Grüß Dich, Sume,
01
Die MdH (= Minderung der Fähigkeit, einen Haushalt zu führen") ist ein Sonderfall.
Der Sonderfall greift NUR im Haftpflichtfall, auf Deutsch: Du hast einen Gegner, der nach BGB oder StVG dafür aufkommen muss, dass Du Verletzungsfolgen hast. Das sind typischerweise die Fälle: Autounfall, der andere ist schuld, Auf dem Gehweg hingefallen, weil nicht geräumt/gestreut, Ärztemurks. Nicht dazu gehört derjenige Arbeitsunfall, der innerhalb des Betriebes stattgefunden hat. Dafür gehört der Wegeunfall dazu, also fremdverschuldete Unfall auf dem Weg zur Arbeit oder dem Nachhauseweg.
02
Aufkommen für den Haushaltsführungsschaden muss der Unfallverursacher, nicht die BG.
03
Und worin genau besteht er, der Haushaltsführungsschaden?
Hatten wir schon paarmal im Forum. Zur Einleitung und Einstimmung: Vom Unfall-Opfer-Bayern e.V. gibt es eine ganz knappe, aber übersichtliche Einführung:
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Unfall-Opfer-Bayern e.V. ,Flutgraben 4 , 63872 Heimbuchenthal
Tel.: 06092/7569 - Telefax: 06092/ 999691
stammt folgendes Infoblatt (modfiziert):
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Haushaltsführungsschaden:
Der vergessene 100.000-€-Schein:
(1) Ein anderer hat Sie verletzt. Was passiert, wenn Sie im Haushalt nicht mehr so arbeiten können wie zuvor? Normalerweise rückt die Familie zusammen. Die Schwiegermama hilft aus. Die Kinder sollen sich gegenseitig erziehen. Die Küche wird zur Büchsen-Aufmacherei, und der Staub auf der Vorhangstange? Der läuft schon nicht davon. Rasenmähen? Wildwuchs ist immerhin "bio". Autowaschen? Wozu? Es regnet doch ab und zu!
KURZUM: In diesem Haushalt geht's wohl bald bergab! Er verprimitivt.
(2) Eigentlich müsste ein Hausmädchen her. Aber wenn keines angestellt wird? Gibt’s dann nichts?
(3) Der Bundesgerichtshof sagt (z.B. in: NJW-RR 90/34): Da gibts was! Der Schädiger muss bezahlen, was ein Hausmädchen (netto) bekommen hätte für die Arbeit, die die Verletzte nicht mehr tun kann. Das nennt man "fiktiven Haushaltsführungsschaden". Und da geht es um mehr, als sich die betroffenen Hausfrauen normalerweise denken.
Der Schaden ist nämlich nicht eine (fiktive oder echte) Rechnung eines Haushaltshelfers, der Schaden ist der Ausfall an zuvor sinnvoll verwendeter Arbeitskraft! Was Du mit dem Geld machst, das ist Deine Sache.
(Das ist das Gleiche wie mit einer Beule am alten Auto. Da darfst Du sagen: "Gib mir das Geld, das das Ausbeulen kostet, ich fahre mit Beule weiter und bezahle davon meinen Urlaub". Das ist völlig legal, sagt der Bundesgerichtshof.)
(4) Ein Beispiel (die Versicherung hat es bezahlt):
Eine Hausfrau hatte Mann, 2 Kleinkinder und einen Hund zu versorgen: Die Haushaltsarbeit machte sie zu ¾ und ihr Mann zu ¼. Durch den Unfall erlitt sie Verletzungen, die sie eine Weile behinderten:
- 21 Tage komplett arbeitsunfähig (100 % MdE)
- 11 weitere Tage fiel sie im Haushalt zu 70 % aus, dann
- 17 Tage war sie zu 30 %. Dann – nach 7 Wochen- war sie wieder gesund.
Sie erhielt für Ihren Ausfall im Haushalt rd. 2.500 €: Da verschätzen sich die Leute total! Das Schmerzengeld war halb so viel. Bei einem Dauerschaden kommt es nicht selten zu 6-stelligen Beträgen.
(5) Vorsicht: In diesem Bereich gibt es oft Abfindungsangebote, die viel zu niedrig liegen, eben weil sich die Leute so verschätzen.
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Das nur zur Einstimmung.
04 Weiteres:
Der Haushaltsführungsschaden ist nicht leicht zu fassen.
(a)
Das liegt daran, dass es für Haushaltsarbeit keine Normzeiten gibt (wie in der Autowerkstatt). Kaum jemand hat sich je aufgeschrieben, wie lange er zum Geschirrspülen braucht. Viele Arbeiten werden einfach vergessen: Weil die Arbeit und ihre Ergebnisse oft sehr unscheinbar sind. Der Zimmerermeister kann am Ende seiner Arbeit einen machtvollen Dachstuhl herzeigen, eindrucksvoll! Die Haushaltsarbeit liefert das nicht. Daher sind nicht etwa die Männer schuld, die gar nicht merken, dass die Fenster geputzt sind. Das sticht einfach nicht ins Auge.
(b)
Weiter liegt es daran, dass sich die Haushalte stark unterscheiden! Die Wohnfläche ist da eines von vielen Elemente. Aber das kann durch andere Faktoren deutlich überlagert werden:
Wenn einer seine KLEINE Wohnung vollgestopft mit Möbeln, Tischchen, Regalen hat, so dass man dazwischen kaum Platz hat: Dann wird das Staubsaugen sehr viel länger dauern, als in einer nur knapp möblierten Wohnung Typ "Bahnhofswatehalle zu Kaiser Wilhelms Zeiten".
Und: In dieser "Puppenstube" wird ein Mensch, der sich nicht mehr so recht "schlängeln" kann, deutlich größere Probleme haben als dort, wo viel freier Raum unnötig macht, dass man sich beim Staubwischen verbiegt wie die Weide im Wind.
(c)
Die Höhe des Schadensersatzes hängt ab von vielen Faktoren, zum Beispiel:
- Welche Verletzungen?
- Welche Arbeit hat der Vereltzte bisher im Haushalt übernommen?
- Was kann von diesen Arbeiten nicht mehr tun? (100 % MdE oder GdB 100 ist KEINE Voraussetzung. In der Regel geht's ab 20 % MdE los - es gibt Fälle, da liegt das drunter)(Die MdE ist KEIN Maß, um die Menge der Einschränkung im Haushalt zu bemessen, ständige Rechtsprechung des BGH!)
- Wieviel Zeit benötigt man für die Arbeiten, die man nicht mehr tun kann?
- Welchen Marktwert (=Nettostundensatz) hat diese Arbeit?
- Kann der Schaden auf zumutbare Weise gemindert werden?
(d)
Welchen Einfluss hat es, wenn die Familie, Freunde und Bekannte kostenlos ausgeholfen haben?
Da sagt der Bundesgerichtshof: Keinen! Das entlastet den Schädiger nicht, das heißt: Der Ausfall wird trotzdem ersetzt. Sonst würden die Die Ehepartner die Dummen und die Kinder die Sklaven der Versicherung. Ja, wie hätten wir es denn da
Der Versicherer kann übrigens nicht verlangen, dann anders zu wohnen als bisher. Er kann Deiner Familie nur sehr wenige Vorschriften machen, obwohl das pausenlos versucht wird. Du hast bisher so gelebt, wie Du gelebt hast. Das ist der Maßstab!)
(e)
Und was ist, wenn Du einfach den Haushalt runtergefahren hast auf einfacheres Niveau?
Da ist das Gleiche wie bei (d). Auch das entlastet den Versicherer nicht.
Hast Du jetzt eine erste Peilung? (Test: Wer sagt: "Ah, da schau einer an! Wirklich, heutzutag' gibt's jeden Tag was Neues!", der hat sie, die erste Peilung. Die Psychologen nennen das knackig den "Aha-Effekt".)
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