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Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages 2012

seenixe

Super-Moderator
Mitarbeiter
Registriert seit
31 Aug. 2006
Beiträge
8,874
Ort
Berlin
Hallo,

gestern war ich bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter e.V. in Verbindung mit der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dort traf ich viele Richter und noch viel mehr Schöffen. Dazu in einem anderen Beitrag mehr.
U.a. war auch der langjährige Präsident des Verkehrsgerichtstages anwesend und berichtete über die Empfehlungen des gerade zuende gegangenen Verkehrsgerichtstag 2012.
Die wichtigsten möchte ich Euch hier bekannt machen, weil das Gewicht des Verkehrsgerichtstages zumindest in dieser Richtung nicht zu unterschätzen ist.

Ansprüche naher Angehöriger von Unfallopfern
I. Schmerzensgeld für Angehörige
Eine finanzielle Entschädigung für nächste Angehörige Getöteter kann als Symbol für Mitgefühl mit dem seelischen Leid Genugtuung schaffen und ein Gefühl von Gerechtigkeit vermitteln. Die nach der Rechtsprechung gegebenen Ansprüche Angehöriger wegen eines „Schockschadens“ werden dem derzeit nicht gerecht.
In den Fällen fremd verursachter Tötung eines nahen Angehörigen soll ein Entschädigungsanspruch für Ehe- und Lebenspartner sowie Eltern und Kinder geschaffen werden. Nach Auffassung des Arbeitskreises sollte dieser durch die Legislative entwickelt werden.
Die Bemessung sollte den Gerichten nach den Umständen des Einzelfalls überlassen bleiben.
II. Ausweitung der Ersatzfähigkeit von Unterhaltsschäden
Der Gesetzgeber möge prüfen, ob der Schadensersatzanspruch nach § 844 Abs. 2 BGB auf faktisch bestehende und/oder vertraglich geregelte Unterhaltsberechtigungen ausgeweitet werden sollte.

II. (Mit) Haftung des Unfallopfers bei eigener Sorgfaltspflichtverletzung
1a) Unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung sollten Fahrradfahrer zum Selbstschutz im Straßenverkehr einen Helm tragen. Dies gilt insbesondere für Kinder.
1b) Führt das Nichttragen des Helms nachweislich zur Entstehung schwererer Verletzungen, kann das zur Minderung der Ersatzansprüche des Fahrradfahrers führen.
2a) Der Geschädigte muss an seiner Gesundung und an der Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit in zumutbarem Rahmen mitwirken.
2b) Die auf freiwilliger Basis erfolgte Inanspruchnahme des Reha-Managements durch den Geschädigten hat sich in der Praxis bewährt; es sollte verstärkt genutzt und aktiv eingefordert werden.
3a) In Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Schadenminderungspflicht des Geschädigten bei der Anmietung von Unfallersatzfahrzeugen sieht der Arbeitskreis aktuell keinen Handlungsbedarf.
3b) Auch bezüglich der Anrechnung des Restwerts des Unfallfahrzeugs sieht der Arbeitskreis gegenwärtig keinen Handlungsbedarf. Ein rechtzeitig vor einer Veräußerung zugehendes annahmefähiges Angebot des Haftpflichtversicherers muss sich der Geschädigte anrechnen lassen.
3c) Ein solches Angebot ist nur dann als annahmefähig anzusehen, wenn der Haftpflichtversicherer die ordnungsgemäße Abwicklung garantiert.

Verkehrsgefährdung durch krankheitsbedingte Mängel an Fahreignung und Fahrsicherheit
1. Der Arbeitskreis begrüßt das Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, das eine differenzierte Betrachtung der einzelnen kardiologischen Erkrankungen und ihrer Bedeutung für die Unfallrisiken und die Fahreignung ermöglicht. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie hat sich der „risk
of harm formula“ bedient, in der „Zeit am Steuer“, „Art des Fahrzeugs“, „Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Kontrollverlustes“ für die Risikoberechnung die wichtigsten Parameter sind. Ein solches Positionspapier kann zwar eine individuelle Beurteilung der Fahreignung nicht ersetzen, führt aber zu einer größeren Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der Risikoabschätzung.
2. Der Arbeitskreis fordert auch für die übrigen verkehrsrelevanten Erkrankungen eine differenzierte und wissenschaftliche Untersuchung der Risiken in Zusammenarbeit mit den medizinischen Fachgesellschaften. Darüber hinaus sind weitere Forschungen zur Häufigkeit von Unfällen aufgrund krankheitsbedingter Einschränkungen der Fahreignung erforderlich.
3. Die Regelungen der Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zu krankheitsbedingter Einschränkung der Fahreignung müssen konkretisiert werden. Die rechtliche Verbindlichkeit der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung muss geklärt werden. Diese Leitlinien müssen häufiger und differenzierter überarbeitet werden, da das medizinische, toxikologische und psychologische Wissen und die Terminologie einer schnellen Veränderung unterliegen.
4. Der Arbeitskreis fordert ein genaueres Anforderungsprofil für die in § 11 Abs. 2 S. 3 FeV genannten ärztlichen Gutachter. Die verkehrsmedizinische Ausbildung muss umfassender und auf die jeweilige fachspezifische Qualifikation des Arztes abgestimmt sein. Die Fortbildung der Gutachter muss
verpflichtend sein.
5. Zahl und Ergebnisse der ärztlichen Gutachten zu den krankheitsbedingten Einschränkungen der Fahreignung sollten statistisch erfasst werden. Die Qualität der ärztlichen Gutachten sollte anhand einer Stichprobe überprüft werden, damit Vorschläge für eine Verbesserung der Begutachtung gemacht werden können. Ein Gutachten kann auch dann qualifiziert sein, wenn der Sachverständige nicht entscheidbare Fälle auch ausdrücklich so einstuft.
6. Über die bereits vom VGT 2005 getroffene Feststellung hinaus, dass der behandelnde Arzt in Extremfällen nicht an die ärztliche Schweigepflicht gebunden ist, befürwortet der Arbeitskreis in Fällen akuter Gefahr ein Recht des Arztes, einen uneinsichtigen oder unverständigen Patienten, der krankheitsbedingt aus seiner Sicht nicht fahrtüchtig ist, der Polizei zu melden.

Der Kfz-Sachverständige in der Unfallregulierung
Der Arbeitskreis stellt fest, dass trotz der Maßnahmen der Sachverständigenorganisationen und Bestellungskörperschaften zur Qualifizierung ihrer Sachverständigen der Anteil mangelhafter Gutachten durch nicht qualifizierte Sachverständige nach wie vor zu hoch ist.
1. Der Arbeitskreis wiederholt deshalb mit Nachdruck die bereits auf den Verkehrsgerichtstagen 1985 und 2003 an den Gesetzgeber gerichtete Forderung, eine Berufsordnung für Sachverständige der Bereiche Kraftfahrzeugschäden und –bewertung sowie Straßenverkehrsunfälle zu schaffen.
2. Dabei sollte als Eingangsvoraussetzung für den Bereich Kraftfahrzeugschäden und – bewertung unter Berücksichtigung angemessener Übergangsregelungen eine Ingenieuroder ingenieurähnliche Ausbildung (insbesondere Kfz-Meister mit Zusatzausbildung) festgelegt werden.
3. Für den Bereich Straßenverkehrsunfälle ist eine Ingenieur- oder technischnaturwissenschaftliche Ausbildung obligatorisch. Hierzu sind geeignete (Hochschul-)Studiengänge zu schaffen, auch um dem sich abzeichnenden Nachwuchsmangel Rechnung zu tragen.
4. Unabhängigkeit und Neutralität sind unverzichtbare Voraussetzungen für die Tätigkeit der Sachverständigen. Sie sind von allen an der Schadenregulierung Beteiligten zu beachten. Der Sachverständige hat weisungsfrei zu arbeiten. Jegliche Einflussnahme auf den Inhalt des Gutachtens ist zu unterlassen.
5. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, im Zusammenhang mit der Schaffung einer einschlägigen Berufsordnung auch eine Gebührenordnung für Sachverständige der Bereiche Kraftfahrzeugschäden und –bewertung sowie Straßenverkehrsunfälle zu erlassen.

Zumindest stehen die Unfallopfer nach diesen Empfehlungen nicht mehr alleine und auch Forderungen nach gesetzlichen Änderungen werden von anderer Stelle laut.
Wenn der Gesetzgeber sich mit der Problematik der Sachverständigen beschäftigen sollte, dann kommen auch unsere medizinischen Gutachter in das Blickfeld der Überprüfung und mal schauen, was dann so passiert.

Gruß von der Seenixe
 
Hallo,

ich habe u. a. das Thema "REHA-Dienst" aufgetischt, da es immer wieder s. u.
beim VGT auftaucht:eek:


Auch aus eigenen Erfahrungen heraus kann ich darlegen, dass die REHA- Dienst- Geschichte ggf. auch ein Rattenschwanz nach sich ziehen kann.

In erster Linie geht es m. E. um "Kosteneinsparungen" der Versicherer und das nicht immer zum Wohle der Geschädigten/Unfallopfer
.:(

Dito DAV s. a. Ende;)


Empfehlungen 2012:
2a) Der Geschädigte muss an seiner Gesundung und an der Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit in zumutbarem Rahmen mitwirken.

2b) Die auf freiwilliger Basis erfolgte Inanspruchnahme des Reha-Managements durch den Geschädigten hat sich in der Praxis bewährt; es sollte verstärkt genutzt und aktiv eingefordert werden:confused:.
Quelle:

50. Deutscher Verkehrsgerichtstag 25. bis 27. Januar 2012 in Goslar
Presse - Information

Arbeitskreis II: (Mit) Haftung des Unfallopfers bei eigener Sorgfaltspflichtverletzung
- Eigenverantwortung des Geschädigten -
- Normierte / nicht normierte Pflichten -
- Quotierung oder Pauschalierung -

Leitung: Hermann Lemcke, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Hamm a.D.,
Rechtsanwalt bei Dr. Eick & Partner, Bochum
Referent: Dr. Claudia Held, Abteilungsleiterin Spezialschaden, Generali Deutschland
Schadenmanagement GmbH, Köln
Referent: Jost Henning Kärger, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Stellv. Leiter Verkehrsrecht,
Juristische Zentrale, ADAC e.V., München
Referent: Dr. Hans-Joseph Scholten, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Düsseldorf, 1. Zivilsenat, Düsseldorf


46. Deutscher Verkehrsgerichtstag 23. bis 25. Januar 2008 in Goslar
(Empfehlungen) Arbeitskreis I

Personenschadensmanagement
1. Das privat organisierte Reha-Management ist geeignet, die gesundheitliche Situation
von Unfallopfern zu optimieren und zur sozialen und beruflichen Reintegration beizutragen.
Es ersetzt allerdings nicht die Sozialversicherungsleistungen, sondern
ergänzt diese.
2. Der Verkehrsgerichtstag appelliert an die anwaltliche Vertretung der Verletzten, in geeigneten
Fällen frühzeitig die Einleitung des Reha-Managements initiativ vorzuschlagen
und zu begleiten.
3. Die für die effektive Arbeit des Reha-Managements erforderliche Unabhängigkeit
sollte dadurch sichergestellt werden, dass dem Handeln des Reha-Managers die von
der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) im Jahre
2001 verabschiedeten Grundsätze („Code of Conduct des Reha-Managements“, MittBl.
der Arge VerkR 2002, 86) zugrundegelegt werden.

Referenten:
Detlef Schröder, VGH Versicherungen, Hannover

Stefan Lauer, Ass.jur., Geschäftsführer der rehacare GmbH,
Gesellschaft der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, München

Dr. Klaus Schneider, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht,
Langenhagen


38. Deutscher Verkehrsgerichtstag 26. bis 28. Januar 2000 in Goslar
(Empfehlung)


Arbeitskreis II:
"Schadensmanagement beim Personenschaden"

In vielen Fällen reichen die Instrumentarien des sozialen Sicherungssystems allein nicht aus,
für Unfallopfer zeitnah, individuell und bestmöglich die soziale und berufliche
Wiedereingliederung zu gewährleisten.
Deshalb empfiehlt der Arbeitskreis die Einschaltung eines privaten
Rehabilitationsmanagements in geeigneten Fällen auf freiwilliger Basis. Zum Schutze des
Verletzten und zur Sicherung seines Rechtes auf Selbstbestimmung sollten dabei folgende
Grundsätze beachtet werden:
1. Der beauftragte Rehabilitationsdienst muss vom Versicherer personell und
organisatorisch unabhängig und in der Bearbeitung weisungsfrei sein.
2. Die vom Rehabilitationsdienst über den Verletzten erhobenen Daten dürfen nur zum
Zwecke der Rehabilitation weitergegeben werden.
3. Zur Sicherung der Qualität, der Objektivität und Wahrung der Unabhängigkeit des
Rehabilitationsdienstes wird die Errichtung eines Beirates oder einer vergleichbaren
Einrichtung empfohlen. Dieser soll aus mindestens drei Personen aus den Bereichen
Medizin, Recht und Arbeits-/Sozialwesen bestehen.

Quelle:
http://www.deutsche-verkehrsakademie.de/


Info DAV:
Der verletzte Geschädigte darf nicht durch die Drohung, Schadensersatzansprüche zu verlieren, gezwungen werden, solche Personen einzuschalten. Ihm muss die Möglichkeit gelassen werden, für sich selbst zu sorgen.

100 Punkte, wenn die Aussage ernst gemeint war;)

Quelle:
http://www.verkehrsanwaelte.de/pres...rdern-freie-wahl-und-unabhaengigkeit-des-per/


Grüße

Siegfried21
 
Berufsordnung für Sachverständige

Hallo Seenixe,

etwas ähnliches gibt es ja schon. Nennt sich öffentlich bestellt und vereidigt. Und, ist deswegen die Qualität und Unabhängigkeit gewährleistet? Ob nun medizinischer SV oder technischer SV, die Erfahrungen zeigen eindeutig andere Ergebnisse.

Kein Wunder, denn die Prüfung für die Zulassung zur Öffentlichen Bestellung und Vereidigung wird ja genau durch die vorgenommen, die als Mitbewerber fungieren. Wer also nicht deren Marschrichtung geht, wird kurzerhand als untragbar gewertet. So sieht die Realität aus. Und daran wird auch eine staatlich verordnete Berufsordnung nichts ändern. Leider.

Herzliche Grüße vom RekoBär:)
 
Ich war in Goslar in der Arbeitsgruppe für das Angehörigenschmerzensgeld. Das wird ganz sicher kommen, früher oder später, ich tippe mal es dauert vielleicht noch 5 Jahre. Grund dafür ist die europäische Harmonisierung. Die meisten anderen europäischen Länder kennen Angehörigenschmerzensgeld bereits, in den unterschiedlichsten Ausprägungen, wir kennen nur das Schmerzensgeld für einen "Schockschaden", welches aber fast nie zuerkannt wird, weil die Hürden dafür zu hoch sind...

Aus unserem deutschen Rechtsverständnis heraus ist das Konstrukt, dass jemand Schmerzensgeld bekommt, ohne Schmerzen haben zu müssen, fremd. Dafür sind wir (mit) das einzige Land in Europa, in welchem man für den reparaturbedingten Ausfall unseres heiss geliebten Autos ein "Schmerzensgeld" bekommt, und zwar den Nutzungsausfall....

Ich persönlich halte das Angehörigenschmerzensgeld für richtig, auch wenn ich denke, dass man es nicht nur am Grad der Verwandtschaft festmachen sollte. Warum sollte ein naher Angehöriger, der bereits vor Jahrzehnten mit der Familie gebrochen hat, es keinerlei Kontakt mehr gibt, einen solchen Anspruch haben.... ? Naja, über solche Fragen wird sicherlich noch zu diskutieren sein, letztlich aber führt kein Weg daran vorbei.....

Gruß,
Double
 
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