Liebe Hama,
Diese depressive Stimmung ist ja klar, sie liegt flach, fühlt sich unverschuldet hilflos, merkt Minute zu Minute, was alles nicht mehr geht, steht einer OP Situation gegenüber, die noch mehr Ängste schürt. Schmerz, Hilflosigkeit, Ungewissheit und dem gegenüber der innere Widerstand: ich will das so nicht, das zerreißt einen. Sie ist gar nicht in der Lage anders zu denken. Ihr Glas ist für sie nur noch mit Tröpfchen gefüllt. Ja es hat sich geleert, ja manches ist unwiederbringlich weg, aber es ist noch zur Hälfte gefüllt und das kann sie gar nicht erfassen. Sie kann z.B. reden-essen-trinken-sehen-hören- sich mit Personen austauschen, das können viele Unfallopfer lange nicht und müssen das mühsam erst wieder lernen. Sie telefoniert mit dir und ist in der Lage ihre Ängste, Sorgen mitzuteilen und da kannst du ihr helfen.
Offene Ohren, Zeit am Telefon, Mut machen, unterstützen mit aufbauenden Gesten, das geht auch über die weite Wohndistanz. Höre ihr zu und die Situation auf das hier und jetzt holen. Heute gut geschlafen, wirken die Schmerzmittel, kannst ja schon mit mir telefonieren etc. Bei Bedarf auf Station mit den Betreuern alle paar Tage telefonieren und von denen erfahren, welche Verbesserungen inzwischen faktisch da sind. Du kannst ihr antworten, ich habe gehört, dass du inzwischen schon das und jenes wieder besser kannst usw. die ganz kleinen Schritte vorwärts herausstellen und in den Fokus rücken.
Ist deine Schwester religiös, kann man den Seelsorgedienst der Klinik informieren, die kommen ans Bett auch auf Intensiv und können stellvertretend für dich Zeit investieren und Mut machen. Ansonsten kannst du deine Wahrnehmung über ihre Verzweiflung mit dem Stationsarzt und Stationspflegedienst mitteilen, die vielleicht eine psychische Unterstützung initiieren können.
Thema OP, das ist angstmachend, aber die Ärzte machen das nicht leichtfertig, sondern um ihr zu helfen, ihren gesundheitlichen Zustand schneller zu verbessern, als wenn man abwarten und wochen- bzw. monatelang passiv auf Besserung zu warten. So ist eine mit Metall versorgte Bruchstelle binnen Tagen wieder belastbarer und muss nicht 4-6 Wochen ruhig gehalten werden, wobei sich Muskeln stark zurückbilden und mühsam wieder antrainiert werden müssen. Gerade weil sie vorher so "fit" war, ist das eine gute Option, solch einen Eingriff zu wagen, weil sie körperlich eher geeignet ist, als bewegungsarme Personen. Warum man erst eine Zeit nach dem Unfalltag eine Operation erwägt, kann sein, dass sich Auswirkungen von Verletzungen erst binnen Tagen zeigen. Beispielsweise bilden sich Schwellungen zurück und Brüche werden erst dann noch deutlicher. Oder andere zeigen eine größere Raumgreifung und es soll mit der OP vorgebeugt werden, dass es sich nicht noch weiter entwickelt sondern eine schnellere Besserung eintritt.
Gute Besserung und viel Mut machende Gedanken
LG Teddy