Machts Sinn
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Gruß!Forderung für ein Wahlversprechen:
Rechtsänderung beim Krankengeld, § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (nur ein Wort!)
Bevorstehende Bundestagstagwahlen und Äußerungen der gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen beleben die Hoffnung auf eine Gesetzesinitiative, die bisher offenbar an der Schnittstelle zwischen den Aufgabenbereichen der Bundesministerien für Gesundheit sowie für Arbeit und Soziales scheiterte und deswegen nicht in den Bundestag gelangte.
Es geht um die Vorschrift des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V, die in ihrer Auslegung durch den 1. Senat des Bundessozialgerichtes (BSG) nicht nur beim „Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld“, sondern auch bei der „Einstellung von Krankengeldzahlungen" erhebliche Probleme verursacht und Versicherte im wahrsten Sinne des Wortes zu Opfern macht.
Von den Problemen beim „Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld“ sind Personen ohne Beschäftigungsverhältnis betroffen, beispielsweise wenn sie während der Arbeitsunfähigkeit arbeitslos oder während der Arbeitslosigkeit arbeitsunfähig werden und (weiterer) Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld nur infolge des Krankengeld-Bezuges besteht.
Diesen Personen sind durch die langjährige Rechtssprechung des BSG scharfe Fallen gestellt („BSG-Falle“), die von den gesetzlichen Krankenkassen (bisher wohl mit löblicher Ausnahme der Ersatzkassen?) zunehmend genutzt werden. Der finanzielle Vorteil für die Krankenkassen ist nämlich enorm, denn wer in der „BSG-Falle“ landet, verliert nicht nur seinen Anspruch auf Krankengeld dauerhaft, sondern damit auch sein bisheriges Krankenversicherungsverhältnis.
Und das Risiko, in die „BSG-Falle“ zu tappen, ist für den genannten Personenkreis riesig, denn nach gefestigter Rechtsprechung entsteht / besteht Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt, wenn an diesem Tag noch ein den Krankengeld-Anspruch begründendes Versicherungsverhältnis besteht; der Krankengeld-Anspruch ist auf die Dauer der jeweils festgestellten Arbeitsunfähigkeit begrenzt.
Das bedeutet beispielsweise: Wer bis Montag, den 11.02.2013, arbeitsunfähig krank geschrieben ist, darf die weitere Arbeitsunfähigkeit keinesfalls erst am Dienstag, 12.02.2013, feststellen lassen. Aber auch wer bereits am Montag, 11.02.2013, zu diesem Zweck seinen Arzt aufsucht, hat bei Anwendung der strengen BSG-Rechtsprechung großes Pech: Da das Versicherungsverhältnis aus dem bisherigen Krankengeld-Anspruch nur bis 11.02.2013 andauert und der weitere Krankengeld-Anspruch in diesem Fall frühestens am 12.02.2013 – also nach Ende des bisherigen Versicherungsverhältnisses – entstehen könnte, ist die Falle zugeschnappt.
Vor möglichem Schaden bewahren kann hier also nur, die Arbeitsunfähigkeit über den 11.02.2013 hinaus vom behandelnden Arzt spätestens am Freitag, 08.02.2013, feststellen zu lassen (oder evtl. vom Notdienst spätestens bis Sonntag, 10.02.2013) wenn der Krankengeld-Anspruch und das Versicherungsverhältnis weiter aufrecht erhalten werden sollen.
Unabhängig davon, dass sich eine Arbeitsunfähigkeit nur in der Theorie in mehrere einzelne Arbeitsunfähigkeiten für die jeweilige Dauer ggf. vieler einzelner Arbeitsunfähigkeits-Feststellungen – mit dem jeweils dargestellten Risiko – aufteilen lässt, sollte der Gesetzgeber einen Weg zur Abhilfe finden, etwa indem § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V um ein Wort wie folgt ergänzt wird:
Der Anspruch auf Krankengeld entsteht
1. …
2. im übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der e r s t e n ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.
Damit würden sehr viele „formal hausgemachte“ und damit schlicht überflüssige Probleme mit existenzieller Bedrohung der Betroffenen der Vergangenheit angehören.
Die genannte Rechtsänderung hätte gleichzeitig auch den sehr wichtigen weiteren Aspekt, Kollisionen zwischen Rechtsaufsicht (Bundesversicherungsamt) und Rechtsprechung (Bundessozialgericht) zu Rechtsfragen hinsichtlich der „Einstellung von Krankengeldzahlungen" zu beenden, wodurch seit über zwei Jahren nicht nur ca. 140 verschiedene gesetzliche Krankenkassen verunsichert, sondern mit sehr negativen Folgen insbesondere die Versicherten in ihren „sozialen Grundrechten“ betroffen sind; zudem ist durch diesen „Streit der Staats-Mächte“ der soziale Rechtsstaat in seinen Grundfesten berührt – verfassungsrechtlich mehr als bemerkenswert.
Konkret geht es um die im Krankenversicherungssystem allgemein ignorierten Vorgaben der Rechtsaufsicht (Bundesversicherungsamt) durch die Rundschreiben vom 12.11.2010 und vom 16.03.2012 (II 2 – 5123.5 – 823/2008), dass Krankengeld-Bewilligungen durch unbefristeten Dauerverwaltungsakt nicht durch (formlose) Zahlungseinstellungen beendet werden können, sondern der (förmlichen) Aufhebung nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) bedürfen, wenn Krankenkassen trotz weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Krankengeld zahlen (wollen).
Die Sozial-Rechtsprechung nimmt zwar an, dass Krankengeld auch durch unbefristete Verwaltungsakte mit Dauerwirkung bewilligt werden könnte und insoweit die Auslegung des Verwaltungsaktes im jeweiligen Einzelfall erforderlich wäre, unterlässt diese Auslegung jedoch generell und geht stets geschlossen von der immer abschnittsweise befristeten Bewilligung des Krankengeldes für die Dauer der jeweiligen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, was die Frage der Aufhebung (§ 48 SGB X) von Bewilligungsentscheidungen irrigerweise als hinfällig erscheinen lässt.
Diese in sich widersprüchliche Haltung der Gerichtsbarkeit lässt auch die Verwaltungspraktiken der Krankenkassen unberücksichtigt, widerspricht den Vorgaben der Rechtsaufsichtsbehörde und übergeht die Regelungen des SGB X mit klaren Grundsätzen zum Verfahren und zur Bestimmtheit von Verwaltungsakten einschließlich Nebenbestimmungen. Die für die Krankenkassen naheliegende Folge ist, die Vorgaben ihrer übergeordneten Rechtsaufsicht zu ignorieren. Und diese nimmt das hin, unglaublich!
Dieser rechtsstaatlich unerträgliche Zustand sollte dringend beendet werden. Falls soziale Ansprüche reduziert werden müssten, wäre dies nicht über die hierarchie- und rechtswidrige Auslegung von Sozialgesetzen, sondern über Gesetzesänderungen zu realisieren. Jedenfalls bedürfen die zwischen Rechtsaufsicht und Rechtsprechung bisher gegenteiligen rechtlichen Standpunkte im Interesse künftiger Rechtssicherheit dringend der Harmonisierung.
Dieses Ziel wäre mit der erbetenen und dringend erforderlichen Gesetzesänderung erreicht - lebensnah und bürgerfreundlich!
Machts Sinn