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Erwerbsminderungsrente darf vorerst gekürzt werden

seenixe

Super-Moderator
Mitarbeiter
Registriert seit
31 Aug. 2006
Beiträge
8,846
Ort
Berlin
Mehr als eine Million Rentner betroffen und trotzdem nur eine ganz kleine Meldung!Aufgeschreckt durch einen kleinen Artikel:
Berliner Zeitung von Heute
Kassel. Mehr als eine Million Rentner müssen nach einem Urteil des BSG die 2001 beschlossenen Abschläge ihrer Erwerbsminderungsrente vorerst hinnehmen. Mit dieser gestern gefällten Entscheidung stellte sich ein Senat des Kasseler Bundessozialgerichtes gegen das Urteil eines anderen Senats vom Mai 2006. Wegen des internen Streits wird die Frage nun dem zweiten Rentensenat des BSG erneut vorgelegt.

Daraufhin schnell ins Internet und die Seite des BSG aufgerufen:

Terminbericht Nr. 5/08 (zur Terminvorschau Nr. 5/08)

Der 5a. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über die Ergebnisse der Sitzung vom 29. Januar 2008.

1) bis 3)

In den ersten drei Verfahren vermochte sich der Senat der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG nicht anzuschließen. Er hält die von den Rentenversicherungsträgern angewandte Rentenberechnung mit einer Absenkung des Zugangsfaktors auch bei einem Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten für vom Gesetz gedeckt. Dies ergibt sich unter anderem aus dem systematischen Zusammenhang zur gleichzeitig beschlossenen Verlängerung der Zurechnungszeit, wie er insbesondere im bis zum 31.12.2003 geltenden Übergangsrecht zum Ausdruck kommt. Insgesamt sieht der Senat ausreichende Anhaltspunkte für die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, alle Erwerbsminderungsrenten um so mehr zu senken, je näher der Rentenbeginn an das 60. Lebensjahr des Versicherten heranrückt. Durch die weitere Gesetzesänderung zum 1.1.2008 wird diese Auffassung bestätigt. Für die im dritten Verfahren zu beurteilende Witwenrente gilt nichts grundsätzlich anderes. Einen Verfassungsverstoß hat der Senat verneint.

Allerdings hat sich der Senat durch die Rechtsprechung des 4. Senats gehindert gesehen, die vorinstanzlichen Urteile zu bestätigen und die Revisionen der Kläger zurückzuweisen. Zwar ist der 4. Senat für Streitigkeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit 1.1.2008 nicht mehr zuständig. Die Zuständigkeit ist aber nicht allein auf den 5a. Senat, sondern teilweise auch auf den 13. Senat übergegangen, der sich zu der hier zu entscheidenden Rechtsfrage bisher nicht geäußert hat. Deshalb hat der erkennende Senat beim 13. Senat angefragt, ob dieser an der vom 4. Senat entwickelten Rechtsprechung festhält.

SG Aachen - S 8 R 96/06 - - B 5a/5 R 32/07 R -
SG Detmold - S 20 R 68/05 - - B 5a R 88/07 R -
SG Berlin - S 7 R 5635/06 - - B 5a R 98/07 R -


4) Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Senat hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat für die Zeit des Anerkennungspraktikums nach der Umschulung zum Arbeitserzieher keinen Anspruch auf Übergangsgeld. Das Anerkennungspraktikum ist weder nach dem Bewilligungsbescheid noch nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften Teil der gewährten Weiterbildungsmaßnahme. Es handelt sich nicht um ein "notwendiges Praktikum" iS der gesetzlichen Vorschriften und ist daher nicht förderungsfähig. Hierfür spricht auch, dass es nach der einschlägigen Ausbildungsordnung innerhalb von bis zu drei Jahren nach der Abschlussprüfung zum Arbeitserzieher absolviert werden kann. Den Erwägungen der diesbezüglichen früheren Rechtsprechung ist durch zwischenzeitliche Gesetzesänderungen die Grundlage entzogen worden.
SG Aurich - S 2 R 143/05 -
LSG Niedersachsen-Bremen - L 2 R 476/05 - - B 5a/5 R 20/06 R -
5) Die Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers wurde zurückgewiesen.
Eine stufenweise Wiedereingliederung, die in unmittelbarem Anschluss an eine vom Rentenversicherungsträger gewährte Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation durchgeführt wird, fällt in die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers. Insofern hat § 51 Abs 5 SGB IX in der seit 1.5.2004 geltenden Fassung das Recht nicht geändert, sondern lediglich klargestellt.

SG Düsseldorf - S 26 RJ 10/04 -
LSG Nordrhein-Westfalen - L 3 R 39/06 - - B 5a/5 R 26/07 R -

Was ist also passiert:
Da hat das zuständige oberstes Gericht der Bundesrepublik in dieser Frage entschieden: Die Regierung und die Deutsche Rentenversicherung haben über eine Million Rentner um Milliarden betrogen. Da sagt die DRV, dies ist ein Einzelfall, überhaupt nicht auf alle Fälle anwendbar (man solle sich das Urteil vom 16. Mai 2006 erinnern), die Regierung schließt sich dieser Meinung an, schickt den Vorsitzenden des beschließenden Senats in die Wüste und läßt die Aufgaben einfach auf zwei Senate aufteilen und läßt über eine Million Betroffene einfach im Regen stehen.

Ich bin Stinke Sauer. Es reicht, nicht nur die Betroffenen, nein alle die sich mit den Betroffenen solidarisieren, sollten diese Entscheidung zum Anlass nehmen und sich bei Parteien, Bundespräsident, seinen Bundestagsabgeordneten beschweren.

hier ein paar Adressen:
Bundespraesident.Horst.Koehler@bpra.bund.de.
fraktion@cducsu.de
frakmail@spdfraktion.de
pressestelle@fdp-bundestag.de
fraktion@linksfraktion.de
info@gruene-bundestag.de
InternetPost@bundesregierung.de

Schickt Eure Protestschreiben an die Mailadressen, verlangt die Umsetzung des Urteils vom Mai 2006
Lasst Euch nicht den Betrug an über einer Million betroffener Rentner gefallen.
Wehrt Euch, wir Anderen, jetzt Nichtbetroffenen werden die nächsten sein.


hier ein Link zu unserer früheren Diskussion

Gruß von der Seenixe

Hinweis des Bundespräsidenten:
Oder Sie schreiben eine E-Mail an den Bundespräsidenten: Bundespraesident.Horst.Koehler@bpra.bund.de.

Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir uns vorbehalten, nur Zuschriften mit vollständiger Absenderangabe (nicht: E-Mail-Adresse) zu beantworten.
 
Hallo,
hier mein Schreiben an den Bundespräsidenten, weitere ähnliche Schreiben werden an Fraktionen, Abgeordnete und Zeitungen gehen. Mal sehen, ob es möglich ist, in dieser Republik noch Öffentlichkeit für sozial Missstände zu erreichen.

Gruß von der Seenixe

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
Seit der Einführung von „Rentenabschlägen“ bei Erwerbsminderungsrenten im Jahre 2001 werden Erwerbsminderungsrentnern, die die Leistungen vor Erreichen des 60. Lebensjahres in Anspruch nehmen, 10,8 Prozent monatlich abgezogen. Diese Praxis der Rentenversicherungsträger hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 16.05.2006 für rechtswidrig erklärt. Geklagt hatte eine 1960 geborene Rentnerin, deren Erwerbsminderungsrente bei einem Neubescheid aus dem Jahre 2003 aufgrund der Abschläge um 137 Euro zu niedrig festgesetzt wurde. Das Gericht entschied: Statt 800 Euro stehen ihr monatlich 937 Euro zu. In ihrer Begründung führten die Bundessozialrichter aus, dass es keine Rechtsgrundlage für diese Kürzung gebe. § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI sage ausdrücklich, dass die Zeit des Bezuges einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer „vorzeitigen Inanspruchnahme“ gilt, die eine solche Rentenkürzung rechtfertige. Auch in den so genannten Gesetzesmaterialien, beispielsweise den Beratungen des Deutschen Bundestages, finden sich keine entsprechenden Erklärungen des Gesetzgebers. Vielmehr, so führte das BSG aus, sollte mit der Vorschrift ein anderer spekulativer Fall geregelt werden: Dass bei vorzeitigen Altersrenten die Versicherten wegen der dortigen Abschläge in die Erwerbsminderungsrente ausweichen. Dieses „Ausweichen“, so die Richter, komme aber frühestens ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Betracht. (Bundessozialgericht, Az. B 4 RA 22/05 R)
Gestern nun hat, nach einem meines Erachtens einmaligen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik, ein anderer Senat des BSG ein genau entgegengesetztes Urteil erlassen. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, der wird schnell feststellen, was da passiert ist. Nach Einflussnahme durch die Politik werden über eine Million Rentner um die ihnen zustehenden Gelder betrogen.
Wen wundert es dann, wenn die Menschen Politikverdrossen werden?

Warum darf dies in diesem Land passieren?

Werden wir endgültig zu einer „Bananenrepublik“, wo die Lobby gegen Gesetze machen kann, was sie will?
Wird die Politik immer mehr zum reinen Selbstbedienungsladen?
Mir passt ein Gesetz oder ein Urteil nicht, dann erkenne ich es einfach nicht an. Ich kaufe mir die "Entscheider" und regele es dann in der mir genehmen Art. Ist dies die Aussage, die ich an meine Kinder weitergeben darf?

Bitte Herr Bundespräsident, werden Sie aktiv.

Mit freundlichen Grüßen
 
Habe eben auch mein Missfallen über diese Posse geäußert! Per CC gleich an alle Mailadressen. Sehen wir mal ob Antworten kommen.
 
Wenn diese Taktik gegen die soziale Gerechtigkeit Mode macht haben wir Unfallopfer und alle ähnlich betroffenen Mitbürger das Nachsehen. Dann wird soziale Ungerechtigkeit eine unumstößliche Alltagserscheinung in unserem Leben und im Großen und Ganzen können wir kaum etwas dagegen ausrichten.

Grundgesetz:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.


Unsere Regierung tut zurzeit das genaue Gegenteil ich kann es einfach nicht überwinden und klage nun allein gegen die Rentenversicherung, schließlich bin durch Arbeit in diese Lage gekommen.


Amen und gute Nacht liebes Sozialgesetzbuch

Chartkiller
 
....schade, dass das Urteil erst am 29. Jan.08 gesprochen wurde -
....schade, denn dann hätten sich wesentlich mehr Wähler in Niedersachsen und ....Hessen "anders" entschieden
....schade, für die Linken
....schade, wer nicht hören will - wird es früher oder später "merken"
....leider !

anaconda
 
Hallo Zusammen,

gegen den geminderten Zugangsfaktor habe ich und meine Frau je eine Klage am Sozialgericht laufen. Klagebegründung laut seenixe und der
Ungerechtigkeit, daß ein Erwerbsgeminderter überhaupt keine Chance mehr hat den Faktor 1 zu erreichen. Man wird für seine Krankheit bestraft.
Unsere beantragte Sprungrevision ist noch offen.
Diese Regelung ist für Rechtswidrig und für Verfassungswidrig erklärt worden.

Wir sind entsetzt.

Sollte diese Posse durchgehen, dann werde ich mich in Deutschland nur noch aufhalten wenn es sein muß oder ganz verlassen.
Für so eine Bananenrepublik schäme ich mich. Das kann nicht mehr mein Land sein.

Den Wert eines Staates mißt man daran wie gut es alten Menschen und behinderten Menschen geht. Das ist auf der ganzen Welt so.
 
Zuletzt bearbeitet:
Protestschreiben

Hallo Alle,


habe jetzt auch gleich das Protestschreiben abgeschickt.

Ergänzend an PlusMinus, Report München, Host Seehofer, VDK
 
Moin zusammen,

meine Schreiben sind auch raus!

Allen einen guten Start ins Wochenende :)
 
Hallo,

Leider ist der genaue Wortlaut des Urteils immer noch nicht veröffentlicht. Das Gericht hängt mittlerweile 3 Monate mit Veröffentlichungen hinterher, aber es gibt eine neue Erklärung des Vorgangs....
Erwerbsminderungsrente:
Mehr als eine Million Erwerbsminderungsrentner müssen möglicherweise eine deutliche Kürzung der Leistungen hinnehmen. Das Bundessozialgericht (BSG) kam zu der Einschätzung, dass die seit 2001 geltenden Abschläge bei einem Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr rechtens seien. In den verhandelten Fällen wollten die Kläger eine höhere Rente erhalten. Sie vertraten die Auffassung, dass nach dem Gesetz die seit 2001 beschlossenen Rentenkürzungen nur dann gelten, wenn das 60. Lebensjahr erreicht worden ist. Vorher sei die volle Rente zu zahlen. Die Rentenversicherungsträger waren dagegen der Ansicht, dass Erwerbsminderung ab dem 55. Lebensjahr schrittweise auf höchstens 10,8% gekürzt werden dürften. Einen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorgaben konnten sie nicht erkennen. Die Kürzungen seien in ihrer Höhe verhältnismäßig. Dem schloss sich der BSG-Senat an: die Kürzungen seien wegen der demographischen Entwicklung in Deutschland gerechtfertigt. Ob die rechtlichen Regelungen tatsächlich einen Abschlag auf die Erwerbsminderung rannte vor dem 60. Lebensjahr vorsehen, muss erneut geprüft werden. Die Frage wird wegen eines früheren anders lautenden Urteils eines anderen BSG-Senats nun in einem weiteren Rentensenat des BSG vorgelegt. Kommt dieser zum Schluss, dass die Abschläge rechtswidrig sind, muss der so genannte Große Senat beim BSG über die Auslegung des Gesetzes entscheiden. Werden die Rentenabschläge schließlich als nicht zulässig angesehen, müssen die Rentenversicherungen für den Zeitraum 2002 bis 2006 eine Milliarde Euro an die betroffenen Erwerbsminderungsrentner nachzahlen.

Wer sich diese Zeitungsmeldung aus der Berliner Zeitung durchliest, versteht, warum die DRV so hartnäckig an Ihrer Praxis festhält.

Gruß von der Seenixe
 
@seenixe: danke für Deine Info!

@all: habt Ihr auf Eure Schreiben eigentlich Antworten bekommen?
 
Hi Alle,


mein Protestschreiben an die SPD wurde beantwortet.

Hier das Antwortschreiben:

"Gesetzliche Rentenversicherung, Abschläge bei Renten wegen Erwerbsunfähigkeit

Ihre mail vom 1. Februar 2008 an die SPD-Bundestagsfraktion



Sehr geehrter Herr ,



vielen Dank für Ihre Mail, mit welcher Sie sich gegen die Abschläge bei Renten wegen Erwerbslosigkeit wenden und auf ein entsprechendes Urteil des Bundessozialgerichtes verweisen.

Zum angesprochenen Thema möchte ich Ihnen folgendes mitteilen:

Die Berichterstattung in der Presse über die Entscheidung des 4. Senates des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2006 zur Zulässigkeit von Abschlägen bei Erwerbsminderungsrenten ist leider nicht immer als gelungen zu bezeichnen. Vielfach führt der Versuch, eine hochkomplexe rechtliche Materie zu
vereinfachen, um sie darstellen zu können, zu falschen bzw. irreführenden Aussagen.

Richtig ist, dass ein Senat des Bundessozialgerichts entschieden hat, dass Rentner, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen, vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mit Abschlägen belastet werden dürfen. Das heißt, dass eine solche Erwerbsminderungsrente erst gekürzt werden darf, wenn der Rentner das 60. Lebensjahr vollendet hat.

Falsch ist aber, dass jede Entscheidung des Bundessozialgerichts automatisch auch in allen anderen vergleichbaren Fällen umgesetzt werden muss.
Das deutsche Recht kennt keine Allgemeinverbindlichkeit von Urteilen von Fachgerichten, anders als beispielsweise der angelsächsische Kulturkreis.
In Deutschland fällen Fachgerichte Einzelurteile, die nur die Prozessparteien untereinander binden.

Nun ist es aber beileibe nicht so, dass Verwaltungen höchstrichterliche Urteile, die von ihrer bisherigen Rechtsauslegung und Verwaltungspraxis abweichen, generell ignorieren und weitermachen wie bisher. Ganz im Gegenteil. Nur in wenigen besonderen Fällen wird so verfahren.
Dieses hat schon einen praktischen Grund, denn ansonsten müssten diese Verwaltungen eine Menge aussichtsloser Prozesse führen
und sich zurecht Geldverschwendung vorwerfen lassen müssen.

Dass die Deutsche Rentenversicherung dem o. a. Urteil des Bundessozialgerichts nicht folgt, hat einen nachvollziehbaren Grund.
Schaut man sich die absurden Folgen des Urteils an, wird offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmt. Denn wieso sollte eine Arbeitnehmerin,
der mit 43 Jahren einen Unfall erleidet und in Rente gehen muss, siebzehn Jahre lang eine ungekürzte Rente beziehen, ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres aber eine Kürzung von 10,8 Prozent hinnehmen müssen? Hier hat sich der 4. Senat des Bundessozialgerichts
schwer vergaloppiert. Diese Rechtsauslegung hat mit dem vom Gesetzgeber gewollten Erwerbsminderungsrecht nichts zu tun und die Deutsche Rentenversicherung tut gut daran, dass sie versucht, durch das Vorantreiben von Musterverfahren die Rechtsansicht eines
weiteren (anderen) Senates des Bundessozialgerichtes einzuholen. Angesichts der klaren Regelungen, die der Gesetzgeber im Jahre 2000 getroffen hat, wäre es überraschend, wenn dieser andere Senat die Rechtsauffassung teilen würde.


Als der Gesetzgeber im Jahre 2000 (mit Wirkung ab 1. Januar 2001) das Recht der Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung reformiert hat, ging er von klaren Überlegungen aus, die sich auch im Gesetz und seiner amtlichen Begründungen wiederfinden. So war eindeutig gewollt, dass bei Arbeitnehmern, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Erwerbsminderungsrente gehen müssen, Abschläge zu berücksichtigen sind.
Damit wollte man eine Angleichung der Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der (vorzeitig in Anspruch genommenen) Altersrenten an Schwerbehinderte erreichen. Letztere waren schon vor dem Jahre 2001 abschlaggemindert. Um aber Arbeitnehmern, die vor dem 60. Lebensjahr in Erwerbsminderungsrente mussten, die Höhe der Rente nicht allzu sehr durch die Abschläge zu mindern, hat der Gesetzgeber einen Ausgleich
geschaffen. Er hat zeitgleich mit der Einführung der Abschläge die sogenannte Zurechnungszeit verlängert. Dadurch wurde erreicht, dass in
diesen Fälle die Minderung der Rentenhöhe durch die Abschläge im Wesentlichen ausgeglichen wurde. Dieses wurde in der Gesetzesbegründung
ausdrücklich auch so beschrieben.

Nach Meinung des Sozialbeirats wird im Urteil des BSG vom 16. Mai 2006 eine völlig neue und der Intention des Gesetzes entgegenlaufende Sichtweise formuliert. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Sozialbeirat die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, dem Urteil, über den entschiedenen Einzelfall hinaus, keine allgemein gültige Bedeutung beizumessen.

Außerdem würde die Umsetzung des Urteils zu einer widersprüchlichen Situation führen:
Eine vor Vollendung des 60. Lebensjahres zunächst abschlagsfrei in Anspruch genommene Erwerbsminderungsrente wäre zu mindern, wenn der Rentner das 60. Lebensjahr vollendet (s.o.).

Dass man als betroffener Rentner lieber eine – durch die Verlängerung der Zurechnungszeit hochgewertet - Rente ohne Abschläge haben möchte, ist nicht unverständlich. Dieses ist aber vom Gesetzgeber nicht gewollt. Daher möchte ich um Verständnis für das derzeitige Vorgehen
der Deutschen Rentenversicherung werben.

Es trifft zu, dass die anzurechnenden Abschläge bei vorzeitigem Rentenbeginn einen tiefen Einschnitt in die Altersversorgung der Betroffenen darstellen. Für eine Rück-nahme sämtlicher Einschränkungen und Kürzungen im Rentenrecht, welche ursprünglich durch die Regierung Kohl
eingeführt wurden, fehlt jedoch der finanzielle Spielraum. Eine Änderung der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung und damit eine Rückkehr zu den ursprünglichen Altersgrenzen bzw. ein Verzicht auf die Anrechnung des Rentenabschlages oder eine Ausweitung der Vertrauensschutzregelung
auf spätere Geburtenjahrgänge ist nicht möglich.

Die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bestätigt insofern die o.g Ausführungen und die geltende Rechtslage.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Erklärungen die Rechtslage besser verständlich machen, als es teilweise in den Medien der Fall war."


Mit freundlichen Grüßen
A. T.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi oerni,
identische Antwort habe ich auch von der SPD bekommen.

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Hier noch die Antwort der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:

"vielen Dank für Ihr Schreiben an die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sie nehmen darin Bezug auf die Rechtsprechungen des Bundessozialgerichts zu Rentenabschlägen bei Erwerbsunfähigkeitsrente. Ihre Frage gibt uns Gelegenheit, zu dem Verfahren aus politischer Sicht Stellung zu nehmen.

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundessozialgericht zu den Abschlägen bei Erwerbsminderungsrenten die Sicht der Rentenversicherungsträger und des Gesetzgebers unterstützt. In dem Urteil von Mai 2006 war zunächst davon ausgegangen worden, dass die Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten unzulässig sind. Die neue Entscheidung des BSG von Januar 2008 sieht das aber anders.

Mit Urteil vom 16.5.2006 hatte der 4. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, dass das Gesetz die Rentenversicherungsträger nicht dazu ermächtige, den Zugangsfaktor abzusenken, wenn eine Erwerbsminderungsrente bereits vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten gewährt werde. Diesem Urteil sind die Rentenversicherungsträger außer im entschiedenen Einzelfall nicht gefolgt und berufen sich auf eine andere Auslegung der einschlägigen Vorschriften. Es war bereits nach dem Urteil vom Mai 2006 klar, dass die Rentenversicherungsträger weitere Musterverfahren führen würden, um Widersprüche und Fehlinterpretationen in dem Urteil aufzuklären. Denn die Begründung des Urteils war selbst für Fachleute nicht vorhersehbar und ist bis heute nicht nachvollziehbar. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales begrüßt das Vorgehen der Rentenversicherungsträger, da die von der Rentenversicherung praktizierte Auslegung der Intention des Gesetzgebers entspricht.

In drei beim 5a. Senat anhängigen Revisionsverfahren sind außerdem die Sozialgerichte von der Rechtsprechung des 4. Senats abgewichen und haben die Auffassung der Rentenversicherungsträger bestätigt. Der 5a. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt nach eigener Mitteilung, die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts zum Rentenabschlag bei Erwerbsminderungsrenten aufzugeben. Er sieht eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Praxis der Rentenversicherungsträger, den Zugangsfaktor zu mindern, auch wenn die Rente bereits vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten beginnt.

Denn die Absicht des Gesetzgebers, die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten durch Abschläge auch bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente vor dem 60. Lebensjahr anzugleichen, ergibt sich neben der Regelung über die Abschläge selbst auch aus der gleichzeitig vorgenommenen Ausweitung der sog. Zurechnungszeit. Sie bewirkt eine fiktive Verlängerung der Versicherungszeit bis zum 60. Lebensjahr (der Versicherte wird bei der Berechnung der Rente so gestellt, als hätte er bis zum vollendeten 60. Lebensjahr Rentenbeiträge mit einem individuellen Durchschnittswert gezahlt). Die Verlängerung bis zum 60. Lebensjahr diente nach der Begründung des Gesetzentwurfs gerade dazu, bei jüngeren Versicherten die Auswirkungen der Abschläge abzumildern. Darüber hinaus werden in der Gesetzesbegründung die konkreten Auswirkungen der Abschläge auf die Rentenhöhe bei Personen dargestellt, die einen Rentenfall der verminderten Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres haben.

Das vom Bundestag am 9. März 2007 beschlossene Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) bringt im Übrigen in der Begründung zur Regelung über die Abschläge (§ 77 SGB VI) nochmals die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten auch dann wirken zu lassen, wenn die Rente in jungen Jahren in Anspruch genommen wird.

Bitte bedenken Sie, dass es Anliegen des Gesetzgebers ist, die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungen in gleichem Verhältnis zu gewährleisten, so dass es auch einer systemimmanenten Gerechtigkeit nachgegangen werden muss.

Mit freundlichen Grüssen"

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Und die Antwort der FDP-Bundestagsfraktion:

"vielen Dank für Ihr Schreiben vom 01. Februar 2008. Betreffend den Bezug einer Erwerbsminderungsrente, kann ich Ihnen mitteilen, dass die Positionierung der Deutschen Rentenversicherung aus unserer Sicht vollkommen richtig ist. Das Urteil des Bundessozialgerichts, nachdem für Renten für Erwerbsminderung unter 60 Jahren keine Abschläge vorzunehmen sind, ist nach Meinung der meisten Sachverständigen, der Ministerien, der Rentenversicherung und auch der unterinstanzlichen Rechtsprechung nicht mit dem Gesetz vereinbar. Es widerspricht sowohl dem Wortlaut des Gesetzes als auch, nachweislich der Gesetzgebungsmaterialien, der gesetzgeberischen Zielsetzung. Nach unserer Kenntnis wurde dem Senat des Bundessozialgerichts, der dieses Urteil zu verantworten hat nun auch die Zuständigkeit über rentenrechtliche Fragen entzogen. Es ist aufgrund der Rechtsprechung anderer Gerichte auch nicht verwunderlich, dass nun ein anderer Senat des Bundessozialgerichts anders entschieden hat. Dass Senate abweichend entscheiden ist keine Ungesetzlichkeit, sondern kommt gelegentlich vor. Diese Situation ist daher bereits gesetzlich vorgesehen und geregelt. Bei einem abweichenden Votum wie nun vorliegend, wird ein weiterer Senat des Bundessozialgerichts mit der Frage befasst. Dieser weitere Senat wird sich in einiger Zeit noch einmal zu diesem Problem äußern. Dies alles ist daher kein Zeichen von Korruption, sondern entspricht den vorgesehenen Mechanismen, um Streitigkeiten bei der Auslegung eines Gesetzes beizulegen.

Es ist im vorliegenden Fall allerdings aus meiner Sicht bedauerlich, dass Sozialverbände und teilweise auch die Presse die Versicherten verunsichern und Ihnen einreden, sie hätten die Möglichkeit, eine Erwerbsminderungsrente ohne Abschläge zu beziehen. Es handelt sich um ein verantwortungsloses Verhalten der Verbände, denn die Menschen werden so auf den Klageweg getrieben und haben finanzielle und psychische Belastungen zu tragen, und das ohne eine wirkliche Aussicht auf Erfolg.

Gerade um dies zu vermeiden, hatte die FDP-Bundestagsfraktion zeitnah zum Urteil einen Antrag (BT-Drs. 16/2676) gestellt, die Rechtslage umgehend gesetzlich noch einmal klarzustellen, nämlich dass die Abschlagsberechnung gleichmäßig auch für Renten für Erwerbsminderung unter 60 Jahren vorgenommen wird. Ansonsten kann es zu ungerechten Ergebnissen kommen, wenn Abschläge nur für Erwerbsminderungsrenten oberhalb von 60 Jahren berechnet werden.

Mit freundlichen Grüßen"

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