganges geführt hat.
Soviel zur medizinischen Beweiswürdigung vereitelt durch einen inkompe-
tenden Anwalt. Da ich mit diesem Anwalt auch noch beruflich zu tun habe,
er aber nicht weis - dass ich über den ehemaligen Fall Bescheid weis - weis ich auch,
dass er heute noch der Meinung ist, dass Schmerzen keine Krankheit dar-
stellen.
Gruss
kbi1989